Entscheidungsdatum
22.07.2021Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
W280 2243030-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geboren am XXXX .1993, StA. Ukraine, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl-Regionaldirektion NÖ vom XXXX .05.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VIII. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF), ein ukrainischer Staatsangehöriger, der sich seit Anfang 2019, nachdem er sich in Polen gefälschte litauische Dokumente besorgt hat, unter einer falschen Alias-Identität unrechtmäßig in Österreich aufhält, bis zu seiner Festnahme Erwerbstätigkeiten nachgegangen ist und zwischenzeitig von einem österreichischen Strafgericht wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden zu drei Monaten Freiheitsstrafe, bedingt nachgesehen auf die Probezeit von drei Jahren verurteilt wurde, stellte im Rahmen der strafrechtlichen Einvernahme am XXXX .2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am Tag nach der Antragstellung fand die niederschriftliche Erstbefragung des BF nach dem AsylG statt, wobei der BF zu seinem Fluchtgrund zusammengefasst angab, dass er bis 2017 als Berufssoldat im Range eines XXXX gedient habe. Nach Auslaufen des Vertrages als Berufssoldat und der Überstellung in den Reservestand sei er sodann neuerlich im Zuge der Mobilisierung als Reservist zum Militär einberufen worden um im Gebiet von Lugansk bzw. Donezk als Offizier an Kriegshandlungen teilzunehmen. Nach einer zehnjährigen Dienstzeit habe er nicht mehr beim Militär dienen wollen, habe dies der zuständigen Stelle mitgeteilt und habe der Einberufung nicht Folge geleistet. Nach Erhalt eines Visums sei er sodann nach Polen ausgereist. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er in Haft genommen zu werden. Österreich als Zielland habe er deshalb angestrebt, da er Freunde habe, die nach Erhalt der polnischen Staatsbürgerschaft hier in Österreich arbeiten würden.
Am XXXX .05.2021 nahm der BF in einer schriftlichen Stellungnahme zu den in den Länderberichten enthaltenen Ausführungen zu Wehrdienstverweigerung, Haftbedingungen und den Fluchtgründen Stellung und legte diverse Zeugnisse und Belege über seine schulische und militärische Ausbildung und Verwendung vor.
Bei der niederschriftlichen Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA oder belangte Behörde) am XXXX .04.2021 gab der BF hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, dass der von ihm in der Erstbefragung genannte Grund der Einzige sei. Ergänzend führte er aus, dass er zuletzt vor seiner Ausreise 2017 im Bereich Donezk eingesetzt gewesen sei und die Stadt XXXX verteidigt habe. Nach einem einmonatigen Einsatz sei er desertiert, da es sich dabei um einen Krieg zwischen den eigenen Leuten gehandelt habe und dies mit seinen moralischen Wertvorstellungen nicht vereinbar gewesen sei. Er habe einen Gewissenskonflikt gehabt und habe nicht mehr am Krieg teilnehmen wollen.
Des Weiteren verwies der BF darauf, dass er, außer seinem Bruder, über keine Angehörigen mehr in der Ukraine verfüge und in Österreich seit zwei Jahren eine Lebensgefährtin habe mit der er zusammenwohne.
Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom XXXX .05.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.), hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.) und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.) und gemäß § 53 Absatz 1 iVm. Absatz 2 Ziffer 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII).
Mit dem beim BFA fristgerecht eingebrachten Schriftsatz erhob der BF, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH) Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid.
Der Bescheid wird im Umfang der Spruchpunkte II. bis VIII. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten und beantragt – falls nicht alle zu Lasten des BF gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht worden seien, diese amtswegig zu beheben, den angefochtenen Bescheid, allenfalls nach Verfahrensergänzung zu beheben und gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG festzustellen, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zukomme, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit im angefochtenen Umfang zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen sowie festzustellen, dass gemäß die § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BVA-VG auf Dauer unzulässig sei und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG vorliegen und dem BF daher gemäß § 58 Absatz 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen sei sowie das Einreiseverbot aufzuheben sowie in eventu festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG vorliegen und dem BF daher eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen sei und jedenfalls eine mündliche Verhandlung zur ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens des BF durchzuführen.
Darüber hinaus wurde angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am XXXX .05.2021, eingelangt am XXXX .06.2021, vom BFA vorgelegt.
Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 14.06.2021, GZ: W280 2243030-1/2Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG eine aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
Am XXXX .06.2021 reiste der BF sodann freiwillig auf dem Luftweg in sein Herkunftsland aus.
Mit Schriftsatz vom XXXX .07.2021 teilte der BF durch seine Rechtsvertretung gegenüber dem BVwG mit, dass nach erfolgter Ausreise seine Beschwerde lediglich hinsichtlich Spruchpunkt VIII. des angefochtenen bescheides aufrecht bleibe. Es werde daherbeantragt, das BVwG möge der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VIII. stattgeben und das auf zwei Jahre befristete Einreiseverbot aufheben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der am XXXX .1993 geborene BF ist ukrainischer Staatsangehöriger und reiste Anfang 2019, nachdem er sich in Polen gefälschte litauische Dokumente besorgt hatte, nach Österreich ein, wo er sich folglich unter seiner falschen Alias-Identität unrechtmäßig aufgehalten hat.
Bis zu seiner Festnahme am XXXX .02.2021 ging der BF im Bundesgebiet unrechtmäßig Erwerbstätigkeiten nach. In Verfolg zu der gegen den BF erstatten Strafanzeige wurde dieser mit Urteil des Landesgerichtes XXXX zu GZ XXXX , wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu drei Monaten Freiheitsstrafe, bedingt nachgesehen auf die Probezeit von drei Jahren, verurteilt.
Im Rahmen der strafrechtlichen Einvernahme am XXXX .2021 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .2021 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf dessen Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen und ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wurde.
Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 14.06.2021, GZ: W280 2243030-1/2Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG eine aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
Am XXXX .06.2021 reiste der BF sodann freiwillig auf dem Luftweg in sein Herkunftsland aus.
Bei der Ukraine handelt es sich um einen sicheren Herkunftsstaat.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens, in dessen Rahmen Beweis erhoben wurde durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in die Beschwerde. Ergänzend wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister und dem Grundversorgungssystem zum vorliegenden Akt eingeholt.
Es haben sich für das erkennende Gericht keinerlei Anhaltspunkte ergeben, wonach der den Feststellungen zugrundeliegende Sachverhalt in Zweifel zu ziehen wäre und hat auch der Bf diese nicht bestritten.
Dass es sich bei der Ukraine um einen sicheren Herkunftsstaat handelt, ergibt sich aus § 1 Zif 14 der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten auf Basis des § 19 Abs. 5 Zif 2 BFA-VG als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019)
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche – rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zum Beschwerdegegenstand
Die Beschwerde richtet sich - nach der mit Schriftsatz vom 06.07.2021 erfolgten Einschränkung - ausdrücklich nur noch gegen Spruchpunkt VIII. (Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes) des Bescheides vom 10.05.2021 und lässt dessen übrige Spruchpunkte unangefochten, weshalb diese Spruchteile (Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten, Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz, Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung in die Ukraine, Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise) nicht vom Umfang des Beschwerdeverfahrens umfasst sind.
Zu A)
Zur Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes (Spruchpunkt VIII.):
Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG kann das BFA mit der Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
§ 53 Abs. 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert.
Dies ist demnach beispielsweise der Fall, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.
Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt der betroffenen Fremden potentiell verbundene Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff).
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache einer allfälligen Verurteilung oder Bestrafung des Fremden an, sondern auf das dieser zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (vgl VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).
Im vorliegenden Fall hat das BFA das Einreiseverbot primär damit begründet, dass der BF seinen Asylantrag offensichtlich missbräuchlich gestellt hat und den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachweisen könne.
Aufgrund der freiwilligen Ausreise des BF aus dem Bundesgebiet sind keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den BF sprechen.
Zwar kommt dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen eine erhebliche Bedeutung zu. Der vom BF gestellte Asylantrag, dem nach einem ordnungsgemäßen Verfahren der Erfolg versagt blieb, und die bereits erfolgte Ausreise machen die Verhängung eines Einreiseverbots nicht zwingend notwendig, und ist davon auszugehen, dass vom BF keine relevante Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit mehr ausgeht.
Da sich die Erlassung eines Einreiseverbotes somit als nicht gerechtfertigt erweist, war Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss.
Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Weder wird in der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides eine relevante Mangelhaftigkeit des Verfahrens behauptet, noch ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes diesbezüglich Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.
Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Angemessenheit Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung freiwillige Ausreise Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Interessenabwägung Kassation Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W280.2243030.1.00Im RIS seit
22.10.2021Zuletzt aktualisiert am
22.10.2021