TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/8 W252 2189548-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2021
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Entscheidungsdatum

08.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W252 2189548-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Eritrea, vertreten durch RAST & MUSLIU Rechtsanwälte, Rechtsanwälte in 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.02.2018 zur Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.06.2021, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Eritrea zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.

III. Die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in Folge: „BF“), ein männlicher Staatsangehöriger Eritreas, stellte am 28.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des BF statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er aufgrund seiner Religion verhaftet worden sei.

3. Am 12.12.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt statt. Dabei gab er an, dass er in XXXX , Eritrea geboren sei. Als Kind habe er mit seiner Mutter Eritrea aufgrund familiärer Probleme verlassen und sei nach Äthiopien gezogen. Diese sei dort inhaftiert worden und 2006 gestorben. Er selbst sei 2007 und 2009 ebenfalls in Äthiopien inhaftiert worden, weil man ihm eine regierungskritische Gesinnung unterstellt habe. Aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe er nie Probleme gehabt. Er könne nicht nach Eritrea zurückkehren, da er dort in ein Militärcamp komme und wegen seiner Religion verfolgt werde.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.02.2018 wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Herkunftsstaats Äthiopien zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Eritrea zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF derart unglaubwürdig sei, dass ihm nicht einmal hinsichtlich seiner Staatsangehörigkeit zu Eritrea Glauben geschenkt werden könne. Er sei daher als Staatsangehöriger Äthiopiens zu behandeln. Weder konnte er eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Religion, noch aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen/ethnischen Gruppe, noch aufgrund Problemen mit den Behörden überzeugend darlegen. Der BF verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe. Sein Gesundheitszustand stehe einer Rückkehr nicht entgegen.

5. Der BF erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft sei. Nicht nur habe das Bundesamt die Staatsangehörigkeit falsch beurteilt – der BF sei aus Eritrea, nicht Äthiopien – sondern seien selbst die Länderberichte zu Äthiopien mangelhaft. Die Menschenrechtslage sowie die Armut in Äthiopien sei alarmierend. Sicherheitskräfte würden Inhaftierte misshandeln, ja sogar töten. Selbst die Versorgungslage sei aufgrund der Dürrekrisen der letzten Jahre derartig schlecht, dass ein großer Teil der Bevölkerung auf Lebensmittellieferungen angewiesen sei. Da gar keine Länderberichte zu Eritrea im Bescheid enthalten seien, habe er diese in der Beschwerde nachgereicht. Der obligatorische Nationaldienst könne bis zu 20 Jahre lang dauern und würde Zwangsarbeit gleichkommen. Der BF sei bei einer Rückkehr nach Eritrea jedenfalls einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt bzw würde er in eine ausweglose Situation geraten. Die Beweiswürdigung der Behörde sei ebenso mit Mängeln belastet, da das Vorbringen des BF schlüssig und glaubhaft gewesen sei. Der BF sei zwar kein großer Erzähler, habe auf Nachfrage jedoch die notwendigen Details stets nachgeliefert und die Fragen beantworten können. Außerdem sei der BF bereits gut in die österreichische Gesellschaft integriert, in Eritrea bzw Äthiopien habe er hingegen niemanden mehr. Ihm sei Asyl, oder zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren bzw die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.06.2021 eine mündliche Verhandlung durch. Dem BF wurde im Zuge der Verhandlung das einschlägige Länderberichtsmaterial zu Eritrea und Äthiopien vorgehalten und den Parteien die Möglichkeit gegeben, hierzu binnen einer Frist von zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Eine solche wurde nicht eingebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Er ist Staatsangehöriger Eritreas, bekennt sich zum protestantischen Glauben und spricht Amharisch als Muttersprache. Der BF ist Angehöriger der Volksgruppe XXXX . Er ist ledig und hat keine Kinder (AS 1; AS 34, 36, 39, 41; OZ 18, S. 6, 7-9).

Der BF wurde in XXXX (Eritrea) geboren, wanderte jedoch mit seiner Mutter 1995 nach Äthiopien aus und war seitdem nicht mehr in Eritrea (AS 1, 5; AS 36-37; OZ 18, S. 6-7). Er absolvierte in Äthiopien eine Schulbildung von 7 Jahren und war im Sudan in einer Shisha-Bar tätig. Er hat auch als Tellerwäscher, Frisör und Maler gearbeitet (AS 1; AS 37, 40; OZ 18, S. 9).

Der BF hat keine ihm bekannten Familienangehörigen mehr in Eritrea bzw Äthiopien und hat auch sonst keine Bekannten in seinem Herkunftsstaat. Seine Eltern sind bereits verstorben (AS 3; AS 38; OZ 18, S. 6, 8). Die finanzielle Lage des BF in Eritrea bzw Äthiopien war schlecht. Er arbeitete in der Gastronomie, als Frisör und Maler (AS 40; OZ 18, S. 9).

Der BF ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und stellte am 28.04.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich (AS 3).

Der BF hat eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F62.0). Er ist bloß eingeschränkt arbeitsfähig. Er gehört keiner COVID-19 Hochrisikogruppe an (OZ 18, S. 4).

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF wurde in Eritrea weder inhaftiert noch gefoltert.

Der BF wurde in Eritrea nicht wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, oder seinem Glauben bedroht bzw diskriminiert.

Der BF hat Eritrea weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Der BF hat bereits als Kleinkind, somit vor Eintritt der Wehrpflicht bzw. Pflicht zum Nationaldienst, sein Herkunftsland Eritrea verlassen und ist zwischenzeitig nicht mehr zurückgekehrt.

Der BF ist nicht politisch tätig und auch nicht Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung.

Im Falle der Rückkehr nach Eritrea droht dem BF weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch das Militär, andere Behörden, oder seine Verwandten.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Der BF verfügt über keine ihm bekannten Familienangehörigen in Eritrea und hat auch sonst keine weiteren engen Kontakte. Aufgrund der schlechten Versorgungslage in seiner Heimatstadt XXXX , kann der BF nicht dorthin zurückkehren.

Eine dem BF zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative gibt es nicht, da der BF wegen der allgemein problematischen Versorgungslage in ganz Eritrea im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würde.

1.4. Zum (Privat)Leben des BF in Österreich:

Der BF ist seit seiner Antragsstellung am 28.04.2017 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG in Österreich durchgehend aufhältig.

Der BF besuchte mehrere Deutschkurse und arbeitete gemeinnützig bei der Stadt Salzburg. Er absolvierte die Sprachprüfung A2 sowie den Kurs Werte- und Orientierungswissen.

Der BF geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung (GVS-Auszug vom 09.07.2021).

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten (Auszug aus dem Strafregister vom 09.07.2021).

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Eritrea:

Aus den ins Verfahren eingeführten Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation Länderinformationsblatt (in der Folge: LIB) zu Eritrea vom 27.05.2021 (generiert am 07.06.2021), dem Länderinformationsblatt zu Äthiopien vom 07.07.2020 (generiert am 07.06.2021), dem Bericht vom Auswärtigen Amt „Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea“ vom 09.12.2020 und der ACCORD Anfragebeantwortung zu Eritrea „Informationen zur Ausstellung von Ausweis- und Identitätsdokumenten sowie Geburts- und Heiratsurkunden“ vom 25.05.2020 ergibt sich Folgendes:

COVID-19

Eritrea ist von COVID-19 bisher wenig betroffen, wird aber weiterhin als Risikogebiet eingestuft. Die Einreise ist nur auf dem Luftweg möglich. Seit dem 22. April 2021 dürfen planmäßig verkehrende Passagierflüge wieder starten oder landen. Es besteht die Verpflichtung zu einem siebentägigen Aufenthalt auf eigene Kosten in einer Quarantäneeinrichtung, an dessen Ende ein weiterer COVID-19-Test durchgeführt wird. Die Quarantänepflicht entfällt, wenn eine Impfung durch ein Zertifikat und einen erfolgreichen Antikörpertest bei Ankunft nachgewiesen wird (AA 18.5.2021).

Politische Lage

Eritrea ist nach dem Südsudan das zweitjüngste und eines der ärmsten Länder Afrikas. Das Land erlangte 1993 die formelle und völkerrechtlich anerkannte Unabhängigkeit. Die nach westlichem Vorbild geschaffene Verfassung aus dem Jahr 1997 ist zwar durch die provisorische Nationalversammlung angenommen worden, trat aber dennoch nie in Kraft. Präsident Isaias Afewerki regiert das Land ohne demokratische Kontrolle. Er stützt sich auf die Sicherheitsapparate und die einzige zugelassene Partei, die People’s Front for Democracy and Justice (PFDJ). Das Übergangsparlament ist seit 2002 nicht mehr zusammengetreten. Seit der Unabhängigkeit des Landes sind weder Parlaments- noch Präsidentschaftswahlen durchgeführt worden (AA 25.1.2021). Die politische Situation im Land ist also seit vielen Jahren von ihrem nahezu unveränderlichen Charakter geprägt. Der Präsident zeigt keine Bereitschaft, Wahlen abzuhalten oder Änderungen im politischen Status quo des Landes zu akzeptieren. Er regiert mit einer kleinen Anzahl von Beratern der PFDJ-Führung. Zudem verfügt das Militär über eine beträchtliche politische Macht (NLMBZ 30.11.2020).

Eritrea hat nicht nur keine Verfassung (AA 25.1.2021), es gibt auch keinen Rechtsstaat und keine Nationalversammlung, welche überhaupt Gesetze beschließen könnte (UNHRC 24.2.2021). Es gibt de facto und de jure keine Gewaltenteilung (BS 2020; vgl. AA 25.1.2021), denn es gibt weder eine Legislative noch eine unabhängige Justiz. Eritrea bleibt eine Ein-Mann-Diktatur unter Präsident Isaias Afewerki (HRW 13.1.2021) nach anderen Angaben eine Einparteiendiktatur. Die Regierungspartei PFDJ ging 1994 aus der Eritrean People's Liberation Front (EPLF) hervor. Sie stellt den Staats- und Regierungschef Isaias Afewerki sowie die gesamte weitere politische Führung des Landes. Andere politische Parteien sind verboten (AA 25.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021).

Ende 2000 endete der Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien vorläufig mit dem Friedensabkommen von Algier, dieses wurde in der Folge aber mehrfach gebrochen. Im Juli und September 2018 unterzeichneten die Präsidenten beider Länder weitere Verträge, der Spannungszustand zwischen den Nachbarstaaten wurde beendet (AA 25.1.2021). Bislang hatte der Friedensschluss aber keine Auswirkungen auf die Menschenrechte in Eritrea (HRW 13.1.2021; vgl. NLMBZ 30.11.2020), obwohl im Friedensabkommen auch innenpolitische Reformen angekündigt wurden. Diese haben nicht stattgefunden (NLMBZ 30.11.2020).

Die Ausübung von bürgerlichen Grundrechten ist weiterhin stark eingeschränkt. Als Folge des Grenzkriegs mit Äthiopien (1998-2000) kam es zu einer weitgehenden Militarisierung der Gesellschaft und zum Zurückdrängen der Privatwirtschaft durch staatlich gelenkte Wirtschaftsunternehmen. Viele Eritreer arbeiten im staatlichen, verpflichtenden Nationalen Dienst, dessen zeitliche Befristung auf 18 Monate de facto ausgesetzt wurde (AA 13.10.2020).

Sicherheitslage

Die Lage in Asmara ist stabil und ruhig. Die allgemeine Kriminalitätsrate ist niedrig (AA 18.5.2021). Allerdings kam es Anfang November 2020 zu mehreren Explosionen in Asmara und Massawa, die in Zusammenhang mit dem Konflikt im benachbarten Tigray (Äthiopien) stehen. Weitere Auswirkungen dieses Konflikts auf die Sicherheitslage in Eritrea – insbesondere in Grenznähe – können nicht ausgeschlossen werden. Auch der Grenzkonflikt mit Dschibuti ist nicht gelöst und die Lage an der Grenze bleibt angespannt. In der Grenzregion zum Sudan sind Rebellengruppen und Schmuggler aktiv (AA 18.5.2021; vgl. EDA 18.5.2021). Generell sind die Beziehungen zu den Nachbarstaaten angespannt (EDA 18.5.2021).

Die aus Äthiopien heraus agierenden, bewaffneten Rebellengruppen wurden von der äthiopischen Regierung nach dem Friedensschluss im Sommer 2018 angewiesen, ihre Waffen niederzulegen (BS 2020).

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz sieht zwar eine unabhängige Justiz vor, doch diese wird von der Exekutive kontrolliert und war daher weder unabhängig noch unparteiisch. Auch Korruption ist ein Problem (USDOS 30.3.2021). Es gibt auch keine Legislative (UNHRC 24.2.2021). Rechtsstaatlichkeit ist in Eritrea somit nicht gewährleistet (AA 25.1.2021; vgl. UNHRC 24.2.2021).

Zudem ist die Justiz unterfinanziert, es mangelt ihr an ausgebildetem Personal und an Infrastruktur (USDOS 30.3.2021). Die Justizreform geht schleppend voran. Anfang 2015 wurde ein neues Strafgesetzbuch und eine neue Zivil- und Strafprozessordnung vorgelegt, diese wurden aber nie in Kraft gesetzt (AA 25.1.2021).

In der ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt es Gerichte auf regionaler Ebene; Berufungsgerichte; und Oberberufungsgerichte. In ländlichen Gebieten gibt es sogenannte „community courts“, die vorwiegend traditionelles Recht anwenden. Dort werden die Richter von der Gemeinde gewählt, die Verhandlungen sind öffentlich (USDOS 30.3.2021). Außerdem gibt es für Korruptionsfälle und Fälle der nationalen Sicherheit Militär- bzw. Sondergerichte. Diese Gerichte können jedes Verfahren an sich ziehen. Dort gibt es keine öffentliche Verhandlung, keinen anwaltlichen Beistand und keine Rechtsmittel (AA 25.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Als Richter – und gleichzeitig als Ankläger – fungiert bei diesen Gerichten meist ein Offizier (USDOS 30.3.2021).

Verhaftungen ohne Haftbefehl und ohne Angabe von Gründen sind üblich (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 25.1.2021). Verdächtige kommen in Haft, ohne jemals einem Richter vorgeführt worden zu sein (USDOS 30.3.2021). Umgekehrt werden Häftlinge auch ohne Angabe von Gründen freigelassen (AA 25.1.2021). Die auf dem Papier vorhandene Kautionsmöglichkeit wird oft willkürlich verweigert oder die Höhe der Kaution willkürlich gesetzt (USDOS 30.3.2021).

Es gibt kein Recht auf ein faires, öffentliches Verfahren; und keine Unschuldsvermutung. Es gibt keine Möglichkeit, eine Verhaftung rechtlich anzufechten (USDOS 30.3.2021).

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit verantwortlich, die Armee für die äußere Sicherheit. Doch die Regierung setzt manchmal die Streitkräfte, die Reserve, demobilisierte Soldaten oder Miliz dazu ein, um Aufgaben der inneren oder äußeren Sicherheit zu erfüllen. Agenten der Nationalen Sicherheitsagentur, die dem Präsidentenbüro unterstellt ist, sind für die Verhaftung von Personen verantwortlich, die verdächtigt werden, die nationale Sicherheit zu gefährden. Auch die Armee hat die Befugnis, Zivilisten anzuhalten und zu verhaften (USDOS 30.3.2021).

Militär, Polizei und andere Sicherheitsbehörden üben eine fast vollständige Kontrolle über das politische und gesellschaftliche Leben aus. Sie verfügen über weitreichende Vollmachten, die nicht immer eine gesetzliche Grundlage haben (AA 25.1.2021). Nach anderen Angaben stehen die meisten Sicherheitsbehörden unter ziviler Kontrolle (USDOS 30.3.2021).

Angehörige der Sicherheitskräfte sind für zahlreiche Vergehen verantwortlich. Gleichzeitig betreibt die Regierung ein dichtes Netzwerk an Spitzeln (USDOS 30.3.2021).

Folter und unmenschliche Behandlung

Generell wird in Eritrea das Recht auf Leben ignoriert (BS 2020).

Das geltende Strafgesetzbuch verbietet Folter. Trotzdem kommt es zur Anwendung von Folter durch staatliche Akteure (AA 25.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021) – in Gefängnissen und Militärlagern ist Folter weit verbreitet (BS 2020). Sie wird etwa gegenüber Gefangenen - insbesondere während der Befragung – angewandt (AA 25.1.2021). Berichtet wird von Folter und Schlägen an Häftlingen, Deserteuren, Wehrdienstverweigerern, Personen die aus dem Land flüchten wollten, Angehörige verschiedener religiöser Gruppen (USDOS 30.3.2021). Menschen werden unter Folter gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören. Auch im Nationaldienst kommt es zu Folter (HRW 13.1.2021). Neben physischer Folter kommt auch psychische zur Anwendung. Aufgrund mangelndem Zugang zu Informationen bleibt unklar, wie viele Menschen wegen Folter oder anderer Misshandlungen versterben (USDOS 30.3.2021).

Es sind keine Fälle bekannt, in denen die Anwendung von Folter zu Sanktionen geführt hätte (AA 25.1.2021).

Die Haltung von Häftlingen an unbekanntem Ort (incommunicado) ist weit verbreitet. Dies gilt auch für willkürliche Verhaftungen (USDOS 30.3.2021).

Korruption

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International nimmt Eritrea 2020 Rang 160 von 180 untersuchten Ländern ein (TI 2021). Es gibt Berichte über Korruption bei Polizei und Justiz (USDOS 30.3.2021). Korruption in der Zivilverwaltung und insbesondere im Militär ist weit verbreitet. Hochrangige Beamte beteiligen sich weiterhin an illegalen Aktivitäten (BS 2020).

Strafrechtliche Sanktionen für korrupte Beamte sind gesetzlich vorgesehen, die Regierung setzt das Gesetz jedoch nicht effektiv um (USDOS 30.3.2021). Korruption durch öffentliche Bedienstete und Militärangehörige bleibt üblicherweise ungestraft (BS 2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Das vormals gegebene offizielle Ziel der Regierung, die Korruption einzudämmen, wurde praktisch aufgegeben (BS 2020).

Dabei gäbe es spezielle Gerichte, die für die Untersuchung von Korruptionsfällen zuständig sind (AA 25.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Jedoch gibt es keine öffentliche Rechenschaftspflicht für Misswirtschaft oder Korruption. Die vom Militär geführten Sondergerichte für Korruptionsfälle sind diesbezüglich weitgehend inaktiv (BS 2020).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Menschenrechtsorganisationen können in Eritrea nicht tätig sein (AA 25.1.2021). Infolge der Repressionspolitik der eritreischen Regierung gibt es keine nationalen Menschenrechtsorganisationen (AA 25.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021) bzw. überhaupt keine unabhängigen Organisationen der Zivilgesellschaft (HRW 13.1.2021). Kritiker wurden und werden verfolgt und zur Flucht ins Ausland veranlasst (AA 25.1.2021).

Ausländische NGOs sind einer rigiden Gesetzgebung unterworfen. Tätig sind der Norwegian Refugee Council (NRC), die irische NGO Vita und einige deutsche medizinische Hilfsorganisationen. Sie achten aber auf ein gutes Verhältnis zur Regierung und halten „low profile“. Andere internationale Hilfsorganisationen, wie z.B. UNDP, FAO, IKRK, UNICEF und UNHCR, sind in Eritrea im Rahmen der engen, von der Regierung gesetzten Grenzen aktiv (Repatriierung bzw. Betreuung von Flüchtlingen, humanitäre Hilfsprogramme). Dabei behindert die eritreische Regierung den Zugang zu unabhängiger humanitärer Hilfe und zu Hilfsorganisationen (AA 25.1.2021).

Wehrdienst und Rekrutierungen

Nach dem Friedensabkommen mit Äthiopien hat die Regierung bisher keine Änderungen beim Nationaldienst umgesetzt (NLMBZ 30.11.2020).

Per Gesetz müssen alle Staatsbürger – mit wenigen Ausnahmen – im Alter von 18 bis 50 Jahren einen Nationaldienst leisten (USDOS 30.3.2021). Für Frauen dauert die Dienstpflicht bis zum 27. und für Männer bis zum 50. Lebensjahr (nach anderen Angaben für Frauen bis zum 47. und für Männer bis zum 57. Lebensjahr). Selbst Geistliche im wehrpflichtigen Alter werden eingezogen (AA 25.1.2021). Frauen werden in der Regel bei Heirat oder Schwangerschaft aus dem militärischen Dienst, zwangsläufig aber nicht aus Verwendungen im zivilen Bereich entlassen (AA 25.1.2021; vgl. NLMBZ 30.11.2020). Generell gibt es Ausnahmen zur Dienstpflicht. Allerdings gibt es dazu keine verlässlichen Informationen, und zudem erfolgt die Gewährung einer Ausnahme oft nur willkürlich (NLMBZ 30.11.2020).

Der obligatorische Nationaldienst dauert für Männer und Frauen offiziell 18 Monate (AA 25.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021) und besteht aus sechs Monaten militärischer Ausbildung und zwölf Monaten aktivem Militärdienst oder zwölf Monaten zivilem Nationaldienst. Für die militärische Ausbildung Untaugliche können zu 18 Monaten zivilem Nationaldienst herangezogen werden. Im Ausnahmezustand kann der Dienst jedenfalls auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Und in Eritrea herrscht seit 1998 der Ausnahmezustand (USDOS 30.3.2021).

Es kommt weiterhin zu Massenrazzien, im Zuge derer Jugendliche rekrutiert werden (HRW 13.1.2021). Das System des Nationaldiensts ist nach wie vor ohne Reform. Dienstleistende werden oft unmenschlichen und erniedrigenden Strafen ausgesetzt, es kommt auch zu Folter (HRW 13.1.2021; vgl. AI 7.4.2021). Es gibt Berichte über sexuelle Nötigung und Gewalt bis hin zu Vergewaltigung von Rekrutinnen. Eine Weigerung führt in manchen Fällen zu Internierung, Misshandlung und Folter z.B. Nahrungsentzug oder dem Aussetzen extremer Hitze. In manchen Fällen nimmt der Nationaldienst Sklaverei-ähnliche Zustände an (AA 25.1.2021). Nach anderen Angaben kommt der Nationaldienst in manchen Fällen der Zwangsarbeit gleich (USDOS 30.3.2021). Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen stuft den Nationaldienst als Zwangsarbeit ein (NLMBZ 30.11.2020). Nationaldienstleistende werden oft nicht nach 18 Monaten demobilisiert, manche werden auf unbestimmte Zeit im Dienst behalten – bei gleichzeitiger Androhung von Verhaftung, Folter oder der Bestrafung von Familienmitgliedern (USDOS 30.3.2021).

Es gibt keine Beschwerdemöglichkeiten – im Gegenteil, Beschwerden werden bestraft (HRW 13.1.2021). Ein Austritt aus dem Dienst ist ausgeschlossen, es gibt keine Beförderungen und auch kaum eine Möglichkeit, das Land legal zu verlassen (USDOS 30.3.2021). Ein Recht zur Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen und einen Ersatzdienst gibt es nicht; Wehrdienstverweigerung wird mit Aufenthalten in Umerziehungslager oder mit Gefängnis bestraft. Dies betrifft insbesondere Zeugen Jehovas (AA 25.1.2021).

Nur ungefähr ein Viertel der Nationaldienstleistenden stehen im militärischen Dienst – und selbst diese werden teils für Infrastrukturprojekte verwendet (NLMBZ 30.11.2020). Andere werden für Patrouillen und Grenzschutz eingesetzt. Im zivilen Bereich werden Dienstleistende auch für landwirtschaftliche Zwecke, beim Straßenbau, in Hotels, als Lehrer oder Bauarbeiter (USDOS 30.3.2021), beim Dammbau, in der staatlichen Verwaltung und Wirtschaft (AA 25.1.2021; vgl. HRW 13.1.2021). Auch manche Ärzte, Krankenschwestern oder Angestellte staatlicher Unternehmen stehen im Nationaldienst. Dienstleistende erhalten einen Sold, Unterkunft und Verpflegung (NLMBZ 30.11.2020). Die Bezahlung ist in der Regel aber zu schlecht, um damit die Versorgung ihrer Familien zu ermöglichen (AA 25.1.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Jugendliche, die versuchen, sich dem Wehrdienst zu entziehen, werden verhaftet; Minderjährige meist aber nach Hause geschickt. Volljährige und damit Wehr- und Nationaldienstpflichtige kommen in Haft, die auf Antrag aber häufig in offenem Vollzug abgeleistet werden kann. Zwischen 2003 und 2009 drohte auch Angehörigen von Geflüchteten eine Strafverfolgung. Aufgrund der hohen Zahl an Ausreisen ließ sich diese Praxis aber nicht mehr umsetzen und wurde eingestellt. Eine Dienstflucht wird üblicherweise nach drei Jahren nicht mehr geahndet, Ausnahmen davon sind aber möglich (AA 25.1.2021).

Ebenso kommt es vor, dass Wehrpflichtige nach Ableistung des 18-monatigen Wehrdienstes nicht nur aus dem Militär, sondern auch aus dem Nationaldienst entlassen werden. Als Grund nennt die Regierung gute schulische Leistungen. Maturanten mit guten Noten soll so der rasche Zugang zu weiterführenden Bildungseinrichtungen (Colleges) ermöglicht werden (AA 25.1.2021).

Seit Sommer 2003 müssen alle Sekundarschüler das 12. Schuljahr im zentralen Ausbildungslager in Sawa (National Training and Education Center) absolvieren (AA 25.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Dort erhalten sie auch eine dreimonatige paramilitärische Ausbildung (AA 25.1.2021) nach anderen Angaben müssen sie dort eine viermonatige militärische Ausbildung absolvieren (USDOS 30.3.2021). Nur in Sawa können Sekundarschüler das Abschlusszeugnis der Sekundarstufe erhalten. Die Besten werden danach zum Studium an einem der sechs Colleges zugelassen. Die Übrigen erhalten entweder eine Berufsschulausbildung oder sie werden für den Militärdienst oder für zivile Dienstleistungen herangezogen (AA 25.1.2021).

Jene, die nicht in der Armee dienen, werden im Rahmen einer Miliz ausgebildet und bewaffnet. Darunter finden sich Demobilisierte, ältere Personen und Personen, die aus anderen gründen vom Militärdienst ausgespart blieben. Die Nichtteilnahme an Aktivitäten der Miliz kann zu einer Verhaftung führen. Die Miliz übernimmt Aufgaben der inneren Sicherheit – etwa am Flughafen oder auch als Nachbarschaftswache (USDOS 30.3.2021). Seit Mai 2012 wurde jedenfalls der Großteil der erwachsenen Bevölkerung mit dem AK-47 Sturmgewehren bewaffnet (AA 25.1.2021).

Allgemeine Menschenrechtslage

Da Menschenrechtsorganisationen in Eritrea nicht tätig sein können und es dort auch keine freie Presse gibt, ist es sehr schwierig, Informationen hinsichtlich Menschenrechten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Jedenfalls kann es in Eritrea fallweise zu massiven Verletzungen der Menschenrechte kommen. Dies hat hunderttausende Menschen dazu bewegt, das Land zu verlassen (AA 25.1.2021). Eritrea bleibt jedenfalls eines der repressivsten Regime weltweit. Es kommt zu Massenrekrutierungen und Zwangsarbeit, zur Einschränkung von Meinungs- und Glaubensfreiheit (HRW 13.1.2021; vgl. AI 7.4.2021). Signifikante Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung umfassen außerdem unter anderem: willkürliche und extralegale Tötungen und Verschwindenlassen; Folter; willkürliche Inhaftierung; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; politische Häftlinge; sowie schwere Einschränkungen der Religionsfreiheit und der Bewegungsfreiheit (USDOS 30.3.2021). Außerdem werden Menschen willkürlich und unter Zwang auf unbestimmte Zeit rekrutiert (AA 25.1.2021).

Die Regierung hält eine unbekannte Anzahl an Menschen, darunter Politiker, Journalisten, Angehöriger registrierter und nicht registrierter Religionsgemeinschaften und Personen, von denen angenommen wird, dass sie ihren Nationaldienst nicht oder nicht vollständig abgeleistet haben, in Haft (USDOS 30.3.2021). Viele willkürlich Inhaftierte dürfen weder von ihren Familien noch von Rechtsvertretern besucht werden. Manche sind dort seit mehr als zehn Jahren – ohne Anklage; und manche werden an unbekanntem Ort in Haft gehalten (AI 7.4.2021). Schätzungsweise gibt es tausende derartige Häftlinge (USDOS 30.3.2021).

In der am 23.5.1997 von der Nationalversammlung angenommenen Verfassung, die bis heute nicht in Kraft getreten ist, sind in den Artikeln 14 bis 24 die Grundrechte niedergelegt. Diese werden von staatlichen Organen nicht respektiert (AA 25.1.2021). Da es an Rechtsstaatlichkeit, einer Verfassung und einer unabhängigen Justiz fehlt, gibt es auch keine Schutz der und keinen Respekt gegenüber den Menschenrechten (UNHRC 24.2.2021). Es gibt absolut keinen Schutz der Bürgerrechte, sie werden durch kein Gesetz garantiert. Das Land hat immer noch keine Verfassung. Hochrangige Regierungsvertreter, darunter der Präsident, äußern offen ihre Missachtung und Nichtanerkennung gegenüber international anerkannter Grundrechte und hinsichtlich eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Das Recht auf Leben und Sicherheit wird ignoriert und Folter ist in Gefängnissen und Haftanstalten des Militärs weit verbreitet. Der Mangel an Bürgerrechten betrifft die gesamte Bevölkerung (BS 2020).

Die Regierung unternimmt generell keine Schritte, um gegen Beamte, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, zu ermitteln, diese zu verfolgen oder zu bestrafen. Straffreiheit bei Missbrauch bleibt die Regel (USDOS 30.3.2021).

Im äthiopischen Bundesstaat Tigray eingesetzte eritreische Soldaten sind für willkürliche und extralegale Tötungen sowie für Verschwindenlassen verantwortlich. Außerdem wurden durch sie in Äthiopien als Flüchtlinge anerkannte Eritreer zwangsweise in ihr Heimatland repatriiert (USDOS 30.3.2021).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Es gibt keine Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in Eritrea (AA 25.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Das Gesetz sieht zwar beides vor, die Regierung schränkt dieses Recht jedoch ein (USDOS 30.3.2021). Alle Versammlungen von mehr als fünf Personen – in geschlossenen, öffentlichen Räumen aber auch unter freiem Himmel – müssen vorher genehmigt werden. Dies gilt in der Praxis allerdings nicht für Familienfeiern (AA 25.1.2021).

Zivilgesellschaftliche Organisationen sind verboten – mit Ausnahme der staatlich unterstützten (USDOS 30.3.2021).

Opposition

In Eritrea existiert nur die Regierungspartei PFDJ, andere politische Parteien sind verboten (AA 25.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Die staatlichen Entscheidungsträger wollen keine Demokratie (BS 2020). Neben oppositionellen Bewegungen in der Diaspora gibt es im Land ethnisch oder islamisch ausgerichtete und andere Oppositionsgruppen (AA 25.1.2021).

Regierungskritiker wurden entweder verhaftet, ins Exil gezwungen oder schweigen aufgrund des autoritären politischen Systems. Eine Ausnahme bildete in jüngerer Vergangenheit der ehemalige Finanzminister Berhane Abrehe, der ein gegenüber der Politik des Präsidenten kritische Buch veröffentlichte. Er wurde unmittelbar verhaftet und befindet sich seither ohne Anklage in Haft (BS 2020). Insgesamt hält die Regierung eine unbekannte Anzahl – es könnten Tausende sein – an Personen ohne Anklage in Haft, darunter auch Politiker (USDOS 30.3.2021). Generell befinden sich oppositionelle Kräfte – soweit sie nicht ins Ausland fliehen konnten – ohne Gerichtsverfahren oder Kontakt zur Außenwelt an unbekannten Orten in Haft (AA 25.1.2021; vgl. UNHRC 24.2.2021). Bei politischen Delikten, die von der Staatsführung als Verrat eingestuft werden, ist Freiheitsentzug von unbestimmter Dauer und ohne Kontakt zur Außenwelt möglich (AA 25.1.2021).

Es gibt keine Erkenntnisse dazu, inwieweit die Betätigung für eine Oppositionsbewegung oder -partei im Ausland bei einer Rückkehr nach Eritrea zu Verfolgungsmaßnahmen führen würde; und ob und wie die eritreischen Behörden auf unterschiedliche Arten einer Betätigung für eine Oppositionsorganisation bei einer Rückkehr nach Eritrea reagieren würden (AA 25.1.2021).

Zeitweise zwingen Behörden Staatsbürger dazu, Treffen zur politischen Indoktrination beizuwohnen – als Teil der verpflichtenden Teilnahme an der Miliz. Dies erfolgt unabhängig von einer Mitgliedschaft bei der PFDJ. Bei Nichtteilnahme werden Förderungen gekürzt, z.B. Essenskupons. Auch im Ausland soll es ähnliche, von den Botschaften organisierte Indoktrinationsveranstaltungen geben. Bei Nichtteilnahme werden Leistungen verweigert, z.B. in Zusammenhang mit Reisepässen (USDOS 30.3.2021).

Religionsfreiheit

Nach eritreischem Staatsverständnis ist der Säkularismus eine der wichtigsten Säulen des Staates. Die Regierung, deren Mitglieder überwiegend eritreisch-orthodoxe Christen sind, behauptet, dass sie sich gegenüber den Religionsgemeinschaften strikt neutral verhalte. Sie gibt - ohne Zahlen zu veröffentlichen - das Verhältnis zwischen Christen und (sunnitischen) Muslimen mit „etwa gleich“ an. Die Tigray sind zu 90% (v.a. orthodoxe) Christen; Afar, Nara, Rashaida und Beja sind Muslime; Tigre und Saho hauptsächlich Muslime; Bilen teils Christen, teils Muslime; Kunama zur Hälfte (v.a. katholische) Christen und zur Hälfte Muslime bzw. Anhänger von Naturreligionen (AA 25.1.2021).

Die Religionsfreiheit ist auf die vier offiziell anerkannten Religionen beschränkt. Dies sind die eritreisch-orthodoxe, die römisch-katholische, die evangelisch-lutherische Kirche und der sunnitische Islam (AA 25.1.2021; vgl. HRW 13.1.2021). Diese Religionen dürfen sich unter strikter Überwachung religiös betätigen (AA 25.1.2021). Allerdings sind auch Angehörige dieser Religionen mitunter Belästigung und Repression ausgesetzt (CSW 3.2021) und müssen mit staatlichem Vorgehen rechnen. So wurden etwa im März 2018 bei einer Beisetzung mehr als hundert Muslime verhaftet. Im Juni 2019 wurden fünf orthodoxe Mönche verhaftet, nachdem sie sich gegen staatliche Einmischung in kirchliche Angelegenheiten ausgesprochen hatten. Im September 2019 wurden mehrere katholische Einrichtungen geschlossen oder enteignet, nachdem ein kritischer Hirtenbrief veröffentlicht worden war (AA 25.1.2021).

Im Gegensatz zu den vier anerkannten Religionsgemeinschaften verlangt die Regierung von kleineren Religionsgemeinschaften, dass sie sich registrieren lassen. Als Begründung für die restriktive Politik gegenüber „neuen Religionen“ gibt die Regierung an, dass es sich bei ihnen um vom Ausland illegal finanzierte Gruppen handle, die das traditionelle nationale Gefüge zerstören wollen. Daher ist es diesen Religionsgemeinschaften nicht erlaubt, Gottesdienste zu feiern - auch nicht in privatem Rahmen - ohne dass die Teilnehmer mit Verhaftungen rechnen müssen (AA 25.1.2021).

Eritreer, die einer nicht-anerkannten Religion folgen, müssen also mit einer Verhaftung rechnen (HRW 13.1.2021). Die Zahl wegen ihres Glaubens inhaftierter Christen ist schwer festzustellen. Eine Quelle spricht von ca. 300 (CSW 3.2021), eine andere von insgesamt (alle Religionsgemeinschaften) ca. 3.000, wobei es sich hier demnach zumeist um Anhänger von evangelikalen, charismatischen oder Pfingstkirchen handelt. Um eine Freilassung zu erreichen, sollen Häftlinge dem Glauben abschwören oder versichern, diesen nicht mehr auszuüben (AA 25.1.2021). Oft werden Menschen auch gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören – u.a. unter Anwendung von Folter (HRW 13.1.2021).

Die Zeugen Jehovas geraten insbesondere mit den Behörden in Konflikt, da sie staatliche Pflichten – wie etwa den Wehrdienst – in Frage stellen. Sie erhalten keine Personalausweise oder Pässe und keine Ausreisevisa (AA 25.1.2021). Ihnen wurden de facto alle Staatsbürgerrechte aberkannt (CSW 3.2021). Mehr als 50 Zeugen Jehovas befinden sich in Haft (AA 25.1.2021), drei davon seit 1994 (HRW 13.1.2021). Nach anderen Angaben befinden sich 24 Zeugen in Haft (CSW 3.2021), weitere 24 sind demnach im Dezember 2020 entlassen worden (CSW 3.2021; vgl. UNHRC 24.2.2021). Drei davon waren 26 Jahre in Haft gehalten worden (UNHRC 24.2.2021).

Die Regierung hat auch noch andere Personen entlassen, die wegen ihres Glaubens inhaftiert waren. Im Zeitraum Juli-Dezember 2020 wurden 101 Muslime, die 2018 verhaftet worden waren, sowie 143 Christen, die zwischen zwei und 26 Jahren in Haft waren, entlassen (USDOS 30.3.2021). Auch im Jahr 2021 wurden mehr als 60 Christen aus der Haft entlassen (UNHRC 24.2.2021). Allerdings gibt es auch Berichte, wonach im Zeitraum April-Juni 2020 erneut 45 Christen verhaftet worden sind (USDOS 30.3.2021).

IDPs und Flüchtlinge

Eritrea arbeitet hinsichtlich Flüchtlingen nicht mit dem UNHCR zusammen, die Regierung definiert den Flüchtlingsstatus unterschiedlich zur Genfer Konvention (USDOS 30.3.2021). Es gibt nur ca. 200 Flüchtlinge, diese stammen aus Somalia, dem Sudan, Äthiopien und dem Südsudan (AA 25.1.2021). Generell gewährt die Regierung Äthiopiern, Südsudanesen oder Sudanesen kein Asyl sondern erachtet sie als Wirtschaftsflüchtlinge. Allerdings wird diesen Personen gestattet, im Land zu bleiben. Sie erhalten Aufenthaltsgenehmigungen, welche es ihnen ermöglichen, staatliche Dienste in Anspruch zu nehmen (USDOS 30.3.2021).

Grundversorgung und Wirtschaft

2019 befand sich Eritrea am Human Development Index auf Rang 189 von 182 Staaten. Das jährliche BIP/Kopf lag 2018 bei 571 US-Dollar. Die Versorgungslage ist für weite Teile der Bevölkerung schwierig. Die PFDJ bestimmt über Parteiunternehmen das gesamte wirtschaftliche Leben (AA 25.1.2021). Schätzungsweise 80% der Bevölkerung betreibt zudem Subsistenzlandwirtschaft und Kleinsthandel (USDOS 30.3.2021). Der Regierung ist es nicht gelungen, die wirtschaftliche Abwärtsspirale zu stoppen. Armut und Unterernährung sind weit verbreitet (BS 2020).

Prinzipiell haben alle sozialen Gruppen gleichen Zugang zu den begrenzten staatlichen Leistungen, einschließlich medizinischer Grundversorgung, Bildung und Lebensmittelcoupons für städtische Gebiete. Allerdings konzentrieren sich Schulen und vorhandene Gesundheitszentren in jenen Städten und Gemeinden, die von Tigray dominiert werden. Andere ethnische – insbesondere pastorale und agropastorale – Gruppen sind von vielen Leistungen ausgeschlossen. Essensgutscheine werden oft aus politischen Gründen zurückgehalten (BS 2020). Gleichzeitig waren die Nahrungsmittelpreise vor allem auch der Grundnahrungsmittel seit 2008 massiv angestiegen. Die Regierung bemüht sich, die Versorgung mit Nahrungsmitteln durch Rationierung und Bezugsscheine sicherzustellen (AA 25.1.2021). Allerdings ist sie nicht immer in der Lage, selbst nur Grundnahrungsmittel zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung zu stellen. Es mangelt an Strom, Speiseöl und Grundnahrungsmitteln (BS 2020). Nach anderen Angaben kam es nach der Öffnung der eritreisch-äthiopischen Grenze im September 2018 zu umfangreichen Einfuhren und deutlichen Preissenkungen bei Nahrungsmitteln, nach der Schließung der Grenze im April 2019 stiegen die Preise wieder. Grundsätzlich sind demnach alle Nahrungsmittel erhältlich; bis auf einige Grundnahrungsmittel, die mit Kupon bezogen werden, aber unerschwinglich (AA 25.1.2021). Dieser sogenannte „Kubon“ (Bezugskarte) können subventionierte Lebensmittel und Dienstleistungen bezogen werden. Er wird nicht an Auslandseritreer ausgestellt (AA 11.2.2021).

Genaue Informationen über die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung liegen nicht vor, es gibt aber Hinweise auf Nahrungsmittelengpässe. Unabhängige humanitäre Hilfe und Hilfsorganisationen werden durch die eritreische Regierung behindert. Internationale Organisationen haben nicht immer Zugang zu ländlichen Gebieten, da sie z.B. keine Reisegenehmigung erhalten. Über genaue Zahlen von Betroffenen und Ernährungsindikatoren kann daher nur gemutmaßt werden. In einer IOM-Umfrage gaben 77% der im Sudan befragten Eritreer ihr geringes Einkommen und die daraus resultierenden Schwierigkeiten, die Familie zu versorgen, als einen Grund für das Verlassen des Landes auf illegalen Wegen an. Damit erzielte die wirtschaftliche Situation eine höhere Zustimmungsrate unter den Fluchtursachen als der Nationaldienst (71%) (AA 25.1.2021).

Der Staat verfügt über kein soziales Netz, das Risiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter oder Behinderungen abdeckt. Eine Ausnahme bildet der Märtyrer-Treuhandfond, der Geld von der eritreischen Diaspora zugunsten von Angehörigen von gefallenen Freiheitskämpfern und Soldaten sammelt. Die Bereitstellung sozialer Sicherheit bleibt traditionellen Solidaritätsnetzen überlassen, die auf Clan- und Großfamilienstrukturen basieren. Diese traditionellen Netze wurden jedoch durch den seit Jahren bestehenden unbegrenzte Nationaldienst erheblich geschwächt. Die meisten männlichen und viele weibliche Eritreer im erwerbsfähigen Alter (18 bis 50 Jahre und darüber hinaus) wurden eingezogen. Dies hindert sie daran, ein ausreichendes Einkommen zu verdienen, um sich selbst und ihre Kernfamilien – ganz zu schweigen von der weiteren Familie – zu versorgen. Folglich fliehen viele Eritreer aus dem Land, um im Ausland ein Auskommen zu finden. Gleichzeitig müssen Eritreer in der Diaspora für ihre Angehörigen in Eritrea aufkommen, um das Fehlen eines staatlichen sozialen Sicherheitsnetzes zu kompensieren (BS 2020).

Medizinische Versorgung

Grundsätzlich verfügt Eritrea über ein funktionierendes Programm für die medizinische Basisversorgung. Das System leidet jedoch unter zunehmender institutioneller Schwäche, da in den letzten Jahren eine große und schnell wachsende Zahl von Ärzten und anderem medizinischem Fachpersonal aus dem Land geflohen ist (BTI 2020). Nach anderen Angaben ist die medizinische Grundversorgung nicht immer gewährleistet (AA 25.1.2021). Die medizinische Versorgung ist selbst in der Hauptstadt Asmara nur minimal. Privatärztliche Behandlungen sind nur sehr eingeschränkt verfügbar, im ganzen Land gibt es nur eine sehr geringe Zahl an Fachärzten (AA 18.5.2021). Dabei ist die Versorgung in den Städten – insbesondere in Asmara – immer noch besser als auf dem Land. In den staatlichen Einrichtungen ist die Versorgung weitgehend kostenlos (AA 25.1.2021).

Medikamente und Verpflegung sind von den Patienten bzw. ihren Familien zu beschaffen und zu bezahlen; dazu sind diese häufig nicht in der Lage. Wegen fehlender Devisenreserven ist die Verfügbarkeit von Medikamenten zudem sehr begrenzt (AA 25.1.2021) und nur in ganz beschränkter Auswahl erhältlich (AA 18.5.2021).

Rückkehr

Es gibt so gut wie kein empirisches Material zur Behandlung von zwangsweise nach Eritrea rückgeführten Personen. Einerseits wurde kaum jemand zurückgebracht, andererseits ist ein Monitoring nicht möglich (SFH 19.9.2020). Es gab in den letzten Jahren nur sehr wenige Abschiebungen von Eritreern aus der EU. Die USA schieben verurteilte Straftäter weiterhin nach Eritrea ab (AA 25.1.2021). Nach anderen Angaben schieben die USA Eritreer nur in Drittländer ab bzw. bleibt unklar, ob die USA überhaupt jemals eine Person nach Eritrea deportiert hat (SFH 19.9.2020). Eine Quelle erklärt, dass gemäß den wenigen Informationen über das Schicksal abgeschobener abgelehnter Asylwerber bekannten Informationen diese bei ihrer Rückkehr nicht mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen – wenn sie sich nicht nach eritreischem Strafrecht strafbar gemacht haben (darunter fällt aber etwa auch Fahnenflucht oder Entziehung von der Dienstpflicht) (AA 25.1.2021).

Gemäß einer Quelle zieht die bloße Stellung eines Asylantrags im Ausland keine Bestrafung nach sich. Demnach gibt es eine relativ große Gruppe von Eritreern, die zwischen Eritrea und anderen Ländern hin- und herpendeln. Allerdings gibt die gleiche Quelle zu bedenken, dass eine Verfolgung im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann, da es kein rechtsstaatliches Verfahren gibt und entsprechende Garantien nicht existieren. Außerdem muss eine Person, die im Ausland mit oppositionellen Aktivitäten in Erscheinung tritt, damit rechnen, dabei beobachtet zu werden. Oberhalb einer Erheblichkeitsschwelle muss der Betroffene im Falle einer Rückkehr mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen. Nach Angaben der gleichen Quelle liegen aber keine Erkenntnisse vor, dass die Betätigung für eine Oppositionsbewegung oder -partei im Ausland bei einer Rückkehr nach Eritrea zu Verfolgungsmaßnahmen führt. Ebenso liegen keine Erkenntnisse dazu vor, ob und wie die eritreischen Behörden auf unterschiedliche Arten einer Betätigung für eine Oppositionsorganisation (politisch oder unpolitisch, d.h., z.B. als Reinigungskraft oder als Kassierer bei Veranstaltungen; als einfaches Mitglied oder in herausgehobener Position) bei einer Rückkehr des oder der Betroffenen nach Eritrea reagieren würden (AA 25.1.2021).

Soweit einem Rückkehrer dagegen illegale Ausreise, das Umgehen des Nationaldienstes oder sogar Fahnenflucht vorgeworfen wird, muss davon ausgegangen werden, dass der Betroffene sich bei seiner Rückkehr nach Eritrea wegen dieser Delikte zu verantworten hat. Die Bestrafung kann von einer bloßen Belehrung bis zu einer Haftstrafe reichen. Festzustehen scheint, dass die Verhängung der Haft nicht in einem rechtsstaatlichen Verfahren erfolgt und die Betroffenen keinen Rechtsbeistand erhalten. Es liegen insbesondere keine Informationen darüber vor, wer welches Strafmaß anhand welcher Rechtsnormen oder anderer Kriterien verhängt. Sicher scheint nur zu sein, dass die Zahlung von Geld das Strafmaß und die Umstände der Strafvollstreckung für den Verurteilten günstig beeinflussen können. Im Regelfall kann man sich zudem nach dreijährigem Auslandsaufenthalt als Mitglied der Diaspora registrieren lassen und frühere Verfehlungen werden nicht verfolgt (siehe unten) (AA 25.1.2021).

Generell haben Staatsbürger das Recht zurückzukehren (USDOS 30.3.2021). Zur Beantragung konsularischer Leistungen ist unter Umständen das Unterschreiben einer „Immigration and Citizenship Services Request Form“ notwendig. Darin enthalten ist auch die sogenannte „Reueerklärung“, mit welcher illegal Ausgereiste ihre damit verbundene Schuld bekennen (AA 25.1.2021). Eine weitere Voraussetzung für derartige Leistungen ist der Nachweis über die Erbringung der sogenannten „Aufbausteuer“, einer zweiprozentigen Abgabe auf Einkommen, die von Angehörigen der Diaspora verlangt wird (AA 25.1.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Heimreisen von Asylberechtigten erfolgen meist mit eritreischen Reiseausweisen, für deren Ausstellung wiederum die „Reueerklärung“ und die „Aufbausteuer“ notwendig sind (AA 25.1.2021). Die Regierung setzt diese Regulierungen allerdings nur uneinheitlich um (USDOS 30.3.2021).

Jedenfalls haben Ausgereiste nach drei Jahren Auslandsaufenthalt die Möglichkeit, unbehelligt wieder nach Eritrea einzureisen und dort den sogenannten Diaspora-Status zu beantragen. Von allen Eritreern mit so einem Status wird die Entrichtung der zweiprozentigen Aufbausteuer verlangt (AA 25.1.2021).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:

Die Feststellungen zum Namen des BF ergeben sich aus den dahingehend übereinstimmenden und stringenten Angaben des BF im gesamten gegenständlichen Verfahren. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF (Namen und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich zur Identifizierung des BF im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Muttersprache, Volksgruppenzugehörigkeit und Familienstand des BF gründen sich auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es besteht kein Zweifel daran, dass der BF Staatsangehöriger Eritreas ist. In der mündlichen Verhandlung legte der BF glaubhaft dar, dass er bereits im Kleinkindalter seinen Heimatstaat mit seiner Mutter verlassen hat. Da die Mutter wegen familiärer Probleme Eritrea verlassen hat und der BF beinahe sein gesamtes Leben in Äthiopien verbracht hat, ist es nachvollziehbar, dass er nur sehr wenige Angaben zu seinen Verwandten bzw zu Eritrea machen kann (AS 1; AS 34, 36, 39, 41; OZ 18, S. 6, 7-9).

Die Angaben des BF zu seiner Geburt, seinem Aufwachsen (AS 1, 5; AS 36-37; OZ 18, S. 6-7) und seiner Schulausbildung, sowie seiner Berufstätigkeit in der Gastronomie und diversen Hilfsarbeiten resultieren auf seinen diesbezüglichen Aussagen vor dem Bundesamt, sowie in der mündlichen Verhandlung (AS 1; AS 37, 40; OZ 18, S. 9).

Die Feststellung, dass er in seinem Heimatstaat keine Familienangehörigen oder sonstigen Bekannten mehr hat, resultieren aus seinen jüngst im Rahmen der mündlichen Verhandlung und vor dem Bundesamt getätigten Angaben (AS 3; AS 38; OZ 18, S. 6, 8). Die Angaben zur wirtschaftlichen Lage des BF beruhen auf einer Zusammenschau seiner im Verfahren getätigten Aussagen, wonach er selbst meist nur Hilfstätigkeiten ausgeübt hat, zumeist aufgrund der Inhaftierung seiner Mutter auf eigene Beine gestellt war, bzw selbst mehrmals in Haft saß. Es kann davon ausgegangen werden, dass der BF stets an der Armutsgrenze lebte.

Das Datum der gegenständlichen Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt (AS 3).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen sich auf seinen diesbezüglich glaubhaften Aussagen in der mündlichen Verhandlung (OZ 18, S. 4), sowie der vorgelegten fachärztlichen Bestätigung vom 26.01.2021. Dieser Arzt behandelt den BF seit mittlerweile vier Jahren und besteht kein Zweifel an seiner Diagnose. Generell hat sich in der Verhandlung gezeigt, dass der BF eine stille und introvertierte Person ist. Er mag zwar kein großer Erzähler sein, bemühte sich jedoch stets die an ihn gerichteten Fragen zu beantworten. Aufgrund seiner bisher durchlebten Strapazen ist der BF nur sehr eingeschränkt belastbar, was sich nicht nur aus der fachärztlichen Bestätigung ergibt, sondern auch im persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung bestätigte (OZ 18, S. 8).

Die Feststellungen zum Leben des BF im Bundesgebiet, seinen bisherigen Integrationsbemühungen beruhen auf den im Laufe des Verfahrens vorgelegten integrationsbezeugenden Unterlagen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister. Die Angaben zum Leistungsbezug aus der Grundversorgung beruhen auf einem aktuellen Auszug aus dem GVS.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:

2.2.1. Im Falle der Rückkehr nach Eritrea droht dem BF weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Regierung.

In der Einvernahme vor dem Bundesamt schilderte der BF beinahe ausschließlich Probleme, die er in Äthiopien gehabt habe. Bezüglich Eritrea gab er an bei der Rückkehr in ein Militärcamp zu müssen und seine Religion nicht frei ausüben zu können (AS 46). Vor dem Bundesverwaltungsgericht führte er dazu genauer aus, dass es in Eritrea einen von der Dauer her unbeschränkten Militärdienst gebe und er aufgrund seiner Religion verfolgt werden würde (OZ 18, S. 10f).

Der BF hat Eritrea bereits vor Eintritt der Wehrpflicht bzw des Nationaldienstes verlassen und ist seitdem auch nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Da er aufgrund seiner Abwesenheit nie zum Ableistung des Nationaldienstes aufgefordert wurde, hat er diesen auch nicht verweigert. Der BF hat sich auch nicht oppositionell betätigt. Wenn der BF angibt, dass sowohl seine Mutter als auch er selbst, in Äthiopien aus politischen Motiven inhaftiert worden seien, so legt er nicht dar, welche Asylrelevanz dies betreffend seines Heimatstaats Eritrea hat. (AS 38, 41). Er konnte keine genaueren Angaben über den Grund der angeblichen Inhaftierung machen und erwähnte sie in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr. Eine tatsächliche oppositionelle Gesinnung geschweige denn politische Tätigkeit des BF kam im gesamten Verfahren nicht hervor und war diese daher nicht glaubhaft (OZ 18, S. 10). Auf Grund der individuellen Umstände des BF, wie insbesondere seine Ausreise im Kleinkindalter, besteht keine hinreichend konkrete Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung wegen Desertion, Wehrdienstentziehung, oder der illegalen Ausreise.

Selbst seine Befürchtungen aufgrund seiner Religionszugehörigkeit verfolgt zu werden sind weder glaubhaft, noch gehen diese aus dem LIB hervor. Grundsätzlich ist Eritrea ein stark säkularer Staat, dennoch gibt es sowohl zahlreiche Christen, als auch Muslime. Der BF schilderte bloß eine allgemeine und unspezifizierte Angst vor einer Verhaftung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit (OZ 18, S. 11). Besondere Umstände, die auf eine konkrete asylrelevante Verfolgung des BF schließen lassen kamen nicht glaubhaft hervor.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des BF in XXXX bzw anderen Teilen Eritreas ergeben sich aus den o.a. Länderberichten.

Die Feststellung zum Bestehen eines Abschiebehindernis beruhen im Wesentlichen auf den aktuellen Informationen zur wiederkehrenden Versorgungsproblematik in Eritrea. Erst 2019 war Eritrea auf dem viertletzten Rang des Human Development Index. Der Regierung ist es nicht gelungen, die wirtschaftliche Abwärtsspirale zu stoppen. Armut und Unterernährung sind weit verbreitet. Selbst durch die Verteilung von Essensgutscheinen und Rationierungen kann keine stabile Versorgung mit Grundnahrungsmitteln sichergestellt werden. Zudem ergibt sich aus den Berichten, dass Lebensmittel zum Teil unerschwinglich teuer geworden sind.

Unabhängige humanitäre Hilfe und Hilfsorganisationen erhalten keinen Zutritt nach Eritrea. Auch der Staat hat kein soziales Netzt, welches Risiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter oder Behinderungen abdeckt.

Der Umstand, dass der BF im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde, ergibt sich aus einer Zusammenschau der generellen Situation in XXXX und ganz Eritrea mit der persönlichen Situation des BF:

Dem BF ist eine Rückkehr nach XXXX oder allgemein Eritrea nicht zumutbar, die Versorgungslage ist instabil und die Lebensmittel – so vorhanden – unerschwinglich teuer. Die Hauptstadt Asmara, so auch XXXX sind über Flugverbindungen vom Bundesgebiet erreichbar.

Der BF verfügt über keine Familienangehörigen zu denen er zurückkehren kann. Seine Eltern sind bereits früh verstorben und er hatte nie Kontakt zu sonstigen Verwandten. (OZ 18, S. 7). Der BF wäre gänzlich auf sich allein gestellt.

Die finanzielle Lage des BF war stets schlecht. Er schaffte es mit diversen Gelegenheitsjobs seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Es ist nicht davon auszugehen, dass der BF, welcher nur sehr eingeschränkt belastbar ist, eine Arbeit finden wird, mit der er seine Grundbedürfnisse sichern kann. Selbst für die lokale Bevölkerung reicht das Einkommen oft nicht aus um sich selbst und ihre Familien zu versorgen.

Der BF ist in Eritrea nicht sozialisiert, da er bereits im Kleinkindalter ausreiste und in Äthiopien aufwuchs und dort zur Schule ging. Er hat in Eritrea keine Zukunft. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt hierbei nicht, dass der BF bereits verschiedene Hilfsarbeiten ausgeführt hat. Da der BF unter psychischen Belastungen leidet ist nicht davon auszugehen, dass er erneut diese Arbeiten ausführen kann. Aufgrund der schlechten Versorgungslage ist vielmehr davon auszugehen, dass der BF in eine existenzgefährdende Notlage geraten wird. Er läuft Gefahr grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und aufgrund der Versorgungskrise in eine ausweglose Situation zu geraten.

Eine Wiederansiedelung in Eritrea bzw XXXX scheitert daher an der mangelhaften Versorgunglage im ganzen Land. Der BF wäre ohne familiäre Unterstützung und aufgrund der langen Abwesenheit besonderes vulnerabel.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, (AsylG) lautet auszugsweise:

Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1.         dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2.         der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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