TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/16 I413 2235426-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.08.2021
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Entscheidungsdatum

16.08.2021

Norm

AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §5
AsylG 2005 §51
AVG §68 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I413 2235426-2/8E
I413 2235428-2/7E

Schriftliche Ausfertigung des am 02.08.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX (Erstbeschwerdeführerin), geb. XXXX , und von 2) mj XXXX (Zweitbeschwerdeführerin), geb. XXXX , beide StA. Nigeria, beide vertreten durch Roland HERMANN, Rechtsberater Caritas der Erzdiözese Wien, Mariannengasse 11, 1090 Wien gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost vom 18.05.2021, XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.08.2021, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Erstbeschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, reiste am 04.08.2014 illegal von Italien kommend ins Bundesgebiet ein und stellte unter Angabe des Geburtsdatums 23.10.1998 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge ihrer Erstbefragung am 06.08.2014 führte sie vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aus, bereits seit 2008 in Italien gelebt, jedoch einen negativen Asylbescheid erhalten zu haben und daher weitergereist zu sein. In Nigeria sei sie im Alter von ca. 10 Jahren an einen Mann verkauft worden, der sie in Sokoto als Sexsklavin gehalten und mehrmals vergewaltigt habe. Mit Hilfe eines unbekannten Mannes habe sie schließlich Sokoto verlassen können und wäre nach Italien geflüchtet.

2.       In Hinblick darauf, dass die Erstbeschwerdeführerin auf die Beamten einen älteren Eindruck als 15 bzw. knapp 16 Jahre machte, wurde die Erstellung einer medizinischen Altersdiagnose in Auftrag gegeben. Mit Gutachten des Ludwig Boltzmann Institutes vom 17.09.2014 wurde der Erstbeschwerdeführerin zum Untersuchungszeitpunkt unter Berücksichtigung einer Schwankungsbreite der Untersuchungsergebnisse ein Mindestalter von 19 Jahren attestiert bzw. ein wahrscheinliches Alter von ca. 20 bis 24 Jahren.

3.       Mit Verfahrensanordnung vom 05.09.2014, zugestellt am 09.09.2014, wurde ihr mitgeteilt, dass beabsichtigt werde, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen sowie, dass Dublin Konsultationen mit Italien seit 04.09.2014 geführt worden wären.

4.       Am 08.10.2014 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde, BFA). In diesem Zuge wurde ihr das Ergebnis der medizinischen Altersdiagnose sowie der Umstand, dass eine Außerlandesbringung nach Italien veranlasst wurde, mitgeteilt. Die Erstbeschwerdeführerin führte im Rahmen der Einvernahme aus, dass sie in Italien ein hartes Leben gehabt habe und auf der Straße schlafen hätte müssen. Im Falle einer Rückbringung nach Italien fürchte sie, nach Nigeria zurückgebracht zu werden.

5.       Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.10.2014, XXXX -EAST Ost, wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 04.08.2014 ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen und Italien für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz für zuständig erklärt (Spruchpunkt I.). Zudem wurde ihre Außerlandesbringung angeordnet und ihre Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Ihrer dagegen erhobenen Beschwerde wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mit Beschluss vom 07.11.2014, W205 2013532-1/5Z, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

6.       Mit Schreiben vom 17.05.2016 teilte die Erstbeschwerdeführerin mit, dass in Hinblick auf den Zeitablauf nunmehr Österreich für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei und um Fortsetzung des Verfahrens und die Ausstellung einer „weißen“ Berechtigungskarte ersucht werde. Mit Schreiben vom 04.07.2016 wurde ersucht, eine korrigierte Verfahrenskarte mit dem Geburtsdatum 05.09.1995 auszustellen.

7        Am 14.12.2016 wurde die Tochter der Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin, in Wien geboren, für welche die Erstbeschwerdeführerin ebenfalls mit 09.01.2017 einen Asylantrag stellte.

8.       Am 23.10.2017 fand vor der belangten Behörde eine neuerliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin für ihr nachgeborenes Kind statt, wobei diese ausführte, dass das Kind keine eigenen Asylgründe habe. Ihr wurde in der Folge zur Kenntnis gebracht, dass in Italien die im Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte ihrer Tochter nicht verletzt werden würden.

9.       Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.10.2017, XXXX EAST Ost wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin vom 09.01.2017 ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen und Italien für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz für zuständig erklärt (Spruchpunkt I.). Zudem wurde ihre Außerlandesbringung angeordnet und ihre Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Gegen diesen Bescheid erhob die Erstbeschwerdeführerin für die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin Beschwerde.

10.      Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.10.2018, W205 2013542/14E und W205 2178276-1/4E, wurden die Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin und Zweitbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen, wogegen außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof sowie Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben wurde.

11.      Am 05.11.2018 wurden die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin zur Sicherung der anstehenden Abschiebung am 07.11.2018 festgenommen, wobei auch eine Abnahme der Verfahrenskarten erfolgte.

12.      Mit Schreiben vom 06.11.2018 wurde mitgeteilt, dass beim Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde eingebracht und dazu eine „interim measure“ erlassen wurde. Entsprechend der einstweiligen Maßnahme waren die Beschwerdeführerinnen bis vorerst 27.11.2018 nicht abzuschieben. Mit 06.11.2018 erfolgte die Aufhebung der Festnahme der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin sowie die Entlassung aus der Familienunterkunft.

13.      Mit 06.11.2018 stellten die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 04.10.2018 abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens, welchen sie mit der Verschlechterung der Aufnahmesituation in Italien begründeten.

14.      Mit Schreiben vom 23.11.2018 wurde seitens des Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht bekanntgegeben, dass die „interim measure“ (vorläufige Maßnahme) aufgehoben wurde.

15.      Mit Schreiben vom 03.12.2018 teilten die italienischen Behörden mit, dass der Transfer der Beschwerdeführerinnen nach Italien akzeptiert werde.

16.      Nach Stornierungen der Flüge am 17.01.2019 und 23.01.2021 wurden sie am 11.02.2019 zur Sicherung der anstehenden Abschiebung festgenommen.

17.      Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.02.2019, Ra 2018/19/0649 bis 0650, wurde dem Antrag, der erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, stattgegeben. Am selbigen Tag erfolgte die Entlassung der Beschwerdeführerinnen aus der Familienunterkunft und eine Stornierung der für den 13.02.2019 angesetzten Dublin-Überstellung.

18.      Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 30.04.2019, E 4602-4603/2018, wurde der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin und ihrer minderjährigen Tochter die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

19.      Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 26.06.2019, E 4602-4603/2018, wurde der Beschwerde der Beschwerdeführerinnen stattgegeben und das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.10.2018, W205 213532-1/14E und W205 2178276-1/4E, aufgehoben, was der Verfassungsgerichtshof mit einem am 24.09.2018 verabschiedeten Sicherheits- und Immigrationsdekret, das Änderungen im Asylrecht vorsah und welches nach Verlautbarung im Amtsblatt am 05.10.2018 in Kraft trat, begründete. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens hätte das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der aktuellen Lage in Italien das Sicherheits- und Immigrationsdekret mitberücksichtigen müssen, doch fehle im angefochtenen Erkenntnis jegliche Auseinandersetzung damit sowie ebenso eine Behandlung der Frage, ob und in welcher Form die Beschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr von den allenfalls geänderten Bedingungen betroffen wären. Möglicherweise bewirke die neue Rechtslage eine Änderung des Zuganges von Gruppen schutzbedürftiger Personen zu Leistungen wie zB Unterkünften, was im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes hätte behandelt werden müssen, weshalb das Erkenntnis mit Willkür behaftet sei und daher aufzuheben war.

20.      Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2019, W205 2013532-2/7E und W205 2178276-2/4E, wurde der Antrag vom 06.11.2018 auf Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerinnen als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wirke auf den Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung zurück (ex-tunc), was zur Folge habe, dass das Beschwerdeverfahren der Beschwerdeführerinnen ex-post betrachtet im Einbringungszeitpunkt des Wiederaufnahmeantrages noch offen gewesen wäre, ein Wiederaufnahmeantrag jedoch ein durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenes Verfahren erfordere, weshalb der Antrag auf Wiederaufnahme als unzulässig anzusehen und daher zurückzuweisen sei.

21.      Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.07.2019, Ra 2018/19/0649, 0650, wurde die Revision als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt, was der Verwaltungsgerichtshof mit der Klaglosstellung der Beschwerdeführerinnen begründete.

22.      Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2020, W205 2013532-1/41E und W205 2178276-1/29E, wurden die Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin und ihrer minderjährigen Tochter gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 16.10.2014, XXXX EAST Ost und 27.10.2017, XXXX EAST Ost, als unbegründet abgewiesen.

23.      Mit Schreiben vom 26.08.2020, eingelangt per Fax am selbigen Tag, stellten die Beschwerdeführerinnen unter Hinweis darauf, dass seit der Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts bereits mehr als sechs Monate verstrichen wären, weshalb die Zuständigkeit zur Prüfung der Asylanträge auf Österreich übergegangen sei, den Antrag, ihnen gemäß § 51 AsylG jeweils eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen.

24.      In Hinblick auf die Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes Wien wies die belangte Behörde mit E-Mail vom 01.09.2020 darauf hin, dass die erste Instanz die zweite Instanz nicht beheben könne und man sich an das Bundesverwaltungsgericht wenden solle.

25.      Schriftlich erging an die Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom 25.01.2021 eine Manuduktion der belangten Behörde mit dem Ersuchen, persönlich einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, zumal das Asylverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen und nicht mehr weitergeführt werden könne, wobei eine Überstellung nach Italien nicht mehr erfolgen werde.

26.      Mit 23.03.2021 wurde beim BFA eine Säumnisbeschwerde in Hinblick auf den Antrag vom 26.08.2020 auf Ausstellung von Aufenthaltsberechtigungskarten eingebracht.

27.      Mit gegenständlichen Bescheid vom 18.05.2021, XXXX und XXXX , wurde der Antrag der Beschwerdeführerinnen vom 26.08.2020 auf Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte seitens der belangten Behörde abgewiesen.

28.      Die dagegen wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Beschwerde wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits zu § 18 Abs 2 AsylG 1997 klargestellt habe, dass die dort genannten Asylwerber mangels gegenteiliger gesetzlicher Regelung auch das Recht hätten, die Zuerkennung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung durch Aushändigung der Bescheinigung zu beantragen und gegebenenfalls auch einen darauf gerichteten Säumnisbehelf einzulegen, was ohne weiteres auch auf die Rechtslage nach dem AsylG 2005 zu übertragen sei. Soweit sich das BFA auf die Rechtskraft des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.02.2020 bereits abgeschlossenen Asylverfahrens beziehe, so sei dem nicht zu folgen, zumal der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen habe, dass nach Verstreichen der sechsmonatigen Überstellungsfrist die Asylbehörde von Amts wegen alle erforderlichen Veranlassungen zur Wahrnehmung der auf Österreich übergangenen Zuständigkeit zur Prüfung des hier gestellten Asylantrags zu treffen habe. Selbst wenn man von einer Notwendigkeit der förmlichen Behebung der vorangegangenen Zurückweisungsentscheidung ausgehe, bevor das Verfahren zuglassen werden könne, habe das BFA, welches empfohlen habe, sich mit dem Anliegen an das Bundesverwaltungsgericht zu wenden, übersehen, dass es an einer fallbezogenen geeigneten gesetzlichen Befugnis des Bundesverwaltungsgerichts zur Aufhebung oder Abänderung rechtskräftiger Entscheidungen fehle. Dem BFA stehe einerseits § 68 Abs 2 AVG zur Verfügung, anderseits auch § 51 AsylG. Jedenfalls verfehlt sei auch die Meinung, die Beschwerdeführerinnen müssten einen neuen Asylantrag stellen, um ihr Asylverfahren in Österreich führen zu können.

29.      Mit Schriftsatz vom 22.06.2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 25.06.2021, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor. Für den 02.08.2021 wurde eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt.

30.      Mit Schreiben vom 15.07.2021, per Fax eingelangt am selbigen Tag, erging seitens der Beschwerdeführerinnen die Mitteilung, dass auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich verzichtet werde und im Falle der Durchführung der für 02.08.2021 anberaumten Verhandlung diese seitens der Beschwerdeführerinnen wie auch des Rechtsvertreters jedenfalls unbesucht gelassen werde, zumal der Sachverhalt vollständig geklärt und zwischen den Verfahrensparteien auch nicht weiter strittig sei. Nicht verzichtet werde jedoch auf die Zustellung des Verhandlungsprotokolls sowie auf das Recht, eine schriftliche Entscheidungsausfertigung zu beantragen.

31.      Am 02.08.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die englische Sprache statt. Weder die Beschwerdeführerinnen, noch deren Rechtsvertreter, noch ein Vertreter der belangten Behörde sind zur Verhandlung erschienen. Das Bundesverwaltungsgericht verkündete das Erkenntnis an diesem Tag mündlich und stellte der Rechtsvertretung die Niederschrift am 05.08.2021 zu.

32.      Mit Schriftsatz vom 09.08.2021, per Telefax eingelangt am 13.08.2021 um 09:32 Uhr, beantragten die Beschwerdeführerinnen die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1.    Zum Sachverhalt:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin, die am XXXX .2016 im Bundesgebiet geboren wurde. Mutter und Tochter sind nigerianische Staatsangehörige.

Die Erstbeschwerdeführerin reiste am 04.08.2014 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte dort einen Antrag auf internationalen Schutz. Zuvor stellte sie bereits in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz und erfuhr aufgrund dessen am 26.06.2008 und am 17.11.2011 eine erkennungsdienstliche Behandlung.

Die belangte Behörde richtete mit 04.09.2014 ein auf Art 18 Abs 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an die italienische Dublin-Behörde, in welchem um dringende Antwort bis spätestens 15.10.2014 gebeten wurde. Das Ersuchen blieb jedoch unbeantwortet, weshalb das BFA mit Schreiben vom 05.10.2014 auf das Verstreichen der Antwortfrist und die daraus ergebende Verpflichtung zur Wiederaufnahme der [damals ausschließlich noch] Erstbeschwerdeführerin hinwies. Auch dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

Nach der Geburt der Zweitbeschwerdeführerin wies das BFA mit Schreiben vom 18.01.2017 die italienische Dublin-Behörde unter Bezug auf Art 20 Abs 3 Dublin III-VO darauf hin, dass die Situation eines Minderjährigen, der den Antragsteller begleitet und der Definition des Begriffs "Familienangehöriger" entspricht, untrennbar mit der Situation des Familienangehörigen verbunden sei und in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats falle, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig sei, auch wenn der Minderjährige nicht selbst Antragsteller sei. Die gleiche Behandlung gelte für Kinder, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Verfahren zur Übernahme der Verantwortung für sie eingeleitet werden müsse.

Mit Schreiben vom 15.11.2018 teilten die italienischen Behörden mit, dass der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz in Italien am 04.12.2012 endgültig abgelehnt und ihr die endgültige Entscheidung der Kommission am 09.07.2014 mitgeteilt wurde, wobei in der Sache selbst geprüft wurde. Des Weiteren erging eine Zusicherung, die Erstbeschwerdeführerin und ihre minderjährige Tochter nicht in einer Unterkunft des SPRAR-Projekts unterzubringen, sondern in einem angemessenen Aufnahmezentrum. Zudem wurde einer Wiederaufnahme zugestimmt.

Mit neuerlichem Schreiben vom 03.12.2018 teilte die italienische Behörde mit, dass der Transfer der Beschwerdeführerinnen nach Italien akzeptiert werde.

1.2.    Zum Verfahren in Österreich:

Mit Bescheid vom 16.10.2014, XXXX EAST Ost, betreffend die Erstbeschwerdeführerin und Bescheid vom 27.10.2017, XXXX EAST Ost, betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wies die belangte Behörde ohne in die Sache einzutreten jeweils den Antrag als unzulässig zurück und Italien für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz für zuständig erklärt (Spruchpunkt I.). Zudem ordnete sie die Außerlandesbringung an und erklärte die Abschiebung nach Italien für zulässig (Spruchpunkt II.). Gegen das aufgrund erfolgter Beschwerden ergangene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.10.2018, W205 2013542/14E und W205 2178276-1/4E, womit die Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin und Zweitbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen wurden, erhoben die Beschwerdeführerinnen die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof sowie Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

In der Folge hob der Verfassungsgerichtshofs mit Erkenntnis vom 26.06.2019, E 4602-4603/2018, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.10.2018, W205 213532-1/14E und W205 2178276-1/4E auf. Seine Entscheidung begründete der Verfassungsgerichtshof mit einem am 24.09.2018 verabschiedeten Sicherheits- und Immigrationsdekret, das Änderungen im Asylrecht vorsah und welches nach Verlautbarung im Amtsblatt am 05.10.2018 in Kraft trat. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens hätte das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der aktuellen Lage in Italien das Sicherheits- und Immigrationsdekret mitberücksichtigen müssen, doch fehle im angefochtenen Erkenntnis jegliche Auseinandersetzung damit sowie ebenso eine Behandlung der Frage, ob und in welcher Form die Beschwerdeführerinnen im Falle einer Rückkehr von den allenfalls geänderten Bedingungen betroffen wären. Möglicherweise bewirke die neue Rechtslage eine Änderung des Zuganges von Gruppen schutzbedürftiger Personen zu Leistungen wie zB Unterkünften, was im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes hätte behandelt werden müssen, weshalb das Erkenntnis mit Willkür behaftet sei und daher aufzuheben war. Der Verwaltungsgerichtshof erklärte daraufhin ob der Klaglosstellung der Beschwerdeführerinnen mit Beschluss vom 26.07.2019, Ra 2018/19/0649, 0650, die Revision als gegenstandslos und das Verfahren für eingestellt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2020, W205 2013532-1/41E und W205 2178276-1/29E, wies dieses die Beschwerden der Erstbeschwerdeführerin und ihrer minderjährigen Tochter rechtskräftig als unbegründet ab.

Eine Überstellung nach Italien binnen Sechsmonatsfrist erfolgte nicht und ist die Zuständigkeit in Hinblick auf das Verfahren auf internationalen Schutz mit 14.08.2020 auf Österreich übergegangen.

Die Beschwerdeführerinnen stellten bewusst zu keinem Zeitpunkt neuerliche Anträge auf internationalen Schutz und halten sich aktuell ohne Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet auf.

Es ist aktuell kein Verfahren der Beschwerdeführerinnen nach den Bestimmungen des AsylG zuzulassen.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1.    Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2.    Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des Antrages der Beschwerdeführerinnen vom 26.08.2020, den E-Mail-Verkehr mit der belangten Behörde, der Manuduktion vom 25.01.2021, den bekämpften Bescheid und den Beschwerdeschriftsatz. Darüber hinaus wurden Auskünfte aus dem Zentralen Fremdenregister und dem Zentralen Melderegister zu den Personen der Beschwerdeführerinnen eingeholt.

Des Weiteren fand am 02.08.2021 eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck statt, zu welcher jedoch weder die ordnungsgemäß geladenen Beschwerdeführerinnen noch deren Rechtsvertreter erschienen sind.

In Zusammenhang mit der Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerinnen bleibt auf die unstrittigen Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Zuge ihrer Erstbefragung am 06.08.2014 zu verweisen (AS 9), wobei auch der Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister zu ihrer Person die entsprechende Eintragung aufweist. Hinsichtlich der am 14.12.2016 in Wien geborenen Tochter liegt die Geburtsurkunde dem Verwaltungsakt bei (AS 287), wobei sich die Staatsbürgerschaft der Minderjährigen von der ihrer Mutter ableitet, wie auch im Fremdenregisterauszug zu ihrer Person ersichtlich ist.

Die Feststellung zur Einreise ins Bundesgebiet am 04.08.2014 basiert auf dem Datum der Asylantragstellung am selbigen Tag (AS 11). In Hinblick auf die Asylantragstellung in Italien kann auf die EURODAC-Treffer nach Durchführung des AFIS-Abgleichs bzw. auch auf die Angaben der Erstbeschwerdeführerin verwiesen werden (AS 15 ff).

Die jeweiligen Schreiben der belangten Behörde vom 04.09.2014, 05.10.2014 und 18.01.2017 an die italienische Dublin-Behörde liegen im Verwaltungsakt ein (AS 63 ff, AS 121 ff und AS 285 ff), ebenso deren Schreiben vom 15.11.2018 und 03.12.2018 (AS 653 ff und AS 783).

2.3.    Zum Verfahren in Österreich:

In Hinblick auf das Verfahren der Beschwerdeführerinnen in Österreich kann auf die im Akt einliegenden Bescheide der belangten Behörde vom 16.10.2014, XXXX -EAST Ost, und 27.10.2017, XXXX EAST Ost (AS 165 ff und AS 375 ff), das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.10.2018, GZ W205 2013542/14E und W205 2178276-1/4E (AS 497 ff), das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 26.06.2019, E 4602-4603/2018-22 (AS 1105 ff), den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.07.2019, Ra 2018/19/0649, 0650-19 (AS 1125 ff) sowie das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2020, W205 2013532-1/41E 7und W205 2178276-1/29E (AS 1157 ff), verwiesen werden.

In Anbetracht des Umstandes, dass mit 26.08.2020 der Antrag auf Ausstellung von Verfahrensberechtigungskarten erfolgt ist (AS 1375 ff) und die Beschwerdeführerinnen auch nach wie vor in Österreich aufhältig und melderechtlich erfasst sind, wie Auszügen aus dem Zentralen Melderegister zu entnehmen war, war unstrittig festzustellen, dass eine Überstellung derselben binnen sechs Monaten nach Italien nicht erfolgt ist.

Der Übergang in Hinblick auf das Verfahren auf internationalen Schutz auf Österreich ist fallgegenständlich nicht strittig, wie der Verwaltungsakt belegt (AS 1395 ff, insbesondere AS 1439 und AS 1447).

Dass die Beschwerdeführerinnen bewusst keinen (neuerlichen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Den rechtsvertretenen Beschwerdeführerinnen war bekannt, dass das Bundesverwaltungsgericht am 14.02.2020 deren Anträge auf internationalen Schutz zurückgewiesen hatte. Ihnen war auch bewusst, dass sie dieses nicht bekämpft hatten und daher dieses Erkenntnis nicht nur formell, sondern auch materiell rechtskräftig und somit unabänderlich wurde. Die belangte Behörde leitete die Beschwerdeführerinnen auch ausdrücklich am 21.01.2021 an, neuerliche Anträge auf internationalen Schutz zu stellen. Dieser Anleitung kamen die Beschwerdeführerinnen nicht nach. Da sich die Beschwerdeführerinnen der heutigen mündlichen Verhandlung entzogen, unterließen sie es an der Aufklärung mitzuwirken, ob sie allenfalls doch neue Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben und aus welchen Motiven allenfalls keine solchen Anträge gestellt wurden. Diese Unterlassung der Mitwirkungspflicht geht zu Lasten der Beschwerdeführerinnen. Es ist vor dem Hintergrund des sich aus dem Verwaltungsakt ergebenden Sachverhalts, insbesondere der Manuduktion durch die belangte Behörde, damit nur die Schlussfolgerung möglich, dass die Beschwerdeführerinnen bewusst keine neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.

Aus dem Umstand, dass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.02.2020, das die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerinnen zurückwies, unbekämpft geblieben sind und jenem, dass keine neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz gestellt wurden, ergibt sich die Feststellung, dass kein Verfahren der Beschwerdeführerinnen nach den Bestimmungen des AsylG zuzulassen war. Aus dem Umstand, dass kein solches Verfahren zuzulassen war, ergibt sich, dass die Beschwerdeführerinnen in Österreich über kein Aufenthaltsrecht verfügen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Eine Aufenthaltsberechtigungskarte ist einem Asylwerber, dessen Verfahren zuzulassen ist und dem ein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Abs 1 AsylG zukommt, auszustellen. Die Karte ist bis zu einer durchsetzbaren Entscheidung, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens gültig (§ 51 Abs 1 AsylG).

Gegenständlich besteht kein Verfahren der Beschwerdeführerinnen, das nach dem AsylG zuzulassen wäre. Die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerinnen, welche sie 2014 bzw 2017 stellten, sind rechtskräftig durch Zurückweisung dieser Anträge entschieden. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2020, W205 2013532-1/41E und W205 2178276-1/29E, ersetzte die jeweiligen Bescheide des BFA vom 16.10.2014 bzw vom 27.10.2017. Ausschließlich das zuvor zitierte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts gehört dem Rechtsbestand an. Dies führt dazu, dass – entgegen dem Beschwerdevorbringen - eine Abänderung und Behebung von Amts wegen gemäß § 68 Abs 2 AVG nicht in Betracht kommt. Der allein dafür in Frage kommende § 68 AVG normiert nämlich keinen diesbezüglichen Tatbestand, da das BFA einerseits weder die Behörde ist, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, noch andererseits die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde des Bundesverwaltungsgerichtes ist. Das Bundesverwaltungsgericht verfügt seinerseits über keine Kompetenz, seine Entscheidung vom 14.02.2020 zu beheben, da dem VwGVG eine dem § 68 AVG vergleichbare Regelung zur amtswegigen Behebung von Entscheidungen, fremd ist und eine subsidiäre Anwendung von § 68 AVG aufgrund dessen, dass § 17 VwGVG den IV. Teil des AVG (§§ 63 bis 73 AVG) ausdrücklich von der subsidiären Anwendung in seinem Bereich ausnimmt, nicht in Betracht kommt.

Neuerliche Anträge auf internationalen Schutz wurden von den Beschwerdeführerinnen nicht gestellt. Damit sind aktuell keine Verfahren auf internationalen Schutz anhängig.

Eine Überstellung der Beschwerdeführerinnen in den zuständigen Mitgliedstaat (Italien) fand in der Folge allerdings nicht statt. Damit ging mit Ablauf der in Art. 29 Dublin 111-Verordnung normierten Überstellungsfrist die Zuständigkeit für die Führung des Verfahrens auf internationalen Schutz auf Österreich über. Neuerliche Anträge auf internationalen Schutz stellten die Beschwerdeführerinnen entgegen entsprechender Anleitung durch die belangte Behörde bewusst nicht (vgl dazu bereits oben in der Beweiswürdigung unter Punkt A) 2.2.).

Es fehlt daher vorliegend an einer zur Einleitung eines inhaltlichen Verfahrens auf internationalen Schutz erforderlichen Stellung neuer Anträge, zumal das Gesetz für die gegenständliche Konstellation der nicht fristgerecht erfolgten Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat weder ein Außerkrafttreten der rechtskräftigen Zurückweisung des seinerzeitigen Antrags noch eine Möglichkeit für die belangte Behörde vorsieht, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren auf internationalen Schutz von Amts wegen wieder aufzunehmen.

Dabei wird nicht übersehen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH in der Rs Shiri, C-201/16, für Konstellationen der Versäumung der Überstellungsfrist ausgesprochen hat, dass dem dadurch definitiven Übergang der Zuständigkeit auf Österreich bzw der entstandenen Prüfpflicht dadurch Rechnung zu tragen sei, dass die ursprüngliche (nicht fristgerecht umgesetzte) Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz nach § 5 AsylG von den Asylbehörden wieder aufzuheben sei. Diese Aufhebung sei unverzüglich nach fruchtlosem Ablauf der jeweiligen Überstellungsfrist, auch von Amts wegen, vorzunehmen (zB VwGH 16.05.2019, Ra 2018/21/0173, Rn 14). Gleichwohl ist nicht ersichtlich (und hat sich der Verwaltungsgerichtshof - soweit ersichtlich - auch dazu noch nicht explizit geäußert), auf welcher gesetzlichen Grundlage die belangte Behörde zu diesem Ergebnis in einem Fall, wie dem vorliegenden, kommen könnte, in dem sich die rechtskräftige Zurückweisung aus einem - die erstinstanzlichen Bescheide zur Gänze ersetzenden - Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts ergibt, was für die belangte Behörde - wie oben angeführt – auch ein Vorgehen nach § 68 Abs 2 AVG von vornherein ausschließt; auch für das Bundesverwaltungsgericht selbst ist - wie oben angeführt - § 68 Abs 2 AVG nicht anwendbar (§ 17 Abs 1 VwGVG). Dass das Unionsrecht, namentlich Art 29 Abs 2 der Dublin-lll-Verordnung in seiner Auslegung durch den EuGH, diese rechtskräftige Zurückweisung des Antrags ohne Weiteres auszusetzen vermag, ist schon allein deshalb nicht anzunehmen, weil es dem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber obliegt, für diesen Fall die entsprechenden verfahrensrechtlichen Modalitäten festzulegen. Mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung kommt hiefür - de lege lata - nur eine neuerliche Antragstellung in Frage (in diese Richtung hat die belangte Behörde vorliegend auch Schritte gesetzt, indem sie die Beschwerdeführerinnen ausdrücklich zur neuerlichen Antragstellung angeleitet hatte; die Beschwerdeführerinnen haben dennoch bewusst auf eine neuerliche Antragstellung verzichtet). Auch wenn hier also eine spezifische gesetzliche Regelung betreffend die automatische „Wiederaufnahme" des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens fehlt, so gibt es doch eine einfache und den Betreffenden zumutbare und auch effektive Möglichkeit, nämlich durch Stellung eines neuen Antrags (wovon die Beschwerdeführerinnen, wie dargelegt, bewusst Abstand nahmen) erneut ein Verfahren auf internationalen Schutz, für das nunmehr die Zuständigkeit Österreichs unionsrechtlich feststeht, in Gang zu bringen. Dass dies vorderhand mit den Gewährleistungen der Dublin-III Verordnung nicht vereinbar wäre, scheint vorliegend nicht ersichtlich.

Ein Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerinnen in Österreich besteht seit rechtskräftiger Entscheidung über ihre Anträge auf internationalen Schutz im Jahr 2020 nicht (mehr), da zwischenzeitig eine durchsetzbare Entscheidung über diese Anträge besteht.

Damit fehlt es an den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen, eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 Abs 1 AsylG auszustellen. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, weil es für den Fall eines nachträglichen Zuständigkeitsübergangs nach Art 29 Abs 2 Dublin-lll-Verordnung an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend fehlt, ob dann, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bereits rechtskräftig durch das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen wurde, das Verfahren auf internationalen Schutz - gegebenenfalls unmittelbar gestützt auf Unionsrecht - ohne förmliche Aufhebung des zurückweisenden Erkenntnisses fortzusetzen ist (wofür keine gesetzliche Grundlage besteht) oder erst nach neuerlicher Antragstellung (was sich auch als unionsrechtlicher Sicht als adäquate verfahrenstechnische Lösung erweisen könnte). Dabei handelt es sich nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, zu der auch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht.

Schlagworte

amtswegige Aufhebung anhängiges Verwaltungsverfahren Antragstellung Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltsrecht mündliche Verhandlung mündliche Verkündung Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung schriftliche Ausfertigung Voraussetzungen Wiederaufnahme Zuständigkeitsübergang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I413.2235426.2.00

Im RIS seit

22.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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