Entscheidungsdatum
20.07.2021Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I411 2196864-1/12E
I411 2196869-1/13E
I411 2196867-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , des XXXX , geb. XXXX , und der XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörige von Libyen, alle vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2, 1090 Wien, gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland vom 03.05.2018, Zlen. XXXX , XXXX , XXXX , nach Durchführung einer Verhandlung am 30.06.2021 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die BeschwerdeführerInnen reisten legal mit einem gültigen Visum für den Schengenraum in das Bundesgebiet ein und stellten am 31.08.2017 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz, zu denen sie am selben Tag erstbefragt wurden. Ihre Asylanträge begründeten sie im Wesentlichen damit, von islamischen Milizen bedroht bzw. verfolgt worden zu sein.
Die Erstbeschwerdeführerin gab im Rahmen des Erstbefragung an, dass ihr Mann seit April 2017 und ihr Sohn XXXX seit 08.12.2016 verschollen sei. Ende März 2017 habe sie vom Tod ihres Sohnes XXXX erfahren. Da sie sowohl politisch als auch sozial aktiv gewesen sei, werde sie von islamistischen Milizen verfolgt bzw. bedroht. Ihr Sohn XXXX sei Anfang Juli von Milizen für einige Stunden festgenommen und geschlagen worden. Als er freigelassen worden sei, habe sie beschlossen, Libyen zu verlassen. Die Sicherheitslage in Libyen sei derzeit sehr unstabil und Libyen werde zum Großteil von Milizen kontrolliert.
Der Zweitbeschwerdeführer sagte am 31.08.2017 vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aus, dass sein Bruder, als er am 08.12.2016 nach Sobrata gereist sei, nicht mehr zurückgekommen sei und sein Vater, der Anfang April 2017 versucht habe, seinen Bruder ausfindig zu machen, ebenso verschwunden sei. Tripolis werde von islamischen Milizen kontrolliert und er sei Anfang Juli dieses Jahres von diesen Milizen einige Stunden festgenommen und dabei geschlagen worden. Nach seiner Freilassung habe seine Mutter entschieden, aus Libyen zu flüchten.
Die Drittbeschwerdeführerin gab im Zuge der Erstbefragung zu Protokoll, in Tripolis immer von Milizen verfolgt worden zu sein, als sie zur Schule gegangen sei. Deshalb habe ihre Mutter entschieden, aus Libyen zu flüchten. Zudem sei die Sicherheitslage in Libyen sehr gefährlich. Libyen werde hauptsächlich von islamischen Milizen kontrolliert.
2. Am 07.03.2018 wurden die BeschwerdeführerInnen von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.
Befragt zu ihren Fluchtgründen, trug die Erstbeschwerdeführerin folgendes vor;
„Mein Sohn wurde getötet, mein Mann ist verschollen, ich habe meine Entscheidung getroffen als mein Sohn festgenommen wurde das Land zu verlassen, ich wurde vom Bataillon Almarasa bedroht, ich bin nach dem Tod vom Machthaber 2011 wieder zurück nach Libyen und habe für die Organisation XXXX in Libyen gearbeitet, ich habe auch dabei Geld verdient, ich habe in einem Camp gearbeitet und habe mich für die Gruppe Tawarga (dunkelhäutige Personen in Libyen) eingesetzt, ich wurde vom Bataillon Almarasa geschlagen weil ich mich für diese Personen eingesetzt habe, dies war im April 2017, ich habe an diesem Tag meine Tochter von Schule abgeholt und ich bin bei dieser Gruppe von Tawarga stehen geblieben, eine Person aus diesem Bataillon hat mich gesehen und mich geschlagen, ich wurde im Auto geschlagen, dieser Mann hat mich gefragt ob das meine Tochter ist und ich sagte ja, dieser Mann hat gesagt wir sollen beide aus dem Auto aussteigen und mit diesem Mann mitgehen, ich habe gewusst das es eine gefährliche Situation ist und bin mit dem Auto davon gefahren, ich habe meine Tochter nicht mehr in die Schule geschickt weil Vergewaltigung und Entführung in Libyen sehr häufig sind, ich habe auch an Demonstration teilgenommen, ich habe auch ein persönliches Problem mit einem Prediger ( XXXX ) namens XXXX , ich habe nach der Arbeit bei XXXX mit der Regierung gearbeitet, das sind meine Gründe warum ich Libyen verlassen habe.“
Der Zweitbeschwerdeführer führte in der niederschriftlichen Einvernahme aus, dass sein Bruder getötet worden und sein Vater verschollen sei. Er sei von der Gruppe Dar Alefta bedroht und für 4 Stunden festgenommen worden. Er sei geschlagen und am Hinterkopf verletzt worden und seine Hand sei gebrochen worden. Diese Festnahme sei am 02.07.2017 gewesen, sie hätten ihn bedroht und gesagt, dass er am nächsten Tag zu ihnen kommen solle, ansonsten würden sie ihn töten. Deshalb habe er Libyen verlassen.
Die Drittbeschwerdeführerin erzählte bei der niederschriftlichen Einvernahme, mit ihrer Mutter im Auto gewesen zu sein und ihre Mutter sei vom Bataillon ALMARSA geschlagen worden. Dieser Mann habe sie und ihre Mutter aufgefordert, aus dem Auto zu steigen. Ihre Mutter sei mit dem Auto davon gefahren, weil die Situation sehr gefährlich gewesen sei. Sie habe danach nicht mehr in die Schule gehen dürfen. Sie habe sich nicht mehr sicher gefühlt. Ansonsten sei sie nie bedroht oder verfolgt worden, es sei nur ein Vorfall im April 2017 gewesen. Mit ihrer Aussage in der Erstbefragung, wonach sie auf dem Schulweg immer von Milizen verfolgt worden sei, habe sie gemeint, dass sie immer Blicke und blöde Sprüche von dem Bataillon bekommen habe, wenn ihre Mutter sie von der Schule abgeholt habe.
3. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 03.05.2018 wies die belangte Behörde die Anträge der BeschwerdeführerInnen auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Zugleich erkannte das Bundesamt den BeschwerdeführerInnen jeweils den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihnen befristete Aufenthaltsberechtigungen bis zum 03.05.2019 (Spruchpunkt II. und III.).
4. Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 24.05.2018, welche unrichtige Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht.
Vorgebracht wird, dass es dem Bundesamt nicht gelungen sei, die Glaubwürdigkeit der BeschwerdeführerInnen und die Asylrelevanz ihrer Fluchtgründe zu widerlegen. Eine inhaltliche Beschäftigung mit dem Kern des Vorbringens der BeschwerdeführerInnen sei nicht erfolgt. Den Schlussfolgerungen des Bundesamts fehle es an jeglichem Begründungswert. Als Gründe für ihre Asylanträge hätten die BeschwerdeführerInnen Verfolgung aus politischen Gründen und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe angegeben. Die BeschwerdeführerInnen und ihre Angehörigen seien in Libyen massiven Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen, einerseits wegen ihrer Herkunft, andererseits wegen ihrer politischen Überzeugungen und auch wegen ihrer allgemein westlich orientierten Lebenseinstellung. Eine Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit staatlicher Behörden bestehe nicht, da in Libyen eine durchsetzungsfähige Staatsgewalt weiterhin nicht existiere, weshalb die Befürchtungen der BeschwerdeführerInnen asylrelevant seien.
Das Bundesamt meine zur Begründung der Abweisung der Asylanträge, die BeschwerdeführerInnen hätten keine persönliche Verfolgungsgefahr vorgebracht bzw. seien ihre Fluchtgründe nicht asylrelevant gewesen. Die Minimalistik der Ausführungen des Bundesamts in der Beweiswürdigung zu den Fluchtgründen der BeschwerdeführerInnen sowie zu ihren Erlebnissen in Libyen sei nicht nachvollziehbar. Zur Asylrelevanz der Befürchtungen der BeschwerdeführerInnen sei festzuhalten, dass sie sowohl wegen ihrer politischen/religiösen Einstellung einer Verfolgung unterliegen würden als auch wegen ihrer westlichen Lebenseinstellung.
5. Mit Schriftsatz vom 25.05.2018 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
6. Am 30.06.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, in welcher die BeschwerdeführerInnen insbesondere zu ihren Fluchtgründen befragt wurden.
Der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin wiederholten in Grundsätzen ihre jeweiligen Fluchtgründe, die sie bereits in der Erstbefragung und niederschriftlichen Einvernahme vorgebracht haben.
Die Erstbeschwerdeführerin erstattete in der mündlichen Verhandlung folgendes Fluchtvorbringen:
„Der erste Grund, einer von mehreren, ist, dass ich aus Großbritannien zurückgekommen bin und begonnen habe, in einem Flüchtlingscamp zu arbeiten wo sich hauptsächlich dunkelhäutige Menschen befanden, die pro Gaddafi waren. Das war eine Minderheit, die sich in dem Ort Tawarga befand. Das war vor der Revolution und ich habe auch Bilder mit ihnen dort. Es ist bekannt, dass sie pro Gaddafi sind. Das ist einer der Gründe. Derjenige der dann das Land in der Hand hatte war von Almarasa, die die gegensätzliche Meinung haben. Ich bin dort der körperlichen Gewalt ausgesetzt gewesen. In den Camps habe ich humanitäre hlilfe für Kinder und Familien geleistet. Mir wurde der Finger gebrochen, dazu habe ich auch Fotos. Diejenigen, die das gemacht haben, waren von Seiten der Miliz Batalion Almarasa.
Ich war auch Druck von Seiten meiner Nachbarn ausgesetzt, den die waren aus Almarasa. Es sind Menschen zu mir nach Hause gekommen. Die Menschen die in Tawarga waren, waren eine unterdrückte Minderheit, diese wurden vom Volk gehasst, weil sie pro Gaddafi waren. Ich habe mit der Zivilbevölkerung in Libyen gearbeitet, damit sie eine Unterstützung erhalten. Das ist der erste Grund und ich werde jetzt zum nächsten Grund übergehen.
Ich hatte ja humanitäre Aktivitäten und hatte dann das Gefühl, dass es auch politische Aktivitäten braucht, damit meine Stimme gehört wird. Deshalb bin ich zum Minister und hatte auch Treffen im „Presidiatrat". Ich habe dann eine Bewegung ins Leben gerufen, die „ XXXX " hieß, mit der Unterstützung meines Sohnes, der mittlerweile verstorben ist. Das Problem ist passiert, nachdem wir ein Treffen im Tourismusministerium hatten und dort auch der Großmufti XXXX war. Dieser Mufti, der auch heute noch dort ist und die Hauptquelle für religiöse Fragen ist, fordert die jungen Leute zum Tragen von Waffenauf. Es war bekannt, dass er einen großen hlass gegen die Tawarga hatte. Es hat eine sehr hitzige Diskussion zwischen mir und dem Mufti gegeben, nachdem ich ihm meine Bewegung und meine Aktivitäten erklärt habe. Ich habe ihm gesagt, dass er das Blut der jungen Menschen nicht vergießen soll. Nach diesem Vorfall bin ich bedroht worden von Seiten seiner Sicherheitskräfte. Deshalb waren dann mein Name und die Namen meiner Familienmitglieder auf der schwarzen Liste. Mein Sohn wurde dann gefangen genommen. Mir wurde natürlich nicht gesagt, wo er ist, aber er hatte die Dokumente von der Bewegung „ XXXX ". Mein Sohn ist im Dezember 2016 verschwunden. Wir haben natürlich nach ihm gesucht, leider erfolglos. Die Nachricht über seinen Tod haben wir über ein Foto auf dem Handy bekommen, auf dem er tot war. Selbst seinen Leichnam haben wir nicht bekommen. Zu dieser Zeit war ich noch verheiratet. Mein Mann ist dann in die Stadt zu Brata (phon.), um ihn zu suchen und ist dann ebenfalls verschwunden. Ich habe mich an den „ XXXX " gewandt, diese Organisation eine humanitäre Organisation und ist dem „Roten Kreuz" gleichzustellen. Ich habe mich auch an die Staatsanwaltschaft gewandt um wenigstens den Leichnam meines Sohnes zu bekommen, um ihn begraben zu können. Mir wurde zwar versprochen, dass ich diesen bekommen werde, im Endeffekt haben sie aber dann Angst bekommen und haben mich gemieden. Ich hatte dann eine sehr, sehr schwere Zeit. Ich war mit meinem Sohn und meiner Tochter, die heute auch anwesend sind, alleine. Meine Familie, meine Mutter - mein Vater ist bereits verstorben - und meine Geschwister haben mir die Schuld an dem Tod meines Sohnes gegeben. Mir wurde gesagt, dass er aufgrund meiner politischen Aktivitäten umgebracht wurde. Wir wurden dann verfolgt, sowohl ich als auch mein Sohn und meine Tochter. Meine Tochter war zu dieser Zeit in der Schule. Es blieben fremde Autos vor der Schule stehen und wir hatten große Angst. Ich hatte auch Angst, dass meine Tochter entführt wird. Auch war meine Wohnung an einem sehr sensiblen Ort, in der Mitte von den Gebieten von zwei Milizen. Ich habe mich dann entschieden, das Land zu verlassen, um mich und meine Kinder zu schützen, denn es wurde mein zweiter Sohn ebenfalls gefangen genommen. Er wurde geschlagen und ihm wurde die Hand gebrochen, weil sie meinten, er hätte ebenfalls politische Aktivitäten, wie mein erster Sohn.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der oben angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den BeschwerdeführerInnen und ihren Fluchtgründen:
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Libyen, stammen aus Tripolis, gehören der Volksgruppe der Araber an und bekennen sich zum Islam. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin. Ihre Identitäten stehen fest.
Sie flogen am 01.08.2017 legal mit gültigem Reisedokument von Libyen nach Tunesien und reisten nach Ausstellung eines Visums für den Schengenraum durch die österreichische Botschaft in Tunis am 28.08.2017 ins Bundesgebiet ein. Drei Tage nach ihrer Einreise stellten sie die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
Die Erstbeschwerdeführerin war in Libyen verheiratet und ihr Ehemann war seit April 2017 einige Zeit lang verschwunden. Gegen Ende 2018 bzw. Anfang 2019 ist ihr (ehemaliger) Ehemann wieder in Libyen aufgetaucht, hat eine andere Frau geheiratet und ließ sich von ihr scheiden. Ihr zweiter Sohn XXXX ist seit Dezember 2016 verschollen und im März 2017 erfuhr sie von seinem Tod. Die genaue Ursache für das Verschwinden und den Tod von XXXX kann nicht festgestellt werden.
Die BeschwerdeführerInnen haben Libyen aufgrund der schlechten Sicherheitslage und aufgrund von Bedrohungen durch islamische Milizen verlassen. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer waren in Libyen mit verschiedenen Akten der Gewalt konfrontiert.
Die Erstbeschwerdeführerin arbeitete für die Organisation XXXX und engagierte sich in einem Camp in sozialer Hinsicht bzw. leistete humanitäre Hilfe für dunkelhäutige Personen. Im April 2017 wurden sie und andere Personen von der Miliz Batalion Almarasa aus dem Camp rausgeschmissen und dabei wurde ihr Mittelfinger gebrochen. Sie holte auch einmal mit dem Auto ihre Tochter von der Schule ab und wurde auf dem Heimweg von einem Mann der islamischen Miliz Batalion Almarasa angehalten und geschlagen.
Der Zweitbeschwerdeführer ist Anfang Juli 2017 gegen seinen Willen von Milizen einige Stunden lang festgehalten worden. Im Zuge der Anhaltung wurde auf seinen linken Unterarm in der Nähe des Handgelenks geschlagen.
Die Drittbeschwerdeführerin war in Libyen regelmäßig mit Blicken und anstößigen Sprüchen von Milizen konfrontiert, wenn ihre Mutter sie von der Schule abholte.
Die BeschwerdeführerInnen wurden jedoch nicht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt und sind sie im Falle der Rückkehr keiner individuellen Verfolgung ausgesetzt.
1.2. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat (mit Angabe der Quellen), soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:
2. Politische Lage
Der Sturz des langjährigen Staatschefs Muammar Gaddafi im Jahr 2011 führte zu einem Machtvakuum und zu Instabilität. Das Land ist zersplittert und seit 2014 in konkurrierende politische und militärische Fraktionen mit Sitz in Tripolis und im Osten des Landes geteilt (BBC 8.6.2020; vgl. ZDF 16.2.2020, USDOS 11.3.2020, FH 4.3.2020).
Zu den wichtigsten Führungspersönlichkeiten gehören Premierminister Fayez Sarraj, Chef der international anerkannten Regierung (Einheitsregierung, Government of National Accord, GNA) in Tripolis; Khalifa Haftar, Führer der Libyschen Nationalarmee (LNA), die einen Großteil des östlichen Libyens kontrolliert; Aghela Saleh, Sprecher des Repräsentantenhauses mit Sitz in der östlichen Stadt Tobruk; und Khaled Mishri, der gewählte Chef des Hohen Staatsrates in Tripolis (BBC 8.6.2020).
Libyen ist eine parlamentarische Republik (AA 16.3.2020). Die GNA hält Gebiete um die Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes. Gegen sie kämpft General Haftar mit Verbündeten, die weite Teile des ölreichen Landes beherrschen (ZDF 16.2.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, FH 4.3.2020) [Anm.: Details siehe Anschnitt 3. Sicherheitslage]. Libyen verfügt somit über zwei Zentren der Macht: den Präsidialrat unter al-Sarraj und die Behörden in Tobruk und al-Bayda, unter der Führung von General Khalifa Haftar, Kommandeur der LNA und selbsternannter Anti-Islamist (BS 2020). Weder die GNA noch Haftar wurden durch Wahlen legitimiert. Die De-facto-Behörden haben im östlichen Teil des Landes beispielsweise eine parallele Zentralbank und eine staatliche Ölgesellschaft eingerichtet (FH 4.3.2020).
Seit dem 3.8.2011 gilt eine übergangsmäßige „Verfassungserklärung“ bis zu einem Referendum über eine neue Verfassung. Mit dem am 17.12.2015 in Skhirat/Marokko unterzeichneten „Libyschen Politischen Abkommen“ wurde ein Präsidialrat als kollektives Staatsoberhaupt geschaffen, bestehend aus dem Vorsitzenden des Präsidialrats, fünf Stellvertretern und drei Ministern. Nach dem „Libyschen Politischen Abkommen“ ist der Vorsitzende des Präsidialrates Fayez Al Sarraj gleichzeitig als Premierminister Regierungschef (AA 16.3.2020).
Im Juli 2017 vereinbarten die rivalisierenden Seiten einen Waffenstillstand und die Abhaltung von Wahlen im Jahr 2018. Im Mai 2018 trafen sich die beiden Seiten in Paris, um einen Fahrplan für den Frieden zu unterzeichnen. Das Abkommen hat den Konflikt jedoch nicht gelöst, sondern stattdessen rekonfiguriert. Während der Konflikt im Jahr 2015 zwischen zwei rivalisierenden Regierungen ausgetragen wurde, verläuft er jetzt in erster Linie zwischen Befürwortern und Gegnern des von den Vereinten Nationen vermittelten Abkommens (BS 2020).
Der Islamische Staat (IS), der bis 2014 die Kontrolle über Al-Bayda und Benghazi, Sirte, al-Khums und sogar die Hauptstadt Tripolis übernommen hatte, wurde bis Ende 2016 erheblich geschwächt. Nach einem siebenmonatigen Kampf konnten Truppen der Einheitsregierung im Dezember 2016 Sirte als letzte Hochburg des IS räumen. Der IS ist jedoch weiterhin in Libyen aktiv, insbesondere aus „sicheren Häfen“ im unkontrollierten Süden des Landes (BS 2020; vgl. BBC 8.6.2020).
Ausländische Akteure sind in Libyen involviert. Eine Gruppe überwiegend westlicher Länder und der Türkei, unter Führung der Vereinigten Staaten setzt sich für die bedingungslose Unterstützung des Präsidialrats und der GNA ein, wobei sie dem Kampf gegen den IS und der Eindämmung der Ströme von Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden über das Mittelmeer Vorrang einräumt. Eine zweite Gruppe, angeführt von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland, räumt der Einheit der verbleibenden Armee - insbesondere der LNA von General Haftar - Priorität ein (BS 2020). Das zunehmende Maß an ausländischer Einmischung, Militärinterventionen und konkurrierenden Interessen hat zu einem Stillstand im politischen Prozess geführt. Russland und die Türkei sind nun die Hauptentscheidungsträger in Libyen, eine Dynamik, die die Bemühungen der EU und der UNO um eine Deeskalation des Konflikts und eine Annäherung zwischen den rivalisierenden politischen Einheiten Libyens an den Rand gedrängt und geschwächt hat (Garda 23.8.2020).
Im September 2020 kündigte der Premierminister der GNA Fajis al-Sarradsch seinen bevorstehenden Rücktritt an. Nur wenige Tage zuvor hatte der Regierungschef der Gegenregierung im Osten des Landes, Abdullah al-Thenni, seinen Rückzug erklärt. Zum Rückzug der beiden konkurrierenden Regierungschefs haben ähnliche Dynamiken beigetragen: In beider Einflussbereiche kam es in den Wochen davor immer wieder zu Protesten wegen steigenden Lebenshaltungskosten, den häufigen Unterbrechungen der Stromversorgung und der Treibstoffknappheit (SZ 17.9.2020)
Russland und die Türkei, die in Libyen jeweils Schutzmacht der rivalisierenden Kräfte sind, sind ihrerseits auf einem guten Weg zu einem Übereinkommen. Bereits im August hatten sowohl Serraj in Tripolis als auch der Sprecher des Parlaments im Osten des Landes einen Waffenstillstand ausgehandelt und zu Verhandlungen aufgerufen, daraufhin tagten Verhandlungsteams in Bouznika (Marokko) und Montreux (Schweiz). Sie einigten sich darauf, einen neuen Präsidialrat zu schaffen, der die Regierung über das gesamte Land übernehmen soll, und binnen 18 Monaten Neuwahlen abzuhalten. Gelingt es, bei weiteren Verhandlungen im Oktober die komplizierten Details dieser Einigung auszuhandeln, will Serraj noch im selben Monat abtreten (SZ 17.9.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (16.3.2020): Libyen: Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/libyen-node/steckbrief/219608, Zugriff 24.9.2020
- BBC News (8.6.2020): Libya country profile, https://www.bbc.com/news/world-africa-13754897, Zugriff 24.9.2020
- BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020: Libya, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_LBY.pdf, Zugriff 23.9.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2030888.html, Zugriff 24.9.2020
- Garda World (23.8.2020): Libya Country Report – Overview, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/libya, Zugriff 24.9.2020
- SZ - Süddeutsche Zeitung (17.9.2020): Keiner will regieren, https://www.sueddeutsche.de/politik/libyen-keiner-will-regieren-1.5035159, Zugriff 24.9.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020
- ZDF - Zweites Deutsches Fernsehen (16.2.2020): Münchner Sicherheitskonferenz - "Europa muss zu Interventionen bereit sein", https://www.zdf.de/nachrichten/politik/aussenministertreffen-sicherheitskonferenz-libyen-100.html, Zugriff 24.9.2020
3. Sicherheitslage
Libyen ist seit der Revolution vom 17.2.2011 von einem Bürgerkrieg betroffen und hat einen beispiellosen Prozess des gewaltsamen Staatszerfalls erlebt (BS 2020). Die Lage ist in weiten Teilen des Landes sehr unübersichtlich und unsicher (AA 31.3.2020).
Ab April 2019 kam es im Großraum Tripolis und einigen weiteren Städten im Nordwesten Libyens vermehrt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Kräften der international anerkannten Regierung des Nationalen Einvernehmens und Einheiten der sogenannten Libyschen Nationalen Armee. Auch in anderen Landesteilen kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen (AA 31.3.2020; vgl. MEAÉ 11.5.2020), insbesondere im Zentrum und im Süden des Landes (MEAÉ 11.5.2020). Mit türkischer Unterstützung konnte die GNA im Juni 2020 die LNA aus dem Großraum Tripolis vertreiben und die Kontrolle der LNA über Sirte und das Zentrum des Landes bedrohen (Garda 23.8.2020).
Im Bürgerkrieg zwischen Milizkoalitionen, die lose mit zwei großen konkurrierenden Regierungspolen verbunden sind (Garda 3.9.2020) wird mit wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung operiert. Verschiedene bewaffnete Gruppen beschießen willkürlich Wohngebiete und üben auch kriminelle Aktivitäten aus, darunter Erpressung und andere Formen der Ausbeutung der Zivilbevölkerung (FH 4.3.2020; vgl. AA 31.3.2020).
Sporadische Zusammenstöße zwischen bewaffneten Gruppen können zu Kämpfen mit schweren Waffen führen, auch in städtischen Gebieten (MEAÉ 11.5.2020). Nichtstaatliche bewaffnete Gruppen, kriminelle Banden und terroristische Organisationen verüben gezielte Tötungen und Bombenanschläge sowohl gegen Regierungsbeamte als auch gegen Zivilisten (USDOS 11.3.2020; vgl. BS 2020). Es gibt viele Berichte über Opfer unter der Zivilbevölkerung als Folge der anhaltenden Feindseligkeiten. Durch Beschuss, Feuergefechte, Luftangriffe und nicht explodierte Sprengkörper kamen im Laufe des Jahres 2019 mehr als tausend Menschen, darunter auch Zivilisten, ums Leben (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020).
Karte: Gebiete unter Kontrolle der Einheitsregierung, unterstützt durch die Türkei (grün); unter Kontrolle der Libyschen Nationalarmee unter Khalifa Haftar, unterstützt durch Russland (blau); und unter Kontrolle durch südliche Stämme (gelb); jeweils Stand August 2020. Die roten Kreise geben die Zahl der Todesopfer bei Kämpfen im Zeitraum 1.1. bis 5.8.2020 an. Quellen: US Energy Information Administration, libya.liveuamap.com, Acled (MD 9.2020).
General Haftar und die Libysche Nationalarmee (LNA) haben sich in den Süden ausgedehnt, angeblich zum Schutz der Ölfelder, was zu einer Eskalation der Gewalt im bisher relativ ruhigen Fezzan geführt hat. Als Reaktion darauf haben die Tebu- und Tuareg-Stämme ein Bündnis unter der Einheitsregierung (GNA) geschlossen, um den Vormarsch der LNA zu stoppen (BS 2020). Vorübergehende Allianzen zwischen Regierungselementen, nichtstaatlichen Akteuren und ehemaligen oder aktiven Offizieren der Streitkräfte, die sich an extralegalen Kampagnen beteiligten, machen es schwierig, die Rolle der Regierung bei Angriffen bewaffneter Gruppen zu ermitteln (USDOS 11.3.2020).
Der Islamische Staat (IS) wurde bis Ende 2016 erheblich geschwächt, ist jedoch weiterhin in Libyen aktiv. Er operiert insbesondere aus „sicheren Häfen“ im unkontrollierten Süden des Landes (BS 2020; vgl. Garda 3.9.2020). Der IS bekannte sich im Laufe des Jahres 2019 zu verschiedenen Angriffen auf zivile und militärische Gebiete (USDOS 11.3.2020). In einigen Fällen operieren ausländische Söldner mit Unterstützung ihrer Heimatregierungen. Beispielsweise soll die Wagner-Gruppe Berichten zufolge bei der Offensive der LNA auf Tripolis Kommando- und Kontrollunterstützung geleistet haben, wobei es bei Scharfschützenbeschuss durch Wagner-Personal zu mehreren Opfern kam (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (31.3.2020): Libyen: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/libyensicherheit/219624, Zugriff 22.9.2020
- BBC News (8.6.2020): Libya country profile, https://www.bbc.com/news/world-africa-13754897, Zugriff 24.9.2020
- BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020: Libya, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_LBY.pdf, Zugriff 23.9.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2030888.html, Zugriff 24.9.2020
- Garda World (23.8.2020): Libya Country Report – Overview, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/libya, Zugriff 24.9.2020
- Garda World (3.9.2020): Libya Country Report – War Risks, Terrorism, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/libya, Zugriff 24.9.2020
- MD - Monde Diplomatique, le / Céline Marin (9.2020): Libya divided, https://mondediplo.com/maps/libya-divided, Zugriff 24.9.2020
- MEAÉ - Ministère de l’Europe et des Affaires Étrangères [Außenministerium der Republik Frankreich] (11.5.2020): Conseils par pays - Libye, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/libye/, Zugriff 23.9.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020
4. Rechtsschutz / Justizwesen
Die Verfassungserklärung sieht ein unabhängiges Justizwesen vor und legt fest, dass jede Person das Recht hat, sich an das Justizsystem zu wenden. Die Verfassungserklärung sieht die Unschuldsvermutung und das Recht auf einen Rechtsbeistand vor, der dem Beschuldigten auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt wird. Diese Standards werden weder von der Einheitsregierung (GNA) noch von nichtstaatlichen Akteuren erfüllt (USDOS 11.3.2020).
Das Justizsystem ist im Wesentlichen zusammengebrochen; die Gerichte sind in weiten Teilen des Landes nicht mehr funktionsfähig. In einigen Fällen haben informelle Streitbeilegungsmechanismen die Lücke gefüllt (FH 4.3.2020; vgl. BS 2020). Richter, Anwälte und Staatsanwälte sehen sich häufigen Bedrohungen und Angriffen ausgesetzt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, AI 18.2.2020, BS 2020). Seit der Revolution von 2011 wird das Recht der Bürger auf einen fairen Prozess und ein ordnungsgemäßes Verfahren durch die anhaltende Einmischung bewaffneter Gruppen und die Unfähigkeit, Zugang zu Anwälten und Gerichtsdokumenten zu erhalten, infrage gestellt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Milizen und halboffizielle Sicherheitskräfte führen regelmäßig ungestraft willkürliche Verhaftungen, Inhaftierungen und Einschüchterungen durch (FH 4.3.2020; vgl. BS 2020).Tausende Gefangene haben keinen Zugang zu Anwälten und Informationen über die gegen sie erhobenen Anklagen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, AI 18.2.2020). Die insgesamt mangelnde Sicherheitslage behindert die Rechtsstaatlichkeit weiter. Zivil- und Militärgerichte arbeiteten, je nach örtlicher Sicherheitslage, sporadisch; insbesondere in den von anhaltenden Feindseligkeiten betroffenen Gebieten und im Süden des Landes (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2025836.html, Zugriff 24.9.2020
- BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020: Libya, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_LBY.pdf, Zugriff 23.9.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2030888.html, Zugriff 24.9.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020
5. Sicherheitsbehörden
Milizen, bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte, die der von den Vereinten Nationen unterstützten Einheitsregierung (Govermnent of National Accord – GNA) unter Führung von Premierminister Fayez al-Sarraj mit Sitz in Tripolis bzw. der selbsternannten Libyschen Nationalarmee (LNA) unter Führung von General Khalifa Haftar, die der Übergangsregierung im Osten Libyens angeschlossen sind, operieren weiterhin außerhalb der Rechtsstaatlichkeit (AI 18.2.2020).
Die GNA hat nur eine begrenzte effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte, die aus einer Mischung aus semi-regulären Einheiten, nichtstaatlichen bewaffneten Stammesgruppen und zivilen Freiwilligen bestehen. Die nationale Polizei, die dem Innenministerium untersteht, ist offiziell für die innere Sicherheit zuständig. Für die Außenverteidigung sind hauptsächlich die dem Verteidigungsministerium unterstellten Streitkräfte zuständig, aber sie unterstützen auch die Kräfte des Innenministeriums in Fragen der inneren Sicherheit. Zivile Behörden haben nur eine nominelle Kontrolle über die Polizei und den Sicherheitsapparat und die Polizeiarbeit fällt im Allgemeinen in den Zuständigkeitsbereich verschiedener informeller bewaffneter Gruppen, die Gehälter von der Regierung erhalten und die Strafverfolgung ohne formelle Ausbildung oder Aufsicht und mit unterschiedlichem Grad von Rechenschaftspflicht ausüben (USDOS 11.3.2020).
Im Laufe des Jahres 2019 verschärften sich die Konflikte zwischen bewaffneten nichtstaatlichen Gruppen, die mit der GNA verbündet sind, und anderen nichtstaatlichen Akteuren. Die LNA übt in wechselndem Umfang Kontrolle über den größten Teil des libyschen Territoriums aus. Informelle nichtstaatliche bewaffnete Gruppen füllen das Sicherheitsvakuum im ganzen Land. Einige dieser Gruppen schlossen sich im Westen des Landes der GNA an, um Zugang zu staatlichen Ressourcen zu erhalten (USDOS 11.3.2020).
Milizen, bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte begehen schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, einschließlich Kriegsverbrechen (AI 18.2.2020). Die Fähigkeit und Bereitschaft der Regierung, Missbräuche zu untersuchen oder strafrechtlich zu verfolgen, ist stark eingeschränkt (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2025836.html, Zugriff 24.9.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020
6. Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassungserklärung und nach-revolutionäre Gesetzgebung verbietet Folter (USDOS 11.3.2020). Folter und andere Misshandlungen sind in Gefängnissen, Haftanstalten und inoffiziellen Haftanstalten jedoch weit verbreitet (AI 18.2.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Bewaffnete Gruppen, von denen sich einige der Einheitsregierung (GNA) oder der Übergangsregierung angeschlossen haben, führen außergerichtliche Hinrichtungen, Entführungen, Folter und erzwungenes Verschwindenlassen durch (HRW 14.1.2020). Es gibt Berichte über grausame und erniedrigende Behandlung in staatlichen und extralegalen Haftanstalten, darunter Schläge, Verabreichung von Elektroschocks, Verbrennungen und Vergewaltigungen (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 18.2.2020).
Quellen:
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2025836.html, Zugriff 24.9.2020
- HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Libya, https://www.ecoi.net/en/document/2022716.html, Zugriff 23.9.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der BeschwerdeführerInnen, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Libyen.
Ergänzend wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung und der Sozialversicherungsdatenbank eingeholt.
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Zu den BeschwerdeführerInnen:
Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen in Libyen, ihrer Herkunft, ihrer Glaubens- und Volkszugehörigkeit, ihrer Staatsangehörigkeit, zu ihrer Ausreise aus Libyen und zur Einreise nach Österreich gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben der BeschwerdeführerInnen in den Erstbefragungen und niederschriftlichen Einvernahmen. Die Identitäten der BeschwerdeführerInnen stehen aufgrund der vorgelegten Reisepässe fest.
Die BeschwerdeführerInnen konnten insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ihre negativen Erfahrungen mit den islamischen Milizen glaubhaft schildern, weshalb die vorgetragenen Vorfälle größtenteils festgestellt werden konnten.
Die Feststellungen zum ehemaligen Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und zu Abdel Rauuf gründen sich auf die Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der niederschriftlichen Einvernahme und in der mündlichen Verhandlung.
2.3. Zu den Fluchtgründen der BeschwerdeführerInnen:
2.3.1. Zum Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin:
Die Erstbeschwerdeführerin gab als Fluchtgründe an, dass sowohl ihr Mann als auch ihr Sohn XXXX verschollen seien und sie von islamistischen Milizen verfolgt bzw. bedroht werde, da sie politisch und sozial aktiv gewesen sei. Zudem sei Ihr Sohn, der Zweitbeschwerdeführer, von Milizen für einige Stunden festgenommen und geschlagen worden.
Wie bereits das Bundesamt im angefochtenen Bescheid ausführte, lässt sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin keine Verfolgung oder drohende Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründen entnehmen.
Die Erstbeschwerdeführerin gab zwar an, politisch aktiv gewesen zu sein und an Demonstrationen teilgenommen zu haben, jedoch führte sie in der niederschriftlichen Einvernahme auf konkrete Nachfrage aus, wegen der Teilnahme an Demonstrationen keine persönlichen Probleme gehabt zu haben und weder wegen ihrer politischen Überzeugung noch wegen religiöser Gründe verfolgt worden zu sein und auch nicht Mitglied einer politischen Partei gewesen zu sein (AS 297, 299 bzw. Protokoll vom 07.03.2018, S. 7 und 8 im Akt 2196864-1).
Soweit die Erstbeschwerdeführerin ihre Bewegung „ XXXX ", das Verschwinden ihres zweiten Sohnes Ende 2016 und persönliche Probleme mit dem Mann namens XXXX ins Treffen führt, erschließt sich daraus keine Verfolgung oder Verfolgungsgefahr.
Nachdem sie XXXX bei einer Versammlung im Mai 2016 ihre Aktivitäten erklärt und ihm gesagt habe, dass er das Blut der jungen Menschen nicht vergießen bzw. sie nicht zum Al Jihad aufrufen soll, habe sie - laut ihren Aussagen in der niederschriftlichen Einvernahme -keine Probleme gehabt (Protokolle vom 07.03.2018, S. 6, 7, und vom 30.06.2021, S. 6, 7 im Akt 2196864-1). Außerdem lebte die Erstbeschwerdeführerin nach diesem Vorfall mit XXXX im Mai 2016 und nach dem Verschwinden ihres Sohnes Ende Dezember 2016 bis zu ihrer Ausreise noch über ein halbes Jahr lang in Libyen, was gegen eine Verfolgung spricht. Ihr (Ex-)Ehemann, der im April 2017 verschwunden sei, weil er nach seinem Sohn XXXX gesucht habe, ist außerdem wiederaufgetaucht und lebt nach wie vor in Libyen (Protokoll vom 30.06.2021, S. 8). Die Ursache für das Verschwinden und den Tod ihres zweiten Sohnes konnte nicht festgestellt werden.
Die Erstbeschwerdeführerin brachte im Verfahren ein Lichtbild in Vorlage und legte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dar, eines Tages von einem Camp, in dem sie vor allem dunkelhäutige Personen psychologisch unterstützte, vom Batalion Almarasa rausgeschmissen worden zu sein und dabei ihren rechten Zeigefinger gebrochen zu haben (Protokoll vom 30.06.2021, S. 6, 9, AS 117 im Akt 2196864-1). Von ihr (und der Drittbeschwerdeführerin) wurde auch nachvollziehbar erzählt, dass sie einmal mit dem Auto unterwegs war, da sie die Drittbeschwerdeführerin von der Schule abholte, und von einem Mann einer islamischen Miliz angehalten und geschlagen worden ist (Protokoll vom 07.03.2018, S. 5 bzw. AS 293 im Akt 2196864-1)
Allerdings ist davon auszugehen, dass es sich dabei um eine allgemeine sowie willkürliche Handlungen von Angehörige einer Miliz handelte, die insbesondere nicht im Zusammenhang mit der politischen Überzeugung oder religiösen Einstellung der Erstbeschwerdeführerin stehen.
2.3.2. Zum Vorbringen des Zweitbeschwerdeführers:
Der Zweitbeschwerdeführer berichtete in der mündlichen Verhandlung, gegen seinen Willen zur Zentrale einer Miliz gebracht worden zu sein, wo sie auf seinen linken Arm geschlagen hätten und er gefragt worden sei, ob er politische Aktivitäten oder eine politische Meinung habe. Er sei dort einen ganzen Tag gewesen und sei dann freigelassen worden (Protokoll vom 30.06.2021, S.12, 13).
Eine konkret den Zweitbeschwerdeführer betreffende individuelle Verfolgungshandlung, insbesondere aufgrund einer politischen Gesinnung lässt sich aus diesem Vorbringen nicht entnehmen, zumal der Zweitbeschwerdeführer nicht politisch aktiv war (Protokoll vom 07.03.2018, S. 6).
Des Weiteren stand seine Anhaltung offensichtlich nicht in Verbindung mit der Erstbeschwerdeführerin oder ihrer Aktivitäten im Rahmen der Bewegung „ XXXX “. Der Zweitbeschwerdeführer wurde nicht nach seiner Mutter gefragt, sondern nach seinem Bruder, der politisch aktiv gewesen sei (Protokoll vom 30.06.2021, S. 13 und Protokoll vom 07.03.2018, S. 5 bzw. AS 111 im Akt 2196869-1).
Dem Bundesamt kann dementsprechend nicht darin entgegengetreten werden, dass der Beschwerdeführer im Laufe seines Verfahrens mit seinem Vorbringen eine konkrete und aktuelle Verfolgung oder drohende Verfolgung aus Gründen, wie in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählt, nicht geltend gemacht habe.
2.3.3. Zum Vorbringen der Drittbeschwerdeführerin:
Aus dem Vorbringen der Drittbeschwerdeführerin, wonach sie in Libyen mit Blicken und anstößigen Sprüchen konfrontiert gewesen sei, lässt sich eine aktuelle, gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr nicht ableiten.
2.4. Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Libyen vom 25.09.2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.
Trotz der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine entscheidungswesentlichen Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
In Libyen agieren islamische Milizen außerhalb der Rechtsstaatlichkeit und führen regelmäßig willkürliche Verhaftungen, Angriffe, Inhaftierungen und Einschüchterungen durch. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer waren in Libyen - wie der Rest der Bevölkerung Libyens auch - Repression und Gewalt ausgesetzt. Der Status des Asylberechtigten schützt allerdings nicht vor allgemeinen Unglücksfolgen. Willkürliche Verhaltensweisen von Milizen in einem Land, in dem ein Bürgerkrieg herrscht, begründen für sich genommen noch keine Verfolgung und Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.
Die Gesamtbevölkerung in Libyen ist mit Gewalt und Freiheitseinschränkung konfrontiert. Die Furcht der BeschwerdeführerInnen vor Gewaltakten ist glaubhaft und steht in Einklang mit den verschiedenen Berichten zur Situation in Libyen, was vom Bundesamt durch die Gewährung des Status von subsidiär Schutzberechtigten auch berücksichtigt wurde.
So schwierig die Situation in Libyen und so bedrohlich die geschilderten Probleme der BeschwerdeführerInnen auch sein mögen, waren die von ihnen erlebten Vorfälle, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Folgen von willkürlichem Verhalten islamischer Milizen und eines Konfliktes in Libyen. Eine asylrelevante Verfolgung ist dagegen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Um eine asylrelevante Verfolgung bei einer Bürgerkriegssituation und willkürlichem Verhalten von Milizen erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung) gestützten Gefährdung, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkriegs hinausgeht.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ergeben sich aus den Angaben der BeschwerdeführerInnen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie wegen politischer Gründe, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, ihrer Herkunft, ihren politischen Überzeugungen oder wegen einer westlich orientierten Lebenseinstellung von den Milizen bedroht worden sind.
Insgesamt kommt das Bundesverwaltungsgericht daher zu dem Ergebnis, dass den BeschwerdeführerInnen im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht eine Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht.
Daher war der Ausspruch in Spruchteil I. der angefochtenen Bescheide zu bestätigen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von asylrelevanten Fluchtgründen, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Bürgerkrieg Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit mündliche Verhandlung politische Gesinnung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I411.2196867.1.00Im RIS seit
21.10.2021Zuletzt aktualisiert am
21.10.2021