Entscheidungsdatum
14.04.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
I405 2217268-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch RAe Mag. Susanne Singer, Ringstraße 9, 4600 Wels, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2021, Zl. 1016462007-200677178, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte erstmals nach unrechtmäßiger Einreise am 25.04.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 25.02.2015 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen. Des Weiteren wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei und dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.06.2016, Zl. I408 2104897-1/10E, als unbegründet abgewiesen.
4. Am 01.09.2016 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete, welcher mit Bescheid vom 12.05.2017 abgewiesen wurde.
5. Am 05.12.2016 wurde der BF von einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde als Staatsangehöriger Nigerias identifiziert. Es wurde seitens der Delegation zugesichert, dem BF werde verbindlich ein Heimreisezertifikat ausgestellt, sofern diesem kein Aufenthaltstitel bzw. eine Duldung erteilt werde. Am 02.02.2018 wurde der BF erneut vor eine Delegation der nigerianischen Botschaft geladen, die ihn als Staatsangehörigen Nigerias identifizierte. In weiterer Folge wurde jedoch kein HRZ ausgestellt, das der BF erklärte, einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel stellen zu wollen.
6. Am 12.03.2018 stellte er dann einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK.
7. Die gegen den Bescheid des BFA vom 01.09.2016 gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.03.2018, Zl. I406 2104897-2/6E, als unbegründet abgewiesen.
8. Mit Bescheid des BFA vom 26.02.2019, Zl. 1016462007 – 180236351, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Zugleich wurde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
9. Mit Bescheid des BFA vom 10.05.2019 wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 10 Absatz 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF erlassen (Spruchpunkt II). Des Weiteren wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III). Zudem wurde gegen den BF gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG ein auf die Dauer von achtzehn Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 55 Absatz 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI).
Dieser Bescheid erwuchs mit 19.06.2019 unangefochten in Rechtskraft.
10. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.08.2019, Zl. I409 2217268-1/5E, wurde der Bescheid des BFA vom 26.02.2019 behoben.
11. Am 04.08.2020 brachte der BF den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK beim BFA ein.
12. Mit Schriftsatz des BFA vom 11.08.2020 wurde der BF zu einer Stellungnahme aufgefordert.
13. Am 04.09.2020 langte die entsprechende Stellungnahme seiner rechtsfreundlichen Vertretung beim BFA ein.
14. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 03.02.2021 wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 04.08.2020 gem. § 58 Abs 10 AsylG zurückgewiesen.
15. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 25.03.2021 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der I(g)bo an. Seine Identität steht nicht fest.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig.
Der BF reiste unrechtmäßig in Österreich ein und stellte erstmals am 25.04.2014 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der rechtskräftig negativ abgewiesen wurde.
Der BF ist trotz aufrechter Rückkehrentscheidung seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht nachgekommen, sondern hält sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Am 12.03.2018 stellte er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK, welcher mit Bescheid des BFA vom 10.05.2019 rechtskräftig abgewiesen wurde.
Aus dem begründeten Antragsvorbringen des BF gem. § 55 AsylG geht im Vergleich zur rezenten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 10.05.2019 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gem. § 9 Abs 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gem. Art 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervor.
Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des BF in Österreich.
Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer besonderen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.
Der unbescholtene BF ist weiterhin in einer Glaubensgemeinschaft seiner Wohngemeinde ehrenamtlich tätig und verfügt über freundschaftliche Kontakte. Er verkauft seit 2018 eine Straßenzeitung und verfügt über eine Einstellungszusage (Arbeitsrechtlicher Vorvertrag der XXXX GmbH vom 18.05.2017), die er bereits im Vorverfahren vorgelegt hat. Er verfügt über ein Deutschzertifikat des ÖSD vom 15.12.2016, danach hat er keine weiteren Sprachkurse besucht bzw. Sprachprüfungen abgelegt. Er wohnt seit 2017 an derselben Wohnadresse. Er ist seit 2017 Mitglied des IPOB-Vereins in XXXX .
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I geführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seinem fehlenden Familienleben in Österreich, seiner Glaubenszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit, seiner Einreise und seinem Aufenthalt in Österreich ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid, dem rechtkräftigen Bescheid vom 10.05.2019, Zl. 1016462007 – 180236351. Dass es diesbezüglich bis zur gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Änderungen gekommen wäre, wurde nicht behauptet. Sowohl in seiner Stellungnahme wie auch in der Beschwerde wurde nur auf Umstände Bezug genommen, die bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung (über den ersten Antrag des BF gem. § 55 AsylG vom 12.03.2018) vom 10.05.2019, Zl. 1016462007 – 180236351 vorgelegen waren. Die bloße Verlängerung seines Aufenthaltes in Österreich um knapp weitere zwei Jahre (die zwischen der Entscheidung vom 10.05.2019 und dem gegenständlichen Bescheid vom 03.02.2021 liegen) stellen keine wesentliche Sachverhaltsänderung dar, zumal der BF verpflichtet gewesen wäre, Österreich zu verlassen.
Die Feststellung über die strafgerichtliche Verurteilung des BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
Die Identität des BF steht mangels Vorlage unbedenklicher identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.
Dass gegen den BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, ergibt sich aus dem Bescheid der belangten Behörde 10.05.2019, Zl. 1016462007 – 180236351.
Das im nunmehrigen Verfahren geltend gemachte Vorbringen wurde bereits im Verfahren, welches zur letztmalig ergangenen rechtskräftigen Rückkehrentscheidung führte, berücksichtigt. Es wurden keine weiteren Umstände geltend gemacht, welche eine wesentliche Änderung im Privat- und Familienleben des BF aufzuzeigen vermochten. Das Privatleben des BF hat sich seit Rechtkraft des Bescheides der belangten Behörde 10.05.2019, Zl. 1016462007 – 180236351 nicht verändert; lediglich die Dauer seines unrechtmäßigen Aufenthaltes hat sich verlängert.
Weder aus der Antragsbegründung des nunmehr begehrten Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG, noch aus den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz kann daher ein (maßgeblich) geänderter Sachverhalt gewonnen werden, der eine neuerliche meritorische Prüfung des Antrages erforderlich machen würde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Anwendbare Rechtsnormen:
§ 58 Abs. 10 AsylG bestimmt:
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß §9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. […]
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs 10 AsylG Folgendes dar:
„Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass – im Rahmen einer Neubewertung – wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird.“
§ 10 Abs. 3 AsylG lautet:
„(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."
§ 52 Abs. 3 FPG lautet:
„(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.“
Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (also zu § 44b Abs. 1 NAG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).
Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153; 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083; 12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Aus diesem Grund war auf den in der Beschwerde gestellten Antrag des Beschwerdeführers, das Bundesverwaltungsgericht möge „der Beschwerde Folge geben, den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg vom 10.12.2020, Zahl: […] aufheben und der Beschwerdeführerin den Aufenthaltstitel erteilen“ nicht einzugehen, weil ein solcher Ausspruch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde.
Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:
Der BF bringt in der Beschwerde zusammengefasst vor, dass es seit der letzten Rückkehrentscheidung ein Jahr und neun Monate vergangen seien und er seine Integration in dieser Zeit sehr gut vorantreiben habe können. In der weiteren Begründung wird auf die von der rechtskräftigen Entscheidung der belangten Behörde vom 10.05.2019, Zl. 1016462007 – 180236351 umfassten privaten Verhältnisse des BF Bezug genommen bzw. werden diese wiederholt. So wurde darin zu den Sprachkenntnissen des BF ausgeführt, dass er zwar pandemiebedingt keine weitere Deutschprüfung ablegen habe können, es sei ihm jedoch möglich gewesen, seine praktischen Deutschkenntnisse in diesem Zeitraum wesentlich voranzutreiben, was durch den regelmäßigen Kontakt mit österreichischen Staatsbürgern möglich gewesen sei. Sein Mietvertrag mit der Stadtpfarre St. E. sei verlängert worden, was auf das Gutdünken dieser Glaubensgemeinschaft beruhend auf das besondere Vertrauensverhältnis zum BF zurückgehe, wo sich der BF auch im vergangenen Jahr sehr gut einbringen habe können. Zudem sei er in der Stadtpfarre M. aktiv und leite dort die Besuchergruppe. Er verkaufe nach wie vor eine Straßenzeitung, wodurch er auch weitere Freundschaften und Bekanntschaften mit österreichischen Staatsbürgern geschlossen habe und so seine Integration vertiefen habe können.
Damit zeigt er aber keine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes gegenüber dem Sachverhalt, der dem Bescheid der belangten Behörde vom 10.05.2019, Zl. 1016462007 – 180236351 zugrunde gelegt worden war, auf. Es wurde in keiner Weise dargelegt, welche entscheidungsrelevante Änderung in der Zeit, die zwischen den beiden Entscheidungen liegen, eingetreten sein soll.
Im Übrigen hat der BF die bereits in der rechtskräftigen Entscheidung vom Mai 2019 berücksichtigten Schritte zur Integration in Österreich während der folgenden Monate einfach fortgesetzt, dies obwohl er zur Ausreise verpflichtet war; diese Schritte erfolgten daher weiterhin vor dem Hintergrund eines unsicheren Aufenthaltsstatus. Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den Antrag des BF mit der Begründung zurückweist, dass "keine maßgebliche Sachverhaltsänderung“ stattgefunden hat. Die geltend gemachten Umstände weisen von vornherein keine solche Bedeutung auf, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde bzw. wurden gegenständlich gar keine neuen Umstände vorgebracht.
Das Bundesverwaltungsgericht ist auch der Auffassung, dass die im angefochtenen Bescheid gewählte Vorgangsweise, die Zurückweisung nicht mit einer neuerlichen Rückkehrentscheidung zu verbinden, rechtens war. Zwar sieht der Gesetzeswortlaut eine Verbindung sowohl einer Ab- als auch einer Zurückweisung des Antrags nach § 55 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung vor (und zwar gemäß § 52 Abs. 3 FPG unterschiedslos, nach § 10 Abs. 3 AsylG jedoch - im Widerspruch zu § 52 Abs. 3 FPG - "nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt."). Das Gericht geht davon aus, dass der Gesetzgeber bei diesen Regelungen den Fall der Zurückweisung wegen bereits durch ergangene Rückkehrentscheidung entschiedener Sache nicht bedacht hat und dass der Regelungsgehalt des § 52 Abs. 3 FPG und des § 10 Abs. 3 AsylG vor dem Hintergrund des Normzwecks (keine neuerliche Entscheidung bei bereits entschiedener Sache, gerade angesichts dessen, dass über alle Aspekte, die bei einem Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG relevant sind, bei Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bereits entschieden wurde) für Fälle der Zurückweisung nach § 58 Abs. 8 AsylG nicht zum Tragen kommt. Die bisher dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist - soweit ersichtlich - für diesen Fall nicht einschlägig, sondern betraf andere Arten der Zurückweisung, z.B. wegen Nichtmitwirkung im Verfahren gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG; vgl. VwGH, 14.04.2016, Ra 2016/21/0077 [=VwSlg. 19.347 A/2016]; 17.11.2016, Ra 2016/21/0200 [=VwSlg. 19.482 A/2016]; 17.05.2017, Ra 2017/22/0059; 21.09.2017, Ra 2017/22/0128).
Zudem würde eine allfällige Säumnis in Bezug auf die Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 8 EMRK führen. Dieser hängt nämlich nicht von der Rückkehrentscheidung ab (VwGH, 12.12.2018, Ra 2017/19/0553).
Das BFA ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen war. Die Beschwerde war demnach spruchgemäß vom Bundesverwaltungsgericht abzuweisen.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
In der Beschwerde wurde zwar ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, das Bundesverwaltungsgericht konnte sich aber auf vom BF unbestrittene Annahmen stützen. Die Beschwerde läuft letztlich darauf hinaus, dass die - unstrittige - Sachlage vom Verwaltungsgericht rechtlich anders gewürdigt werden soll als von der belangten Behörde. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG ("Die Verhandlung kann entfallen, wenn ... der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei ... zurückzuweisen ist") kann das Verwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Diese Bestimmung ist auch in den vom Anwendungsbereich des BFA-VG erfassten Verfahren anwendbar, weil § 21 Abs. 7 BFA-VG nur hinsichtlich von § 24 Abs. 4 VwGVG eine Spezialregelung trifft, im Übrigen aber die Anwendung von § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG unberührt lässt (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017; VwSlg. 18.966 A/2014).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Asylgründen und zur Relevanz des Privat- und Familienlebens und der Aufenthaltsdauer bei Rückkehrentscheidungen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Aufenthaltstitel Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufrechte Rückkehrentscheidung Ausreiseverpflichtung Bindungswirkung entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung entschiedene Sache erhebliche Unterschiedlichkeit geänderte Verhältnisse Identität der Sache Integration Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata unzulässiger Antrag Vergleich wesentliche Änderung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I405.2217268.2.00Im RIS seit
22.10.2021Zuletzt aktualisiert am
22.10.2021