TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/19 96/11/0323

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Veröffentlicht am 19.12.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VVG §2 Abs1;
VVG §2 Abs2;
VVG §5 Abs1;
VVG §5;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):96/11/0324

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerden des R in R, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Kärnten vom 25. September 1996, 1. Zl. 8 B-KFE-34/6/1996, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe (Beschwerdezahl 96/11/0323),

2. Zl. 8 B-KFE-34/5/1996, betreffend Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung

(Beschwerdezahl 96/11/0324), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus den Beschwerden und den Kopien der angefochtenen Bescheide ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 14. März 1996 wurde die dem Beschwerdeführer erteilte Lenkerberechtigung gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 wegen Verkehrsunzuverlässigkeit vorübergehend für die Dauer von 6 Monaten (von der Erlassung dieses Bescheides an gerechnet) entzogen. Diese Maßnahme beruhte auf der Annahme des Vorliegens einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967. Der Beschwerdeführer habe am 20. Juni 1995 als Lenker eines Kraftfahrzeuges insgesamt 8 Verstöße gegen Verkehrsvorschriften begangen; unter anderem habe er zweimal unter besonders gefährlichen Verhältnissen verbotswidrig überholt. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 75 Abs. 4 KFG 1967 aufgetragen, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheides, der Behörde abzuliefern. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung.

Da der Beschwerdeführer der Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins nicht nachkam, wurde ihm mit Schreiben vom 3. April 1996 unter Setzung einer Nachfrist von 4 Wochen die Verhängung einer Zwangsstrafe von S 8.000,-- angedroht. In der Folge verhängte die Erstbehörde mit Bescheid vom 7. Mai 1996 die angedrohte Zwangsstrafe. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde nur insoweit Folge, als sie die Zwangsstrafe auf S 2.000,-- herabsetzte.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 14. März 1996 insoweit, als sich die Berufung gegen den Ausspruch nach § 64 Abs. 2 AVG richtete. Die Berufung wurde als unbegründet abgewiesen. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist bis zur Einbringung der Beschwerde nicht ergangen.

In seinen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und über sie erwogen:

1. Zum erstangefochtenen Bescheid (Verhängung einer Zwangsstrafe):

Der Beschwerdeführer hält diesen Bescheid wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 und 2 VVG für rechtswidrig. Angesichts einer möglichen Höchststrafe von S 10.000,-- sei die erstmalige Festsetzung einer Zwangsstrafe von S 2.000,-- überhöht. Dies widerspreche dem § 2 Abs. 1 VVG. Da die zwangsweise Einbringung dieser Strafe den notdürftigen Unterhalt des Beschwerdeführers und seiner Familie gefährden würde, liege auch ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 VVG vor.

Das Beschwerdevorbringen ist unter beiden Gesichtspunkten nicht begründet. Nach § 2 Abs. 1 VVG haben die Vollstreckungsbehörden bei Handhabung der in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse an dem Grundsatz festzuhalten, daß das jeweils gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist. Diesem Gebot hat die belangte Behörde entsprochen. Von den zur Durchsetzung der dem Beschwerdeführer obliegenden unvertretbaren Leistung (Abgabe des Führerscheins) in Betracht kommenden Zwangsmitteln (das sind hier gemäß § 5 Abs. 1 VVG Geldstrafen und Haft) hat sie mit der Verhängung einer Geldstrafe das der Art nach gelindere Zwangsmittel gewählt. Auch was die Höhe der verhängten Zwangsstrafe anlangt, kann von einem Verstoß gegen den im § 2 Abs. 1 VVG verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gesprochen werden. Ohne Belang ist auch, ob angesichts der finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers selbst die Verhängung einer Zwangsstrafe von S 2.000,-- eine Härte darstellt, weil dem österreichischen Vollstreckungsrecht eine allgemeine Härteklausel (wie sie dem Beschwerdeführer offenbar vorschwebt) unbekannt ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1986, Zl. 86/06/0184).

Nach § 2 Abs. 2 VVG dürfen Geldleistungen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden, als dadurch der notdürftige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, nicht gefährdet wird. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung liegt schon deshalb nicht vor, weil es im vorliegenden Fall nicht um die zwangsweise Einbringung einer Geldleistung, sondern um die Durchsetzung einer unvertretbaren Leistung geht. Es liegt daher kein Fall des § 2 Abs. 2 VVG vor.

2. Zum Ausschluß der aufschiebenden Wirkung der Berufung:

Gemäß dem ersten Satz des § 64 Abs. 2 AVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug dringend geboten ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß es dem Gesetz entspricht, die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen eine Entziehung der Lenkerberechtigung auszuschließen, weil es im gegebenen Zusammenhang aus Gründen der Verkehrssicherheit geboten ist, verkehrsunzuverlässige Personen von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen (auch) für die Dauer des Berufungsverfahrens fernzuhalten (vgl. etwa das Erkenntnis vom 1. Oktober 1996, Zl. 96/11/0195 mwN). In diesem Stadium des Verfahrens bzw. bei Fällung dieser Entscheidung ist von der der erstinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegenden Annahme des Fehlens der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers (wegen Begehung schwerwiegender Verstöße gegen Verkehrsvorschriften) auszugehen. Ob die dem zweitangefochtenen Bescheid zugrundeliegende - vorläufige - Annahme der belangten Behörde, die Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens ließen auf mangelnde Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers schließen, auch begründet ist, ist von der belangten Behörde erst im Zuge der Entscheidung in der Hauptsache (Entziehung der Lenkerberechtigung) zu beurteilen. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände gegen die Richtigkeit dieser vorläufigen Annahme der belangten Behörde sind daher im gegebenen Zusammenhang nicht zielführend. Dies gilt auch für die ins Treffen geführte Notwendigkeit einer Lenkerberechtigung für den Beschwerdeführer. Sein privates Interesse an der Vermeidung der mit der Entziehung der Lenkerberechtigung verbundenen Nachteile hat gegenüber dem vorrangigen öffentlichen Interesse an der Fernhaltung verkehrsunzuverlässiger Lenker von der Teilnahme am Straßenverkehr zurückzustehen.

3. Da bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht gegeben sind, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996110323.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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