TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/19 W222 2241959-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.08.2021
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Entscheidungsdatum

19.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch


W222 2241959-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch seine Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch die Bundesagentur für Unterstützungsleistungen GmbH in 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2021, 1275195403/21027736, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 26.02.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am Tag der Antragstellung wurde er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer niederschriftlichen Erstbefragung unterzogen. Hiebei gab er zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, es habe Grundstücksstreitigkeiten mit seinen Cousins väterlicherseits gegeben. Diese wollten das Ackerland der Familie des Beschwerdeführers besetzen, sie hätten mehrmals den Vater des Beschwerdeführers bedroht und auch einmal den Beschwerdeführer, als er einen Acker betreten habe. Es hätten ihn drei Personen verfolgt, eine hätte einen Baseballschläger und die zweite ein Schwert gehabt. Die Dritte Person sei auf einem Motorrad gewesen. Sie seien dem Beschwerdeführer hinterhergelaufen und er habe Schutz bei den Nachbarn suchen können. Dieser Vorfall habe ca. eineinhalb Monate vor der Ausreise des Beschwerdeführers stattgefunden. Zum gleichen Zeitpunkt hätte er sich entschlossen zu fliehen. Es habe noch mehrere Vorfälle gegeben.

Am 16.03.2021 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen folgendes zu Protokoll (sprachliche Unzulänglichkeiten bereinigt durch das Bundesverwaltungsgericht):

„F: Wie können Sie den Dolmetscher verstehen?

A: Gut.

F: Welche Sprachen sprechen Sie noch?

A: Ein wenig Englisch.

F: Haben Sie das alles verstanden?

A: Ja.

F: Haben Sie die Merk- und Informationsblätter zum Asylverfahren in einer Ihnen verständlichen Sprache erhalten?

A: Ja.

F: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?

A: Ja.

F: Haben Sie irgendwelche Krankheiten oder nehmen Sie Medikamente ein?

A: Nein, ich habe keine Krankheiten. Medikamente nehme ich auch keine ein.

F: Sie werden aufgefordert, selbstständig und unverzüglich medizinische Unterlagen, Befunde, Gutachten, usw. unaufgefordert dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzulegen. (AW wird über die Möglichkeiten der Befundvorlage aufgeklärt.)

A: Gut, das werde ich machen.

F: Sind Sie damit einverstanden, dass ho. Behörde Einsicht in bereits vorliegende und künftig erhobene ärztliche Befunde nehmen kann, sowie dass die Sie behandelnden Ärzte, als auch behördlich bestellte ärztliche Gutachter wechselseitig Informationen zu den Ihre Person betreffenden erhobenen ärztlichen Befunde austauschen können? Sind Sie weiters mit der Weitergabe Ihrer medizinischen Daten an die Sicherheitsbehörde und die für die Grundversorgung zuständigen Stellen einverstanden? Sie werden darauf hingewiesen, dass ein Widerruf Ihrer Zustimmung jederzeit möglich ist.

A: Ja, ich bin damit einverstanden.

F: Gem. § 14 Abs. 2 AsylG 2005 werden Sie darüber belehrt, dass Sie sich für Zustellungen im Asylverfahren eines Zustellbevollmächtigten bedienen können.

A: Ich habe verstanden, werde jedoch nicht vertreten.

F: Welche Staatsbürgerschaft besitzen Sie?

A: Indien.

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: Punjabi.

F: Welche Religionszugehörigkeit haben Sie?

A: Sikh.

F: Wie lautet Ihr Familienstand?

A: Ledig.

F: Haben Sie Kinder?

A: Nein.

F: Haben Sie Geschwister?

A: Ja, eine Schwester und einen Bruder.

F: Wie lauten die Personalien Ihrer Geschwister und wo leben diese?

A: Schwester: XXXX , 28 Jahre alt. Punjab, Amritsar.

Bruder: XXXX , 22 Jahre alt. Punjab, Ludihana.

F: Sind Ihre Angaben die Sie bei der Erstbefragung am 26.02.2021 bei der Polizeiinspektion Wels Fremdenpolizei gemacht haben richtig und halten Sie diese aufrecht?

A: Ja.

F: Wollen Sie zu der durchgeführten Erstbefragung Ergänzungen oder Berichtigungen angeben?

A: Nein.

F: Besitzen Sie hier, zu Hause oder sonst irgendwo Dokumente, welche Ihre Identität bestätigen?

A: Nein.

F: Wie haben Sie sich im Herkunftsstaat ausgewiesen?

A: Ich habe nur meinen Namen gesagt und den Namen meines Dorfes.

F: Waren Sie im Herkunftsstaat jemals in medizinischer Behandlung?

A: Ich hatte einmal eine Panikattacke.

F: Wann war diese Panikattacke?

A: Im Juli 2020.

F: Sie gaben in der Erstbefragung an, dass Sie als Chauffeur gearbeitet haben. Hatten Sie einen Führerschein?

A: Ja.

F: Wo ist der Führerschein?

A: Zuhause müsste dieser sein.

F: Können Sie den Führerschein organisieren?

A: Sobald ich Kontakt aufnehmen kann. Bis jetzt war das nicht möglich. Dann könnte ich ihnen diesen vorlegen.

F: Wie haben Sie sich im Herkunftsstaat den Lebensunterhalt finanzieren können, damit meine ich Miete, Kleidung, Lebensmittel, usw.?

A: Durch meine Chauffeurarbeit.

F: Wie haben Sie im Herkunftsstaat gelebt, in einem Haus, Wohnung? War dies zur Miete oder ein Eigentum?

A: Wir hatten ein eigenes Haus.

F: Wie viel haben Sie für die Reise nach Österreich bezahlt und woher hatten Sie das Geld für die Reise nach Österreich?

A: Eine Million indische Rupien. Dafür habe ich mein Grundstück verkauft.

F: Wann haben Sie Ihr Grundstück verkauft?

A: September 2020.

F: Welches Land war Ihr Reiseziel als Sie den Herkunftsstaat verlassen haben?

A: Nach England.

F: Haben Sie den Herkunftsstaat schon jemals früher verlassen?

A: Nein.

F: Geben Sie bitte alle Ihre Wohnadressen, beginnend mit Ihrer Geburt bis zur Einreise nach Österreich, mit von bis Angaben an.

A: Ich habe mein Dorf bereits angegebenen. Seit meiner Geburt lebte ich bei meinen Großeltern mütterlicherseits. Dies war XXXX . Wie lange ich dort lebte, das weiß ich nicht. Aber dann lebte ich in meinem Dorf mein ganzes Leben lang. Das war dann im Dorf XXXX .

F: Haben Sie im Bereich der EU, Norwegen oder Island, Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis, bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Nein.

F: Haben Sie Verwandte, Bekannte oder Familienmitglieder in Österreich?

A: Nein.

F: Welche weitere Verwandte haben Sie im Herkunftsstaat?

A: Alle meine Verwandten sind in Indien.

F: Haben Ihre Verwandten im Herkunftsstaat irgendwelche Probleme?

A: Nur die Eltern, sonst niemand.

F: Stellten Sie je in Österreich oder einem anderen Land einen Antrag auf internationalen Schutz?

A: Nein.

F: Haben Sie jemals ein Visum beantragt oder beantragen lassen?

A: Nein.

F: Wie langte mussten Sie auf die Ausstellung des Visums warten?

A: Der Schlepper hat gesagt, dass ich einen Direktflug von Indien nach England haben werde.

F: Sind Sie legal aus Ihrem Herkunftsstaat ausgereist und wurden Sie bei der Ausreise aus dem Herkunftsstaat von Sicherheitswacheorganen kontrolliert?

A: Ja. Ich wurde auch kontrolliert am Flughafen.

F: Haben Sie im Herkunftsstaat bis zur Ausreise gearbeitet?

A: Ich habe aufgehört zu arbeiten im Februar 2021.

F: Lebten Sie bis zum Verlassen Ihres Herkunftsstaates an Ihrer gemeldeten Adresse?

A: Ich war in Delhi, bevor ich das Land verlassen habe.

F: Wie lange waren Sie in Delhi, bevor Sie das Land verlassen haben?

A: Ca. 25 bis 30 Tage.

F: Wie konnten Sie sich den Aufenthalt in Delhi leisten?

A: Bei denen ich bewohnt habe, die sind für mich aufgekommen.

F: Hatten Sie während Ihres Aufenthaltes in Delhi irgendwelche Probleme?

A: Ja.

F: Welche Probleme hatten Sie in Delhi?

A: Die Verfolger von Punjab haben mich verfolgt und haben mich in Delhi gefunden.

F: Reisten Sie jetzt alleine?

A: Ja.

F: Geben Sie mir bitte nochmals Ihre Reiseroute, beginnend mit dem Verlassen des Wohnsitzes im Herkunftsstaat bis zur jetzigen Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich bekannt, unter Anführung der Grenzübergänge, durchreisten Länder, verwendete Transportmittel, Aufenthaltszeiten, usw.

A: Ich verließ mein Zuhause im Oktober 2020 und fuhr mit dem Zug nach Delhi. Ich war ca. einen Monat in Delhi. Dann flog ich mit dem Flugzeug nach Serbien. Ca. 25 Tage war ich in Serbien. Ich bin dann durch den Wald gegangen. Dann kam auch noch ein Auto. Ich war dann wieder für ca. 20 bis 25 Tage untergebracht. Dann kam ich in einen Container und wurde irgendwo hingebracht. Dann war ich ca. 15 bis 20 Tage dort. Dann wurde ich wieder in einen Container gesteckt. Und als ich aus dem Container ausstieg, war ich hier in Österreich.

F: Was bedeutet die Tätowierung an Ihrer rechten Hand?

A: Es ist nur ein Anker.

F: Waren Sie Fischer oder jemals auf einem Schiff tätig?

A: Nein. Das Tattoo habe ich nur deswegen, weil es mir gefallen hat.

F: Was bedeutet die Tätowierung an der linken Hand?

A: Keine Ahnung was das ist. Das hat der Tätowierer einfach gemacht. Er hat ein Horrorhaus gemalt.

F: Seit wann haben Sie diese Tätowierungen?

A: Sie sind schon älter. Ich kann mich nicht erinnern seit wann.

F: Woher hatten Sie das Geld für die Tattoos?

A: Damals war ich Chauffeur und habe mir das geleistet.

F: Warum verließen Sie Ihren Herkunftsstaat? Erzählen Sie nun unter Anführung aller Fakten, Daten und Ihnen wichtig scheinenden Ereignissen den Sachverhalt.

A: Ich habe ein Ackerland und der Onkel väterlicherseits hat auch sein Ackerland, dieses war angrenzend an meinem Grundstück. Wir haben jeweils einen halben Kila Ackerland zusätzlich in den anderen Grundstücken, der Onkel bei mir und ich auf seinem Grundstück. Im Jahr 2016 haben sich beide Brüder hingesetzt und haben gesagt, dass ich den halben Kila auf seinem Grundstück bekomme, welches mir gehört und er bekommt das halbe Kila Grundstück, welches auf meinem Grundstück ist. In der Zwischenzeit, dadurch unser Ackerland an einer Straße angrenzt, wurde auf der anderen Seite der Straße ein Bazar neu gebaut und auch eine Tankstelle. Dadurch ist der Preis von unserem Grundstück gestiegen. Viele wollten deswegen unser Grundstück kaufen, damit sie einen größeren Bazar bauen können. Dadurch, dass der Preis gestiegen ist, wollte der Onkel wieder sein Grundstück, den halben Kila auf unserem Grundstück, zurückhaben. Wir hatten uns jedoch bereits im Jahr 2016 geeinigt und abgelehnt. Das war der Grund dafür, dass der Streit begann, denn die Preise sind 2020 gestiegen und da wollte der Onkel seinen halben Kila zurückhaben.

F: Wann wurden der Bazar und die Tankstelle gebaut?

A: Vielleicht, es dauert immer länger bis der Markt sich vergrößert, aber es müsste 2019 gewesen sein.

F: Erzählen Sie bitte weiter.

A: 2020, Anfang des Jahres, wollte der Onkel seinen halben Kila zurückhaben. Wir haben gesagt nein. Dann gab es Streitigkeiten deswegen. Der Onkel hat zwei Söhne. Diese, somit meine Cousins, sagten, dass sich der Vater geeinigt hat, aber nicht die beiden. Dann entstand immer streit. Der eine Cousin von mir ist mit irgendwelchen Gangstern befreundet, trinkt auch gerne Alkohol. Jeden Tag war er angetrunken und hat gestritten. Zuerst hat er immer verbal gestritten, wir dachten nichts dabei. Aber eines Tages sprangen sie über die Mauer und kamen zu Dritt in unser Haus. Es waren die beiden Cousins und eine weitere Person. Von diesen drei Personen hatte eine Person einen Bambusstock in der Hand. Das war ein fester Stock. Und sie haben mich dabei verletzt. An meiner Stirn, rechts. Das ereignete sich aber nicht bei uns Zuhause, sondern in unserer Gasse. Dann kamen die Nachbarn dazwischen und haben den Streit geschlichtet. Dann war zwei, drei Tage Ruhe, dann fingen sie wieder an verbal zu schimpfen. Dieser Streit ereignete sich damals im März 2020. Und eine Woche später ist der Cousin zu seinen Schwiegereltern nach U.P. Ich weiß nicht was er da gemacht hat. In der Zwischenzeit kam es zum Lockdown in Indien. In jeder Provinz war Ausgangssperre und er konnte nicht zurück nach Punjab. Man braucht ca. drei Tage mit dem Zug nach U.P. Und im Mai 2020 durften wieder Züge fahren und er kam zurück. Als er zurückkam, gab es wieder Streit. Dann gab es wieder verbal Streit. Er kam sehr oft und klopfte sehr heftig an der Haustüre. Er sagte, wir sollen rauskommen. Und im Juni sprang er wieder über die Mauer und kam ins Haus. Ich habe mich dann im Zimmer eingesperrt. Dann ist der Cousin weggegangen und es fanden die Drohungen per Handy und Facebook. Ich habe daraufhin meinen Facebookaccount gelöscht. Im Juli 2020 hatte ich große Angst. Und in dieser Zeit hatte ich auch die Panikattacke. Es war dann schon jeden Tag so, dass sie mich bedroht haben. Dann habe ich es mit der Familie besprochen und habe seinen früheren halben Kila, der nun uns gehörte, verkauft. Im September 2020 habe ich das Grundstück verkauft. Mit dem Erlös hat mein Vater laufende Kredite abbezahlt. Und auch die Reisekosten ins Ausland wurden damit bezahlt. Nachdem wir das Ackerland verkauft haben, gab es dann noch mehr Probleme. Ich blieb lange Zuhause, ging nicht mehr raus, hatte große Angst. Dann dachte ich mir, wie lange will ich mich denn einsperren und gefangen halten. Ich ging dann eines Tages raus, ging zu meinem Ackerland. Es passierte nichts. Als ich am nächsten Tag das gleiche machte, ich wieder auf dem Weg zu meinem Ackerland war, sah ich drei Personen auf einem Motorrad. Eine Person mit einem Schwert in der Hand, die andere mit einem Baseballschläger und der dritte fuhr das Motorrad. Diese Personen sind auf mich zu. Als ich das gesehen habe, flüchtete ich zu einem Nachbarn ins Haus. Dann sind die drei Personen weggefahren und ich hatte große Angst, rief meinem Vater an und er hat mich dann abgeholt. Da beschlossen wir, mein Vater und ich, mich in Sicherheit zu bringen, und zwar im Ausland. Denn wegen Grundstückstreitigkeiten werden in Punjab Menschen umgebracht. Und dieses Grundstück gehört uns jetzt nicht mehr, weil wir es verkauft haben. Dann hat mein Vater mit seinem Freund gesprochen ob er jemanden kennt, der mich ins Ausland bringt und er sagte ja, es würde einen geben, nach England. Deshalb haben sie auch gesagt, ich soll nach Delhi gehen. Denn wenn ich rausgehe, würden diese Leute mir was antun. Wir haben das halbe Kila verkauft gehabt. Die neuen Grundstücksbesitzer haben mich angerufen und gesagt, dass sie es wieder an uns zurückverkaufen wollen, denn meine Cousins haben auch die jetzigen Grundstücksbesitzer eingeschüchtert und Probleme gemacht. Daher wollten die neuen Grundstücksbesitzer das Geld wieder zurückhaben. Wir haben gesagt, dass wir das Geld nicht mehr haben. Als ich in Delhi war, bereits seit 20 Tagen, haben diese Leute irgendwoher erfahren, dass ich in Delhi war. Ich weiß nicht woher sie es wussten. Es kamen zwei Personen auf die Straße vor dem Haus wo ich in Delhi lebte. Ich war im oberen Zimmer in dem Haus untergebracht. Sie haben dann in dieser Straße wo sie waren, wo ich untergebracht bin, mein Foto hergezeigt und gefragt, ob sie diesen Jungen gesehen haben. Die Leute, bei denen ich untergebracht war, haben gesagt, nein, sie hätten mich nicht gesehen. Daraufhin haben sie gesagt, es wäre besser, dass ich woanders hingehen soll. Ich wechselte erneut meine Unterkunft. Nach ca. zehn Tagen haben sie dann geschaut, dass ich ins Ausland komme. (AW schweigt lange.)

F: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

A: Ja.

F: Gab es ein spezielles fluchtauslösendes Ereignis?

A: Der Flug war gebucht, deswegen bin ich an dem Tag weggeflogen. Mir wurde versprochen, dass ich einen Direktflug nach England haben werde. Ich wusste nicht, dass ich in Serbien landen werde.

F: Wer von Ihrer Familie lebte mit Ihnen in dem Haus zusammen?

A: Meine Eltern und ich.

F: Wem gehört das Grundstück, bereits Ihnen oder Ihrem Vater?

A: Das halbe Kila hat mir gehört. Das andere gehörte meinem Vater.

F: Wie groß war Ihr Grundstück, ohne das halbe Kila Ackerland?

A: Ein ganzes Kila.

F: Wie viel von diesem ganzen Kila, dem Grundstück Ihres Vaters, grenzt an die Straße, somit an den Bazar?

A: Nur das halbe Kila grenzte an die Straße.

F: Wann genau haben Sie das halbe Kila gekauft?

A: Mit Einverständnis haben wir im Jahr 2016 das halbe Kila getauscht.

F: Sie gaben an, dass Ihr Vater und Ihr Onkel dies 2016 vereinbarten. Warum gehörte dann das halbe Kila Ihnen?

A: Früher hatte mein Vater zwei Kila, aber er hat auch meinen Bruder ausbezahlt mit einem Kila. Und im Zuge dessen, weil es das eine halbe Kila so und so später mir gehören würde, hat er mir das halbe Kila überlassen.

F: Wer wurde von Ihrer Familie von den beiden Cousins bedroht?

A: Weil das Grundstück mir gehört hat, ich. Meinen Vater haben sie meistens nur eingeschüchtert, aber sonst nichts gemacht.

F: Wo leben die beiden Cousins, sind sie Nachbarn?

A: Wir wohnen vis à vis.

F: Wie weit ist Ihr Grundstück von Ihrem Haus entfernt?

A: Ca. zehn Minuten Fußweg.

F: Wann sind die drei Personen erstmals über die Mauer gesprungen?

A: Das war im März 2020. Nachgefragt gebe ich an, dass ich das Datum nicht mehr weiß.

F: Wann haben Sie die drei Personen auf dem Motorrad gesehen?

A: Es war Ende September 2020. Nachgefragt gebe ich an, dass ich das genaue Datum nicht mehr weiß.

F: Waren es dieselben drei Personen auf dem Motorrad und dem Sprung über die Mauer?

A: Nein, diese drei habe ich das erste Mal gesehen.

F: Hat Ihr Onkel nichts zu seinen beiden Söhnen gesagt, dass diese Sie in Ruhe lassen sollen?

A: Nein, hat er nicht, er ist ein Befürwortet, dass sie das Grundstück zurückbekommen.

F: Wann haben Sie das Grundstück verkauft?

A: Im September 2020, näheres Datum weiß ich nicht.

F: Haben Sie einen Kaufvertrag?

A: Ja, diesen müsste es geben.

F: Wem gehört jetzt das halbe Kila Grundstück?

A: Deren Namen kenne ich nicht mehr, aber es war einer, der auch auf dem Bazar ist.

F: Hat der jetzige Besitzer des Grundstücks jemals auf Grund der Bedrohungen die Polizei kontaktiert?

A: Das weiß ich nicht. Die Cousins sind politisch besser situiert. Die Dorfvorsitzenden gehen bei denen auch ein und aus. Als sie im Juni 2020 das zweite Mal über die Mauer gesprungen sind, sind wir zur Polizei gegangen. Komischerweise hat die Polizei gesagt, dass wir die Grundstücke einfach tauschen sollen. Unternommen haben diese aber nichts.

F: Warum wollte der neue Besitzer des Grundstückes von Ihnen das Geld wieder zurück haben?

A: Vermutlich ärgert er sich auch.

F: Wann wollte der neue Besitzer des Grundstückes von Ihnen das Geld wieder zurück haben?

A: Da war ich bereits in Delhi.

F: Wann wurden Sie erstmals, wann letztmals und wie oft in Summe bedroht?

A: Eingeschüchtert haben sie mich fast jeden Tag.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat Probleme mit Privatpersonen?

A: Außer mit denen sonst mit niemandem.

F: Hatten Sie im Herkunftsstaat bei der Ausübung Ihrer Religion Probleme?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat je Probleme mit der Polizei, dem Militär oder den staatlichen Organen?

A: Nein.

F: Wurden Sie im Herkunftsstaat von der Polizei oder anderen staatlichen Organen jemals verfolgt, bedroht, geschlagen, misshandelt, gefoltert oder ähnliches?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme?

A: Nein.

F: Sind oder waren Sie jemals politisch tätig?

A: Nein.

F: Waren Sie jemals in Haft, Arrest oder ähnliches?

A: Nein.

F: Haben oder hatten Sie sonstige Probleme auf Grund eines Naheverhältnisses zu einer Organisation?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat auf Grund Verfolgung durch Dritte Probleme?

A: Nur die Freunde des Cousins, nur durch diese.

F: Bestehen gegen Sie aktuelle Fahndungsmaßnahmen wie Aufenthaltsermittlung, Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbriefe oder ähnliches?

A: Nein.

F: Was würde mit Ihnen passieren, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Sie bringen mich um.

F: Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei der Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen? Hätten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen?

A: Nein.

F: Gibt es Beweismittel für Ihr Vorbringen, können Sie uns jemanden nennen, der uns Ihre Angaben bestätigen kann?

A: Nein, keine.

F: Wäre es für Sie möglich gewesen, in einem anderen Teil Ihres Herkunftsstaates Schutz vor Verfolgung zu erlangen?

A: Ich war in Delhi und sogar dort haben sie mich gefunden.

F: Wer hat Sie in Delhi gefunden?

A: Es waren fünf Personen.

F: War Ihnen von den fünf Personen irgendwer bekannt?

A: Nein. Sie hatten jedoch auch Coronamasken auf.

F: Verstehe ich Sie richtig, Sie hatten im Herkunftsstaat nur Probleme mit Privatpersonen?

A: Ja, richtig. Mit meinen beiden Cousins.

F: Haben Sie jemals um Hilfe und Unterstützung bei Menschenrechtsorganisationen oder beim Ombudsmann angesucht?

A: Nein, ich war nur bei der Polizei. Dort wurde mir nicht geholfen.

F: Tätigten Sie jemals eine Anzeige bei der Polizei?

A: Ja, das war im Juni 2020, beim zweiten Vorfall. Aber sie haben keine F.I.R. aufgenommen.

F: Sind Sie mit amtswegigen Erhebungen vor Ort unter Wahrung Ihrer Anonymität, eventuell unter Beiziehung der österreichischen Botschaft und eines Vertrauensanwaltes einverstanden?

A: Ja, ich stimme einer Recherche in meinem Herkunftsstaat zu.

F: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer in Österreich betroffen gewesen?

A: Nein.

F: Sind Sie je von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

A: Nein.

L.d.A.: Sie werden über die Möglichkeit informiert, dass Sie Einsicht in die Quellen der Berichte zum Herkunftsstaat Indien nehmen können, aus welchen sich das Amtswissen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur dortigen Lage ableitet.

F: Möchten Sie Einsicht nehmen?

A: Nein, danke.

Anmerkung: Der AW wird über den Umstand informiert, dass eine Einsichtnahme während der Amtsstunden während des weiteren Verfahrens vorgenommen werden kann.

Die Berichtsquellen über Indien werden als Beilage zur EV angehängt.

F: Wollen Sie freiwillig in den Herkunftsstaat zurück?

A: Nein.

F: Wann reisten Sie nach Österreich ein?

A: Nein, weiß ich leider nicht mehr.

F: Um wie viel ist der Grundstückspreis des halben Kila gestiegen?

A: Vorher waren die Grundstücke, der halbe Kila, 950.000 Rupien wert. Als ich es dann verkauft habe, war es 2.000.000 Rupien wert.

F: Wann wurde mit dem Bau des Bazars begonnen?

A: Man kann sagen, dass sie im Jahr 2018 damit begonnen haben.

F: Wann wurde publik gemacht, dass beabsichtigt wird einen Bazar in der Gegend zu bauen?

A: Das wird meistens nicht verkündet. Es macht ein Geschäft auf, dann ein anderes. So entsteht ein Bazar.

F: Wie viel ist das Grundstücke Ihres Vaters, der eine Kila, wert?

A: Vermutlich ist es jetzt 1.700.000,-- oder 1.800.000,-- Rupien wert. Denn es ist nicht angrenzend zum Bazar.

F: Was wird auf dem halben Kila angebaut?

A: Reis und Getreide.

F: Wie heißen die beiden Cousins väterlicherseits, die Sie bedrohen?

A: Der eine heißt XXXX , der andere heißt XXXX .

F: Wie alt sind die Cousins?

A: XXXX 30 Jahre, vermutlich, XXXX ist 33 Jahre alt.

F: Wo wohnen die beiden Cousins?

A: In XXXX .

F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas angeben möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?

A: (AW überlegt.) ich habe jetzt mittlerweile zwei Probleme. Das eine Probleme nun bekannt, mit den beiden Cousins. Das zweite Problem ist, die Käufer, die nun das Geld zurückhaben wollen.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben Ihren Herkunftsstaat zu verlassen, vollständig geschildert?

A: Ja.

F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt Ihre Probleme vollständig und so ausführlich wie Sie es wollten zu schildern?

A: Ja.

F: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden, sowohl von der Sprache als auch vom Verständnis her und konnten Sie auch alles angeben was Sie wollten?

A: Ja.

V: Ihnen wird nun mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Asylantrag abzuweisen und Sie nach Indien abzuschieben. Weiters wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen.

F: Wollen Sie konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?

A: Ich habe tatsächlich Probleme. Sie werden mich umbringen. Aus rein Menschlichkeit bitte um Gewährung von Asyl.

Ihnen wird nun zur Kenntnis gebracht, dass Sie nach einer Frist von mindestens 24 Stunden im Zuge einer niederschriftlichen Befragung im Beisein eines Rechtsberaters die Möglichkeit haben, zu diesem Sachverhalt Stellung zu beziehen. Von diesem Termin werden Sie schriftlich in Kenntnis gesetzt. Sollten Sie diesem Termin nicht nachkommen und die Betreuungsstelle verlassen, müssen Sie damit rechnen, dass das Verfahren eingestellt wird.

F: Wollen Sie noch etwas angeben?

A: Gut.

F: Sie werden nochmals aufgefordert Ihren Führerschein und sonstige Dokumente, als auch Beweismittel, wie zB den Kaufvertrag, Anzeigebestätigung, usw., zuvor in Kopie (Fax oder Mail) und später im Original, innerhalb von einer Woche, vorzulegen.

A: Gut. Ich werde versuchen Kontakt aufzunehmen.

F: Haben Sie ein Handy?

A: Ja. Ich habe keinen Akku zum Aufladen, ein Handy schon. Das ist im Zimmer.

F: Ist dies jenes Handy, auf welchem Sie die Drohungen erhalten haben?

A: Nein. Dieses Handy habe ich vom Freund meines Vaters bekommen.

Nach erfolgter Rückübersetzung:

Der AW ersucht um folgende Ergänzung, bzw. Berichtigung.

Seite 6: Nein, es war ein Fehler Ich habe aufgehört zu Arbeiten im Jahr 2020.

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

A: Ja.

F: Hat Ihnen der Dolmetscher alles rückübersetzt was Sie gesagt haben?

A: Ja.

F: Möchten Sie eine Ablichtung der Niederschrift?

A: Ja.

Die Niederschrift wurde mir rückübersetzt. Der Inhalt ist richtig und ich bestätige dies mit meiner Unterschrift.

Ich bestätige auch mit meiner Unterschrift, dass ich eine Kopie der Niederschrift und des Ländervorhaltes erhalten habe.

Weiters bestätige ich mit meiner Niederschrift den Erhalt der Mitteilung gem. § 29 Abs. 3 Z 5 AsylG 2005 und dass mir diese Mitteilung durch den Dolmetscher übersetzt wurde.

Am 22.03.2021 wurde der Beschwerdeführer neuerlich vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalten sich dabei wie folgt:

„Ihnen werden die anwesenden Personen vorgestellt und deren Funktion erklärt. Es wird Ihnen mitgeteilt, dass der anwesende Dolmetscher gem. § 52 Abs. 4 AVG bestellt und beeidet wurde.

Sie werden darauf aufmerksam gemacht, dass Sie im Falle von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit beim Dolmetscher rückfragen können.

Der AW gibt an: Ich habe keine Probleme mit den hier anwesenden Personen.

F: Wie können Sie den Dolmetscher verstehen?

A: Ja.

F: Fühlen Sie sich körperlich und geistig dazu in der Lage der nunmehrigen Einvernahme Folge zu leisten?

A: Ja.

Sie werden darauf hingewiesen, dass Sie jederzeit ein Rechtsberatergespräch in Anspruch nehmen können.

Mir wird die vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, EASt West, am 16.03.2021 durchgeführte erste Niederschrift, welche meine Unterschrift trägt, vorgelegt.

F: Können Sie sich noch erinnern, was Sie damals in den Einvernahmen angegeben haben?

A: Ja.

F: Sind Ihre damals in der ersten Niederschrift gemachten Angaben richtig und halten Sie diese aufrecht?

A: Ja.

F: Wollen Sie noch etwas ergänzen oder berichtigen?

A: Nein, nichts.

F: Haben Sie aktuelle medizinische Unterlagen?

A: Nein, ich bin nicht behandelt worden.

F: Hatten Sie zwischenzeitlich wieder Kontakt mit Familienmitgliedern, Bekannten oder Freunden Zuhause im Herkunftsstaat?

A: Nein. Mein Handy ist tot.

F: Haben Sie bereits um Übermittlung der Dokumente und Beweismittel aus dem Herkunftsstaat angesucht?

A: Ich konnte keinen Kontakt herstellen, weil mein Handy tot ist.

F: Wie viel Zeit verging, als Ihr Cousin erstmals über die Mauer sprang und in Ihr Haus kam, bis zu Ihrer Reise nach Delhi?

A: Im März ist er über die Mauer gesprungen, und im Oktober war ich dann in Delhi.

F: Wie viel Zeit verging, als Ihr Cousin erstmals über die Mauer sprang und in Ihr Haus kam, bis zu dem Vorfall, als das Motorrad mit den Personen auf Sie zukam?

A: Als er das erste Mal gesprungen ist, somit im März, bis zum Vorfall mit dem Motorrad, der war im September.

F: Wie viel Zeit verging, als Ihr Cousin erstmals über die Mauer sprang und in Ihr Haus kam, und er das zweite Mal über die Mauer sprang?

A: Das erste Mal im März, das zweite Mal im Juni.

F: Wie viel Zeit verging, als Ihr Cousin erstmals über die Mauer sprang und in Ihr Haus kam, bis zum Verkauf des halben Kila?

A: März war der erste Mauervorfall, im September habe ich das Grundstück verkauft.

F: Was machen die neuen Grundstückseigentümer mit dem halben Kila?

A: Ich glaube sie wollen dort Geschäfte bauen.

F: Wie viele Geschäfte können auf einem halben Kila errichtet werden?

A: Vermutlich acht bis zehn Geschäfte.

F: Hat Ihr Vater oder andere Mitglieder Ihrer Familie Ihnen gesagt, dass diese Familienmitglieder jemals einer Person mitteilten, dass Sie in Delhi aufhältig sind?

A: Meine Eltern wussten dass ich in Delhi bin.

F: Haben Ihre Eltern irgendjemanden gesagt, dass Sie in Delhi aufhältig sind?

A: Nein.

F: Wie viele Personen haben sich bei Ihnen zwecks dem Verkauf des halben Kila erkundigt, weil diese es ebenfalls kaufen wollten?

A: Es waren mehrere Interessierte, zB jener von der Tankstelle. Auch einer, der ein Lager für Reise hat. Es gab schon mehrere Interessenten für das Grundstück.

V: Ihnen wird nun nochmals mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen und Sie nach Indien abzuschieben. Weiters wird Ihnen nochmals mitgeteilt, dass gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen wird.

F: Wollen Sie konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?

A: Ich bitte um Gewährung von Asyl. Mein Leben ist tatsächlich in Indien in Gefahr. Oder vielleicht können sie mir etwas Zeit gewähren, sodass sich die Lage in Indien für mich beruhigt.

Nach der Rückübersetzung:

F: Haben Sie den Dolmetscher bei der gesamten Befragung einwandfrei verstehen können?

A: Ja.

F: Möchten Sie eine Kopie dieser Niederschrift

A: Ja.

F: Hat Ihnen der Dolmetscher alles rückübersetzt was Sie gesagt haben?

A: Ja.

Mir wurde diese Niederschrift rückübersetzt.

Der Inhalt ist richtig und ich bestätige dies und den Erhalt einer Niederschriftkopie durch meine Unterschrift.“

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien ab (Spruchpunkt II.), erteilte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.) und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA hinsichtlich der konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes unter anderem aus (sprachliche Unzulänglichkeiten bereinigt durch das Bundesverwaltungsgericht):

„So gaben Sie anfangs an, dass auf Grund der Tatsache, dass ein größerer Bazar gebaut wurde der Preis des halben Kila-Grundstückes stieg und der Onkel das Grundstück wieder zurückhaben wollte.

Später führten Sie jedoch immer wieder an, dass die beiden Cousins, XXXX und XXXX , somit die Söhne des Onkels, das Grundstück wieder zurückhaben wollten und Sie deswegen bedrohten.

Eine Verfolgung durch Ihren Onkel haben Sie im Zuge der Einvernahmen niemals erwähnt.

Obwohl Sie anführten, dass Sie das halbe Kila im September 2020 verkauft haben, wurden Sie Ende September 2020 von drei Personen, welche mit einem Motorrad kamen, bedroht, als auch, als Sie im Oktober 2020 nach Delhi reisten, haben dort fünf Personen nach Ihnen gefragt.

Da Sie anführten, dass der neue Grundstückseigentümer Ihnen mitteilte, dass die Personen diesem ebenfalls Probleme machten, ist erkennbar, dass die beiden Cousins vom Grundstücksverkauft bereits wussten.

Es ist daher logisch nicht nachzuvollziehen, warum Sie nach dem Grundstücksverkauf immer noch bedroht werden sollten, wenn Sie nicht mehr im Besitz des Grundstückes sind.

Es ist auch auffallend, dass Sie in Summe von über zehn verschiedenen Personen gesucht werden sollten, denn es waren immer andere Leute, die Sie verfolgt, bedroht oder gesucht haben – ausgenommen Ihre beiden Cousins.

Warum auch 5 Personen in Delhi nach Ihnen suchten, indem diese ein Foto von Ihnen vorzeigten, ist ebenfalls unglaubwürdig.

Denn lediglich Ihre Eltern wussten, dass Sie nach Delhi gereist sind und diese haben diese Kenntnis, wie von Ihnen auf Frage bestätigt, niemanden erzählt. Somit müssten Ihre angeblichen Verfolger auf Grund Ihres unbekannten Aufenthaltes Sie im ganzen Land suchen, was bei einer Bevölkerungsrate von 1.339.180.000 Einwohnern (Quelle: Weltalmanach 2019, Seite 206), wovon alleine in Delhi 11.007.835 (Quelle: Weltalmanach 2019, Seite 206) leben, sehr schwer nachvollziehbar ist.

Obwohl Sie aufgefordert wurden auch Ihren Führerschein, als auch den Kaufvertrag über das Grundstück und auch die Anzeigebestätigung, der Behörde vorzulegen und Sie dieser Vorgehensweise auch zustimmten, legten Sie bis zur Bescheiderstellung keinerlei Beweismittel und Dokumente vor.

Hier ist jedoch anzuführen, dass bereits zum Zeitpunkt der Aufforderung der Dokumentenvorlage Ihr Handy keinen Akku hatte, trotzdem gaben Sie an, dass Sie Kontakt aufnehmen werden und Sie versuchen die geforderten Unterlagen vorzulegen.

Da Sie nun bereits das Grundstück an eine weitere Person weiterverkauft haben, ergibt es keinen Sinn, dass Sie seitdem weiter von den Cousins bedroht werden sollten.

Auffallend ist hier jedoch, dass Ihnen persönlich der Namen des Grundstückskäufers unbekannt ist. Warum Ihre Cousins den Namen des Verkäufers kennen, denn der neue Grundstückseigentümer wird laut Ihren Angaben ebenfalls nun bedroht, und Sie, obwohl Sie den Vertrag mit dem Grundstückskäufer aufgesetzt haben, nicht, ist nicht nachvollziehbar.

Gegen die Glaubhaftigkeit Ihres Vorbringens spricht des Weiteren der Umstand, dass Sie in keinem anderen Land der EU einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben.

Sie reisten durch verschiedene Länder der EU während Ihrer Reise nach Österreich. Es ist kein nachvollziehbarer Grund erkennbar, weshalb Sie nicht sofort in einem dieser Länder um Asyl angesucht haben, außer jener, dass Sie sich bewusst das Land ausgesucht haben, in welchem Sie sich bessere Umstände erhofft haben. Hätten Sie tatsächlich eine Verfolgung aus dem von Ihnen genannten Gründen befürchtet, so hätten Sie wohl bereits dort einen Asylantrag gestellt. Sie mussten auf Ihrer Reise nach Österreich durch mehrere als sicher geltenden Staaten reisen und es wäre Ihnen möglich und zumutbar gewesen schon dort um Schutz anzusuchen. Durch das Unterlassen kann somit nur konsequenterweise geschlossen werden, dass Sie andere Motive als jene der Schutzsuche haben, nämlich, dass Sie Indien auf Grund von Grundstücksstreitigkeiten mit Ihren Cousins verfolgt wurden, sondern aufgrund des Wunsches nach einem besseren Leben, verlassen haben.

So ist hier auch anzuführen, dass Sie seit dem Beginn Ihrer Reise nach England wollten.

So verneinten Sie auch die Ihnen gestellte Frage, ob Ihre Verwandten im Herkunftsstaat irgendwelche Probleme haben.

Zum Vorbringen, dass ‚nur‘ Ihre Eltern Probleme hätten, ist anzuführen, dass Sie diesbezüglich kein Vorbringen tätigten [sic]. Letztendlich sind Ihre Eltern nach wie vor im Herkunftsstaat aufhältig.

Im konkreten Fall handelt es sich bei Ihnen um einen arbeitsfähigen, jungen und voll handlungsfähigen jungen Mann, wodurch auch die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann.

Es konnte somit unter Berücksichtigung aller bekannter Umstände nicht festgestellt werden, dass Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien dort der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wäre.“

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und wurde in Indien geboren. Am 26.01.2021 hat der Beschwerdeführer im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh an und ist ledig. Er hat eine Grundschule und ein College besucht und in Indien als Chauffeur gearbeitet. Der Beschwerdeführer spricht neben Punjabi auch etwas Hindi und Englisch. In Indien leben nach wie vor seine Eltern und Geschwister. Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Familienangehörige, er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache beherrscht, einer regelmäßigen, legalen Beschäftigung nachgeht, sich sozial engagiert oder hier Freunde gefunden hat. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Der Beschwerdeführer gehört keiner vom Coronavirus SARS-CoV-2 besonders betroffenen Risikogruppe wie ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50–60 Jahren; 86 % der in Deutschland an COVID-19 Verstorbenen waren 70 Jahre alt oder älter [Altersmedian: 82 Jahre]), adipöse (BMI >30) und stark adipöse (BMI >35) Menschen, Menschen mit Down-Syndrom (Trisomie 21) oder Personen mit bestimmten Vorerkrankungen ([ohne Rangfolge] des Herz-Kreislauf-Systems [z. B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck], chronische Lungenerkrankungen [z. B. COPD], chronische Nieren- und Lebererkrankungen, psychiatrische Erkrankungen [z. B. Demenz], Patienten mit Diabetes mellitus [Zuckerkrankheit], Patienten mit einer Krebserkrankung, Patienten mit geschwächtem Immunsystem [z. B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr beeinflussen und herabsetzen können, wie z. B. Cortison]) an (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html; abgerufen am 11.08.2021).

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht. Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurden bisher 31.998.158 Fälle von mit diesem Coronavirus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 428.682 diesbezügliche Todesfälle bestätigt (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 11.08.2021).

COVID-19:

Letzte Änderung: 22.10.2020

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten. Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit SARS-CoV-2 registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten, wo der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist (WKO 10.2020). Durch die COVID-Krise können Schätzungen zu Folge bis zu 200 Mio. in die absolute Armut gedrängt werden. Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten, wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Pandemie und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Quellen:

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

-        WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdfhttps://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

Politische Lage:

Letzte Änderung: 23.10.2020

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA 5.10.2020; vgl. AA 23.9.2020). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 11.3.2020). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 2.2020a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 2.2020a; vgl. AA 23.9.2020). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 23.9.2020). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 8.2020a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2020a). Indien hat eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2020a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Ebene der Bundesstaaten (AA 23.9.2020).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 11.3.2020). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 8.2020a).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 23.9.2020).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis „National Democratic Alliance (NDA)“, mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (ÖB 9.2020; vgl. AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen v. a. im Bundesstaat Westbengal, korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore (East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindu-nationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS, fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 8.2020a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW 27.2.2020).

Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion Neu Delhi musste die Partei des Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi (AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der „strategischen Autonomie“ wird zunehmend durch eine Politik „multipler Partnerschaften“ mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Großmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (BICC 7.2020). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 8.2020a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten „Neuen Seidenstraße“ eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im „Regional Forum“ (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (BICC 7.2020).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

-        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_19.07.2019.pdf, Zugriff 15.10.2020

-        AA – Auswärtiges Amt (9.2020a): Indien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff 15.10.2020

-        BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 20.10.2020

-        CIA - Central Intelligence Agency (5.10.2020): The World Factbook – India, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 15.10.2020

-        DW – Deutsche Welle (27.2.2020): Sierens China: Schwieriges Dreiecksverhältnis, https://www.dw.com/de/sierens-china-schwieriges-dreiecksverh%C3%A4ltnis/a-52556817, Zugriff 28.2.2020

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2020): Immer mehr Tote nach Unruhen in Delhi, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-tote-bei-gewalt-zwischen-hindus-und-muslimen-in-delhi-16652177.html, Zugriff 28.2.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2020a): Indien, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 15.10.2020

-        KBS – Korean Broadcasting System (12.2.2020): Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, http://world.kbs.co.kr/service/contents_view.htmlang=g&board_seq=379626, Zugriff 14.2.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

-        Quantara.de (14.2.2020): Herbe Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, https://de.qantara.de/content/herbe-niederlage-fuer-indiens-regierungschef-modi-bei-wahl-in-neu-delhi, Zugriff 20.2.2020

-        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Indiens Ringen um die Staatsbürgerschaft, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A02_wgnArora_WEB.pdf, Zugriff 18.2.2020

-        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Keine Ruhe in Kaschmir. Die Auflösung des Bundesstaats und die Folgen für Indien, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A45/, Zugriff 16.1.2020

-        TG – The Guardian (26.2.2020): Anti-Muslim violence in Delhi serves Modi well, https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/feb/26/violence-delhi-modi-project-bjp-citizenship-law, Zugriff 28.2.2020

-        USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Repo

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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