TE Vfgh Erkenntnis 1995/2/28 B898/94, G164/94, G165/94

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Veröffentlicht am 28.02.1995
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
EWR-Abkommen Anhang XII
Tir GVG 1983 §3 Abs2 lita
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita
Tir GVG 1993 §40 Abs3
Tir GVG 1993 §41 Abs2

Leitsatz

Keine denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Ausländergrunderwerbs aufgrund eines Vermächtnisses infolge Annahme drohender Überfremdung; keine Bedenken gegen die Bewilligungspflicht des Rechtserwerbs von Todes wegen durch nicht zu den gesetzlichen Erben zählende, ausländische Rechtsnachfolger und gegen die Übergangsbestimmungen des Tir GVG 1993 im Hinblick auf das Verbot der Diskriminierung von EWR-Bürgern nach dem EWR-Abkommen

Spruch

I. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

II. Die Anträge, "§3 Abs2 lita des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Tiroler LGBl. Nr. 69 in der Fassung der Novelle 1991, Tiroler LGBl. Nr. 74/1991, sowie nach §§40 Abs3 und 41 Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1993, Tiroler LGBl. Nr. 82" als verfassungswidrig aufzuheben, werden zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit letztwilliger Anordnung vom 15. August 1987 setzte eine österreichische Staatsbürgerin ein Grundstück samt darauf errichteter Berghütte in der KG Rinnen den Beschwerdeführern - alle sind Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland - als Vermächtnis aus. Am 19. September 1992 verstarb die Vermächtnisgeberin. Dem letztwilligen Rechtserwerb versagte die Grundverkehrsbehörde Berwang mit Bescheid vom 16. Juli 1993 unter Berufung auf §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 und des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), die grundverkehrsbehördliche Zustimmung.

2. Die dagegen rechtzeitig erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission vom 28. Februar 1994 als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß sich dieser auch auf §4 Abs2 lita leg.cit. zu stützen habe. Nach Darstellung der maßgeblichen Rechtslage wird diese abweisliche Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß in der Gemeinde Berwang nach der im Zuge der Volkszählung 1991 durchgeführten Häuser- und Wohnungszählung rund 7% der Wohnungen im Eigentum von ausländischen Staatsangehörigen stünden, sodaß schon allein deshalb Überfremdungsgefahr für die Gemeinde bestehe. Bei diesem Ergebnis könne es dahingestellt bleiben, ob der vorliegende Rechtserwerb auch noch in Widerspruch zu den landwirtschaftlichen Schutzinteressen iSd. §4 Abs1 GVG 1983 stehe.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Dazu wird im wesentlichen ausgeführt, daß zwar "Regelungen, die den Grundstücksverkehr für den Ausländer (betreffen), einschließlich des Rechtserwerbes von Todes wegen, in die Kompetenz der Länder übertragen (wurden). Ungeachtet dessen gilt seit 1.1.1994 die Gleichbehandlungsregelung des EWR-Abkommens, weshalb die Benachteiligung von EWR-Bürgern, die nicht Österreicher sind, unzulässig ist." Des weiteren liege eine gehäufte Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde vor, weil diese nicht das Verhältnis von In- und Ausländern insgesamt und im speziellen für die betroffene KG Rinnen erhoben habe.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Die Beschwerde trägt gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Bestimmungen des §3 Abs2 lita des GVG 1983 (wonach es beim Rechtserwerb durch Erben oder Vermächtnisnehmer, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, nur dann nicht der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf, wenn die Rechtsnachfolger zu den gesetzlichen Erben zählen) sowie der §§40 Abs3 und 41 Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993, (wonach die bei Inkrafttreten des GVG 1993 anhängigen grundverkehrsrechtlichen Verfahren nach dem GVG 1983 zu Ende zu führen sind und die Gleichbehandlung aufgrund des EWR-Abkommens erst mit 1. Jänner 1996 in Kraft tritt) das Bedenken vor, sie widersprächen dem im EWR-Abkommen verankerten und mit 1. Jänner 1994 in Kraft getretenen Verbot der Diskriminierung von EWR-Bürgern aus Gründen der Staatsangehörigkeit.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hält dieses Bedenken nicht für stichhaltig. Sollte nämlich der vorliegende Rechtserwerb den Garantien der Freiheit des Kapitalverkehrs nach dem EWR-Abkommen unterliegen, wäre zu beachten, daß Anhang XII des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) samt Beilagen, BGBl. 909/1993, Österreich ausdrücklich ermächtigt, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens bestehende innerstaatliche Rechtsvorschriften zur Regelung von Eigentum von Ausländern und/oder Eigentum von Gebietsfremden bis 1. Jänner 1996 beizubehalten. Unter den genannten Voraussetzungen liegt es dann aber auf der Hand, daß es sich bei den Regelungen des GVG 1983, die den Grundstücksverkehr für Ausländer betreffen, um derartige, ausdrücklich als zulässig erklärte handelt. Andere Bedenken wurden weder vorgebracht noch sind solche im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hervorgekommen (vgl. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des §3 Abs2 GVG 1983 zuletzt etwa VfSlg. 13164/1992, VfGH 30.11.1993, B1216/93).

Insbesondere bringt die Beschwerde auch gegen die von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung des §4 Abs2 GVG 1983 keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor; solche sind auch beim Verfassungsgerichtshof aus Anlaß dieser Beschwerde nicht entstanden (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 13261/1992, 13459/1993 mwH).

1.3. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen ist es ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

2. Das in Art6 StGG normierte Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes sowie der in Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG normierte Gleichheitssatz beziehen sich nur auf Bundesbürger, nicht aber auch auf Ausländer (vgl. VfSlg. 12770/1991, 13303/1992). Es ist deshalb ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer, durchwegs deutsche Staatsangehörige, durch den angefochtenen Bescheid in diesen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt werden könnten.

3. Da die belangte Behörde auf Grund eines verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ermittlungsverfahrens zum keineswegs denkunmöglichen Schluß gelangte, der Anteil der ausländischen Wohnungseigentümer in Berwang betrage rund 7%, sodaß in der Gemeinde Überfremdung einzutreten drohe (vgl. VfSlg. 12703/1991, 13303/1992), wurden die Beschwerdeführer auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem sonstigen, von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wären.

4. Die Beschwerde war deshalb insgesamt als unbegründet abzuweisen.

III. 1. Zugleich mit der Beschwerde stellten die Beschwerdeführer ausdrücklich die Anträge, "§3 Abs2 lita des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Tiroler LGBl. Nr. 69 in der Fassung der Novelle 1991, Tiroler LGBl. Nr. 74/1991, sowie nach §§40 Abs3 und 41 Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1993, Tiroler LGBl. Nr. 82" als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfGH 27.9.1990, B105/90, G16/90; 15.6.1992, B57/92, G9/92) fehlt die Legitimation, einen Antrag nach Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG zu stellen, jedenfalls dann, wenn bereits ein anderes Verfahren anhängig ist, in dem die Möglichkeit besteht, die Behauptung, ein Gesetz sei verfassungswidrig, an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Eine solche Möglichkeit besteht hier im Rahmen des Beschwerdeverfahrens B898/94; von ihr haben die Antragsteller auch - wenngleich erfolglos - Gebrauch gemacht (s.o. Pkt. II.).

3. Die Gesetzesprüfungsanträge waren daher schon mangels Legitimation zurückzuweisen.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 sowie §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Ausländergrunderwerb, Übergangsbestimmung, Überfremdung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B898.1994

Dokumentnummer

JFT_10049772_94B00898_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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