TE Vwgh Erkenntnis 2021/9/22 Ra 2020/15/0003

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Veröffentlicht am 22.09.2021
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Index

000
001 Verwaltungsrecht allgemein
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §30 Abs1
EStG 1988 §30a Abs1
EStG 1988 §30a Abs3
EStG 1988 §4 Abs1
EStG 1988 §6 Z2 litd
StabG 01te 2012
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des C K in S, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Christoph Urtz, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Scherzergasse 6/4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. August 2018, Zl. RV/6100764/2016, betreffend Einkommensteuer 2014, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber führte - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - einen Gastgewerbebetrieb (Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988) und hatte mit einer Versicherungsgesellschaft diesbezüglich diverse Versicherungsverträge abgeschlossen (Feuerversicherung ua, Gewerbeversicherung).

2        Im Mai 2014 ereignete sich ein Brand, der Teile des Gebäudes und des Inventars beschädigte. Laut sachverständiger Schadensbeschreibung kam es zu einer Teilschädigung der Dachkonstruktion, einer Totalschädigung des Hauptgeschosses, einer Durchnässung und Rauchgasbeaufschlagung des Untergeschosses sowie zum Löschwassereintritt im Bereich des Lagers im Kellergeschoss.

3        Nach dem Brand wurde der Gastgewerbebetrieb neben dem Brandgebäude in einem Provisorium mit einem Zelt und Containern weitergeführt. Bezüglich des Brandschadens einigte sich der Revisionswerber mit der Versicherung auf eine pauschale Entschädigung in Höhe von 400.000 € ohne Verpflichtung zum Wiederaufbau des Gebäudes. Die Zahlungen erfolgten am 1. Juni 2014 in Höhe von 50.000 € und am 5. Dezember 2014 in Höhe von 350.000 €.

4        Mit Kaufvertrag vom 20. Juli 2015 verkaufte der Revisionswerber die 784 m² große Liegenschaft mit dem darauf befindlichen Objekt samt Inventar.

5        Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2014 wurde die vom Revisionswerber anteilig dem Gebäude zugeordnete Versicherungsentschädigung in Höhe von 304.000 € um den entsprechenden Betrag des Buchwertes des Gebäudes vermindert und die Differenz in Höhe von 243.967,95 € mit dem besonderen Steuersatz von 25% versteuert. Als Begründung führte der Revisionswerber an, dass die Versicherungsvergütung für das Gebäude bereits 2014 einen Teil des Veräußerungserlöses darstelle.

6        Die im Jahr 2016 beim Revisionswerber für das Veranlagungsjahr 2014 durchgeführte Außenprüfung kam in der Folge jedoch zum Ergebnis, dass mit der Versicherungszahlung keine Vermögensübertragung einhergehe, weshalb keine Einkünfte aus der Veräußerung eines Grundstückes, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorlägen.

7        Unter Zugrundelegung dieses Ergebnisses der abgabenbehördlichen Prüfung erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2014.

8        Im angefochtenen Erkenntnis wies das BFG die daraufhin vom Revisionswerber erhobene Beschwerde - nach dem Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung und Erhebung eines Vorlageantrags - ab. Begründend führte es aus, Anwendungsvoraussetzung des § 30a EStG 1988 sei - abgesehen vom Tatbestand der Entnahme oder Zuschreibung - die Veräußerung von Grundstücken. Veräußerung sei jedes entgeltliche Rechtsgeschäft und bedinge wechselseitig eine Übertragung eines Grundstückes im Rahmen eines Veräußerungsgeschäftes und eine Anschaffung auf Seiten des Übernehmers des Grundstückes. Anschaffung und Veräußerung seien korrespondierende Begriffe; der Veräußerung beim Verkäufer entspreche die Anschaffung beim Erwerber. Die Vereinbarungen müssten auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gerichtet sein. Demgegenüber seien die Zerstörung oder der Untergang (totaler Wertverlust) eines Wirtschaftsgutes keine Veräußerung. Eine Entschädigung sei einer Veräußerung nicht gleichzustellen, ebenso wenig wie der Begriff Zerstörung etwas mit Veräußerung zu tun habe.

9        Mit Eingabe vom 11. August 2016 habe der Revisionswerber dem Finanzamt mitgeteilt, dass bis Ende des Veranlagungszeitraumes 2014 die Entscheidung noch nicht gefallen gewesen sei, ob er die Brandruine entsorgen und wieder eine Baulichkeit errichten und einrichten oder aber das Grundstück verkaufen werde. Tatsächlich sei der Gasthausbetrieb dann in einem durch die Stadtgemeinde bewilligten Bauprovisorium in Form eines Zeltes bis über die Sommersaison 2015 hinaus weitergeführt worden. Die befristete Baubewilligung für das Provisorium sei erstmals über ein Ansuchen des Revisionswerbers vom 28. Mai 2014 bescheidmäßig für den Zeitraum 17. November 2014 bis 31. März 2015 und in der Folge über ein weiteres Ansuchen vom 30. April 2015 für den Zeitraum 1. Mai 2015 bis 31. Oktober 2015 bewilligt worden. Die letzten Umsätze seien laut Registrierkassenabrechnung am 4. Oktober 2015 erwirtschaftet worden. Der gastronomische Betrieb sei danach im Zeitraum bis Dezember 2015 eingestellt worden. Mit Eingabe vom 21. Dezember 2015 habe der Revisionswerber dem Finanzamt schließlich die Aufgabe seines Gastgewerbebetriebes zum 31. Dezember 2015 mitgeteilt. Die Veräußerung der Liegenschaft mit dem darauf befindlichen Gasthaus sei mit Kaufvertrag vom 20. Juli 2015 um einen Pauschalkaufpreis von 175.020 € erfolgt.

10       Durch den Erhalt der Versicherungsentschädigung sei kein Eigentumsübergang erfolgt. Weder habe eine Übertragung von zivilrechtlichem noch von wirtschaftlichem Eigentum stattgefunden. Vielmehr seien nach dem Brandunglück die notwendigen Instandsetzungsarbeiten getätigt, die für die Sanierung des zerstörten Gasthauses erforderlichen Planungen in Ausarbeitung gegeben und die Genehmigungsverfahren bei der Gemeinde eingeleitet worden. Darüber hinaus seien nach dem Brand in einem eigens bewilligten Provisorium weiterhin Umsätze getätigt worden, und zwar sogar noch in der Sommersaison 2014, in der Wintersaison 2014/2015 und schließlich in der Sommersaison 2015 und darüber hinaus. Nach der Eingabe des Revisionswerbers vom 14. Februar 2018 sei dabei im Vergleich zu den Betriebsergebnissen der Vorjahre nicht einmal ein ins Gewicht fallender Betriebsunterbrechungsschaden eingetreten. Im Juli 2015 sei schließlich der Verkauf der Liegenschaft mit dem durch den Brand schwer geschädigten Gebäude erfolgt. Damit seien Grund und Boden samt Gebäude erst auf Grund des angeführten Kaufvertrages durch einen Veräußerungsvorgang im Jahr 2015 aus dem Betriebsvermögen des Revisionswerbers ausgeschieden.

11       Die Anwendung des besonderen Steuersatzes von 25% habe gemäß § 30a Abs. 3 EStG 1988 - taxativ aufgezählt - das Vorliegen betrieblicher Einkünfte aus der Veräußerung, der Zuschreibung oder der Entnahme von Grundstücken (Abs. 3) zur Voraussetzung. Die vom Revisionswerber vertretene Meinung, dass im Zusammenhang mit Betriebsgebäuden der besondere Steuersatz gemäß § 30a EStG 1988 generell bei jeder Form der Realisierung von stillen Reserven anzuwenden sei, finde im Gesetz keine Deckung. Auch gehe ein Verweis auf die Einkommensteuerrichtlinien (Rz 3862, 3863) ins Leere, weil diese Ausführungen nicht zu § 30a, sondern zu § 12 EStG 1988 ergangen seien, und nur die Gesetzesbestimmung des § 12 EStG 1988 - nicht aber die des § 30a EStG 1988 - auf „ein Ausscheiden infolge höherer Gewalt“ abstelle.

12       Im Gegensatz zur Ablösezahlung für die Aufgabe einer zunächst vereinbarten Duldung eines von der Verkäuferin zurückbehaltenen lebenslänglichen unentgeltlichen Wohnrechts an einer Wohneinheit (Hinweis auf BFG vom 18.8.2017, RV/5101768/2014) könne die gegenständliche Versicherungsleistung zudem nicht als Bestandteil des korrigierten Kaufpreises des Liegenschaftskäufers für die Übertragung des Vermögenswertes „Liegenschaft“ verstanden werden. Im Revisionsfall habe der Revisionswerber mit der Versicherungsgesellschaft einen Versicherungsvertrag geschlossen. Gemäß § 1 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz 1958 sei der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer den durch den Eintritt des Versicherungsfalles verursachten Vermögensschaden nach Maßgabe des Vertrages zu ersetzen. Ein Versicherungsvertrag bewirke somit im Gegensatz zu einem Kaufvertrag keinen Eigentumsübergang.

13       Dass das wirtschaftliche Eigentum schon früher an die Erwerberin übertragen worden wäre, sei durch die Aktenlage nicht gedeckt. Auch der bereits vor der Brandkatastrophe am 21. Februar 2014 erteilte Immobilienverkaufs-Vermittlungsauftrag lasse nur die Absicht des Revisionswerbers erkennen, das Objekt bei passender Gelegenheit zu veräußern. Tatsächlich seien konkrete Geschäftsanbahnungen zu keinem Zeitpunkt behauptet oder gar belegt. Vielmehr lasse die Aktenlage unbedenklich den Schluss zu, dass der Revisionswerber sogar nach Eintritt des Brandschadens alle Hebel in Bewegung gesetzt habe, um durch Beantragung der notwendigen Genehmigungsverfahren den Geschäftsbetrieb fortzuführen. Geplant sei nach eigenen Angaben auch eine Einschränkung der Gastronomie zugunsten einer Appartementvermietung gewesen, wofür Einreichpläne noch im August 2014 bei der Gemeinde abgegeben und lediglich wegen voraussichtlicher Kostenüberschreitung wieder zurückgezogen worden seien.

14       Das BFG habe im Übrigen vom Revisionswerber mehrfach erfolglos mittels Vorhalts Unterlagen angefordert, die Aufschluss über die konkrete betragsmäßige Zuordnung der Entschädigungszahlung durch die Versicherungsgesellschaft auf die Bereiche Gebäude, Inventar und Betriebsunterbrechung geben sollten. Dass diesem Begehren durch den Revisionswerber nicht Folge geleistet und tatsächlich nur eine schriftliche Bestätigung über die Auszahlung eines Gesamtbetrages von 400.000 € übermittelt worden sei, bleibe letztendlich ohne Entscheidungsrelevanz, weil die pauschale Abfindung aus der betrieblichen Feuerversicherung mit einem Gesamtbetrag von 400.000 € als Entschädigung für den eingetretenen Schaden sowohl am Gebäude und Inventar als auch für den eventuell eingetretenen Schaden infolge eingetretener Unterbrechung des Geschäftsbetriebes insgesamt zu betrieblichen Einnahmen im Jahr 2014 führe, die der Tarifbesteuerung unterlägen.

15       Der Revisionswerber habe im Jahr 2014 sohin keine betrieblichen Einkünfte aus der Veräußerung, Zuschreibung oder Entnahme von Grundstücken erzielt. Der besondere Steuersatz von 25% gemäß § 30a Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl I 112/2012 habe daher nicht zur Anwendung gelangen können.

16       Die Revision ließ das BFG nicht zu, weil es sich aus der Systematik der betrieblichen Einkünfte und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergebe, dass die Ersatzleistung der eigenen Sachversicherung stets steuererheblich sei, wenn das betreffende Vermögen dem jeweiligen Betrieb zuzuordnen sei. Die zwingende Voraussetzung des Vorliegens eines Veräußerungsvorganges, der Zuschreibung oder Entnahme von Grundstücken für die Anwendung des besonderen Steuersatzes des § 30a Abs. 1 EStG 1988 ergebe sich hingegen unmittelbar aus der Gesetzesbestimmung des § 30a Abs. 3 EStG 1988.

17       Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

18       Mit Beschluss vom 23. September 2019, E 3559/2018-16, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

19       Daraufhin erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision. Zu deren Zulässigkeit führte er insbesondere aus, dass es zur Frage, ob erhaltene Versicherungsentschädigungen (Versicherungsleistungen) für Grundstücke dem besonderen Steuersatz oder dem progressiven Einkommensteuertarif unterlägen, weder für die im Streitjahr anwendbare Rechtslage (insbesondere § 30a Abs. 1 und Abs. 3 EStG 1988 idF l. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, sowie AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012), die einen besonderen Steuersatz von 25% vorgesehen habe, noch für die aktuelle Rechtslage, die einen besonderen Steuersatz von 30% vorsehe, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs gebe. Auch zur Auslegung des Entnahmebegriffes in § 30a Abs. 3 EStG 1988 fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

20       In der Revision wird außerdem geltend gemacht, dass die erhaltene Versicherungsleistung gar nicht steuerpflichtig sei. Auch dazu liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor, weil die vorhandene Rechtsprechung zur Steuerpflicht von Versicherungsleistungen, auf die sich das BFG stütze, noch vor der im Streitjahr bestehenden Rechtslage ergangen sei und daher noch gar nicht die neu geschaffene Systematik des EStG 1988 habe berücksichtigen können, die sich durch Einführung des besonderen Steuersatzes (für die Veräußerung von Grundstücken, aber auch für Kapitalvermögen) ergeben habe.

21       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

22       Die Revision ist zulässig und begründet.

23       Gemäß § 30 Abs. 1 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 112/2012) sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören.

24       § 30a Abs. 1 EStG 1988 sieht für Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen einen besonderen Steuersatz vor, wobei nach Abs. 2 leg. cit. auf Antrag der allgemeine Steuertarif angewendet werden kann (Regelbesteuerungsoption).

25       Gemäß § 30a Abs. 3 erster Satz EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 112/2012) gelten § 30a Abs. 1 und 2 EStG 1988 „auch für betriebliche Einkünfte aus der Veräußerung, der Zuschreibung oder der Entnahme von Grundstücken“.

26       Zwar weist das BFG zu Recht darauf hin, dass nach dem Wortlaut des § 30a EStG 1988 die Anwendung des besonderen Steuersatzes von 25% auf die revisionsgegenständlichen betrieblichen Einkünfte das Vorliegen solcher Einkünfte „aus der Veräußerung, der Zuschreibung oder der Entnahme von Grundstücken“ zur Voraussetzung habe.

27       Allerdings ist diese Wortfolge vor der Teleologie der Neuordnung der einkommensteuerlichen Behandlung der Immobilienveräußerung zu interpretieren.

28       Diese Neuordnung (Ausdehnung der Steuerpflicht auf sämtliche Vorgänge, Selbstberechnung einer Immobilienertragsteuer durch Parteienvertreter; Steuersatz von 25%) erfolgte mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1680 BlgNR 24. GP 10) wurde dabei zum besonderen Steuersatz für Grundstücksveräußerungen Folgendes ausgeführt:

„In § 30a soll ein besonderer Steuersatz für Grundstücksveräußerungen im Sinne des § 30 verankert werden. Dieser besondere Steuersatz beträgt ebenso wie bei Kapitalerträgen und Substanzgewinnen aus Kapitalanlagen 25%. Damit soll einerseits eine Gleichbehandlung beider Kapitalveranlagungsformen hergestellt und andererseits die schlagartige Aufdeckung hoher stiller Reserven abgefedert werden. Außerdem wird durch einen niedrigeren Tarif auch die Inflationswirkung pauschal abgedeckt.“

29       Der neu eingeführte besondere Steuersatz sollte demnach - bei gleichzeitiger Ausdehnung der Steuerpflicht auf alle Immobilienveräußerungen und Schließen der diesbezüglichen Besteuerungslücken - eine Gleichbehandlung von Grundstücksveräußerungen mit Kapitalerträgen bzw. Substanzgewinnen aus Kapitalanlagen herstellen und „die schlagartige Aufdeckung hoher stiller Reserven“ abfedern.

30       Die ErlRV zum 1. StabG 2012 betreffend die Einführung der neuen Grundstücksbesteuerung (1680 BlgNR 24. GP 12) führen weiters ua aus: „Bei Betriebsgebäuden wirkt sich - unabhängig von der Gewinnermittlungsart - die Änderung der Besteuerung von Grundstücksveräußerungen nicht auf die schon bisher bestehende uneingeschränkte Steuerhängigkeit aus. Allerdings erfolgt die Versteuerung der realisierten stillen Reserven, wie auch beim Grund und Boden, nunmehr beim Anlagevermögen grundsätzlich zum besonderen Steuersatz von 25%.“ Auch der Erhalt der Versicherungsentschädigung für die durch den Schadensfall eingetretene Entwertung des Grundstücks bewirkt die Realisierung der stillen Reserven. Aus den ErlRV 1680 BlgNR 24. GP 10 ergibt sich zudem, dass der besondere Steuersatz des § 30a Abs. 1 EStG die schlagartige Aufdeckung und Besteuerung hoher stiller Reserven aus Immobilien abfedern soll. Die der Grundstücksentwertung zuzurechnende (im Revisionsfall betragsmäßig noch festzustellende) Entschädigung muss daher im Analogieweg als Vorgang iSd § 30a Abs. 3 erster Satz EStG 1988 gewertet werden.

31       In diesem Zusammenhang ist auch auf die Regelung des § 6 Z 2 lit. d EStG 1988 zu verweisen, wonach bei betrieblichen Grundstücken iSd § 30 Abs. 1, auf deren Wertsteigerungen der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs. 1 anwendbar ist, Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert - nach der vorrangigen Verrechnung mit positiven Einkünften aus der Veräußerung oder Zuschreibung solcher Grundstücke desselben Betriebes - nur zur Hälfte (nunmehr zu 60%) ausgeglichen werden können. Dass die Teilwertabschreibung von Grundstücken des Betriebsvermögens nur zu einem Anteil (von 50% bzw. 60%) mit anderen Einkunftsteilen ausgleichbar ist, findet seine Begründung darin, dass Gewinne aus den Grundstücken bloß mit dem Steuersatz des § 30a Abs. 1 EStG von 25% bzw. 30% besteuert werden. Es entspricht daher der Systematik des Gesetzes, auf die Entschädigungszahlung ebenfalls den Steuersatz des § 30a Abs. 1 EStG anzuwenden.

32       Nicht im Recht ist die Revision allerdings mit der Ansicht, die erhaltene Versicherungsleistung für die Schäden am Betriebsvermögen unterliege gar nicht der Einkommensteuer. Werden aufgrund einer Sachversicherung für Gegenstände des Betriebsvermögens Versicherungsentschädigungen zur Abgeltung von an diesen Gegenständen eingetretenen Schäden gewährt, führt dies nämlich - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 24.4.2014, 2011/15/0197, Slg 8909/F; 19.3.2002, 96/14/0087, Slg 7693/F) - zu Betriebseinnahmen.

33       Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

34       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. September 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden VwRallg3/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020150003.L00

Im RIS seit

22.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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