TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/30 W124 2182532-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2021
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Entscheidungsdatum

30.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch


W124 2182532-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung öffentlicher mündlicher Verhandlungen am XXXX und XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Indien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte seine Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Rahmen welcher er zu seiner Person anführte, dass er am XXXX geboren sei, aus Gurdaspur (Indien) stamme, Punjabi spreche, der Volksgruppe der Jat und der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, es habe einen Streit zwischen seiner Familie und einem der Dorfbewohner gegeben, da sein Vater XXXX ein Grundstück gekauft habe, das der Verkäufer dann gewaltsam zurück habe wollen. Der BF sei sodann zwei Mal vom Verkäufer, der ein sehr einflussreicher Mensch sei und Kontakte zur Polizei und Politikern habe, zusammengeschlagen worden. Er habe dem Vater auch gedroht, den BF umzubringen, wenn er das Grundstück nicht zurückgebe.

Generell gebe es im Dorf des BF sehr viel Kriminalität, und die Dorfbewohner würden sehr viele Drogen konsumieren. Der BF sei auch in viele andere Streitigkeiten verwickelt.

2. Am XXXX wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen, wobei die Einvernahme im Wesentlichen folgenden Verlauf nahm:

[…]

F: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

A: Gut.

F: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

A: Es geht mir gut.

Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

A: Nein.

F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

A: Ja.

F: Haben Sie in der Erstbefragung bereits alle Gründe für Ihre Asylantragstellung in Österreich genannt?

A: Ja.

F: Wie heißen Sie, wann und wo wurden Sie geboren? Schildern Sie Ihren Lebenslauf.

A: Ich heiße XXXX , wurde am XXXX im Dorf XXXX , Bezirk XXXX geboren. Ich habe einen Bruder und eine Schwester.

F: Was ist ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie noch?

A: Punjabi.

F: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

A: Indien.

F: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

A: Ich bin Sikh und gehöre Jhatt.

F: Welche Schule haben Sie besucht oder haben Sie eine Ausbildung absolviert? Wenn ja, wie lange und in welcher Art?

A: Ich habe 12 Jahre die Schule besucht und war in der Landwirtschaft meiner Eltern tätig.

F: Welchen Beruf haben Sie in Ihrem Heimatland ausgeübt?

A: In der Landwirtschaft habe ich gearbeitet.

F: Haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

A: Nein.

F: Welche Angehörigen haben Sie noch im Heimatland? Bitte erzählen Sie mir von Ihnen.

A: Meine Eltern, eine Schwester und einen Bruder.

F: Wohnen sie alle zusammen?

A: Ja.

F: Wo?

A: In derselben Adresse wo ich wohnte.

F: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen den Lebensunterhalt?

A: Von der Landwirtschaft.

F: Haben Sie noch weitere Verwandte in Ihrem Heimatland?

A: Ich habe einige Onkeln und Tanten dort. Der Onkel väterlicherseits wohnen in der Nähe. Die Anderen weiter weg.

F: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z.B. Häuser, Grund? Hatten Sie wirtschaftliche Gründe Ihre Heimat zu verlassen?

A: Meine Familie besitzen ein Haus und auch ein Grundstück.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Verwandten im Heimatland? Wenn ja, in welchem Ausmaß?

A: Ja, einmal in der Woche telefonieren wir.

F: Wann hatten Sie zuletzt mit jemand aus Ihrem Herkunftsland Kontakt?

A: Vorige Woche war das.

F: Womit haben Sie in Ihrem Heimatland bisher Ihren Lebensunterhalt bestritten?

A: Ich habe in der Landwirtschaft geholfen.

F: Haben Sie hier in Österreich Verwandte?

A: Nein.

F: Leben Sie mit jemand in Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft? Wenn ja, beschreiben Sie diese Gemeinschaft!

A: Nein, ich wohne privat.

F: Wie bestreiten Sie nun in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Welche Unterstützungen beziehen Sie?

A: Ich hatte noch Kapital, das habe ich schon verbraucht. Und ein Bursche, bei dem ich jetzt wohne, der unterstützt mich. Ich warte auf die Zusage der Unterstützung vom Staat.

F: Sind Sie arbeitsfähig? Was würden Sie gerne arbeiten?

A: Ja. Je nachdem was ich finde, ich bin bereit für alles.

F: Sind Sie in Österreich Mitglied in irgendwelchen Vereinen oder Organisationen?

A: Nein.

F: Wann haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

A: Vor drei Monaten.

F: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

A: Vor zwei Monaten.

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe? Was veranlasste Sie, die Heimat zu verlassen? Bitte schildern Sie möglichst konkret und detailliert!

AW wirkt sehr gelangweilt und redet nur, wenn man konkret nachfragt.

A: Mein Vater hat ein Grundstück (1 Kila) gekauft von einer Person, von der ich den Namen nicht weiß. Er hat von meinem Vater das Geld, das waren 1,5 Mio. Rupien bekommen, aber das Grundstück wollte er nicht übergeben. Mein Vater hat es irgendwie geschafft, dass er das Grundstück bekommt, aber die Gegner fingen an, uns zu bedrohen, wir sollen das Grundstück zurückgeben. Wenn wir es nicht tun würden, werden sie mich umbringen. Sie haben mich auch zweimal geschlagen.

F: Warum sagen Sie jetzt Gegner, wenn es vorher nur ein Mann war?

A: Ich meine Personen, von denen wir das Grundstück gekauft haben.

F: Wurden Sie persönlich bedroht und wenn ja in welcher Art und Weise?

A: In unserem Dorf ist ein Hindutempel. Wegen diesem Tempel haben wir auch Streit in unserem Dorf.

F: Wie wurde Ihre Familie bedroht?

A: Personen, von denen wir das Grundstück gekauft haben, diese haben meine Eltern mit dem Tod bedroht. Sie sagten, wenn wir das Grundstück nicht zurückgeben, sie werden mich töten. Dann reiste ich nach XXXX , aber sie sind nachgekommen und haben mich dann in XXXX auch geschlagen.

F: Warum ausgerechnet Sie?

A: Da ich in der Landwirtschaft gearbeitet habe. Am Anfang waren sie mit mir befreundet. Über mich ist der Grundstücksverkauf gelaufen. Deswegen wollten sie mich auch jetzt dazu zwingen, das Grundstück zurückzuholen.

F: Wurden auch Ihre Geschwister bedroht?

A: Sie sind auch zu uns nach hause gekommen und haben meine Familie beschimpft. Sie haben auch das Grundstück bearbeitet ohne unsere Genehmigung.

F: Wie oft wurden Sie geschlagen?

A: Dreimal.

F: Wo war das?

A: Einmal im Dorf, das zweite Mal bei meiner Tante im Nachbardorf und das dritte Mal in XXXX .

F: Wann wurden Sie das letzte Mal geschlagen?

A: Das war im dritten Monat voriges Jahr.

F: Wurden nur Sie oder auch andere Familienmitglieder geschlagen?

A: Mein Vater wurde auch geschlagen. Mein Bruder und meine Schwester sind noch jung, denen haben sie nichts getan. Wir haben auch eine polizeiliche Anzeige erstattet. Da diese Personen zur dorfältesten Gesellschaft gehören, hat die Polizei nichts unternommen.

F: Wie ist jetzt die Situation, seitdem Sie weg sind?

A: Sie ärgern meinen Vater nach wie vor. Mein Vater wurde voriges Monat geschlagen

AW erzählt nur das Notwendigste und wirkt genervt.

F: Haben Sie jemals erwogen, an einen anderen Ort in Ihrem Heimatland zu ziehen, um den Problemen zu entgehen?

A: Ich reiste nach XXXX , um unterzutauchen, aber sie haben mitbekommen, dass ich in XXXX bin. Sie sind nachgekommen und haben mich dort geschlagen. Währenddessen ist die Polizei gekommen und dann sind sie weggelaufen.

F: Wo haben sie gewohnt in XXXX ? AW wird nervös, stottert und greift sich auf den Kopf

A: Bei XXXX , einem Verwandten habe ich gewohnt. Haus Nr. XXXX in Main XXXX .

F: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

A: Ja.

F: Was hätten Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?

A: Ich habe Angst um mein Leben. Dass die Gegner mich nicht am Leben lassen werden. In unserem Dorf werden sehr viele Drogen verkauft, ich habe keine Zukunft dort. Jeden Tag gibt es religiöse Auseinandersetzungen.

AW gibt jetzt an, dass er nicht weiß, ob die Adresse von dem Verwandten in XXXX stimmt, aber das Haus war neben einem Sikhtempel.

F: Sie haben dort gewohnt und werden doch die Adresse wissen!

A: Diese Umgebung ist sehr bekannt, weil dort der XXXX Tempel ist.

AW kann nichts Konkretes angeben und schaut nur

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die vom Bundesamt zur Beurteilung Ihres Falles herangezogenen allgemeinen Länderfeststellungen des BFA zu Ihrem Heimatland samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls Stellung zu nehmen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im einzelnen auch eingesehen werden können. Möchten Sie die Länderfeststellungen übersetzt bekommen?

A: Ja.

Anm.: Die Länderfeststellungen werden durch den Dolmetscher übersetzt.

F: Möchten Sie zur Lage in Indien eine Stellungnahme abgeben?

A: Ich möchte nicht nach Indien zurück, da mein Vater erst vor kurzem geschlagen wurde und mein Leben ist dadurch in Gefahr.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

A: Nein.

[…]

3. Mit Bescheid vom XXXX , Zahl XXXX , wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Als Frist zur freiwilligen Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Das BFA führte im Bescheid im Wesentlichen aus, dass nicht feststellbar gewesen sei, dass der BF in seinem Herkunftsstaat staatlicher Verfolgung oder Gefährdungen, vor welchen ihn die Behörden seines Heimatlandes nicht schützen könnten bzw. wollten, ausgesetzt gewesen sei bzw. nach einer Rückkehr sein würde. Der BF habe ausschließlich persönliche Fluchtgründe geltend gemacht, weshalb eine asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt habe werden können. Er habe in Indien verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte, die eine Unterstützungsmöglichkeit darstellen würden, sei gesund und durch seine Arbeitsfähigkeit sei sein Lebensunterhalt im Herkunftsstaat gewährleistet. Es sei demnach nicht davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten könne.

4. Gegen den am XXXX ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der BF am XXXX fristgerecht vollinhaltlich Beschwerde. Er führte nach Darstellung seiner Fluchtgründe zusammengefasst aus, er habe wegen der mangelnden Schutzwilligkeit bzw. Schutzfähigkeit der indischen Behörden aufgrund der tiefen politischen Verbindungen der Streitgegner seinen Herkunftsstaat verlassen und aus begründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung nach Österreich flüchten müssen. Entgegen der Argumentation der Behörde habe der BF ausführlich zu seinen Asylgründen Stellung bezogen und genaue Zeit- sowie Ortsangaben gemacht. Wie das BFA zur Auffassung gelangt sei, seine Schilderungen seien nicht „erlebnisnahe“ gewesen, sei angesichts des Protokolls der Einvernahme nicht nachvollziehbar. Die Angaben des BF hätten dem entsprochen, was von jemandem, der in seinen Wahrnehmungen aufgrund der Unübersichtlichkeit der Ereignisse überfordert und traumatisiert gewesen sei, in einer solchen Situation zu erwarten sei.

Das BFA habe sich mit der Frage der Schutzwilligkeit der indischen Behörden nicht auseinandergesetzt, weshalb der Bescheid einem Begründungsmangel unterliege. Auch die Angaben des BFA zur innerstaatlichen Fluchtalternative und zur Abweisung eines subsidiären Schutzes seien als rudimentär zu bezeichnen. Bei sorgfältiger Betrachtung der Situation in Indien und der persönlichen Lebensumstände des BF hätte festgestellt werden müssen, dass bei einer Abschiebung die realistische Gefahr bestünde, dass der BF in eine existenzbedrohende Lage geriete. Die belangte Behörde habe ihrer Ermittlungspflicht nicht adäquat Rechnung getragen.

Das Vorbringen des BF entspreche der Wahrheit, sei glaubwürdig, gründlich, substantiiert, in sich konsistent und durch die Länderberichte belegt.

Neben der vollinhaltlichen Anfechtung des Bescheids beantragte der BF in der Beschwerdeschrift, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Indien befasse und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Allenfalls solle ein Aufenthaltstitel „in besonders berücksichtigungswürdigen Gründen“ erteilt werden.

5. Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die Beschwerde unter Anschluss der Verfahrensakten vor, wo diese am XXXX einlangten.

6. Am XXXX , rechtskräftig seit XXXX , wurde der BF vom BG XXXX zu GZ XXXX wegen §§ 223 Abs. 2, 127 StBG zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt.

7. Am XXXX erfolgte eine Verständigung des Magistrats der Stadt Wien, der BF sei zur Ausübung des Gewerbes „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“, berechtigt.

8. Mit Verfahrensanordnung betreffend Parteiengehör vom XXXX räumte das BVwG dem BF die Möglichkeit ein, binnen zehn Tagen zu den im Verfahren als wesentlich zu bezeichnenden Faktoren Stellung zu beziehen, da es beabsichtigte, aufgrund der Aktenlage, des bisherigen Vorbringens des BF, seinen Angaben vor dem BFA und in der Beschwerdeschrift sowie den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, eine Entscheidung zu treffen.

Ferner ersuchte das BVwG den BF Fragen zur Integration unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist wahrheitsgemäß zu beantworten.

9. Der BF erstattete am XXXX eine Stellungnahme zu dem ihm gewährten Parteiengehör vom XXXX . Er brachte dabei im Wesentlichen vor, er habe zwar keine Familienangehörigen in Österreich, spreche jedoch Deutsch zumindest auf dem Niveau A2 und könne sich im Alltag problemlos verständigen, wobei er dafür keine Zertifikate vorlegen könne. Er arbeite auf selbstständiger Basis und verdiene seinen eigenen Lebensunterhalt. Weiters habe er bereits zahlreiche Kontakte zu Österreichern und anderen in Österreich aufhältigen Menschen geknüpft sowie eine große Liebe zur österreichischen Lebensart entwickelt. Er lebe in Österreich in einer ortsüblichen Unterkunft und wäre im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels jedenfalls selbsterhaltungsfähig.

Er befürchte weiterhin in Indien eine Verfolgung und könne daher in seine Heimatgemeinde nicht mehr zurückkehren. Er habe keinerlei Anknüpfungspunkte zu anderen Regionen in Indien, weshalb er im Falle der Rückkehr, auch in Hinblick auf die COVID-19-Pandemie, der Gefahr ausgesetzt wäre, in eine existentielle Notlage zu geraten. Ebenso würden die aktuellen Berichte seine Befürchtungen bestätigen, da darin die katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftslage sowie die mangelnde Effizienz und Durchschlagskraft der Zentralbehörden, jemanden wie ihn zu beschützen, aufgezeigt werden würde.

10. Das BVwG führte am XXXX eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beziehung eines Dolmetschers in Anwesenheit des BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung durch. Ein Behördenvertreter erschien nicht. Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

[…]

R: Wo sind Sie geboren?

BF: Ich bin im Dorf XXXX , Distrikt XXXX Provinz Punjab geboren.

R: Haben Sie an der von Ihnen angegebenen Adresse bis zur Ausreise in Indien gelebt?

BF: Ja.

R: Haben Sie Indien direkt von der von Ihnen angegebenen Adresse verlassen?

BF: Ja.

R: Sind die Angaben, die Sie seinerzeit beim BFA bzw. bei der Polizei gemacht haben richtig und halten Sie diese aufrecht?

BF: Ja.

R: Warum haben Sie eine Beschwerde erhoben? Warum ist aus Ihrer Sicht die Entscheidung des BFA nicht richtig?

BF: Da ich hier bleiben will, habe ich eine Beschwerde eingebracht.

R: Fragewiederholung.

BF: Weil mein Leben in Gefahr ist.

R: Warum ist die Entscheidung des BFA falsch?

BF: Ich habe einen negativen Bescheid erhalten, ich möchte einen positiven, deswegen habe ich Berufung eingebracht.

R: Haben Sie Probleme? Sind Sie in psychiatrischer Behandlung?

BF: Nein.

R: Haben Sie, außer an der von Ihnen angegebenen Adresse, noch woanders in Indien gelebt?

BF: Nein.

R: Haben Sie an der von Ihnen zuerst angegebenen Heimatadresse allein gelebt?

BF: Mit meiner Familie habe ich dort gelebt.

R: Wen bezeichnen Sie als Familie?

BF: Meine Eltern, mein Bruder und meine Schwester.

R: Wie alt ist Ihr Bruder?

BF: 12 Jahre alt.

R: Ihr Vater?

BF: 40 Jahre alt.

R: Wie geht es Ihren Familienangehörigen?

BF: Denen geht es gut.

R: Woher wissen Sie das?

BF: Ich habe Kontakt mit ihnen.

R: Wie oft?

BF: Einmal monatlich.

R: Wieviele Brüder hat Ihr Vater?

BF: Einen.

R: Wo lebt der?

BF: Im selben Dorf wie wir.

R: Wie bestreitet Ihr Vater seinen Lebensunterhalt?

BF: Er ist Landwirt.

R: Welche Schul- und Berufsausbildung haben Sie?

BF: Ich habe nur 12 Jahre Grundschule besucht, eine weitere Ausbildung habe ich keine.

R: Was haben Sie gearbeitet, wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF: Ich habe auch in der Landwirtschaft gearbeitet.

R: Als was?

BF: Wir verkaufen auch Milch, ich habe mich darum gekümmert.

R: Um den Verkauf?

BF: Ja.

R: Wie würden Sie die finanzielle Situation Ihrer Familie beschreiben?

BF: Wegen der Corona-Krise haben wir derzeit keinen Umsatz

R: Können Sie von der Ernte der Landwirtschaft leben?

BF: Ja.

R: Was ist der genaue Inhalt des von Ihnen vorgelegten Dokumenten, Beilage ./D. Was ist genau dahinter und zu welchem Beweis haben Sie dies vorgelegt?

BF: Wir haben eine Landwirtschaft gekauft von jemanden, sie haben uns beschuldigt, dass wir bei diesem Kauf kein Geld bezahlt haben.

R: Fragewiederholung.

BF: Wir wurden angezeigt, dass wir Drogen verkauft haben, das steht in Beilage ./D. Da sie behaupten, dass wir kein Geld bezahlt haben, haben sie uns angezeigt. Dass wir kein Geld bezahlt haben. Wir haben kein Geld bezahlt. Auf allen Zetteln steht das.

R: Was genau steht auf dem von Ihnen vorgelegten Dokument Beilage ./D?

BF: Sie haben uns beschuldigt, dass wir Drogen verkaufen und dass wir auf unseren Feldern Cannabis anbauen.

R: Wen meinen Sie mit „wir“?

BF: Mein Vater und die gesamte Familie wurde angezeigt.

R: Wenn ich Sie richtig verstehe, ist dies eine Anzeige?

BF: Ja.

R: Warum übermitteln Sie die Dokumente erst heute? Hat es damit zu tun, dass heute die Verhandlung ist?

BF: Mein Vater war vorher nicht zu Hause. Wegen der Corona-Krise war das Gericht auch zu. Mein Vater hat die Dokumente erst jetzt bekommen.

R: Ist das Gericht jetzt wieder geöffnet?

BF: Ja.

R: Wo hat sich Ihr Vater aufgehalten, als er nicht zu Hause war?

BF: Wegen dieser Anzeigen wurde er mehrmals von der Polizei mitgenommen und festgenommen, aus diesem Grund lebt er außerhalb des Dorfes.

R: Gerade haben Sie gesagt, dass er jetzt wieder zu Hause ist.

BF: Mein Vater wurde im Jänner oder Februar XXXX angezeigt, davor hat er zu Hause gewohnt.

R: Sie haben gerade gesagt, „mein Vater war vorher nicht zu Hause“. D.h. impliziert, dass er jetzt zu Hause ist?

BF: Nein. Er ist noch immer nicht in unserem Dorf aufhältig.

R: Wo ist er jetzt aufhältig?

BF: Bei Verwandten.

R: Wo genau?

BF: In der Provinz XXXX .

R: Wo genau?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Warum hält er sich dort auf? Ist er dort sicher?

BF: Mein Vater wurde angezeigt, deswegen ist er dorthin gegangen. Derzeit habe ich keinen Kontakt mit meinem Vater.

R: Fragewiederholung.

BF: Ja, er ist sicher dort.

R: Könnten Sie zu Ihrem Vater zurückkehren?

BF: Nein.

R: Warum können Sie nicht dorthin zurückkehren, wenn Ihr Vater dort sicher ist?

BF: Bevor mein Vater nach XXXX gezogen ist, wohnte er in der Stadt XXXX bei Verwandten. Dort haben ihn die Feinde ausfindig gemacht.

R: Fragewiederholung.

BF: Sie verfolgen uns überall. Dort ist auch Gefahr.

R: Sie haben gerade gesagt, dass Ihr Vater sich in Sicherheit befindet. Warum sollten Sie sich dann nicht in Sicherheit befinden, wenn sich Ihr Vater in Sicherheit befindet?

BF: Mein Vater wird nicht lange dort bleiben, er wird bald nach Dubai fliegen.

R: Woher wissen Sie das?

BF: Er wird überall verfolgt. Er wird nicht lange dort bleiben.

R: Woher wissen Sie das?

BF: Meine Mutter hat ihm davon erzählt.

R: Wann hat Ihnen Ihre Mutter davon erzählt?

BF: Vor ca. 10 Tagen.

R: Wann hat das Gericht, wo Sie die Dokumente bekommen haben, wieder geöffnet?

BF: Im Juli dieses Jahres.

R: Wer hat Ihnen die Dokumente übermittelt?

BF: Durch E-Mail habe ich sie erhalten.

R: Fragewiederholung.

BF: Von meiner Mutter.

R: Wie hat Ihre Mutter die Dokumente erhalten?

BF: Sie ist zum Anwalt gegangen und mit seiner Hilfe hat sie die Dokumente bekommen.

R: Wie heißt der Anwalt und wo ist seine Kanzlei?

BF: Der Name des Anwalts ist XXXX in der Stadt XXXX . In der Stadt XXXX ist ein Bezirksgericht, dort ist ein Büro.

R: Sie haben zuerst gesagt, dass nicht Ihre Mutter, sondern der Vater die Dokumente bekommen hätte. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Mein Vater hat meiner Mutter gesagt, sie soll Dokumente holen.

R: Gesagt haben Sie, „mein Vater hat die Dokumente erst jetzt bekommen“. Sie haben nicht gesagt, dass Ihr Vater Ihre Mutter beauftragt hat, die Dokumente zu holen.

BF: Es gibt Dokumente von dem Jahr XXXX . Diese waren bei meinem Vater. Von diesem Jahr hat die Dokumente meine Mutter vom Gericht geholt.

R: Was würden Sie befürchten, wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten?

BF: Als ich noch dort war, wurden wir (ich und mein Vater) von denen geschlagen.

R: Von wem wurden Sie konkret geschlagen?

BF: Von denen wir die Grundstücke gekauft haben.

R: Von wem konkret?

BF: XXXX .

R: War das eine Person, die Sie geschlagen hat? Oder waren es mehrere Personen?

BF: Es waren 5 oder 6 Personen.

R: Wie heißen diese Personen?

BF: Ein Sohn von XXXX , dieser heißt XXXX , ein Bruder von XXXX mit dem Namen XXXX , und zwei Freunde von XXXX , mit den Namen XXXX und XXXX .

R: Wohnen die alle in Ihrem Heimatdorf?

BF: Nein, sie leben alle im Dorf von XXXX .

R: Wie heißt das Dorf von XXXX ?

BF: Er wohnt im Dorf XXXX , Bezirk XXXX im Punjab.

R: Wie weit ist das Dorf von Ihrem Heimatdorf entfernt?

BF: 10 km.

R: Was hat Ihr Anwalt bisher gegen die Anzeige unternommen?

BF: Die Polizei ließ sich von denen bestechen und unternimmt gar nichts gegen die Personen.

R: Fragewiederholung.

BF: Wir haben auch diese Personen, die uns geschlagen haben, angezeigt.

R: Ist die Anzeige bei den von Ihnen vorgelegten Dokumenten dabei?

BF: Ja.

R: Können Sie mir diese zeigen?

BF: Wir haben eine Beschwerde beim Gericht eingebracht.

R: Wo ist das Dokument, wo Sie Ihre Anzeige eingebracht haben?

BF: Beilage ./E ist von meinem Anwalt, ein Schreiben an das Gericht.

R: Hat es schon eine Verhandlung gegeben?

BF: Ja, es gab eine. Mein Vater war dort beim Gericht.

R: Wann war die Verhandlung?

BF: Das war im Jahr XXXX .

R: Ist das Verfahren beendet?

BF: Nein, es ist noch im Laufen.

R: Was hat ihr Anwalt konkret unternommen? Was ist seine Strategie? Was schlägt Ihr Anwalt vor?

BF: Er hat zu meinem Vater gesagt, bis zur zweiten Anhörung soll mein Vater sich nicht im Dorf aufhalten.

R: Was soll er nach der zweiten Anhörung machen?

BF: Dann werden wir erfahren, ob wir das Geld noch bezahlen müssen oder nicht.

R: Für was sollen Sie was für ein Geld bezahlen?

BF: Wir haben zwar unser Grundstück schon bezahlt. Aber da sie behaupten, dass sie kein Geld bekommen haben, kann es sein, dass wir noch einmal bezahlen müssen.

R: Was haben Sie gegen die Unterstellung Ihrer Gegner unternommen?

BF: Wir waren zuerst bei der Polizei und dann im Gericht.

R: Mit Ihrem Anwalt?

BF: Ja.

R: Was hat Ihr Anwalt konkret dagegen unternommen?

BF: Er hat alle Beweise vorgelegt, dass wir das Geld bezahlt haben.

R: Was hat Ihr Anwalt im Zusammenhang mit der Anschuldigung der Drogen unternommen?

BF: Das ist ein anderes Verfahren.

R: Fragenwiederholung.

BF: Mein Vater war für einen Monat im XXXX in Haft.

R: Warum ist er dann freigelassen worden?

BF: Der Anwalt hat eine Berufung eingebracht und er wurde auf Kaution freigelassen.

R: Ihr Vater ist nicht schuldig gesprochen?

BF: Der Vater ist schuldig.

R: Ist er schuldig oder schuldig gesprochen worden?

BF: Er ist schuldig gesprochen worden.

R: Wegen was ist er schuldig gesprochen worden und für wie lange, und welche Strafe hat er bekommen?

BF: Mein Vater hat Marihuana angebaut auf unseren Feldern. Wegen dieser Anschuldigung wurde er schuldig gesprochen. Das Gericht hat noch keine Entscheidung getroffen, er wurde zurzeit auf Kaution freigelassen.

R: Sie sagen einerseits Ihr Vater wurde schuldig gesprochen und andererseits keine Entscheidung getroffen wurde. Wie können Sie mir das erklären?

BF: Er wurde schuldig gesprochen, mein Anwalt hat dagegen Berufung eingebracht?

R: Wieviel Strafe hat er in der ersten Instanz bekommen?

BF: Ein Jahr.

R: Wieso wurde er dann eigentlich auf freien Fuß gesetzt, wenn ihm ein Jahr Strafe droht?

BF: Wegen der Berufung des Anwalts.

R: Ist das Urteil, die erste Entscheidung gegen Ihren Vater bei den Dokumenten dabei?

BF: Ja.

R: Welche Unterlage ist das?

BF: Es ist die Beilage ./C.

R: Die Beschwerde/Berufung von Ihrem Anwalt?

BF: Es ist die Beilage ./A.

R: Wegen was ist dieser Streit zwischen XXXX und Ihrem Vater entstanden?

BF: Wir haben von XXXX eine Landwirtschaft gekauft und auch bezahlt. Er behauptet, dass er kein Geld bekommen hat.

R: Von wem hat er sich das Grundstück gekauft? Wer war der Verkäufer des Grundstücks?

BF: Die Ehefrau von XXXX stammt aus meinem Dorf. Die Landwirtschaft gehörte ihr.

R: Haben Sie nicht einen Zahlungsbeleg erhalten? Eine Quittung erhalten, dass Sie das Geld bezahlt haben?

BF: Oja, wir haben die Rechnung. Es wurde auch auf unseren Namen registriert. Aber im Nachhinein behauptet XXXX , dass wir mit ihm vereinbart haben, dass wir erst nach der Registrierung das Geld bezahlen werden. Aber wir haben es ihm zuvor bezahlt.

R: Wer konkret hat das Geld bezahlt?

BF: Mein Vater hat das Geld an XXXX bezahlt.

R: Hat Ihr Vater dafür eine Quittung bekommen?

BF: Nein.

R: Wieso hat sich Ihr Vater keine Quittung ausstellen lassen?

BF: Mein Vater hat das Geld vor dem „Patwari“ (=Grundbuchspfleger) dem XXXX gegeben. Danach wurde das Grundstück auf meinem Vater überschrieben.

R: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war der Patwari Zeuge, dass Ihr Vater das Geld dem XXXX gegeben hat.

BF: Ja so ist das.

R: Was wäre gewesen, wenn Ihr Vater XXXX das Geld nicht gegeben hätte?

BF: Dann hätte er es nicht registriert.

R: Wann ist es zu diesem Streit gekommen? In welchem Jahr?

BF: Im Jahr XXXX .

R: Wie hat sich dieser Streit dann entwickelt?

BF: Zuerst haben sie behauptet, dass sie kein Geld von uns bekommen haben, dann wurde mein Vater geschlagen.

R: Was war dann?

BF: Dann waren wir bei der Polizei und haben Anzeige eingebracht.

R: Ist das Dokument bei den Unterlagen dabei?

BF: Nein.

R: Weiter.

BF: XXXX wurde vorgeladen bei der Polizei. Er sagte auch dort, dass er kein Geld bekommen hat. Als wir bei der Polizei waren, haben wir unsere Dokumente der Polizei gezeigt. Danach wurde mein Vater wieder geschlagen und bedroht. Aus diesem Grund waren wir beim Gericht.

R: Wegen was waren Sie genau beim Gericht? Bei wem waren Sie am Gericht in diesem Zusammenhang?

BF: Wir haben zwei- bis dreimal eine Anzeige bei der Polizei eingebracht. Weil die Polizei nichts unternommen hat, waren wir beim Gericht. Dort haben wir unseren Anwalt konsultiert, welcher ein Schreiben an das Gericht verfasst hat. Dieses Verfahren ist noch im Laufen.

R: Welches Verfahren konkret?

BF: Zwei. Eines wegen der Drogen und ein Verfahren, wo sie gesagt haben, dass sie kein Geld bekommen haben.

R: Was ist mit dem Verfahren, wo Sie gesagt haben, dass Sie beim Gericht gewesen sind und Ihr Vater geschlagen worden ist?

BF: Es wurde alles in einem protokolliert. Nachgefragt ob dieses Verfahren noch läuft, gebe ich an, dass dies der Fall ist.

R: Mit welchem Verkehrsmittel sind Sie aus Indien ausgereist?

BF: Schlepperunterstützt mit einem Flugzeug.

R: Von wo sind Sie weggeflogen?

BF: Von XXXX weg.

R: Haben Sie bei der Ausreise mit Behörden, Flughafenpolizei Probleme gehabt?

BF: Nein.

R: Was hat der Streit mit Ihnen zu tun gehabt, wenn Ihr Vater geschlagen worden ist?

BF: Ich wurde auch geschlagen als mein Vater geschlagen worden ist. Außerdem haben sie meinen Vater gedroht, wenn er das Geld nicht bezahlt, werden sie mich umbringen.

R: Wann wurden Sie geschlagen?

BF: Das war im Jahr XXXX , nachdem wir das Land gekauft haben.

R: Was ist dann passiert, nachdem Ihr Vater das Geld nicht bezahlt hat?

BF: Sie haben mich geschlagen. Wir erhielten zwei- bis dreimal Drohanrufe. Danach habe ich beschlossen, das Land zu verlassen.

R: Wieviel Zeit ist vergangen, als Sie das erste Mal geschlagen worden sind und dann ein weiteres Mal?

BF: Das erste Mal wurde ich im XXXX geschlagen. Das zweite Mal im XXXX und das letzte Mal 6 Monate danach.

R: Sie haben zuerst gesagt, Sie sind zweimal geschlagen worden. Jetzt sagen Sie, Sie sind dreimal geschlagen worden. Was sagen Sie jetzt dazu?

BF: Ich wurde im Februar, März und dann im 6. Monat des Jahres XXXX geschlagen. Im 8. Monat habe ich das Land verlassen.

R: Fragewiederholung

BF: Ich habe gesagt 2- bis 3mal bin ich geschlagen worden. Ich wurde dreimal geschlagen.

R: Wann wurden Sie das letzte Mal geschlagen?

BF: Das 6. Monat XXXX .

R: Wo wurden Sie das zweite Mal geschlagen? Wo hat das stattgefunden?

BF: Auf der Landwirtschaft.

R: Auf welcher Landwirtschaft?

BF: Auf der Landwirtschaft, die wir zuletzt gekauft haben.

R: Beim BFA haben Sie am XXXX gesagt, dass Sie das zweite Mal bei Ihrer Tante im Nachbardorf und nicht wie heute angegeben, auf dem gekauften landwirtschaftlichen Grundstück geschlagen worden seien. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Die Landwirtschaft liegt in der Nähe von meiner Tante ihrer Wohnung.

R: Sie haben heute auch, auf die Frage, wann Sie das letzte Mal geschlagen worden seien, gesagt, dass dies im 6. Monat des Jahres XXXX gewesen wäre. Und in der Niederschrift vom XXXX beim BFA haben Sie auf die Frage, wann Sie das letzte Mal geschlagen worden seien, geantwortet, dass dies im 3. Monat des vorigen Jahres gewesen sei, d.h. im dritten Monat des Jahres XXXX . Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was ich damals gesagt habe.

R: Ist man auch gegen die übrigen Familienmitglieder vorgegangen?

BF: Ja.

R: Inwiefern?

BF: Sie waren bei uns zu Hause und haben uns alle geschlagen.

R: Was heißt „uns alle geschlagen“?

BF: Meine Eltern, mich und meine Schwester haben sie geschlagen.

R: Was war mit Ihrem Bruder?

BF: Er war nicht zu Hause, er war bei meinem Onkel.

R: Beim BFA haben Sie am XXXX auf die Frage, ob nur Sie oder auch andere Familienmitglieder geschlagen worden seien, geantwortet, dass Ihr Vater auch geschlagen worden sei. Ihr Bruder und Ihre Schwester seien noch zu jung gewesen, denen habe man nichts getan. Heute sagen Sie, dass auch Ihre Schwester geschlagen worden sei und Ihr Bruder gar nicht zu Hause gewesen sei, weshalb man ihn nicht geschlagen hätte. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Sie waren mehrmals bei uns zu Hause.

R: Wann wurden Sie das dritte Mal geschlagen?

BF: Da war ich im Dorf XXXX unterwegs und habe dort Milch verkauft.

R: War das das letzte Mal, dass Sie geschlagen wurden?

BF: Ja.

R: Wo wurden Sie das erste Mal geschlagen?

BF: Wir waren auf dem Weg nach Hause.

R: Fragewiederholung

BF: Auf der Straße wurden wir geschlagen.

R: Das zweite Mal?

BF: Auf der Landwirtschaft, in der Nähe meiner Tante.

R: Das dritte Mal?

BF: Im Dorf XXXX .

R: Wurden Sie darüber hinaus noch einmal geschlagen?

BF: Mein Vater hatte danach noch Probleme.

R: Es geht um Sie. Wurden Sie noch einmal geschlagen?

BF: Nein, danach habe ich das Land verlassen.

R: Beim BFA haben Sie am XXXX gesagt, dass Sie auch noch einmal in XXXX geschlagen worden wären. Von dem haben Sie jetzt, nachdem ich Sie sehr ausführlich und bewusst gefragt habe, nichts gesagt.

BF: Es war normal, dass ich oft Bedrohungen bekommen habe, auch wenn ich auf der Straße unterwegs war.

R: Haben Sie die Flucht direkt von Ihrem Heimatdorf aus angetreten?

BF: Ja.

R: Wohin sind Sie dann gereist?

BF: Zuerst bin ich zu meinem Freund in die Stadt XXXX gegangen, bliebt dort 3 bis 4 Tage und bin von dort weiter nach XXXX gefahren. Wie lange ich XXXX aufhältig war, weiß ich nicht mehr.

R: Wochen? Monate?

BF: Ca. eine Woche.

R: Bei wem haben Sie gewohnt?

BF: In einer Schlepperunterkunft. Der Schlepper hat ein Hotel für mich gebucht.

R: Haben Sie den Schlepper oder den Unterkunftgeber des Hotels vorher gekannt?

BF: Mein Vater kannte den Schlepper schon von früher. Den Unterkunftgeber des Hotels und das Hotel selbst kannte ich nicht.

R: Beim BFA haben Sie am XXXX , auf die Frage, wo Sie in XXXX gewohnt haben, gesagt, dass Sie sich dort bei einem Verwandten, in XXXX , aufgehalten hätten bzw. dort gewohnt hätten. Von dem haben Sie heute nichts erwähnt und stattdessen angegeben in einem Ihnen bisher unbekannten Hotel in XXXX gewohnt zu haben. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Ich kann mich heute nicht mehr genau erinnern, wo ich mich in XXXX aufgehalten habe. Damals wusste ich es und habe deshalb auch den Stadtteil angegeben. Auf jeden Fall war es eine Unterkunft vom Schlepper.

R: Warum sind Sie nicht länger in XXXX geblieben?

BF: Der Schlepper sagte mir, er würde mir sagen, wann ich das Land verlassen kann.

R: Warum sind Sie nicht länger dort geblieben?

BF: Der Schlepper sagte mir, sobald er ein Visum für mich hat, kann ich ausreisen.

R: Wieviel Geld haben Sie für die Schleppung bezahlt?

BF: Mein Vater hat es bezahlt, es wurde eine Summe von einer Million indischer Rupien vereinbart.

R: Woher hatte Ihr Vater so viel Geld?

BF: Er hat einen Kredit auf die Landwirtschaft genommen.

R: Wie alt ist Ihr Bruder?

BF: Ich glaube jetzt ist er 12 Jahre alt.

RV: Sie haben bei der belangten Behörde angegeben, dass es in Ihrem Dorf einen Hindu-Tempel geben würde. In diesem Tempel würde es Streit geben und deshalb würden Sie Probleme bekommen.

R: Das wurde heute vom BF nicht erwähnt.

BF: Es ist ein ganz anderes Verfahren. Es gibt einen Grundstücksstreit und dieses Verfahren.

R: Was heißt das jetzt genau?

BF: Ich habe nie Hindu-Tempel gesagt, es ist ein Sikh-Tempel.

R: Was hat der Sikh-Tempel mit Ihnen zu tun?

BF: Unsere Feinde haben uns auch im Sikh-Tempel Probleme gemacht.

R: Beim BFA haben Sie ausdrücklich auf die Frage, wurden Sie persönlich bedroht und wenn ja in welcher Art und Weise, gesagt, dass dies in unserem Dorf in einem Hindu-Tempel gewesen wäre. Heute sagen Sie, es wäre in einem Sikh-Tempel gewesen. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Der D hat mich nicht verstanden. Ich habe auch damals XXXX gesagt.

R: Das Protokoll wurde Ihnen rückübersetzt und Sie haben dagegen keine Einwände erhoben. Sie haben die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Niederschrift bestätigt.

BF: Der D hat mit mir nicht Punjabi, sondern Hindi gesprochen und hat das Wort Mandir (Hindu- Tempel) verwendet.

R: Laut Protokoll vom XXXX wurden Sie in der Sprache Punjabi einvernommen und nicht wie Sie behaupten in Hindi. Was sagen Sie zu diesem Widerspruch?

BF: Nein, er hat mit mir hauptsächlich Hindi gesprochen.

R: Vor dem Umstand, dass mit Ihnen hauptsächlich Hindi gesprochen wurde, wurde auch in der von Ihnen eingebrachten Beschwerde nichts nominiert. Das ist das erste Mal, dass Sie in der Verhandlung so etwas behaupten.

BF: Er hat mit mir hauptsächlich Hindi gesprochen.

Auf die Vorlage der aktuellen Zahl zu Covid in Indien bzw. Österreich wird verzichtet.

RV verzichtet auf Abgabe einer Stellungnahme.

R: Wollen Sie noch etwas sagen?

BF: Ich habe eine Bitte an Sie, bitte geben Sie mir Asyl. Dort ist mein Leben in Gefahr.

D wird beauftragt, die gesamten Beilagen ins Deutsche zu übersetzen.

R: Wie bestreiten Sie in Österreich den Lebensunterhalt?

BF: Ich habe einen Gewerbeschein und arbeite als Zeitungszusteller.

R: Haben Sie als Zeitungszusteller einen Vertrag?

BF: Ja. Es gibt einen. Er liegt zu Hause.

R: Wieviel verdienen Sie durchschnittlich im Monat?

BF: Zwischen 800 bis 1.000 Euro.

R: Seit wann üben Sie diese Tätigkeit aus?

BF: Seit meiner Einreise in Österreich, seit Oktober XXXX .

R: Haben Sie eine Einkommens- bzw. eine Umsatzsteuer beim Finanzamt in Auftrag gegeben?

BF: Ich selbst habe keine Steuer bezahlt. Meine Firma hat das gemacht. Die Firma zieht immer 20 % von meinem Ertrag ab. Ich zahle nur für meine E-Card und meinen Gewerbeschein.

R: Wieviel zahlen Sie Krankenversicherung?

BF: Monatlich 170 Euro.

R: Was zahlen Sie Miete, Betriebskosten?

BF: Miete ist 535,-- Euro inkl. Betriebskosten

R: Was zahlen Sie Strom, Gas, Heizung?

BF: Dafür zahle ich alle drei Monate 300 Euro.

R: Sind Sie verheiratet?

BF: Nein.

R: Haben Sie Kinder?

BF: Nein.

R: Leben Sie in einer Lebensgemeinschaft?

BF: Ich wohne alleine.

R: Sprechen und verstehen Sie Deutsch?

BF: Ein wenig Deutsch kann ich schon.

R Frage auf Deutsch: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

BF: Nicht verstanden.

Fragewiederholung auf Punjabi.

BF: Ich treffe meine Freunde oder gehe in einen Sikh-Tempel.

R: Frage auf Deutsch: Haben Sie Freunde in Österreich?

BF auf Deutsch: Nicht so, aber indische friends.

Frage auf Deutsch: Betreiben Sie Sport?

BF: Wie bitte?

Fragewiederholung

BF: Ich habe nicht verstanden.

R: Frage auf Deutsch: Sind Sie Mitglied in einem Verein, in einer Organisation, in einem Club?

BF: Wie bitte?

R: Fragewiederholung auf Punjabi.

BF: Nein.

R: Frage auf Deutsch: Nehmen Sie irgendwelche Medikamente, müssen Sie zum Arzt gehen?

BF: Nicht verstanden.

R: Fragewiederholung auf Punjabi:

BF: Nein.

R: Frage auf Deutsch: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF: Nicht verstanden.

R: Fragewiederholung auf Punjabi.

BF: Nein.

Fortsetzung auf Punjabi.

R: Haben Sie Verwandte in der Europäischen Union?

BF: Nein.

R: Haben Sie eine Freundin?

BF: Nein.

R: BF wird auf das Entschlagungsrecht hingewiesen: Läuft gegen Sie ein Verwaltungstrafverfahren oder ein Strafverfahren?

BF: Ich wurde einmal beschuldigt, dass ich ein Handy gestohlen hätte. Ich habe das Geld zurückgezahlt, das Verfahren ist schon beendet.

RV: Keine weiteren Fragen.

[…]

11. Am XXXX übermittelte die vom BVwG beauftragte Dolmetscherin, die in der Beschwerdeverhandlung in der Muttersprache des BF vorgelegten Unterlagen, in deutscher Sprache. Es handle sich demnach um Polizeiberichte aus dem Jahr XXXX .

Den Beilagen ./A bis ./D zufolge sei gegen XXXX alias XXXX , Sohn des XXXX , wohnhaft im Dorf XXXX , Anzeige erstattet worden, da dieser auf seiner Landwirtschaft Mohnpflanzen angebaut und demnach eine Straftat nach Strafgesetz 8, 15/61/85 NDPS (Suchtmittel und psychotropische Substanzen Gesetz) begangen habe. XXXX sei am XXXX verhaftet und vor Gericht gebracht worden. Der Richter habe ihn für schuldig befunden und eine vierzehntätige Untersuchungshaft angeordnet.

12. Am XXXX führte das BVwG eine zweite öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers in Anwesenheit des BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung durch. Ein Behördenvertreter erschien nicht. Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

[…]

R: Hat sich hinsichtlich Ihrer Integration seit der letzten Verhandlung etwas geändert?

BF: Nein, wegen dem Lockdown konnte man nicht wirklich viel unternehmen.

R: Für wen arbeiten Sie?

BF: Ich arbeite bei der Firma XXXX .

R: Sind Sie dort angestellt?

BF: Ich habe eine Firma und über diese Firma arbeite ich dort.

R: Hat Ihre Firma einen Vertrag mit XXXX ?

BF: Es gibt einen Vertrag.

R: Seit wann besteht dieser Vertrag?

BF: Sei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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