TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/25 W169 2245417-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.08.2021
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Entscheidungsdatum

25.08.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §33
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W169 2245417-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2021, Zl. 1281333205-211018463, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hat am 25.07.2021 am Flughafen Wien-Schwechat im Zuge einer Identitätsfeststellung gemäß § 12a des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG) durch Organe der Bundespolizei einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt.

Am 26.07.2021 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Stadtpolizeikommandos Schwechat die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei führte dieser aus, dass er aus Indien stamme, ledig sei und im Heimatland zwölf Jahre die Grundschule besucht habe. In Indien würde seine Mutter leben. Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in ein Mädchen verliebt gewesen wäre, welches zur Religionsgemeinschaft der Sikhs und zur Kaste der Jat gehört habe. Ihr Vater sei ein SHO bei der Polizei gewesen und gegen ihre Beziehung gewesen, weshalb sie am 29.03.2020 für zehn Tage von zuhause weggelaufen seien. In diesem Zeitraum sei die Familie des Mädchens sehr oft bei der Familie des Beschwerdeführers gewesen und habe sie bedroht. Deshalb habe der Beschwerdeführer seine Freundin wieder nachhause geschickt und den Kontakt zu ihr abgebrochen. Ihr Bruder wolle ihn trotzdem umbringen und suche nach ihm. Aus diesem Grund habe er sein Dorf und in weiterer Folge auch sein Land verlassen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.; die Familie der Freundin wolle ihn umbringen.

2. Nachdem die Einreise des Beschwerdeführers nicht gestattet worden war, wurde dieser am 30.07.2021 im Rahmen eines Flughafenverfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Flughafen, niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei und im Heimatland 12 Jahre die Grundschule besucht habe. Sein Vater sei im Jahr 2014 verstorben. Seine Mutter habe von seinem Vater eine Pension erhalten, wovon sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Mutter gelebt hätten. Er sei in Indien keiner Arbeit nachgegangen. Die ersten zehn Jahre habe er bei seinen Großeltern gelebt, danach bis zum März 2020 in seinem Heimatdorf, danach 1,5 Monate in der Stadt Jalandhar und zwei Monate in Delhi. Er habe in seinem Heimatort gemeinsam mit seiner Mutter im Eigentumshaus gelebt. In Indien würde seine Mutter bei ihren Eltern leben. Darüber hinaus würden dort noch ein Onkel, eine Tante und ein Cousin mütterlicherseits leben. Er habe in Indien keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit gehabt. Er werde in Indien nicht gesucht und habe dort auch keine strafbaren Handlungen begangen.

Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

„(…)

LA: Kommen wir bitte jetzt nochmals zu allen Ihren Fluchtgründen. Sie haben schon etwas dazu angegeben. Warum haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen? Nennen Sie nun bitte detailliert und in Ihren eigenen Worten alle Ihre Fluchtgründe, sodass ich mir ein Bild davon machen kann? Sie haben hierzu ausreichend Zeit.

VP: Ich und meine Freundin sind in dieselbe Schule gegangen. Wir haben uns im Jahr 2018 kennengelernt. Wir hatten eine sehr schöne Beziehung von 2018 bis 2019. Die Tante des Mädchens erfuhr von unserer Beziehung. Sie erzählte es der Familie. Danach erfuhr auch ihr Bruder davon, ich habe meine Freundin angerufen und der Bruder hat abgehoben. Er verdächtigt seine Schwester und fragte sie, mit wem sie telefoniert. Sie sagte zu ihrem Bruder, dass sie nur mit einer Freundin telefoniert hat. Er verdächtigte seine Schwester weiter und er hat das Telefon von ihr für 2-3 Wochen bei sich behalten. Es war nicht möglich mit ihr zu sprechen. Nach einem Monat haben wir miteinander telefoniert. Ihr Bruder hat sie wieder verdächtigt. Er hat die Telefondaten von jemanden auswerten lassen. Danach hat der Bruder mich angerufen, er bedrohte mich. Ich habe seine Nummer blockiert. Er rief unter verschiedenen Nummern an und bedrohte mich mit dem Umbringen, er sagte mir, ich soll aufhören seine Schwester zu verfolgen und keine Beziehung mehr haben. Danach haben wir trotzdem gelegentlich miteinander telefoniert. Das war 2019. Im März 2020 haben wir beschlossen von zu Hause wegzulaufen. Wir haben es getan und sind weggelaufen. Meine Freundin verbrachte 10 Tage mit mir. Ihr Vater ist SHO bei der Polizei, er hat immer wieder meine Mutter bedroht, deshalb schickte ich meine Freundin zurück. Da meine Mutter von dem Vater meiner Freundin unter Druck gesetzt wurde und bedroht. Danach bin ich nicht mehr ins Dorf zurückgegangen, da ihr Bruder nach mir suchte. Ich habe auch nicht mehr meine Freundin kontaktiert. Das ist alles.

LA: Warum war die Familie des Mädchens gegen die Beziehung?

VP: Weil das Mädchen noch zu jung war. Sie wollten nicht, dass ihr Mädchen einen Hindu heiratet.

LA: Wie alt ist das Mädchen? Name des Mädchens?

VP: Sie heißt XXXX und sie war 19 Jahre alt. Auf Nachfrage, sie gehört der Kaste der Jat an und der Sikh Religion.

LA: Wie ist die Kastenstellung der JAT?

VP: Es ist auch eine höhere Kaste.

LA: Wann, wie und in welchem Zeitraum seien Sie bedroht worden?

VP: 2-3 Mal wurde ich telefonisch bedroht. In meinem Dorf haben sie nach mir gesucht, deshalb hat mich ein Dorfbewohner benachrichtigt und gesagt, ich soll nicht ins Dorf kommen. Es war auch 1-2 Mal die Polizei bei mir im Dorf. Auf Nachfrage, nicht bei mir zu Hause, sondern im Dorf.

LA: Sie sind nur 2-3 Mal telefonisch bedroht worden, sonst gab es keine Übergriffe gegen Sie?

VP: Nein, es gab sonst keine Übergriffe. Nur 2-3 Mal telefonisch.

LA: Wohin sind Sie mit ihrer Freundin gegangen?

VP: In der Stadt Tanda waren wir, danach sind wir nach Jalandhar 3-4 Tage und danach waren wir 5 Tage in der Stadt Nawa Shehar. Auf Nachfrage, wir haben bei einem Freund in Jalandhar übernachtet, auch in Nawa Shehar wohnten wir bei einem Freund.

LA: Seit das Mädchen zurück bei ihren Eltern ist, haben Sie keinen Kontakt mehr?

VP: Nein. Auf Nachfrage, sie lebt in XXXX . Auf Nachfrage, es ist 7km entfernt.

LA: Weiß von Ihrem Bekannten oder Mutter jemand etwas, wie es dem Mädchen geht?

VP: Nein.

LA: Gingen Sie zur Polizei wegen den Anfrufen?

VP: Nein. Auf Nachfrage, ich habe keinen Vater. Es ist niemand da, der mich unterstützt und meinen Onkeln väterlicherseits verstehe ich mich nicht gut.

LA: Die Brüder Ihres Vaters?

VP: Mein Großvater hatte Brüder und dessen Kinder nenne ich Onkel.

LA: Haben Sie versucht Hilfe von der Polizei zu bekommen?

VP: Nein.

LA: Seit wann haben Sie den Kontakt bzw. die Beziehung zu dem Mädchen abgebrochen/beendet?

VP: Seit April 2020 habe ich keinen Kontakt mehr.

LA: Von April 2020 bis zu ihrer Ausreise, gab es da Vorfälle?

VP: Ich war unterwegs XXXX , XXXX , Jalandhar, ich war an einer Bushaltestelle und es kamen Burschen mit einer Sichel in der Hand. Ich bin weggelaufen. Auf Nachfrage, sonst gab es nichts.

LA: Das sind Ihre Fluchtgründe, weshalb Sie nun einen Asylantrag gestellt haben.

VP: Ja.

LA: Gibt es sonst noch ein Vorbringen oder Vorfälle zu Ihrem Fluchtgrund?

VP: Nein.

LA: Sie befinden sich im Sondertransitbereich. Es besteht für Sie jederzeit die Möglichkeit freiwillig auszureisen.

VP: Anm. schweigen.

LA an Rechtsberatung: Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?

RB: Sie haben gesagt, Sie konnten nicht zur Polizei gehen, weil Sie keinen männlichen Verwandten haben. Sie sind erwachsen, warum konnten Sie keine polizeiliche Anzeige einbringen?

VP: Der Vater des Mädchens ist ein SHO, es hätte nichts gebracht, wenn ich zur Polizei gegangen wäre. Auf Nachfrage, ich weiß die Abkürzung nicht.

RB: Ist die Polizeistation für beide Dörfer dieselbe?

VP: Ja.

RB: Sie waren beide volljährig, konnten Sie beide nicht gemeinsam zur Polizei in Jalandhar gehen und eine Anzeige einbringen, dass Sie bedroht worden wären?

VP: Nein, meine Freundin hatte Angst. Nachgefragt, weil der Vater Polizist ist.

RB: Haben Sie aufgrund Ihrer Kaste jemals bei den staatlichen Behörden Probleme gehabt?

VP: Nein.

RB: Hatte Ihre Freundin aufgrund der Kaste oder Religion Probleme mit den staatlichen Behörden?

VP: Nein.

RB: Sie haben gesagt, Ihre Mutter wurde unter Druck gesetzt, dass Sie wieder heimkehren. Was hatte sie konkret zu befürchten, als Sie geflüchtet sind?

VP: Sie haben zu ihr gesagt, wenn das Mädchen nicht innerhalb von 2 Tagen nicht zurück ist, werden wir dich festnehmen.

RB: Haben Sie versucht wieder Kontakt mit dem Mädchen nach der Flucht aufzunehmen?

VP: Ja.

RB: Was haben Sie in Erfahrung gebracht?

VP: Sie ist am Leben. Auf Nachfrage, ich habe die Information von einem Dorfbewohner von ihr, er ging mit mir zur Schule.

LA: Als Ergebnis der heutigen Einvernahme wird Ihnen mitgeteilt, dass Ihnen die Einreise in das Bundgebiet NICHT gestattet wird.

Anmerkung: In einem allgemeinen Rechtsgespräch wird für die VP der weitere mögliche Ablauf eines Flughafenverfahrens erörtert, d.h. Einbindung von UNHCR – Zustimmung von UNHCR – Abweisung des Antrages mit Bescheid des BFA im Flughafenverfahren – Beschwerdemöglichkeit am Bundesverwaltungsgericht – abweisendes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes – Zurückweisung der VP durch LPD – aber auch die jeweiligen Chancen für die VP im Flughafenverfahren – keine Zustimmung von UNHCR – Einreisegestattung – Weiterführung des Verfahrens im Inland – oder Stattgebund der Beschwerde durch Bundesverwaltungsgericht – Einreisegestattung – Weiterführung des Verfahrens im Inland.

VP wird im allgemeinen Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch BBU, SWB des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw. – abermals in Kenntnis gesetzt.

LA: Haben Sie diese beabsichtigte Vorgehensweise verstanden?

VP: Ja.

LA: Wollen Sie am Ende dieser Einvernahme irgendetwas ergänzen?

VP: Nein.

LA: Wie haben Sie die Dolmetscherin verstanden?

VP: Ich habe die Dolmetscherin gut verstanden.

LA: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

VP: Ja.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Es hat alles gepasst.


(…)“

3. Am 02.08.2021 wurde das Büro des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in Österreich (in der Folge UNHCR) gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 um Erteilung der Zustimmung zur Abweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz ersucht.

4. Mit Schreiben des UNHCR vom 04.08.2021 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass eine Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt werde, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR-Exekutivkomitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Diese Ansicht der Behörde sei letztlich auch vom UNHCR geteilt worden, was sich aus dem im Akt befindlichen Schreiben vom 04.08.2021 ergebe. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass eine Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG an dem Umstand scheitere, dass sich der Beschwerdeführer nicht im Bundesgebiet aufhalte.

6. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und auf seine bisher im Verfahren getätigten Angaben verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Hindus an. Er reiste am 25.07.2021 mit Flug OS 738 aus Belgrad kommend am Flughafen Schwechat an und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer besuchte im Heimatland zwölf Jahre die Grundschule und lebte mit seiner Mutter im Eigentumshaus im Heimatort. Seine Mutter bezieht eine Pension von seinem Vater, welcher 2014 verstorben ist und lebten sowohl der Beschwerdeführer, als auch seine Mutter von dieser Pension. Vor der Ausreise lebte der Beschwerdeführer 1,5 Monate in Jalandhar und 2 Monate in Delhi. In Indien leben die Mutter des Beschwerdeführers (bei ihren Eltern), sowie ein Onkel, eine Tante und ein Cousin mütterlicherseits. Der Beschwerdeführer ist ledig, gesund und im erwerbsfähigen Alter.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind nicht glaubwürdig und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

COVID-19

?        Letzte Änderung: 21.05.2021

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Menschen mit Beeinträchtigungen sind von coronabedingten Maßnahme wie Abriegelungen und sozialen Distanzierungen besonders betroffen. Der Zugang zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Gütern und der Ausübung sozialer Distanzierung, insbesondere für diejenigen, die persönliche Unterstützung für Aufgaben des täglichen Lebens erhalten (HRW 13.1.2021). Während der ersten Wochen der COVID-19 Pandemie, wurden Muslime für die Verbreitung des Coronavirus, auch von Vertretern der Regierungsparteien verantwortlich gemacht (FH 3.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit COVID registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Die Lage in Indien, dass mit Bezug auf das Infektionsgeschehen (neben den USA und Brasilien) zu den am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Ländern weltweit zählt, hat sich sich gegenüber dem Sommer 2020 mit damals fast 100.000 Neuinfektionen pro Tag inzwischen etwas entspannt. Es erkranken offiziellen Angaben zufolge nach wie vor etwa 40.000 Menschen täglich am Virus. In den Ballungszentren kann die medizinische Versorgung weitestgehend aufrechterhalten werden (GTAI 3.12.2020). Indiens Wirtschaft wurde durch die COVID-19-Pandemie stark beeinträchtigt (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Das Land rutschte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020-21 erstmals in eine wirtschaftliche Rezession (PRC 18.3.2021). Es wird allgemein erwartet, dass das Land ab 2021 zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren wird (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Nach dem zweimonatigen harten Lockdown im Frühjahr 2020 hat die indische Regierung das öffentliche Leben im Rahmen ihrer Unlock-Strategie schrittweise wieder hochgefahren. Die Bundesstaaten und Unionsterritorien haben dabei weitreichendere Entscheidungsbefugnisse, welche Lockerungen sie umsetzen und welche nicht. Mit den bestehenden Einschränkungen sollen vor allem Superspreader-Events wie religiöse Großveranstaltungen und Hochzeiten eingedämmt werden. Massentests, Kontaktnachverfolgung, Isolierung von Infizierten und die Abschottung von Gebieten mit hohen Fallzahlen (Containment Zones) sollen helfen, das Virus zurückzudrängen (GTAI 3.12.2020; vgl. WKO 13.1.2021). Es kann daher vereinzelt und regional sowie zeitlich begrenzt zu erneuten Lockdowns kommen. Eine Skizzierung in „Red Zone“, „Orange Zone“ und „Green Zone“ wird von der Regierung des Bundesstaates/Unionsterritoriums in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und der nationalen Regierung entschieden (WKO 13.1.2021).

Gegen regierungskritische Äußerungen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der Regierung im Umgang mit der COVID-19 Pandemie wurden mittels aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzen zur Staatsverhetzung und dem im Jahr 2000 erlassenen IT-Gesetz vorgegangen (FH 3.3.2021). Medienvertreter sehen sich Drohungen, Verhaftungen, Strafverfahren oder körperlichen Angriffen durch Mobs oder der Polizei wegen der Berichterstattung über die Pandemie ausgesetzt (HRW 13.1.2021). Mehrere von der Regierung zur Eindämmung einer Verbreitung der Pandemie getroffenen Maßnahmen wurden von Menschenrechtsanwälten als invasiv angesehen (FH 3.3.2021).

Im ersten Quartal 2021 wird Indien mit einem Anstieg der Fallzahlen vor einer zweiten COVID-19 Welle erfasst (TOI 21.3.2021; vgl. TFE 20.3.2021) und verzeichnete im Zeitraum ab April/Mai 2021 die höchsten Zahlen an täglichen Todesfällen wegen des Coronavirus seit Beginn der Pandemie (BAMF 3.5.2021). Kritik äußert sich aus dem Umstand heraus, dass Indien, ob seiner Pharmaindustrie, als "Apotheke der Welt" durch die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen an viele Länder der Welt genießt (FE 20.3.2021; vgl. TOI 21.3.2021), gleichzeitig jedoch bei der Durchimpfung der eigenen Bevölkerung landesweit lediglich einen Wert von rund zwei Prozent erreicht (HO 28.4.2021).

Auch der Umstand, dass im Zuge der Regionalwahlen in einigen Bundesstaaten große Kundgebungen mit zum Teil Zehntausender Besucher abgehalten wurden, wie auch die Durchführung des hinuistischen Festes Kumbh-Mela in Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand, an dem im Zeitraum von Jänner 2021 bis zum 27. April knapp 25 Millionen Hindus vor Ort teilgenommen haben, attestieren der indischen regierung eine "praktizierte Sorglosigkeit". Die Aussage der BJP bei einer Wahlveranstaltung im Bundestaat Assam in der verkündet wurde, "Wahlveranstaltungen und religiöse Zusammenkünfte tragen nicht zur Verbreitung von Covid-19 bei", wird kritisiert (BAMF 3.5.2021; vgl. HO 28.4.2021).

Seit Mai 2021 sind alle Erwachsenen impfberechtigt, davor nur über 45-Jährige. In mehreren Bundesstaaten des Landes ist der Impfstoff ausgegangen, Hilfsgüter aus mehreren Ländern wie Beatmungsgeräte, Anlagen zur Sauerstofferzeugung, Medikamente und Impfstoff werden Indien von der internationalen Staatengemeionschaft zur Verfügung gestellt. Medienberichten zufolge will Indien die eigene Impfstoffproduktion bis Juni 2021 erhöhen, von der staalichen indischen Eisenbahngesellschaft gab bekannt, 4.000 Waggons mit einer Kapazität von 64.000 Betten als provisorische Stationen für Corona-Patienten bereitzustellen (BAMF 3.5.2021).

Alle Experten davon aus, dass kurzfristig die Fallzahlen wie auch die Zahlen der Toten weiter ansteigen werden, da das staatliche Gesundheitssystem in vielen Landesteilen schon jetzt an seine Grenzen gestoßen ist. Eine mittelfristige Prognose ist noch unklar. Eine Hoffnung stellt, bedingt durch den bereits erfolgten sehr breiten Ansteckung der Bevölkerung das Erreichen einer Herdenimmunität dar (HO 25.4.2021).

Quellen:

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.5.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw18-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 7.5.2021

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 18.1.2021

?        FE – Financial Express (20.3.2021): Coronavirus Lockdown 2021 News Highlights: Only partial relaxation from lockdown in Nagpur from Monday, https://www.financialexpress.com/lifestyle/health/coronavirus-lockdown-2021-live-news-coronavirus-india-latest-march-20-updates-narendra-modi-covid-lockdown-night-curfew-maharashtra-mumbai-pune-nagpur-uttar-pradesh-delhi-bengaluru-hyderabad-punjab-gu/2216571/, Zugriff 22.3.2021

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 22.3.2021

?        GTAI – German Trade & Invest [Deutschland] (3.12.2020): Indien sieht erste Anzeichen einer Konjunkturbelebung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/indien-sieht-erste-anzeichen-einer-konjunkturbelebung-234424, Zugriff 18.1.2021

?        HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmelschreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutanten-und-himmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043608.html, Zugriff 18.1.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        PRC – Pew Research Center (18.3.2021): In the pandemic, India’s middle class shrinks and poverty spreads while China sees smaller changes, https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/03/18/in-the-pandemic-indias-middle-class-shrinks-and-poverty-spreads-while-china-sees-smaller-changes/, Zugriff 22.3.2021

?        TOI – Times of India (21.3.2021): Government failed to control Covid spread, must vaccinate all within months: Congress,
http://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/81618736.cms?utm_source=contentofinterest&utm_medium=text&utm_campaign=cppst, Zugriff 22.3.2021

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-indien.html, Zugriff 18.1.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

?        Letzte Änderung: 31.05.2021

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 23.9.2020). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 9.2020). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 23.9.2020). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 23.9.2020).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 1.2021). Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 23.9.2020). Während die Bürger-und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Es gibt Befürchtungen, dass die neue, drakonische Anti-Terror-Gesetzgebung die Menschenrechtslage verschlimmern wird und dass diese Gesetze gegen politische Gegner missbraucht werden. Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert. Den Sicherheitskräften wird Parteilichkeit vorgeworfen, besonders hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 1.2021 vgl. USDOS 30.3.2021, FH 3.3.2021, ÖB 9.2020).

Menschenrechtsprobleme umfassen unter anderem Hinweise auf willkürliche Hinrichtungen, Verschleppung, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet. Gesellschaftliche Gewalt auf der Grundlage von Konfession und Kaste gibt nach wie vor Anlass zur Sorge. Muslime und Dalit-Gruppen aus den unteren Kasten sind auch weiterhin am stärksten gefährdet (USDOS 30.3.2021). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tief verwurzelte soziale Praktiken, nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 23.9.2020).

In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein (USDOS 10.6.2020), Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020

?        BICC – Bonn International Centre for Conversion (1.2021): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 11.5.2021

?        FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2046516.html, Zugriff 11.5.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020: Asylländerbericht Indien

?        USDOS – US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031372.html, Zugriff 22.7.2020

?        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff 11.5.2021

Bewegungsfreiheit

?        Letzte Änderung: 31.05.2021

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 23.9.2020), allerdings verlangen Zentralregierung und die Bundesstaatenregierungen vor Reiseantritt von indischen Staatsbürgern spezielle Genehmigungen, um bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen betreten zu dürfen (USDOS 30.3.2021). Darüber hinaus wird von Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Angehörige der Dalits berichtet. Auch sind die Regierungen der Bundesstaaten angewiesen, die Bewegungsfreiheit der Rohingya auf bestimmte Orte zu beschränken (USDOS 30.3.2021).

Die Regierung kann jedem Antragsteller per Gesetz die Ausstellung eines Reisepasses verweigern, wenn der Antragsteller an Aktivitäten außerhalb des Landes teilnimmt, "die der Souveränität und Integrität der Nation abträglich sind". Der Trend, die Ausfertigung und Aktualisierung von Reisedokumenten für Bürger aus Jammu und Kaschmir zu verzögern, hält weiterhin an. Eine Bearbeitung kann bis zu zwei Jahre dauern. Berichten zufolge unterziehen die Behörden in Jammu und Kaschmir geborene Antragsteller, einschließlich der Kinder von dort stationierten Militäroffizieren, zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen, bevor sie entsprechende Reisedokumente ausstellen (USDOS 30.3.2021).

Angesichts massiv gestiegener COVID-19-Infektionszahlen können nächtliche Ausgangssperren oder Lockdowns in allen Städten/Bundesstaaten ohne lange Vorankündigung verhängt werden (BMEIA 10.5.2021). Zunehmend werden Ausgangssperren orts- und lageabhängig verhängt. Viele Bundesstaaten führen zudem oft kurzfristig Einreisebeschränkungen und Kontrollmaßnahmen sowie sonstige einschränkende Maßnahmen ein. Das Verbindungsangebot des nationalen Eisenbahn- und Flugverkehrs ist gegenwärtig stark reduziert, die Einreise auf dem Landweg ist weiterhin nicht möglich (AA 30.4.2021).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem (DFAT 10.12.2020), sodass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss. Die Einführung der Aadhaar-Karte im Jahre 2009 hat hieran nichts geändert, da die Registrierung nach wie vor auf freiwilliger Basis erfolgt (AA 23.9.2020). In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, sodass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.4.2021): Indien: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung) (gültig seit 27.4.2021), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/indiensicherheit/205998, Zugriff 30.4.2021

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020

?        BMEIA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2021): Indien (Republik Indien) Aktuelle Hinweise (Unverändert gültig seit: 3.5.2021), https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/indien/, Zugriff 10.5.2021

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 22.3.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff 30.4.2021

Meldewesen

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Noch gibt es in Indien kein nationales Melderegister bzw. Staatsbürgerschaftsregister (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020, DFAT 10.12.2021). Allerdings besteht für alle Einwohner (auch ausländische StaatsbürgerInnen) die freiwillige Möglichkeit, sich umfassend mittels Aadhaar (12-stellige, individuelle Nummer) registrieren zu lassen (ÖB 9.2020). Flüchtlinge sind von dieser Möglichkeit jedoch ausgeschlossen (USDOS 30.3.2021). Als Sicherheitsmaßnahme für die Registrierung dienen ein digitales Foto, Fingerabdrücke aller 10 Finger sowie ein Irisscan. Mittels Aadhaar ist es dann möglich, Sozialleistungen von der öffentlichen Hand zu erhalten. Auf Grund der umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen (Irisscan, Fingerabrücke) ist das System relativ fälschungssicher. Mittlerweile wurden über 1,2 Mrd. Aadhaar-Registrierungen vorgenommen, womit ein Großteil der indischen Bevölkerung erfasst ist (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 22.3.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff 28.4.2021

Grundversorgung und Wirtschaft

?        Letzte Änderung: 31.05.2021

Die Anzahl jener Personen, die in Indien unter der absoluten Armutsgrenze (1,90 USD/Tag Kaufkraft) leben, konnte zwischen 2012 und 2019 von 256 Mio. auf 76 Mio. reduziert werden. Gemäß Schätzungen könnten durch die COVID-Krise allerdings bis zu 200 Millionen Menschen wieder in die absolute Armut zurückgedrängt werden (ÖB 9.2020).

Im Geschäftsjahr 2020/21 (1.April 2020 – 31.März 2021) brach Indiens BIP Wachstum mit einem Minus von sieben bis neun Prozent deutlich ein. Der massivste Wachstumsrückgang seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1947, verdeutlicht die Auswirkungen der strengen Lockdown Maßnahmen in der ersten sechs Monaten des Vorjahres (WKO 4.2021; vgl. TIE 26.1.2021). 80 Prozent der Arbeiterschaft im informellen Sektor während des Lockdown ihre Arbeit verloren (AAAI 8.2020). Hundertausende Wanderarbeiter flohen in den Wochen danach aus den Städten. Weil auch der Zug- und Bahnverkehr von der Regierung ausgesetzt wurde, müssten viele Arbeiter zum Teil auf den Autobahnen und Gleisen Hunderte Kilometer zu Fuß in ihre Dörfer zurücklegen. Hunderte starben dabei (HO 28.4.2021). Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen sind für die Armen besonders gravierend (SZ 25.1.2021; vgl. HO 28.4.2021).

Ab Oktober 2020 konnte wieder ein starker Wachstumsanstieg verzeichnet werden. Die Investitionsförderungsprogramm der Regierung und die Erleichterung der Vergabebedingungen für Investitionskredite haben sehr wesentlich zum Wiederanspringen der Konjunktur beigetragen (WKO 4.2021). Für 2021 wird ein Wirtschaftswachstum von mehr als sieben Prozent erwartet (TIE 26.1.2021).

Der indische Arbeitsmarkt wird durch den informellen Sektor dominiert. Er umfasst Familien- und Kleinbetriebe der Landwirtschaft, des produzierenden Gewerbes sowie des Dienstleistungsbereichs und unterliegt keiner Kontrolle oder Besteuerung des Staates. Infolgedessen bestehen in diesem Bereich keine rechtsverbindlichen Bestimmungen oder formal geregelte Arbeitsverhältnisse. Annähernd 90 Prozent der Beschäftigten werden dem informellen Sektor zugerechnet – sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (Wienmann 2019; vgl. AAAI 8.2020).

Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 2020; vgl. PIB 23.7.2018). Einige Bundesstaaten geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 2020).

Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zumeist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, die sich ebenfalls an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat). Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmern ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 2020).

Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz (AA 23.9.2020). Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten (also etwa 2/3 der Bevölkerung) wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Krise und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar. Im Juli 2019 verabschiedete das Parlament Änderungen zum Aadhaar-Gesetz. Damit wird der Weg für den Einsatz der Daten durch private Nutzer frei. Die geplanten Änderungen gaben Anlass zur Besorgnis hinsichtlich der Privatsphäre und des Datenschutzes und wurden angesichts eines Entscheids des Obersten Gerichtshofs vom September 2018 vorgenommen, welcher eine Nutzung von Aadhaar für andere Zwecke als den Zugang zu staatlichen Leistungen und die Erhebung von Steuern beschränkt (HRW 14.1.2020). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 rund 1,2 Milliarden indischer Bürger eine Aadhaar-ID ausgestellt (ORF 27.9.2018; vgl. DFAT 10.12.2020). Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Um eine Aadhaar-Karte zu erhalten, sind keine umfangreichen Unterlagen erforderlich, und es stehen mehrere Optionen zur Verfügung, wodurch sie auch für ärmere Bürger ohne Papiere zugänglich ist. Die Verwendung biometrischer Daten, einschließlich Gesichtsauthentifizierung, Iris und Fingerabdruck, soll die doppelte Vergabe von UIDs an ein und dieselbe Person reduzieren oder verhindern. Während es möglich sein kann, eine Aadhaar-Karte unter falschem Namen zu erhalten, ist es weniger wahrscheinlich, dass eine Person mit denselben biometrischen Daten eine zweite Aadhaar-Karte unter einem anderen Namen erhalten kann (DFAT 10.12.2020). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018; vgl. DFAT 10.12.2020). Die Aadhaar-Karte selbst ist kein sicheres Dokument, da sie auf Papier gedruckt wird, und obwohl sie nicht wie ein Personalausweis behandelt werden sollte, ist sie es in der Praxis doch (DFAT 10.12.2020).

Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 13.1.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020

?        AAAI – Action Aid Association (India) (8.2020): Workers in the Time of Covid-19, https://www.actionaidindia.org/wp-content/uploads/2020/08/Workers-in-the-time-of-Covid-19_ebook1.pdf, Zugriff 7.5.2021

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2020): Länderinformationsblatt Indien, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_India_DE.pdf, Zugriff 7.5.2021

?        BBC - British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 17.1.2019

?        BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 20.10.2020

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 7.5.2021

?        FES – Friedrich-Ebert-Stiftung (9.2019): Feminist perspectives on the future of work in India, http://library.fes.de/pdf-files/bueros/indien/15719.pdf, (Zugriff 18.3.2020

?        HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmelschreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutanten-und-himmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022689.html, Zugriff 17.1.2020

?        HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 17.1.2019

?        ORF - Österreichischer Rundfunk [Österreich] (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 17.1.2019

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 13.3.2020

?        SZ – Süddeutsche Zeitung (25.1.2021): Globale Armut steigt dramatisch an, https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/armut-corona-oxfam-kinder-1.5183057, Zugriff 7.5.2021

?        TIE – The Indian Express (26.1.2021): Indian economy estimated to contract by 9.6% in 2020, grow at 7.3% in 2021: UN, https://indianexpress.com/article/business/economy/indian-economy-estimated-to-contract-by-9-6-per-cent-in-2020-grow-at-7-3-per-cent-in-2021-un-7162196/, Zugriff 7.5.2021

?        WKO - Aussenwirtschaft Austria [Österreich] (4.2021): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 11.5.2021

Rückkehr

?        Letzte Änderung: 31.05.2021

Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung (AA 23.9.2020; vgl. DFAT 10.12.2020). Abgeschobene erfahren bei der Rückkehr nach Indien von den indischen Behörden grundsätzlich keine nachteiligen Konsequenzen, abgesehen von einer Prüfung der Papiere und gelegentlichen Befragung durch die Sicherheitsbehörden. Gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020).

Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt, sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Es ist strafbar, zu Terrorgruppen Kontakte zu unterhalten oder an Handlungen beteiligt zu sein, die die Souveränität, Integrität oder Sicherheit Indiens gefährden. Menschenrechtsorganisationen berichten über Schikanen der indischen Polizei gegen Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt wurden, selbst wenn diese ihre Strafe bereits verbüßt haben (ÖB 9.2020). Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (Sikhs, Kaschmiris) werden von indischer Seite beobachtet und registriert (ÖB 9.2020).

Indien verfügt über kein zentrales Meldesystem, das es der Behörde ermöglicht, den Aufenthaltsort von Einwohnern im eigenen Bundesstaat zu überprüfen, geschweige denn in einem der anderen Bundesstaaten oder Unionsterritorien (DFAT 10.12.2020). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-report-india.pdf, Zugriff 22.3.2021

?        ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Herkunft des Beschwerdeführers, zu seiner Religionszugehörigkeit, zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen in Indien und zu seiner Einreise nach Österreich gründen sich auf die diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und den im Akt aufliegenden Bericht der LPD Niederösterreich, Stadtpolizeikommando Schwechat, vom 25.07.2021.

Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht, ist zutreffend, zumal die diesbezüglichen Angaben, wie schon das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid festgestellt hat, äußerst vage und nicht nachvollziehbar waren. So brachte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen vor, dass er in ein Mädchen verliebt gewesen wäre, wobei ihr Vater gegen diese Beziehung gewesen sei und er und das Mädchen deshalb am 29.03.2020 für zehn Tage von zu Hause weggelaufen seien. In diesem Zeitraum sei ihre Familie oft bei seiner Familie gewesen und habe diese bedroht, weshalb der Beschwerdeführer seine Freundin wieder nachhause geschickt und den Kontakt zu ihr abgebrochen habe. Trotzdem wolle der Bruder des Mädchens den Beschwerdeführer umbringen und suche nach ihm. In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht nachvollziehbar darlegen konnte, weshalb der Bruder des Mädchens den Beschwerdeführer nach wie vor suchen sollte, wo der Beschwerdeführer doch laut eigenen Angaben sowohl in der Erstbefragung als auch am Beginn der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausdrücklich anführte, dass er seit Ende April 2020 keinen Kontakt mehr zu diesem Mädchen habe. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer sein Heimatland erst im Jänner 2021 verlassen und konnte er für die Zeit ab April 2020 bis zu seiner Ausreise im Jänner 2021 auch keine wie immer gearteten Bedrohungen seitens der Familie des Mädchens vorbringen, abgesehen von einem Vorfall bei einer Bushaltestelle, welchen der Beschwerdeführer jedoch nur äußerst vage und allgemein schilderte und nichts darauf hindeutet, dass die Familie des Mädchens hinter diesem Anschlag gestanden ist. Diesbezüglich gefragt, führte der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme lediglich aus: „Ich war an einer Bushaltestelle und es kam ein Bursche mit einer Sichel in der Hand. Ich bin weggelaufen. Auf Nachfrage, sonst gab es nichts.“ (siehe Einvernahmeprotokoll S.10). Weitere ausführliche Details bezüglich dieses Angriffs vermochte der Beschwerdeführer nicht zu tätigen und hat der Beschwerdeführer auch nicht dargelegt, dass der von ihm behauptete Angriff im Zusammenhang mit der Familie des Mädchens gestanden sei.

Darüber hinaus ist es für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer sein Heimatland erst im Jänner 2021 verlassen hat, obwohl der Bruder des Mädchens ihn nach wie vor suchen würde. Würde der Beschwerdeführer daher tatsächlich vom Bruder des Mädchens verfolgt bzw. gesucht werden, so hätte der Beschwerdeführer sein Heimatland wohl schon viel früher verlassen.

Auch die telefonischen Bedrohungen seitens des Bruders des Mädchens schilderte der Beschwerdeführer, wie schon das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid festgehalten hat, nur äußerst vage und allgemein und führte diesbezüglich lediglich aus, dass er zwei bis drei Mal vom Bruder des Mädchens telefonisch bedroht worden sei. Weitere diesbezügliche Details bzw. konkrete Ausführungen zu den Inhalten der Telefonate blieb der Beschwerdeführer allerdings schuldig.

Die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen zeigt sich aber auch darin, dass der Beschwerdeführer am Beginn der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anführte, dass er seit April 2020 keinen Kontakt mehr zu seiner Freundin habe und auch niemand wissen würde, wie es dem Mädchen gehen würde (siehe Einvernahmeprotokoll S. 9), wohingegen er am Ende der Einvernahme auf die Frage der Rechtsberaterin, ob er versucht habe, nach der Flucht Kontakt mit dem Mädchen aufzunehmen, ausführte, dass er dies gemacht habe, sie am Leben sei und er diese Information von einem Dorfbewohner habe, welcher mit ihnen zur Schule gegangen sei (siehe Einvernahmeprotokoll S. 10). Diese Angaben widersprechen somit den vorherigen Angaben des Beschwerdeführers, wonach er seit der Rückkehr des Mädchens zu deren Familie im Jahr 2020 seit April 2020 keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt habe.

Aus all dem ergibt sich, wie bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid festgestellt hat, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme nicht selbst Erlebtes geschildert hat und ist daher davon auszugehen, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgungsgründe offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechen.

2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die zusammengefasst dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zum Spruchteil A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 33 Abs. 1 AsylG ist in der Erstaufnahmestelle am Flughafen die Abweisung eines Antrages nur zulässig, wenn sich kein begründeter Hinweis findet, dass dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre und

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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