TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/17 I405 1422991-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.03.2021
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Entscheidungsdatum

17.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2
StGB §223 Abs2
StGB §224
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I405 1422991-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ghana, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2017, Zl. 554123507-1960657, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.01.2021 zu Recht erkannt:

A) I. Der erste Spruchteil des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides lautet wie folgt:

„Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt“.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides insofern stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG auf die Dauer von 3 Jahren herabgesetzt wird.

III. Im Übrigen wird die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein ghanaischer Staatsbürger, reiste am 19.05.2011 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.07.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Mit Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 11.11.2011, Zl. 11 06.978-BAE, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie gemäß § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. Zugleich hatte das Bundesasylamt die Ausweisung des BF aus dem Bundesgebiet nach Ghana verfügt. Der BF erhob dagegen Beschwerde an den Asylgerichtshof (nunmehr Bundesverwaltungsgericht).

3.       Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.12.2016, W184 1422991-12E, wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid wurde im Umfang des Spruchpunktes III. aufgehoben und die Angelegenheit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

4.       Mit Verfahrensanordnung vom 19.12.2016 stellte die belangte Behörde dem BF zahlreiche Fragen zu seinem Aufenthalt und seinem Privat- und Familienleben in Österreich und räumte ihm zur Stellungnahme eine Frist von zwei Wochen ein.

5.       Mit Stellungnahme vom 02.01.2017 führte die Freundin des BF aus, dass dieser keine Verwandte in Österreich habe. Ab 10.01.2017 würde er einen vom Arbeitsmarktservice geförderten Deutschkurs aufsuchen. Derzeit wohne der BF bei seiner Freundin und komme diese für den gemeinsamen Unterhalt auf. Der BF befinde sich jedoch auf aktiver Arbeitssuche und habe er als Freigänger bereits als Hilfsarbeiter gearbeitet, wobei er durch die Justizanstalt angestellt gewesen sei.

6.       Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2017 wurde mit Spruchpunkt I. dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ghana zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt II). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.).

7.       Gegen diesen Bescheid erhob der BF rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde ausgeführt, dass durch die lange Aufenthaltsdauer des BF relevante Faktoren iSd Art 8 Emrk entstanden seien. Der BF sei gut integriert, er führe eine Lebensgemeinschaft, besuche einen Deutschkurs und sei in einer Kirchengemeinde aktiv. Negative Gewohnheiten würde der BF nicht pflegen.

8.       Am 14.01.2021 fand in Anwesenheit des BF, eines Dolmetschers sowie eines Vertreters der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

9.       Am 18.01.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme der belangten Behörde ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Ghana, gehört der Volksgruppe der Ibo an, ist kinderlos, ledig und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Der BF leidet an keinen derartigen psychischen und physischen Beeinträchtigungen, die einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würde und ist arbeitsfähig.

Der BF reiste illegal nach Österreich, wo er sich seit (spätestens) 19.05.2011 aufhält.

Der BF besuchte für fünf Jahre die Grundschule. Er finanzierte sich seinen Lebensunterhalt in Ghana als Verkäufer und hat er somit auch hinkünftig eine Chance am ghanaischen Arbeitsmarkt unterzukommen. Die Geschwister des BF sind in Nigeria aufhältig und steht er mit diesen auch in regelmäßigen Kontakt. In Ghana leben Verwandte mütterlicherseits.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in Nigeria geboren ist.

Der BF lebt in einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Sie führen einen gemeinsamen Haushalt. Die Lebensgefährtin des BF kommt für die Miete der gemeinsamen Wohnung auf und der BF trägt die Nebenkosten. Die Lebensgefährtin des BF steht in keiner finanziellen Abhängigkeit zum BF.

Der BF verfügt in Österreich über keine Verwandte.

Der BF ist selbsterhaltungsfähig und sozialversichert. Er arbeitet als Hilfsarbeiter bei einer Altholzmanufaktur.

Der BF besuchte keinen Deutschkurs und hat er bislang keine Prüfung über seine Sprachkenntnisse abgelegt. Der BF ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen integrationsbegründenden Organisation. Weiters verfügt der BF über keinen Freundes- bzw. Bekanntenkreis. Insgesamt weist der BF keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, sozialer und kultureller Hinsicht auf.

Der BF weist in Österreich vier strafrechtliche Verurteilungen auf:

Er wurde erstmals mit Urteil des LG XXXX , vom 06.06.2011 wegen §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB zu einer bedingten nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt.

Des Weiteren wurde der BF mit Urteil des LG XXXX vom 13.10.2011 wegen §§ 27 Abs. 1 Z1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Zwei Monate dieser Freiheitsstrafe wurden bedingt nachgesehen.

Es folgte eine weitere Verurteilung des BF durch das LG für Strafsachen Wien vom 22.10.2013 wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten, wobei die bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe aus der ersten Verurteilung widerrufen wurde.

Zuletzt wurde der BF mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.01.2015, Zl. XXXX , wegen §§ 27 Abs. 1 Z1 achter Fall und Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung liegen folgende Taten zugrunde: Der BF hat am 13.10.2014 in Wien Kokain anderen gewerbsmäßig durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, und zwar dem A. S. drei Kugeln zu insgesamt 0,5 Gramm brutto um insgesamt € 20,- und versucht zu überlassen, und zwar eine Kugel zu 0,1 Gramm brutto, indem er diese durch Aufbewahrung in seinem Mund an einer szenetypischen Örtlichkeit zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf bereithielt.

Bei der Strafbemessung wertete das Gericht als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall nach Haftentlassung und die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit, als mildernd, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes. Das Strafgericht führte in seiner rechtlichen Beurteilung wie folgt aus: „Aufgrund der Gefährlichkeit des Täters in Bezug auf sein durch zwei einschlägige Vorstrafen getrübtes Vorleben sowie aufgrund der Tatsache, dass er sich schon mehrmals der Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht als nicht würdig gezeigt hat, war jedenfalls eine empfindliche unbedingte Freiheitsstrafe zu verhängen, um den völlig uneinsichtigen Angeklagten das Unrecht seiner Straftat eindrucksvoll vor Augen führen zu können sowie die Begehung weiterer solcher strafbaren Handlungen durch andere entgegenzuwirken. …“

Eine Rückkehr des BF nach Ghana würde ihn nicht in Gefahr bringen. Der BF ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, wonach die Abschiebung des BF in seinen Heimatstaat Ghana unzulässig wäre und solche wurden im gegenständlichen Beschwerdeverfahren auch nicht vorgebracht.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Dem BF wurde im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ghana übermittelt. Daraus ergeben sich folgende entscheidungswesentliche Feststellungen:

Ghana ist ein sicherer Herkunftsstaat iSd Herkunftsstaatenverordnung

Politische Lage

Ghana ist eine Präsidialdemokratie (AA 24.2.2020a; vgl. GIZ 5.2020a). Die aktuelle Regierungspartei New Patriotic Party (NPP) um Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo verfügt über eine absolute Mehrheit im Parlament (AA 24.2.2020). Ghana blickt seit 1992 auf eine Reihe demokratischen Standards entsprechenden Wahlen zurück. Zum letzten Machtwechsel kam es nach den Wahlen am 07.12.2016, bei denen sich die damalige oppositionelle New Patriotic Party (NPP) deutlich gegen die damalige Regierungspartei National Democratic Congress (NDC) durchsetzen konnte. Seither verfügt die NPP über 171 der 275 Parlamentssitze, der NDC über 104 (AA 29.2.2020).

Die größte Oppositionspartei ist der National Democratic Congress (NDC). Andere Parteien sind im Parlament nicht vertreten. Die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sind für Dezember 2020 geplant (AA 24.2.2020a).

Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo hat mit seiner Ankündigung, Ghana wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen und mittelfristig von Entwicklungszusammenarbeit unabhängig zu machen („Ghana Beyond Aid“) hohe Erwartungen geweckt, einige Wahlversprechen, wie z.B die Schaffung vieler neuer Arbeitsplätze, sind jedoch unerfüllt (AA 29.2.2020). Die Schwerpunkte des Leitmotives “Ghana Beyond Aid” liegen auf der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Trotz makroökonomischer Erfolge und überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum bleiben große Herausforderungen wie eine hohe Staatsverschuldung, Schaffung von Arbeitsplätzen, Bekämpfung von Korruption und eine wachsende soziale und regionale Ungleichheit bestehen (AA 24.2.2020a).

Die Verfassung des Regierungssystems der Republik Ghana vom 7.1.1993 garantiert Parteienpluralismus, Gewaltenteilung und die Menschenrechte. Der Staatspräsident ist zugleich Regierungschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Seine Amtszeit beträgt vier Jahre, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Der Staatspräsident ernennt die Mitglieder des Kabinetts, die aber vom Parlament bestätigt werden müssen. Neben der Regierung gibt es einen 25-köpfigen Staatsrat (Council of State), der bei der Gesetzgebung und wichtigen Personalentscheidungen eine beratende Funktion einnehmen kann. Des Weiteren gibt es einen Nationalen Sicherheitsrat, besetzt mit dem Staatspräsidenten, seinem Stellvertreter, mehreren Ministern, Spitzen des Militärs und der Polizei sowie der Nachrichtendienste (GIZ 5.2020a).

Die Legislative besteht aus einem Einkammerparlament mit derzeit 275 Abgeordneten. Darüber hinaus verfügt jede Region über ein „House of Chiefs“ und „District Assemblies“. Für die Parlamentswahlen gilt das Mehrheitswahlrecht, somit erhält der jeweilige Wahlkreiskandidat mit den meisten Stimmen das Mandat. Wiederwahl ist unbeschränkt möglich. Die Legislaturperiode beträgt vier Jahre und deckt sich mit der Amtszeit des Staatspräsidenten. Die Wahlkommission hat durch ihre Kompetenz und Unabhängigkeit maßgeblich zur politischen Stabilisierung Ghanas beigetragen (GIZ 5.2020a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (24.2.2020a): Ghana – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ghana-node/politisches-portraet/203398, Zugriff 15.6.2020

-        AA - Auswärtiges Amt (29.2.2020): AA-Bericht zu Ghana (sHks), https://www.ecoi.net/en/file/local/2028003/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Ghana_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG_%28Stand_Dezember_2019%29%2C_29.02.2020.pdf, Zugriff 15.6.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020a): Ghana - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/ghana/geschichte-staat/, Zugriff 15.6.2020

Sicherheitslage

Ghana kann als relativ stabil bezeichnet werden (EDA 15.6.2020). Es besteht insbesondere im Norden (Northern Region, North-East, Savannah Region, Upper West and Upper East) eine erhöhte Gefahr terroristischer Gewaltakte und Entführungen, nicht zuletzt durch Einsickern von terroristischen oder kriminellen Gruppen aus Burkina Faso (AA 15.6.2020; vgl. EDA 15.6.2020). In den nördlichen Landesteilen besteht die Gefahr von Auseinandersetzungen zwischen lokalen Bevölkerungsgruppen (AA 15.6.2020; vgl. EDA 15.6.2020), die in einzelnen Fällen Todesopfer und Verletzte gefordert haben (EDA 15.6.2020). Ausnahmezustand und Ausgangssperren werden je nach Lage kurzfristig verhängt (EDA 15.6.2020). Außerdem kann das Risiko von Entführungen nicht ausgeschlossen werden (EDA 15.6.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt, Ghana - Reise- und Sicherheitshinweise (15.6.2020): https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ghana-node/ghanasicherheit/203372, Zugriff 15.6.2020

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (15.6.2020): Reisehinweise für Ghana, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/ghana/reisehinweise-fuerghana.html, Zugriff 15.6.2020

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Justiz ist unabhängig (AA 29.2.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Richterinnen und Richter genießen Immunität bei der Ausübung der richterlichen Gewalt, wenngleich immer wieder Vorwürfe politischer Einflussnahme der Exekutive auf die Justiz, vor allem gegen das Oberste Gericht, erhoben werden. Immer wieder werden Fälle von Korruption in der Justiz bekannt (AA 29.2.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Im Mai 2018 suspendierte Präsident Akufo-Addo vier Richter des Obersten Gerichtshofs aufgrund von Bestechungsvorwürfen, die auf das Jahr 2015 zurückgehen ( USDOS 11.3.2020).

Problematisch bleiben politische Einflussnahme der Exekutive auf die Justiz, die lange Verfahrensdauer von Gerichtsprozessen, sowie eine in Strafsachen häufig sehr lange Untersuchungshaft ohne formelle Erhebung einer Anklage. Dazu ist die Justiz korruptionsanfällig. Auch der Zugang zur Gerichtsbarkeit für mittellose Kläger ist nicht ausreichend gewährleistet (AA 29.2.2020). Berichten zufolge akzeptierten Justizbeamte Bestechungsgelder, um Fälle zu beschleunigen oder zu verschieben, Aufzeichnungen zu "verlieren" oder günstige Entscheidungen für den Zahler zu treffen (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung unternahm einige Schritte, um gegen Korruption und Missbrauch durch Beamte vorzugehen, sei es in den Sicherheitskräften oder anderswo in der Regierung. Dazu gehörte die Verabschiedung und Unterzeichnung des Gesetzes über das Recht auf Information im Mai 2019, das die Rechenschaftspflicht und Transparenz der Regierung verbessern soll. Die Straflosigkeit blieb jedoch ein Problem (USDOS 11.3.2020).

In Ghana herrscht Rechtspluralismus, wobei das säkulare nationale Recht auf dem britischen Common Law basiert. Im Familien- und Privatrecht wird oft auch nach traditionellem Recht entschieden. Die Gerichtsbarkeit gliedert sich in den Obersten Gerichtshof (Supreme Court), der auch über Verfassungsklagen entscheidet, und den nachgeordneten Instanzen (Court of Appeal), High Courts und Regional Tribunals (GIZ 5.2020a).

Die Regierung unter Präsident Akufo-Addo bekennt sich mit Nachdruck zu rechtsstaatlichen Strukturen, wobei Anspruch und Wirklichkeit noch recht weit auseinander liegen. Eine Rechtsbeschwerdeabteilung im Justizministerium, die von einem pensionierten Richter des Obersten Gerichtshofs geleitet wird, befasst sich mit Beschwerden aus der Öffentlichkeit, wie ungerechte Behandlung durch ein Gericht oder einen Richter, unrechtmäßige Verhaftung oder Inhaftierung, fehlende Prozesslisten, verspätete Gerichtsverhandlungen und Urteilsverkündung sowie Bestechung von Richtern. Die Regierung respektiert im Allgemeinen Gerichtsbeschlüsse (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (24.2.2020a): Ghana - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ghana-node/politisches-portraet/203398, Zugriff 15.6.2020

-        AA - Auswärtiges Amt (29.2.2020): AA-Bericht zu Ghana (sHks), https://www.ecoi.net/en/file/local/2028003/Deutschland_Ausw%C3%A4rtiges_Amt 2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Ghana_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG_%28Stand_Dezember_2019%29%2C_29.02.2020.pdf, Zugriff 15.6.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020a): Ghana - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/ghana/geschichte-staat/, Zugriff 15.6.2020

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Ghana, https://www.ecoi.net/local_link/306262/443534_de.html https://www.ecoi.net/en/document/2026420.html, Zugriff 15.6.2020

Sicherheitsbehörden

Die Tätigkeit der Polizei ist in der Verfassung verankert. Ihre Befugnisse sind im Wesentlichen im „Public Order Act” von 1994 normiert; das „Police Council“ überwacht ihre Tätigkeit (AA 29.2.2020). Sie untersteht dem Innenministerium und ist für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung verantwortlich (USDOS 11.3.2020). Fallweise werden auch Militäreinheiten zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung eingesetzt (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 29.2.2020).

Die Tätigkeit des Geheimdienstes BNI (Bureau of National Investigations), der dem Nationalen Sicherheitsberater untersteht, ist im „Security and Intelligence Agencies Act” von 1996 geregelt (AA 29.2.2020). Das BNI behandelt Fälle, die entscheidend für die Staatssicherheit sind und untersteht direkt dem Ministerium für nationale Sicherheit. Die zivilen Behörden behielten im Allgemeinen die effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 11.3.2020). Hingegen berichtet das Auswärtige Amt, dass, es bisweilen, mangels ausreichender Kontrolle durch die Zivilbehörden zu eigenmächtigem Handeln der Sicherheitskräfte kommt. Hierbei kommt es zu Menschenrechtsverletzungen (AA 29.2.2020).

Polizeigewalt, Korruption, Schlampereien, Nachlässigkeit und Straflosigkeit stellen ein Problem dar. Es kommt zu Verzögerungen bei der strafrechtlichen Verfolgung von Verdächtigen, zu Berichten über die Zusammenarbeit der Polizei mit Kriminellen und zu einer weit verbreiteten öffentlichen Wahrnehmung der Inkompetenz der Polizei. Die Polizei reagiert oft nicht auf Berichte über Missbräuche und handelt in vielen Fällen nicht, es sei denn, die Beschwerdeführer bezahlten die Fahrt- und andere Betriebskosten der Polizei (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (29.2.2020): AA-Bericht zu Ghana (sHks), https://www.ecoi.net/en/file/local/2028003/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Ghana_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG_%28Stand_Dezember_2019%29%2C_29.02.2020.pdf, Zugriff 15.6.2020

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Ghana, https://www.ecoi.net/local_link/306262/443534_de.html https://www.ecoi.net/en/document/2026420.html, Zugriff 15.6.2020

Allgemeine Menschenrechtslage

Im regionalen Vergleich ist die Menschenrechtssituation gut (AA 29.2.2020). Unmittelbare und gezielte staatliche Repressionen und diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis gegenüber bestimmten Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind in Ghana nicht festzustellen. Dies gilt nicht für die Merkmale der sexuellen Orientierung und Geschlechteridentität (AA 29.2.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Die Grundfreiheiten und Menschenrechte sind in der Verfassung eingehend definiert und garantiert. In Art. 21 sind die politischen Grundrechte auf freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit sowie die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit niedergelegt. Geschützt und überwacht wird die Menschenrechtslage in Ghana durch die in der Verfassung verankerte unabhängige nationale Menschenrechtskommission Commission on Human Rights and Administrative Justice (CHRAJ). In einigen Fällen ist es aufgrund der Untersuchungsergebnisse zu Rücktritten oder Amtsenthebungen der betroffenen Personen gekommen (AA 29.2.2020).

Auch wenn Ghana den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ratifiziert hat, fehlt es noch immer an einer vollständigen Umsetzung der Vorschriften in nationales Recht. Verfassungsrechtlich sind wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verankert. Der Umsetzung dieser Rechte stehen die verbreitete Armut und wachsende soziale Ungleichheit des Landes im Wege, trotz „lower middle income country“-Status. Seit 2011 können selbst Privatpersonen und NGOs im Falle von Menschenrechtsverletzungen den afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen (AA 29.2.2020).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsproblemen gehören Menschenhandel, ausbeuterische Kinderarbeit, einschließlich der Kinderzwangsarbeit, wie auch harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen. Weitere Menschenrechtsprobleme sind die Anwendung exzessiver Gewalt durch die Polizei, Vergewaltigung, willkürliche Festnahmen von Journalisten oder längere Untersuchungshaft, Korruption auf allen Ebenen der Regierung, gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen, Gewalt gegen Frauen und Kinder, darunter weibliche Genitalverstümmelung (FGM/C), gesellschaftliche Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und Menschen mit HIV/AIDS, so wie von Lesben, Homosexuellen, Bisexuelle und Transgender (LGBT) Personen, ethnische Diskriminierung und Selbstjustiz. Trotz Bemühungen seitens der Regierung stellt die Straflosigkeit ein Problem dar (USDOS 11.3.2020).

Die Meinungs- und Pressefreiheit sind verfassungsrechtlich garantiert und werden in der Regel eingehalten (AA 29.2.2020; vgl. GIZ 4.2020a). Ghana hat eine vielfältige und lebendige Medienlandschaft entwickelt (GIZ 5.2020a). Das Land verfügt über staatliche und private Fernseh- und Radiosender und mehrere unabhängige Zeitungen und Zeitschriften und hat auch im elektronischen und digitalen Sektor Fortschritte vorzuweisen (GIZ 5.2020a); Online-Nachrichtenportale arbeiten ohne staatliche Einschränkungen. Allerdings kommt es zu Einschränkungen der Pressefreiheit durch Regierungsbehörden (USDOS 11.3.2020). Die beiden größten Tageszeitungen sind in staatlichem Besitz, daneben erscheint eine Vielzahl von privaten, unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften (über 150 sind staatlich registriert). Mehrere oppositionsnahe und einige unabhängige Zeitungen sind extrem regierungskritisch. Kritisiert werden insbesondere die breit angelegten Einschränkungen der Pressefreiheit im Hinblick auf das Amt des Präsidenten, des Vizepräsidenten sowie des Kabinetts (AA 29.2.2020).

Im internationalen Vergleich hinsichtlich der Pressefreiheit schneidet Ghana noch immer relativ gut ab. Im neuesten Bericht von ’Reporter ohne Grenzen‘ liegt Ghana auf Platz 30 von 180 bewerteten Ländern, hat gegenüber dem Vorjahr 2019 dabei seine Position um drei Plätze verschlechtert (RDF 2020; vgl. GIZ 5.2020a). Allerdings verhängte die Regulierungsbehörde National Communication Authority (NCA) Ende September 2017 weitreichende Sanktionen gegen 131 Radiostationen, denen vorgeworfen wurde, einschlägige Mediengesetze verletzt zu haben. Des Weiteren gehört Ghana zum Kreis der Länder, in denen der Media Ownership Monitor die Besitzverhältnisse und deren Auswirkungen auf die Medienvielfalt und Meinungsfreiheit untersucht. Dabei zeigen sich starke Konzentrationstendenzen und eine strategische Nähe politischer Schwergewichte zum Geschäftsbereich der Medien, die auf diesem Weg versuchen, ihre jeweilige politische Agenda medial zu verbreiten. Nach einem rund zwanzigjährigen Tauziehen um die Verabschiedung eines Gesetztes zur Informationsfreiheit unterzeichnete im Mai 2019 Präsident Akufo-Addo das RTI-Gesetz "Right To Information". Das Gesetz trat zum Jahresbeginn 2020 in Kraft (GIZ 5.2020a).

Das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind verfassungsrechtlich garantiert und werden in der Regel respektiert. Kritik an gesellschaftlichen Zuständen, politischen Entscheidungen und in religiösen Angelegenheiten kann jederzeit öffentlich vorgebracht werden (AA 29.2.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (29.2.2020): AA-Bericht zu Ghana (sHks), https://www.ecoi.net/en/file/local/2028003/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Ghana_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG_%28Stand_Dezember_2019%29%2C_29.02.2020.pdf, Zugriff 15.6.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020a): Ghana - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/ghana/geschichte-staat/, Zugriff 15.6.2020

-        RSF - Reporter ohne Grenzen (2020): Ghana, Rangliste der Pressefreiheit, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/ghana/, Zugriff 15.6.2020

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ghana, https://www.ecoi.net/local_link/306262/443534_de.html, Zugriff 15.6.2020

Bewegungsfreiheit

Die Bewegungsfreiheit ist durch die Verfassung garantiert und dieses Recht wird von der Regierung auch in der Praxis respektiert (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Die Verfassung garantiert weiters Auslandsreisen, Auswanderung sowie die Rückkehr und die Regierung respektiert diese Rechte in der Praxis (USDOS 11.3.2020; vgl. UKHO 5.2020).

Quellen:

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ghana, https://www.ecoi.net/de/dokument/2015974.html, Zugriff 2.12.2019

-        UKHO - UK Home Office (5.2020): Country Information and Guidance Ghana: Sexual orientation and gender identity, https://www.ecoi.net/en/file/local/2030465/GHANA_SOGIE_CPIN_v2.0.pdf, Zugriff 15.6.2020

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Ghana, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026420.html, Zugriff 15.6.2020

Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist trotz weit verbreiteter Armut gewährleistet (AA 29.2.2020). Ghana besitzt inzwischen den 'Lower-Middle-Income Status', was auf die positiven Veränderungen im Land in der ansonsten krisenanfälligen westafrikanischen Subregion hinweist. Ghanas Außenhandel konzentriert sich auf Südafrika, die EU, China, Indien, die USA und Vietnam. Sowohl die Handels- als auch Leistungsbilanz sind negativ. Fast die Hälfte der Agrar- und Bergbauprodukte (Kakao, Edelhölzer, Gold, Erze, Erdöl) gehen nach Südafrika und in die EU (GIZ 6.2020b). Die wirtschaftliche Lage hat sich weiter stabilisiert. Ghana leidet immer noch unter einer relativ hohen Inflationsrate in den letzten Jahren, die sich von knapp 17,7% im Jahr 2015 auf 8% im Jahr 2019 reduzierte. Die Gesamtverschuldung Ghanas betrug 2019 ca. 58,5% des BIP. Das Budgetdefizit beläuft sich 2019 auf ca. 4,7% des BIP (Vorjahr 4,3%) (AA 29.2.2020; vgl. Bloomberg 18.9.2019).

Die Energieressourcen Ghanas beschleunigen wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformationsprozesse in einer noch immer agrarisch strukturierten Wirtschaft. Die anhaltende Land-Stadt-Migration in die beiden riesigen Ballungsräume Accra und Kumasi zeugt von diesen Veränderungsprozessen, denen auch die Landwirtschaft unterworfen ist. Einerseits befeuern sie den Dienstleistungsbereich und weiten andererseits den informellen Sektor aus. Trotz zahlreicher positiver Tendenzen liegt ein selbsttragendes Wachstum noch immer in weiter Ferne, so dass Ghana auch in absehbare Zukunft internationale Unterstützung benötigt. Steigende Direktinvestitionen aus dem Ausland, insbesondere auch aus China, üppige Transferleistungen von Staatsbürgern und aus Ghana stammenden Personen in der Diaspora in Übersee, wachsender Tourismus und Kredite bei den einschlägigen internationalen Entwicklungsinstitutionen wie Weltbank, IWF und Afrikanischer Entwicklungsbank, tragen wesentlich zum Wachstum und zur Modernisierung bei. Dennoch bestehen, trotz merklichem Reformwillen, erhebliche Defizite wie der Index Doing Business der Weltbank 2019 zeigt, der Ghana auf Platz 118 von 190 Ländern, lediglich im hinteren Mittelfeld ansiedelt (GIZ 6.2020b).

Der nationale Trilaterale Ausschuss, welches sich aus Vertretern von Regierung, Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammensetzt, legte einen Mindestlohn fest. Der Mindestlohn liegt über der Armutsgrenze der Regierung. Viele Unternehmen hielten sich jedoch nicht an das neue Gesetz. Diese Bestimmungen gelten jedoch nicht für Akkordarbeiterinnen, Hausangestellte in Privathaushalten oder andere, die im informellen Sektor arbeiten. Im Jahr 2015 waren etwa 90% der Erwerbstätigen im informellen Sektor beschäftigt, darunter kleine und mittlere Unternehmen wie Produzenten, Groß- und Einzelhändler sowie Dienstleister, die sich aus mitarbeitenden Familienmitgliedern, Gelegenheitsarbeitern, Hausangestellten und Straßenhändlern zusammensetzen. Die meisten dieser Arbeitnehmer sind Selbständige (USDOS 11.3.2020). Laut Human Development Report 2019, leben ca. 30% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze (AA 29.2.2020). Innerhalb des Landes im Allgemeinen ist die Verteilung des Wohlstands relativ ungleichmäßig. Bisher hat das Wachstum in bestimmten Gebieten, insbesondere bei den Agrarrohstoffen, die Vorteile auf einen größeren Teil der Bevölkerung verteilt, während sich andererseits im Allgemeinen der Wohlstand für einige wenige kontinuierlich überproportional angehäuft hat. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Politik der neuen Regierung zur Linderung der bitteren Armut beitragen wird (BTI 29.4.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (29.2.2020): AA-Bericht zu Ghana (sHks), https://www.ecoi.net/en/file/local/2028003/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Ghana_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG_%28Stand_Dezember_2019%29%2C_29.02.2020.pdf, Zugriff 15.6.2020

-        Bloomberg (18.9.2019): Economics - Ghana’s Much Lower Inflation Rate May Not Be Enough to Cut Rates, https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-09-18/ghana-s-much-lower-inflation-rate-may-not-be-enough-to-cut-rates, Zugriff 5.12.2019

-        BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Ghana, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029566/country_report_2020_GHA.pdf, Zugriff 15.6.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2020b): Ghana, Wirtschaft und Entwicklung, http://liportal.giz.de/ghana/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 15.6.2020

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Ghana, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026420.html, Zugriff 15.6.2020

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen und vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Außerhalb der großen Zentren Kumasi und Accra fehlen vielerorts ausgebildete Fachärzte. Die ärztliche Versorgung in Accra ist zufriedenstellend. Die Stadt ist Sitz eines Regionalarztes und Ärzte fast aller Fachrichtungen sind in den großen Krankenhäusern und im privaten Sektor vorhanden (AA 15.6.2020). Die medizinische Versorgung in Ghana unterscheidet sich wesentlich im ländlichen und urbanen Bereich. Die ländliche Gesundheitsversorgung wird hauptsächlich durch staatliche Regional- und Provinzhospitäler oder kirchliche Gesundheitseinrichtungen gewährleistet, allerdings nur für diejenigen, für die sie erschwinglich und erreichbar ist. Darüber hinaus gibt es einige Diagnostikzentren mit neuesten bildgebenden Verfahren wie CT, Kernspintomographie, digitales Röntgen etc., obwohl auch einige Fachgebiete im urbanen Bereich unterversorgt sind und es zu Engpässen kommt. Viele städtische Apotheken haben ein breites Produktangebot und können, falls notwendig, auch schnell spezielle Medikamente einführen. Für häufige Infektionskrankheiten (Malaria, Tuberkulose, HIV, Lepra) gibt es nationale Kontrollprogramme und mittels internationale Hilfe (Global Fund, USAID, EU) konnte im ganzen Land ein Netzwerk von Kliniken entstehen, wo flächendeckend Behandlungen durchgeführt werden (AA 29.2.2020).

Mit der 2006 eingeführten staatlichen Krankenversicherung NHIS (National Health Insurance Service) soll z. B. in staatlichen Einrichtungen die Behandlung von Kindern unter fünf Jahren und von Schwangeren kostenfrei sein. Eine Basisversorgung ist somit gewährleistet, wenn auch nicht in allen Bereichen der Medizin. Für 2012 belief sich die Zahl der registrierten Mitglieder auf 8,8 Mio. Allerdings hat ein großer Anteil der Registrierten aufgrund ihrer Einkommenssituation Anrecht auf freie Behandlung und bezahlen sehr niedrige bzw. gar keine Beiträge, was zu erheblichen Engpässen bei den Kassen führt. Der Ärzteverband Ghanas (GMA) warnt seit Jahren vor einem Kollaps der NHIS, da die laufenden Kosten der staatlichen Krankenhäuser und Ärzte nicht gedeckt werden könne. Viele Patienten werden selbst innerhalb des NHIS nur dann behandelt, wenn sie für die medizinischen Leistungen – im Regelfall im Voraus - zusätzlich bezahlen (lt. WHO Schätzung durchschnittlich 40% der Versicherten) (AA 29.2.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (15.6.2020): Ghana: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ghana-node/ghanasicherheit/203372, Zugriff 15.6.2020

-        AA - Auswärtiges Amt (29.2.2020): AA-Bericht zu Ghana (sHks), https://www.ecoi.net/en/file/local/2028003/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Ghana_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG_%28Stand_Dezember_2019%29%2C_29.02.2020.pdf, Zugriff15.6.2020

Rückkehr

Die Stellung eines Asylantrags im Ausland führt bei der Rückkehr nicht zu staatlichen Repressionen. Für unbegleitete minderjährige Rückkehrer bestehen Aufnahmemöglichkeiten über das „Department of Social Welfare“ (staatliche Wohlfahrtsbehörde) und ein privates Kinderheim (AA 29.2.2020).

Die unterstützte freiwillige Rückkehr und Reintegration (AVRR) ist eine der Kernaufgaben von IOM und ist Teil eines umfassenden Ansatzes zur Migrationssteuerung, der seit 2002 in Ghana angeboten wird. Im Rahmen ihrer AVRR-Programme leistet IOM administrative, logistische und finanzielle Unterstützung - einschließlich Wiedereingliederungshilfe - für Migranten, die nicht in ihrem Gast- und Transitland bleiben können oder wollen und sich freiwillig für die Rückkehr in ihre Herkunftsländer entscheiden. Darüber hinaus bieten die AVRR-Programme wirtschaftliche, soziale und psychosoziale Unterstützung, um die Wiedereingliederung von Migranten zu erleichtern. Dazu gehören Sachleistungen, Hilfe bei der Entwicklung und Umsetzung eines Businessplans für die Gründung eines Kleinunternehmens sowie die Unterstützung bei der Weiterbildung in der Schule oder durch Berufsausbildung. Zu den Wiedereingliederungsaktivitäten gehören auch die psychosoziale Beratung, medizinische Hilfe, die Anbindung von Rückkehrern an Unterstützungssysteme, die Durchführung von kollektiven (Rückkehrergruppen) und gemeindebasierten Projekten, sowie die Überwachung des Wiedereingliederungsprozesses. Damit Migranten eine nachhaltige Rückkehr erreichen können, werden sie ermutigt, sich aktiv am Wiedereingliederungsprozess zu beteiligen (IOM 9.2018).

Quellen:

- IOM - International Organization for Migration (9.2018): Annual Reoprt 2017, https://www.iom.int/sites/default/files/country/docs/ghana/iom_ghana_2017_ar_181010.pdf, Zugriff 29.11.2019

- AA - Auswärtiges Amt (29.2.2020): AA-Bericht zu Ghana (sHks), https://www.ecoi.net/en/file/local/2028003/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Ghana_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG_%28Stand_Dezember_2019%29%2C_29.02.2020.pdf, Zugriff 15.6.2020

Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 15.03.2021, 490.671 bestätigte Fälle und 8.669 bestätigte Todesfälle; in Ghana wurden zu diesem Zeitpunkt gesamt 87,762 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 685 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Quellen:

-        https://covid19-dashboard.ages.at; [15.03.2021]

-        https://covid19.who.int[15.03.2021]

-        https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html[15.03.2021]

Eine nach Ghana zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der umseits unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, dessen Ausführungen zu Feststellungen erhoben wurden, ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des Verwaltungsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Stellungnahme des BF vom 02.01.2017, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz, in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ghana mit Stand 15.06.2020, sowie in das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.12.2016, W184 1422991-12E, in die vom BF vorgelegten Unterlagen sowie in seine Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht. Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister der Republik Österreich, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB wurden ergänzend eingeholt.

2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zu seiner Person, insbesondere seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit, seiner Volljährigkeit, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seinem Familienstand, seiner familiären Situation in Ghana und seiner Schulbildung und Arbeitserfahrung gründen auf die diesbezüglichen glaubhaften und übereinstimmenden Angaben des BF vor der belangten Behörde sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Da der BF im Verwaltungsverfahren bislang keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zu seiner Einreise und seinem Aufenthalt im Bundesgebiet lassen sich zweifellos dem vorliegenden Verwaltungsakt sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister entnehmen.

Der BF legte eine Geburtsurkunde, welche Amuzu Mbaise in Nigeria als seinen Geburtsort bezeichnet dem Bundesverwaltungsgericht vor und gab an, dass sein Bruder diese in Nigeria für ihn besorgt habe und ihm geschickt habe. Dass aufgrund dieser vorgelegten Geburtsurkunde, nicht festgestellt werden kann, dass der BF in Nigeria geboren wurde, ergibt sich aufgrund des Umstandes, dass es gerichtsbekannt ist, dass in Nigeria gefälschte Dokumente, welche professionell gemacht wurden und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden sind in Lagos oder anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben sind (Länderinformation Nigeria Stand: 13.11.2020). Fernerhin wird die Echtheit der Urkunde durch die erkennende Richterin, auch vor dem Hintergrund, dass der BF im gesamten bisherigen Verfahren, so auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht stets angegeben hat, in Ghana geboren zu sein, bezweifelt.

Dass der BF mit seiner Lebensgefährtin, welche eine österreichische Staatsbürgerin ist, im gemeinsamen Haushalt lebt, ergibt sich aufgrund seiner glaubhaften Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht, so wie aus der Stellungnahme vom 02.01.2017 und der Nachschau im Zentralen Melderegister. Dass die Lebensgefährtin nicht vom BF finanziell abhängig ist, ergibt sich aufgrund des Vorbringens des BF, wonach seine Lebensgefährtin für die Miete der gemeinsamen Wohnung aufkommt und er keinerlei Angaben diesbezüglich vorbrachte.

Dass der BF selbsterhaltungsfähig und sozialversichert ist, ergibt aufgrund der Vorlage der Lohnzettel, der Nachschau aus einem aktuellen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem sowie der Einsichtnahme in die Datenbank der Sozialversicherungsträger und deckt sich dies mit seinen Angaben im Zuge der mündlichen Verhandlung. Die Arbeitsplatzbeschreibung ergibt sich aufgrund seiner glaubhaften Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Dass er in Österreich über keine maßgeblichen integrativen Merkmale verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben vor der erkennenden Richterin und den vorgelegten Beweismitteln. Bislang konnte der BF keine Belege einer absolvierten Prüfung über seine Deutschkenntnisse, noch den Besuch eines Deutschkurses vorlegen. Die erkennende Richterin konnte sich in der mündlichen Verhandlung von den mangelnden Deutschkenntnissen des BF ein Bild machen. Weiters legte der BF keinerlei Belege hinsichtlich einer ehrenamtlicher Tätigkeit oder sonstiger integrationsbegründende Engagements vor. Dass der BF keinen Freundes- oder Bekanntenkreis hat, ergibt sich aus den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wonach er nur auf der Arbeitsstelle und nicht privat Bekannte oder Freunde habe. Vor dem Hintergrund des nunmehr über neunjährigen Aufenthalts hat der BF keine besonders zu würdigenden integrativen Leistungen in sozialer, sprachlicher oder kultureller Hinsicht vorzuweisen.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich sowie aus dem sich im Verwaltungsakt befindlichen Strafurteilen.

Dass der BF im Falle einer Rückkehr keine besondere Gefährdung zu befürchten hat, ergibt sich aus den Länderfeststellungen der Staatendokumentation. Auch wurde im Beschwerdeschriftsatz und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht keinerlei Gründe vorgebracht, wonach eine Abschiebung des BF in seinen Heimatstaat Ghana unzulässig wäre.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Ghana ist ein sicherer Herkunftsstaat iSd Herkunftsstaaten-Verordnung (§ 1 Z 8).

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Ghana samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln und wurden die dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderberichte vom BF im Zuge der Beschwerde nicht beanstandet.

Aufgrund des Umstandes, dass der gesunde BF, welcher sich im mitterlen Alter befindet, zu keiner Risikogruppe gehört und dass die ganze Welt von der Pandemie betroffen ist, kann von keiner besonderen Gefährdung des BF in Ghana im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie ausgegangen werden. Auch wenn nicht verkannt wird, dass die vorliegenden Infektionszahlen lediglich als Anhaltspunkt hinsichtlich der aktuellen Situation dienen, ergibt sich aus diesen Zahlen dennoch, dass in Ghana gegenüber Österreich jedenfalls kein erhöhtes Infektionsrisiko besteht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach §§ 55 und 57 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, erster Spruchteil):

Im ersten Spruchteil des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde (u.a.) aus, dass dem BF eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt werde.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung wurde weder vom BF behauptet, noch gibt es dafür im Verwaltungsakt irgendwelche Hinweise.

1.2. Überdies entschied die belangte Behörde im ersten Spruchteil des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides in merito über die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Asylgesetz 2005.

Jedoch hat der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 15. März 2016, Ra 2015/21/0174, mwN, klargestellt, dass das Gesetz keine Grundlage dafür biete, in Fällen, in denen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen werde, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 Asylgesetz 2005 abzusprechen.

2. Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind und über die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Asylgesetz 2005 von der belangten Behörde angesichts der zugleich getroffenen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz nicht abgesprochen werden durfte, war der Spruchpunkt I. entsprechend abzuändern.

A) 3.1.2. Zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides, zweiter Spruchteil):

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (vgl. EGMR Kroon sowie VfGH vom 28.06.2003, G 78/00). Sowohl eheliche als auch uneheliche minderjährige Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art. 8 EMRK fällt, sind von ihrer Geburt ipso iure Teil der Familie (vgl. u.a. EGMR 01.09.2004, Lebbink v. Netherlands, Nr. 45582/99). Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).

Im gegenständlichen Fall hat der BF eine Lebensgefährtin, mit welcher er seit Oktober 2016 in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Der BF hat seine Lebensgefährtin am Arbeitsplatz kennen gelernt, bei welchem er als Freigänger durch die Justizanstalt beschäftigt war. Die Lebensgefährtin steht in keinem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zum BF und kommt sie für die Miete der gemeinsamen Wohnung auf. Eine besondere Abhängigkeit wurde von Seiten des BF bei der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht vorgebracht. Die Lebensgefährtin erschien arbeitsbedingt auch nicht zur mündlichen Verhandlung des BF. Das hier relevante Familienleben ist zudem zu einem Zeitpunkt eingegangen, als den Beteiligten der unsichere rechtliche Status des BF bekannt sein musste, zumal bereits im Jahr 2011 eine negative Asylentscheidung erlassen wurde und der BF mehrere strafgerichtliche Verurteilungen vorweisen konnte. Daher durften beide Betroffenen nicht mehr darauf vertrauen, dass der BF in Österreich zum Aufenthalt berechtigt werden würde (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070).

In die Abwägung hat ferner mit einzufließen, ob ein Kontakt zwischen dem BF und seiner Lebensgefährtin auch im Fall einer Rückkehr nach Ghana fortgesetzt werden kann (vgl VfGH 01.07.2009, U 992/08) und ein solches Vorgehen zumutbar ist (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0500). Es sind keine Umstände einer besonderen Vulnerabilität des BF hervorgekommen, die ihm eine Integration in die ghanaische Gesellschaft kurzfristig so erschweren würden, dass es ihm nicht mehr möglich wäre, einen Kontakt nach Österreich aufrecht zu erhalten. Hinzu kommt, dass in Ghana als sicherer Herkunftsstaat ein grundsätzlich funktionierendes Staatswesen besteht und daher auch die Kommunikation nach außen möglich ist. Es liegen keine Hinweise vor, weshalb der BF den Kontakt mit seiner Lebensgefährtin mittels Telefon, Email, Videotelefonie oder soziale Medien nicht wahren könnte. Ebenso stünde es dem BF nach Ablauf des Einreiseverbotes (vgl. Punkt 3.3.) frei, sich um eine legale Wiedereinreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen bzw. sollte es der Lebensgefährtin möglich sein, den BF in Ghana zu besuchen bzw. sich selbst in Ghana niederzulassen.

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua. gegen Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessensabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt.

Schon aufgrund seiner Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet von über neun Jahren ergibt sich das Bestehen seines Privatlebens. Diesbezüglich ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich der BF knapp dreieinhalb Jahre seines Aufenthaltes in Österreich in einer Justizanstalt aufhielt, sodass nicht von einem verfestigten und langjährigen Privatleben in Österreich auszugehen ist. Das Gewicht seiner privaten Interessen wird allerdings dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.09.2019, Ro 2019/01/0003; 28.02.2019, Ro 2019/01/0003; 23.10.2019, Ra 2019/19/0405; u.a.).

Des Weiteren ist im gegenständlichen Fall die Integration des BF zu beurteilen, wobei miteinzufließen hat, ob und inwieweit er die in Österreich verbrachte Zeit genutzt hat um sich sozial, kulturell und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422). Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass der BF berufstätig und selbsterhaltungsfähig ist, liegen keine weiteren Hinweise auf eine berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF vor. Der BF legte weder Nachweise über eine positiv absolvierte Sprachprüfung, noch besuchte er bislang einen Deutschkurs. Die erkennende Richterin konnte sich in der mündlichen Verhandlung von den mangelnden Deutschkenntnissen des BF -insbesondere in Anbetracht seiner langen Aufenthaltsdauer – machen. Auch konnte der BF trotz seines langenjährigen Aufenthaltes in Österreich keinerlei Bemühung einer sozialen Integration vorweisen. So gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass er privat keinen Freundes bzw. Bekanntenkreis habe. Darüber hinaus ist er weder Mitglied eines Vereins, noch engagiert er sich ehrenamtlich. Es ist in der Gesamtschau davon auszugehen, dass im Falle des BF- abgesehen von seinem beruflichen Engagement - ein nur äußerst geringer Grad an Integration erreicht worden ist.

Demgegenüber hat der BF in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte. Es bestehen ausreichende Bindungen zum Herkunftsstaat des BF zumal er dort geboren ist, er sprachkundig ist und er dort bereits berufstätig war. Es wird ihm daher ohne unüberwindliche Probleme möglich sein, sich wieder in die dortige Gesellschaft zu integrieren, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und für seinen Lebensunterhalt aufzukommen.

Der Umstand, dass der BF in Österreich wiederholt straffällig geworden ist, bewirkt eine weitere Verminderung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich und setzte er dabei ein Verhalten, welches die fehlende Achtung vor (straf-)rechtli

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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