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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §292 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. März 1995, Zl. 104.300/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. März 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. In der Begründung wies die belangte Behörde zunächst darauf hin, daß die Erstbehörde ausgeführt habe, das monatliche Einkommen der Beschwerdeführerin resultiere lediglich aus der Pension ihres Gatten, der sich jedoch im Ausland befunden habe, worauf die Auszahlung der Pension eingestellt worden sei.
In der Berufung habe die Beschwerdeführerin im wesentlichen eingewendet, daß ihr Gatte nach Österreich zurückgekehrt sei und seit 1. Juni 1994 wieder seine Pension beziehe, wodurch der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin wieder gesichert sei.
Erhebungen seitens der belangten Behörde hätten ergeben, daß sich der Ehegatte der Beschwerdeführerin seit seiner Wiedereinreise in das Bundesgebiet mit 15. Juni 1994 ohne Aufenthaltsberechtigung in Österreich aufhalte, wodurch die Auszahlung der Ausgleichszulage nicht gesichert sei. Die somit verbleibenden Unterhaltsmittel im Ausmaß von S 6.000,-- seien jedoch für eine zweiköpfige Familie nicht ausreichend, sodaß eine Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 AufG nicht erteilt werden könne.
Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin verfügt über kein eigenes Einkommen. Vielmehr gibt sie als Mittel zur Sicherung ihres Unterhaltes das Einkommen ihres Ehegatten an. Zu prüfen sind daher zunächst die Einkommensverhältnisse des Ehegatten der Beschwerdeführerin.
Die belangte Behörde geht von der gesicherten Auszahlung der Pension des Ehegatten der Beschwerdeführerin in Höhe von S 6.000,-- aus. Die darüber hinausgehende Ausgleichszulage sieht sie hingegen als nicht gesichert an.
Gemäß § 292 Abs. 1 ASVG steht einem Pensionsberechtigten, solange er sich im Inland aufhält, eine Ausgleichszulage zur Pension zu, sofern diese zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 293 ASVG) erreicht. Gemäß § 296 Abs. 1 ASVG gebührt die Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedes zwischen der Summe aus Pension, Nettoeinkommen und den gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträgen einerseits und dem Richtsatz (§ 293 ASVG) andererseits. Ein allfälliger Anspruch auf Ausgleichszulage ist bei der Prüfung der Frage, ob der Unterhalt des Fremden gesichert ist, zu berücksichtigen. Der Fremde hat, wenn er sich im Inland aufhält, einen Rechtsanspruch auf diese Leistung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0456, u.a.). Dabei bestimmt sich die Frage, ob sich jemand im Inland aufhält, allein nach seiner körperlichen Anwesenheit und nicht danach, ob sein Aufenthalt legal oder illegal im Sinne der fremdenrechtlichen Vorschriften ist. Ausgleichszulage steht daher für die gesamte Zeit der tatsächlichen Anwesenheit zu (vgl. das Urteil des OGH vom 23. November 1994, Zl. 10 ObS 176/94). Ein gegenwärtig bestehender Rechtsanspruch oder der gegenwärtige tatsächliche Zufluß von Mitteln ist aber nur dann geeignet, als zur Sicherung des Lebensunterhaltes hievon abhängiger Personen für den in der Zukunft liegenden Zeitraum der angestrebten Aufenthaltsbewilligung geeignet angesehen zu werden, wenn die Grundlage für den Rechtsanspruch oder Mittelzufluß (hier: weiterer Aufenthalt des Ehegatten der Beschwerdeführerin in Österreich) in Zukunft auch gegeben sein wird.
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß die Auszahlung der Ausgleichszulage nur dann zur Sicherung des Lebensunterhaltes geeignet ist, wenn der Berechtigte mit einem längeren legalen Aufenthalt im Bundesgebiet rechnen kann, was bei einem Aufenthalt ohne Aufenthaltsbewilligung nicht zutrifft, weil ein solcher Aufenthalt jederzeit durch fremdenpolizeiliche Maßnahmen oder durch freiwillige Ausreise zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes beendet werden könnte. Daher hat die belangte Behörde die "Auszahlung der Ausgleichszulage" zu Recht nicht als zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Dauer der beantragten Bewilligung geeignet angesehen.
Der belangten Behörde ist aber insofern ein Fehler unterlaufen, als sie die S 6.000,-- als nicht ausreichend für den Aufenthalt für eine zweiköpfige Familie angesehen hat. Denn im Sinne der obigen Ausführungen ist nicht vom weiteren Aufenthalt des Gatten der Beschwerdeführerin im Inland auszugehen. Ohne nähere Ermittlungen darüber, welcher Teil der S 6.000,-- der Beschwerdeführerin tatsächlich im Inland zur Verfügung stehe, wenn sich ihr Ehegatte nicht im Inland befinde, kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführerin hievon weniger verbleiben würde, als nach dem als Maßstab heranzuziehenden Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Wien (gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 LGBl. 1994/68 S 4.770,--) notwendig wäre, um den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin als gesichert erscheinen zu lassen.
Der belangten Behörde fällt des weiteren eine inhaltliche Rechtswidrigkeit zur Last.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 16. März 1995, B 2259/94, und vom 12. Juni 1995, B 1599/94, und anderen dargetan hat, ist die Behörde (auch) bei Anwendung der in § 5 Abs. 1 AufG besonders hervorgehobenen Versagungstatbestände der für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten ortsüblichen Unterkunft oder des nichtgesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen würde, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich beginnend mit dem Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0936, dieser Rechtsauffassung angeschlossen.
Diese im vorliegenden Fall gebotene Interessensabwägung hat die belangte Behörde nicht vorgenommen. Obwohl ihr nach Ausweis der Akten bekannt war, daß sich die Beschwerdeführerin während der letzten 25 Jahren zu wiederholten Malen und jeweils für längere Zeit auf Grund gültiger Aufenthaltsbewilligungen im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie daß sich neben dem Ehegatten der Beschwerdeführerin, mit dem die Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt lebt, drei Kinder des Ehepaares im Bundesgebiet aufhalten, hat sie es unterlassen, dies unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffes in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin durch die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung relevanten Umstände bei ihrer Entscheidung mitzuberücksichtigen.
Der Bescheid der belangten Behörde war daher wegen prävalierender inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190699.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
03.02.2009