TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/13 W129 2243538-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.07.2021
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Entscheidungsdatum

13.07.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W129 2243538-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 14.05.2021, Zahl: XXXX , betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin (in Folge: BF), eine syrische Staatsangehörige, stellte am 01.02.2021 einen Antrag auf internationale Schutz. Bei ihrer Erstbefragung am folgenden Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab sie zusammengefasst an, wegen des Krieges in den Libanon gegangen zu sein, sie befürchte von bewaffneten Truppen entführt oder vergewaltigt zu werden.

2.       Am 07.05.2021 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt), bei der diese ihre Angaben aufrecht erhielt und angab, keine weiteren Fluchtgründe zu haben.

3.       Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkte II. und III.).

4.       Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob die BF am 14.06.2021 Beschwerde und brachte vor, sie habe Syrien aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen, da sie politisch bzw. oppositionell tätig gewesen sei. Die Beschwerde wurde, samt bezugshabenden Verwaltungsakt, dem Bundesverwaltungsgericht (in Folge: BVwG) am 18.06.2021 vorgelegt.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person der BF:

Die BF führt den im Spruch genannten Namen und ist an dem oben genannten Datum geboren. Ihre Identität steht fest. Sie ist syrische Staatsangehörige, und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache der BF ist Arabisch.

Die BF ist in Damaskus geboren und lebte dort bis zu ihrer Ausreise. Sie besuchte 12 Jahre die Grundschule und schloss mit Matura ab danach studierte sie vier Jahre lang Kunst und Architektur. Die BF arbeitete als Innenarchitektin.

Die BF ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern der BF leben nach wie vor in der Heimatstadt der BF, zwei Schwestern und ein Bruder der BF leben in Österreich, daneben hat sie eine Schwester in der Türkei und eine in Kanada.

Die BF reiste 2013 legal aus Syrien in den Libanon und im selben Jahr ebenfalls legal in die Türkei. Am 01.02.2021 stellte die BF den Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 14.05.2021 wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz durch die BF in Österreich ist dem syrischen Regime bzw. den syrischen Behörden nicht bekannt geworden.

1.2.    Zu den Fluchtgründen der BF:

Die BF gab an, Syrien wegen des herrschenden Krieges verlassen zu haben, konkreten persönlichen Verfolgungshandlungen sei sie nie ausgesetzt gewesen, dieses Vorbringen ist glaubhaft.

Das Herkunftsgebiet der BF ist in der Hand des Regimes bzw. der syrischen Armee, der BF droht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch das Regime, die syrische Armee oder andere Organe des Regimes.

Das in der Beschwerde erstattete Vorbringen, sie sei aus Furcht vor Verfolgung durch das Assad Regime geflüchtet, da sie politisch bzw. oppositionell tätig gewesen sei, konnte sie nicht glaubhaft machen.

Auch darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der BF einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Syrien ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle ihrer Rückkehr, zu befürchten hätte.

1.3.    Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsland

Auszüge aus der Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien:
Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien

Letzte Änderung: 11.02.2021

Mit großer militärischer Unterstützung der russischen Luftwaffe und iranischer Bodentruppen hat das Assad-Regime mittlerweile etwa zwei Drittel des Landes wieder unter seine Kontrolle gebracht (KAS 8.2020).

Der Westen des Landes, insbesondere Tartous und Lattakia, war im Verlauf des Konflikts vergleichsweise weniger von aktiven Kampfhandlungen betroffen (AA 19.5.2020; vgl. ÖB 29.9.2020). In den größeren Städten und deren Einzugsgebieten wie Damaskus, Homs und Hama stellt sich die Sicherheitslage im September 2020 als relativ stabil dar. Im Osten der Provinz Homs ist der sogenannte Islamische Staat (IS) aktiv. Es kommt immer wieder zu Anschlägen und Überfällen auf Einheiten/Konvois der syrischen Armee (ÖB 29.9.2020). Aktuell kommt es in westlichen Landesteilen nur sehr vereinzelt zu militärischen Auseinandersetzungen, vorwiegend im Grenzgebiet zwischen Lattakia und Idlib (AA 4.12.2020).

Die Regierung besitzt nicht die nötigen Kapazitäten, um alle von ihr gehaltenen Gebiete auch tatsächlich zu kontrollieren. Daher greift die Regierung auf unterschiedliche Milizen zurück, um manche Gegenden und Checkpoints in Aleppo, Lattakia, Tartous, Hama, Homs und Deir ez-Zour zu kontrollieren. Es gibt auch Berichte, wonach es in einigen Gebieten zu Zusammenstößen sowohl zwischen den unterschiedlichen Pro-Regierungs-Milizen als auch zwischen diesen und Regierungstruppen gekommen ist (DIS/DRC 2.2019). Auch in Landesteilen, in denen Kampfhandlungen mittlerweile abgenommen haben, wie im Westen Syriens und in Damaskus, besteht laut deutschem Auswärtigen Amt weiterhin ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden (AA 4.12.2020). Dies betrifft u.a. Verschwindenlassen, Entführungen und willkürliche Verhaftungen durch Sicherheitsdienste oder Milizen (AA 19.5.2020; vgl. UNHRC 14.8.2020).

In den ersten Monaten des Jahres 2018 erlebte Ost-Ghouta, nahe der Hauptstadt Damaskus, die heftigste Angriffswelle der Regierung seit Beginn des Bürgerkrieges (DP 1.4.2018). Mitte April 2018 wurde die Militäroffensive der syrischen Armee auf die Rebellenenklave von Seiten der russischen Behörden und der syrischen Streitkräfte für beendet erklärt (DS 15.4.2018; vgl. SD 12.4.2018). Ende Mai 2018 zogen sich die letzten Rebellen aus dem Großraum Damaskus zurück, wodurch die Hauptstadt und ihre Umgebung erstmals wieder in ihrer Gesamtheit unter der Kontrolle der Regierung standen (Spiegel 21.5.2018; vgl. ISW 1.6.2018). Seitdem hat sich die Sicherheitslage in Damaskus und Damaskus-Umland (Rif Dimashq) deutlich verbessert (DIS/DRC 2.2019). Anfang des Jahres 2020 kam es in Damaskus und Damaskus-Umland zu wiederholten Anschlägen, bei denen bestimmte Personen (Zivilisten oder Militärpersonal) mittels Autobomben ins Visier genommen wurden (TSO 10.3.2020).

Israel führt immer wieder Luftangriffe auf Militärstützpunkte, die (auch) von den iranischen Revolutionsgarden und verbündeten Milizen genützt werden, durch. Diese wurden 2020 zunehmend auf Ziele in ganz Syrien ausgeweitet (ÖB 29.9.2020). Im August 2020 griffen israelische Flugzeuge wieder militärische Ziele im Süden Syriens an, als Vergeltung für einen Angriff auf die israelisch besetzten syrischen Golanhöhen (BBC 4.8.2020; vgl. FAZ 4.8.2020). Auch Anfang September wurde über Angriffe der israelischen Luftwaffe auf Posten der Armee sowie pro-iranischer Milizen in Damaskus und im Süden des Landes berichtet (DS 1.9.2020). Das israelische Militär führt weiterhin Luftschläge auf iranische Stellungen und Stellungen iranischer Milizen in Syrien durch (AA 4.12.2020; vgl. UNHCR 14.8.2020).
Relevante Bevölkerungsgruppe - Frauen
Allgemeine Informationen

Letzte Änderung: 04.12.2020

Frauen in Syrien haben eine relativ lange Historie der Emanzipation. Vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der Arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte (STDOK 8.2017). Dennoch werden Frauen – teilweise aufgrund der Interpretationen der religiösen Gesetze – von verschiedenen Teilen des Familien- und Strafrechts und der Gesetze zu Personenstand, Arbeit, Erbschaft, Pensionierung, sozialer Sicherheit und Staatsbürgerschaft diskriminiert (USDOS 11.3.2020). Syrische Frauen übernehmen zunehmend Aufgaben, die über ihre traditionellen Rollen hinausgehen, während die vorherrschenden Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern und die damit einhergehenden geschlechtsspezifischen Benachteiligungen ihre grundlegenden Menschenrechte weiterhin untergraben (UNHRC 15.8.2019).

Das syrische Familienbild und die Rolle der Frau sind tief in sozialen, religiösen und lokalen patriarchalischen Traditionen verwurzelt (ÖB 29.9.2020). Durch den anhaltenden Konflikt und die damit einhergehende Instabilität sowie sich verschlechternde wirtschaftliche Situation hat sich die Situation der Frauen zunehmend erschwert (ÖB 29.9.2020; vgl. SNHR 25.11.2019).

Da Frauen immer wieder Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden, zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben (STDOK 8.2017; vgl. UNFPA 10.3.2019). Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt (STDOK 8.2017). Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit aus Angst vor sexueller Gewalt kann auch selbstauferlegt sein (UNFPA 10.3.2019). Vor dem Konflikt nahmen 13% der Frauen am Arbeitsmarkt teil, verglichen mit 73% der Männer. Aufgrund von Unsicherheit und Gewalt können weiterhin Millionen nicht am Arbeitsmarkt teilnehmen. Zuletzt ist in einigen Gebieten, wie in Damaskus, Raqqa und Dara‘a, die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt wieder gestiegen, da viele Männer ihre Familien derzeit nicht unterstützen können (USDOS 11.3.2020).

Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Sie reichen von sexueller Versklavung und erdrückenden Kleidungsvorschriften in Gebieten unter Kontrolle von Extremisten, bis hin zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter Kontrolle der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind (FH 1.2018; vgl. EASO 2.2020).

Extremistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) oder Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z.B. strikte Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt (USDOS 11.3.2020, MRG 5.2018b). Generell wird die Lage junger unverheirateter Frauen in Syrien allgemein, im Speziellen jedoch in den von radikal-islamistischen Gruppierungen kontrollierten Gebieten, als prekär bezeichnet (STDOK 8.2017).
Alleinstehende Frauen

Letzte Änderung: 18.12.2020

Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt oder Schikane ausgesetzt, jedoch hängt dies von der sozialen Schicht und der Position der Frau bzw. ihrer Familie ab. Man kann die gesellschaftliche Akzeptanz von alleinstehenden Frauen aber in keinem Fall mit europäischen Standards vergleichen, und Frauen sind potentiell Belästigungen ausgesetzt (STDOK 8.2017). Vor dem Hintergrund der Geschlechterungleichheit versetzen Armut, Vertreibung, die Tatsache ein weiblicher Haushaltsvorstand oder jung und außerhalb der elterlichen Aufsicht zu sein, Frauen und Mädchen in eine „Position reduzierter Macht“ und erhöhen damit das Risiko von sexueller Ausbeutung. Unverheiratete Mädchen, Witwen und geschiedene Frauen sind diesbezüglich besonders vulnerabel (UNFPA 10.3.2019).

In Syrien ist es fast undenkbar als Frau alleine zu leben, da eine Frau ohne Familie keine gesellschaftlichen und sozialen Schutzmechanismen besitzt. Beispielsweise würde nach einer Scheidung eine Frau in den meisten Fällen wieder zurück zu ihrer Familie ziehen. Vor dem Konflikt war es für Frauen unter bestimmten Umständen möglich alleine zu leben, z.B. für berufstätige Frauen in urbanen Gebieten (STDOK 8.2017).

Der Zugang von alleinstehenden Frauen zu Dokumenten hängt von deren Bildungsgrad, individueller Situation und bisherigen Erfahrungen ab. Beispielsweise werden ältere Frauen, die immer zu Hause waren, mangels vorhandener Begleitperson und behördlicher Erfahrung nur schwer Zugang zu Dokumenten bekommen können (STDOK 8.2017). Die Wahrnehmung von alleinstehenden Frauen durch die Gesellschaft unterscheidet sich von Gebiet zu Gebiet. Damaskus-Stadt ist weniger konservativ als andere Gebiete und es wird von Frauen berichtet, die dort in der Vergangenheit alleine lebten. In konservativen Gegenden bekommen allein lebende Frauen jedoch „einen gewissen Ruf“ (SD 30.7.2018).

Der Wegfall des Ernährers im Zuge des Konflikts stellt viele Frauen vor das Problem ihre Familien versorgen zu müssen. So stieg die Anzahl der Haushalte mit weiblichen Vorständen im Zuge des Konflikts (WB 6.2.2019).
Ein- und Ausreise, Situation an Grenzübergängen

Letzte Änderung: 09.12.2020

Die syrische Regierung kann die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert, verweigern. Das syrische Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum und schließt regelmäßig den Flughafen Damaskus und Grenzübergänge, angeblich aus Sicherheitsgründen (USDOS 11.3.2020). Grenzen sind zum Teil für den Personenverkehr geschlossen bzw. können ohne Vorankündigung kurzfristig geschlossen werden und eine Ausreise aus Syrien unmöglich machen (AA 19.8.2020). Die Regierung verbietet durchgängig die Ausreise von Mitgliedern der Opposition. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Berichten zufolge verhängte das Regime Reiseverbote ohne Erklärung oder explizite Nennung der Dauer (USDOS 11.3.2020).

Minderjährige Kinder können nicht ohne schriftliche Genehmigung ihres Vaters ins Ausland reisen, selbst wenn sie sich in Begleitung ihrer Mutter befinden (STDOK 8.2017). Außerdem gibt es ein Gesetz, das bestimmten männlichen Verwandten erlaubt, Frauen das Reisen zu verbieten (USDOS 11.3.2020).

Einige in Syrien aufhältige Palästinenser brauchen für eine legale Ausreise aus Syrien eine Genehmigung und müssen sich zusätzlich einer weiteren Sicherheitskontrolle unterziehen, dies hängt jedoch von ihrem rechtlichen Status in Syrien ab (STDOK 8.2017).

Infolge der COVID-19-Pandemie wurden sowohl der Flughafen Damaskus als auch die Grenzen zu den Nachbarländern geschlossen. Innerhalb des Landes wurden mehrere Maßnahmen zur Begrenzung der Ausbreitung umgesetzt, darunter Ausgangssperren. Reisen zwischen den Provinzen wurde weitestgehend untersagt (AA 19.5.2020). Es gab jedoch bereits wieder Lockerungen für Reisen in das Ausland als auch bei der Einreise nach Syrien. Der Flugbetrieb am internationalen Flughafen in Damaskus wurde wieder aufgenommen (BMEIA 19.8.2020). Es kommt jedoch zu verstärkten Einreisekontrollen, Gesundheitsprüfungen und Einreisesperren (AA 19.8.2020). Die Reisebeschränkungen zwischen Städten und Umland wurden wieder aufgehoben (FES 7.2020).

2.       Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, den Gerichtsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, und das Grundversorgungs-Informationssystem.

2.1.    Zur Person der BF:

Die Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum) der BF ergeben sich aus dem vorgelegten syrischen Reisepass Nr. XXXX , ausgestellt am 13.03.2012.

Die Feststellungen zur Staats-, und Religionszugehörigkeit, sowie zur Muttersprache der BF gründen auf den diesbezüglich glaubhaften und stets gleichbleibenden Angaben der BF. Auch ihren Lebenslauf (Aufenthaltsorte, Schuldbildung und Berufserfahrungen) und den Verbleib ihrer Angehörigen konnte die BF im Verfahren glaubwürdig und widerspruchsfrei schildern, und sieht das Gericht keinen Anlass die Angaben der BF hierzu in Zweifel zu ziehen.

Der Zeitpunkt der Antragstellung und dass der BF der Status der subsidiär Schutzberechtigten zukommt, ergibt sich aus der Aktenlage. Die Antragstellung ist den syrischen Behörden nicht bekannt geworden, da es den österreichischen Behörden untersagt ist, solche Informationen mit ausländischen Behörden zu teilen und kein Anzeichen für einen Bruch dieser Norm zu sehen ist. Auch die BF hat nicht vorgebracht, dass sie dieses Faktum den syrischen Behörden mitgeteilt hat.

2.2.    Zu den Fluchtgründen der BF:

Die BF gab glaubhaft sowohl bei ihrer Erstbefragung als auch bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt an, Syrien wegen des herrschenden Krieges verlassen zu haben. Dies ist auch mit der Situation in Syrien in Einklang zu bringen.

Darüber hinaus schilderte die BF die Befürchtung entführt oder vergewaltigt zu werden. Die von der BF in den Raum gestellte Gefahr wurde von ihr nicht konkretisiert, sondern allgemein zu Protokoll gegeben. Nähere Ausführungen hierzu tätigte sie nicht. Es war daher davon auszugehen, dass die BF hier eine abstrakte Angst zum Ausdruck brachte. Eine konkrete, individuell drohende Gefahr konnte nicht festgestellt werden.

Zwar verkennt das Gericht nicht, dass es in Syrien zu geschlechterspezifischer Diskriminierung und Gewalt kommt und alleinstehende Frauen eine vulnerable Gruppe darstellen, jedoch ergibt sich aus den Länderberichten, dass die Situation für Frauen in städtischen Gebieten unter Regierungskontrolle sich besser darstellt als die allgemeine Situation von Frauen in Syrien. Auch verfügt die BF über einen überdurchschnittlichen Bildungsstandard und leben ihre Eltern noch in ihrem Heimatort. Von einer entsprechenden Bedrohung kann daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden.

Erstmals brachte die BF in ihrer Beschwerde – in erheblicher Steigerung ihres bisherigen Vorbringens – vor, dass sie in Syrien politisch bzw. oppositionell tätig gewesen sei (etwa durch Weiterleitung von Fotos und Videos von Demonstrationen an arabischsprachige Medien oder grafische Gestaltung von zwei politischen Facebook-Kanälen) und sie eine Reflexverfolgung fürchte, weil ihr Vater und ihr Bruder entführt und wieder freigelassen worden seien. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme habe sie der Dolmetscher scharf angewiesen nicht im Detail zu antworten, aufgrund dieser einschüchternden Situation habe sie ihre Fluchtgründe nur oberflächlich erzählt.

Die BF reiste 2013 legal mit einem 2012 ausgestellten Reisepass aus; dass es hierbei zu Problemen gekommen sei, brachte sie nicht vor. Oppositionell wahrgenommenen Personen wird jedoch die legale Ausreise regelmäßig nur auf erschwerte Weise oder gar nicht möglich sein. Dass sich die BF einen Reisepass ausstellen lassen konnte, spricht dafür, dass diese nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt wurde. Auch das von der BF angeführte Youtube-Video einer Demonstration, in welchem sie laut eigenen Angaben die einleitenden Worte spricht, vermag eine bestehende Verfolgung nicht glaubhaft zu machen. Das Video ist mit 23.04.2011 datiert, die Ausstellung ihres Reisepasses und in weiterer Folge die legale Ausreise wäre der BF nicht möglich gewesen, wenn ihr aufgrund des Videos eine oppositionelle Gesinnung unterstellt worden wäre.

Auch erschließt es sich dem Gericht nicht, dass die BF ihre politische Tätigkeit oder die Entführungen naher Angehöriger zu keinem Zeitpunkt im Verfahren vor dem Bundesamt vorbrachte. Die erst in der Beschwerde dargelegten Fluchtgründe wurden vor dem Bundesamt gerade nicht „oberflächlich erzählt“, vielmehr blieben diese bis dahin völlig unerwähnt. Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, dass die BF nicht zur Einstellung gegenüber dem Assad-Regime oder zu möglichen oppositionellen Tätigkeiten von ihr oder ihrer Familie befragt worden sei, so ist dem entgegenzuhalten, dass die BF die Fragen, ob es eine politische oder religiöse Betätigung gegeben habe, sowohl in Bezug auf sich selbst als auch auf Familienangehörige ausdrücklich verneinte. Auch ist davon auszugehen, dass es der BF, die durchaus über einen hohen akademischen Bildungsstandard verfügt, bewusst sein musste, dass es sich bei den in der Beschwerde behaupteten Umständen um für den Antrag auf internationalen Schutz wesentliche Aspekte handelte. Es entspricht daher nicht der Lebensrealität, dass die BF diese nicht einmal ansatzweise in den Befragungen anschnitt.

Dieses verspätete und erheblich gesteigerte Vorbringen kann vor dem Hintergrund, dass die BF bei ihren vorhergehenden Einvernahmen ausreichend Gelegenheit dazu hatte, diese Ereignisse darzulegen, lediglich dahingehend gewertet werden, dass sie versuchte ihrem bisherigen Vorbringen einen zusätzlichen, besonders asylrelevanten Aspekt hinzuzufügen. Kein/e Asylwerber/in würde wohl eine sich ihm/ihr bietende Gelegenheit, ein zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).

2.3.    Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsland:

Die zur Situation in Syrien getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Version 2), zu dem der Beschwerdeführerin und ihrer Rechtsberatung im behördlichen Verfahren Parteiengehör gewährt wurde. Zu dem Bericht wurden auch in der Beschwerde keine substantiierten Zweifel vorgebracht. Das Bundesverwaltungsgericht hat von sich aus keinen Grund, an der Aktualität, Relevanz und Verlässlichkeit dieser Berichte zu zweifeln.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 3 AsylG 2005 ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien, da die Beschwerdeführerin syrische Staatsangehörige ist.

Es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin in Syrien vor deren Ausreise Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK gedroht hat oder im Falle einer Rückkehr drohen würde, wobei auf Grund der rechtskräftigen Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin mangels hinreichender Sachverhaltsänderung eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung steht (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum AsylG 1991, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).

Nicht glaubhaft gemacht worden ist das vorgebrachte Risiko aufgrund der oppositionellen Gesinnung verfolgt zu werden.

Die Beschwerdeführerin hat erstmals in der Beschwerde behauptet, Fotos und Videos von Demonstrationen an Medien weitergeleitet zu haben. Dieses Vorbringen ist aber nicht im Verfahren vor dem Bundesamt vorgebracht worden, obwohl hiefür durch die offene Frage zu den Verfolgungsgründen und den offenen Fragen am Ende der Einvernahme hinreichend Gelegenheit bestanden hat. Daher ist dieses Vorbringen unbeachtlich (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017). Alleine die Behauptung, der Bruder und der Vater seien festgenommen worden, lässt keinen Rückschluss auf eine für die Beschwerdeführerin bestehende Verfolgungsgefahr zu, zumal eine solche auch (vor der Beschwerde) nicht behauptet wurde.

Wie festgestellt und in der Beweiswürdigung ausgeführt droht der Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr nach Syrien keine Verfolgung.

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG – der diesbezüglich § 24 Abs 4 VwGVG vorgeht (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) – kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig und in ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren erhoben wurde, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch aktuell und vollständig ist und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilt, wenn in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet wird, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Dies ist hier der Fall; die Behörde hat der Entscheidung eine ordnungsgemäße Einvernahme, in der der Beschwerdeführerin durch offene und geschlossene Fragen angeleitet wurde, den relevanten Sachverhalt anzugeben, vorangestellt und teilt das Bundesverwaltungsgericht die Feststellungen und die Beweiswürdigung der Behörde. Dem tritt die Beschwerdeführerin nur unsubstantiiert bzw. mit einem unter das Neuerungsverbot fallenden Vorbringen entgegen. Dass die Beschwerdeführerin eingeschüchtert gewesen wäre und deshalb ihre Fluchtgründe nicht vollständig vorbrachte ist nicht nachvollziehbar. Wenn die (vorbringliche) oppositionelle Tätigkeit irgendwie zu einer Verfolgungsgefahr hätte führen sollen, so hätte sie dies bei den offenen Fragen zumindest oberflächlich andeuten müssen. Selbiges gilt auch für die (angebliche) Festnahme des Bruders und des Vaters. Die erstmals in der Beschwerde vorgebrachten Fluchtgründe verstoßen gegen das Neuerungsverbot.

Es konnte daher die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem erkennenden Gericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen Grundlage für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

alleinstehende Frau Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Bürgerkrieg Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung vulnerable Personengruppe wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W129.2243538.1.00

Im RIS seit

21.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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