TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/30 I406 2013737-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2021
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Entscheidungsdatum

30.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG 2005 §58 Abs8
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z3
AsylG-DV 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch


I406 2013737-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Dr. Vera WELD, Weihburggasse 4/40, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2020, Zl. XXXX zu Recht:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, stellte am 06.10.2014 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) vom 15.10.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt und gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde weiters festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria zulässig sei und dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2016, Zl. I411 2013737-1/14E als unbegründet abgewiesen.

2.       Am 06.12.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 24.01.2019 wies die belangte Behörde den Folgeantrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück. Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.02.2019, Zl. I404 2013737-2/5E als unbegründet abgewiesen.

3.       Die Beschwerdeführerin tauchte unter und verfügte zwischen 04.01.2019 und 11.06.2020 über keine behördliche Meldeadresse im Bundesgebiet.

4.       Am 10.06.2020 übermittelte sie dem BFA per E-Mail ihrer Rechtsvertretung einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005.

5.       Mit Verbesserungsantrag vom 02.07.2020 trug das BFA der Beschwerdeführerin auf, den Antrag vollständig ausgefüllt und mit einer schriftlichen Begründung persönlich beim BFA einzubringen und sämtliche Dokumente und Unterlagen sowohl im Original als auch in Kopie und im Falle von fremdsprachlichen Dokumenten mit einer beglaubigten Übersetzung vorzulegen. Es erging der Hinweis, dass dem Antrag gemäß § 8 Abs. 1 AsylG-DV auch ein originaler Reisepass und eine originale Geburtsurkunde beizulegen seien. Die Beschwerdeführerin wurde für den 09.07.2020 zur persönlichen Einbringung des Antrags geladen.

6.       Am 09.07.2020 brachte die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK persönlich bei der belangten Behörde ein und legte ihrem Antrag einen Staatsbürgerschaftsnachweis, ausgestellt von der nigerianischen Vertretungsbehörde in Wien, bei. Eine schriftliche Antragsbegründung, ein gültiges Reisedokument oder eine Geburtsurkunde wurden nicht vorgelegt.

7.       Am 16.07.2020 legte die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung zu ihrem Antrag eine Versicherungsbestätigung der SVS vom 10.07.2020 sowie eine Anmeldebestätigung für eine Integrationsprüfung Niveau A2 am 10.09.2020 vor.

8.       Am 22.07.2020 wurde die Beschwerdeführerin in Anwesenheit ihrer rechtlichen Vertretung durch das BFA zu ihrem Antrag niederschriftlich einvernommen. Sie legte verschiedene Unterlagen zu ihrem Privat- und Familienleben vor, aber kein Reisedokument.

9.       Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 25.08.2020, Zl. XXXX , wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 AsylG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gegen die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 55 Abs. 4 FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen sie ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).

Begründet wurde dies damit, dass die Beschwerdeführerin kein gültiges Reisedokument vorgelegt und auch keinen Antrag auf Mängelheilung nach der Asylgesetz-Durchführungsverordnung gestellt habe. Darüber hinaus sei dem Antrag auch keine schriftliche Begründung beigeschlossen gewesen.

10.      Mit Schriftsatz vom 23.09.2020 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Darin machte sie zusammengefasst geltend, dass eine Belehrung durch die belangte Behörde, wonach ihr Antrag mangels Vorlage eines Reisedokumentes oder einer schriftlichen Begründung zurückzuweisen wäre, nicht erfolgt sei. Auch über die Möglichkeit der Stellung eines Mängelheilungsantrages sei die Beschwerdeführerin nicht belehrt worden.

11.      Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 05.10.2020 vom BFA zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist volljährig, ledig und Staatsangehörige Nigerias. Ihre Identität steht nicht fest.

Sie hält sich seit mindestens 06.10.2014 im österreichischen Bundesgebiet auf und stellte insgesamt zwei Anträge auf internationalen Schutz.

Ihr erster Antrag auf internationalen Schutz vom 15.10.2014 wurde mit Bescheid des BFA vom 24.01.2019 abgewiesen und die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2016, Zl. I411 2013737-1/14E, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Ihr Folgeantrag vom 06.12.2018 wurde mit Bescheid des BFA vom 24.01.2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und diese Entscheidung mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.02.2019, Zl. I404 2013737-2/5E, bestätigt.

Die Beschwerdeführerin kam ihrer daraus erwachsenen Verpflichtung zur Ausreise nicht nach und tauchte unter. Von 04.01.2019 bis 11.06.2020 verfügte sie über keine behördliche Meldeadresse im Bundesgebiet.

Am 10.06.2020 stellte die Beschwerdeführerin einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG.

Ihrem Antrag legte sie keine schriftliche Begründung bei.

Die Beschwerdeführerin legte bislang weder einen Reisepass noch eine Geburtsurkunde vor, sondern lediglich einen ihr am 03.06.2020 von der nigerianischen Botschaft in Wien ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweis. Sie stellte auch keinen Antrag auf Mängelheilung nach § 4 Abs. 1 Z. 3 und § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG-DV.

Allerdings hat das BFA die Beschwerdeführerin nicht über die Rechtsfolgen und die Möglichkeit der Stellung eines Antrages auf Mängelheilung belehrt.

Ein der Beschwerdeführerin am 02.07.2020 übermittelter Verbesserungsauftrag ist folgendermaßen formuliert:

„(…) Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , teilt zu obigem Betreff mit, dass nach Durchsicht Ihres Antrags folgende Mängel festgestellt wurden:

- Ihr Antrag ist persönlich beim Bundesamt einzubringen.

- Der Antrag ist vollständig ausgefüllt mit einer schriftlichen Begründung einzubringen.

- Sämtliche Dokumente und Unterlagen sind sowohl im Original als auch in Kopie und im Falle von fremdsprachlichen Dokumenten oder Unterlagen mit einer beglaubigten Übersetzung vorzulegen.

Gemäß 8, Abs. 1 AsylG-DV sind dem Antrag auch folgende Unterlagen beizulegen:

- ein originaler Reisepass und

- eine originale Geburtsurkunde

Zur persönlichen Einbringung des Antrags sowie der ausständigen Unterlagen bzw. Dokumente wird Ihnen als Termin der 9.7.2020 eingeräumt, widrigenfalls Ihr Antrag gem. § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV anhand der Aktenlage negativ zu entscheiden wäre. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht. (…)“

Bei der am 22.07.2020 von 09:00 bis 11:25 Uhr durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA wurde die Beschwerdeführerin zwar nach den Gründen für die Nichtvorlage eines originalen Reisepasses befragt, nicht aber darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Antrag aus diesem Grund zurückzuweisen. Es erfolgte neuerlich kein Hinweis auf die Möglichkeit der Stellung eines Antrages auf Mängelheilung. Auch wurde die Beschwerdeführerin nicht aufgefordert, eine schriftliche Begründung ihres Antrages vorzulegen. Stattdessen wurde sie eingehend zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich befragt und darauf hingewiesen, dass sie am Schluss der Einvernahme die Möglichkeit habe, sich kurz zu äußern und Anträge zu stellen und dass umfangreiche Vorbringen schriftlich eingebracht werden können (AS 188).

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben der Beschwerdeführerin vor dieser, in den bekämpften Bescheid und den Beschwerdeschriftsatz.

Auszüge aus dem zentralen Melderegister und dem zentralen Fremdenregister wurden ergänzend eingeholt.

Die Identität der Beschwerdeführerin steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.

Die Feststellungen zu ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Volljährigkeit und ihrem Familienstand ergeben sich aus den glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin gegenüber der belangten Behörde und in den beiden rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren.

Die Feststellungen zu ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet, ihren negativ entschiedenen Asylverfahren, dem vorübergehenden Nichtvorliegen einer behördlichen Meldeadresse und dem am 10.06.2020 gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ergeben sich aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten sowie den zusätzlich eingeholten Auszügen aus dem zentralen Melderegister und dem zentralen Fremdenregister.

Dass die Beschwerdeführerin keine Geburtsurkunde und auch keinen Reisepass vorgelegt hat ergibt sich aus dem Akteninhalt und den diesbezüglich unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid.

Ebenso aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Verbesserungsauftrag des BFA vom 02.07.2020 (AS 81-82) und dem Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme am 22.07.2020 (AS 187-197) ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin nicht darüber belehrt wurde, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag aufgrund der Nichtvorlage eines Reisepasses bzw. einer Geburtsurkunde sowie einer schriftlichen Begründung ihres Antrages zurückzuweisen und dass sie einen Mängelheilungsantrag nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV stellen könne.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

3.2 Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben ist.

Zu A)

3.3 Rechtslage:

Gemäß § 55 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 leg.cit eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 58 Abs. 8 AsylG hat das Bundesamt im verfahrensabschließenden Bescheid darüber abzusprechen, wenn ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen wird.

Gemäß § 58 Abs. 11 AsylG ist für den Fall, dass der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nachkommt, das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs 4) ohne weiteres einzustellen (Z 1) oder der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen (Z 2). Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Gemäß § 8 Abs. 1 der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 sind folgende Urkunden und Nachweise dem Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigung „besonderer Schutz“ anzuschließen: 1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG); 2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument; 3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5; 4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

Gemäß § 4 Abs. 1 der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen: 1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls, 2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder 3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war. Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 4 Abs. 2 der AsylG-DV darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

3.4 Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:

Die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin legte die erforderlichen Dokumente nicht vor und stellte auch keinen Antrag auf Mängelheilung; dies wäre nach § 4 der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 möglich. Allerdings wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht über die Rechtsfolge des § 58 Abs. 11 Z. 2 AsylG 2005 belehrt, obwohl dies laut Gesetz vorgeschrieben ist.

Auch nach höchstgerichtlicher Judikatur (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.03.2020, Ra 2019/21/0214, vom 15.09.2016, Ra 2016/21/0206 bzw. Ra 2016/21/0187, vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0039 und vom 14.04.2016, Ra 2016/21/0077) rechtfertigt die Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments bei Unterbleiben eine Antragstellung nach § 4 Abs. 1 Z 3 und § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG-DV grundsätzlich eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte zurückweisende Entscheidung. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass die Nichtvorlage eines gültigen Reisepasses grundsätzlich, wenn es nicht zu einer Heilung nach § 4 AsylG-DV 2005 zu kommen hat, eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte Zurückweisung rechtfertigt (vgl. VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0103, mwN). Eine inhaltliche Prüfung des Antrages ist unter solchen Umständen mangels Zulässigkeit desselben nicht vorzunehmen.

Aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin aber nicht, wie in § 58 Abs. 11 letzter Satz AsylG 2005 vorgeschrieben, darüber belehrt wurde, dass bei Nichtvorlage der Dokumente eine Zurückweisung des Antrages erfolgen könne, hätte der Antrag nicht zurückgewiesen werden dürfen und war daher Spruchpunkt I. zu beheben.

Nachdem die übrigen Spruchpunkte auf Spruchpunkt I. aufbauen, waren auch diese zu beheben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf ein Verwaltungsgericht auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Beschwerde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden. (vgl. dazu etwa VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 29.04.2015, Zl. 2013/08/013627.01.2010).

"Sache" im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall die nur die formell-rechtliche Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK vom 11.06.2019 durch das BFA (vgl. VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 18.12.2014, Zl. Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Zl. Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Zl. Ra 2015/22/0082 bis 0084).

Damit kommt eine materiell-rechtliche Entscheidung von Vornherein nicht in Betracht bzw. ist es dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, „in der Sache selbst“ zu entscheiden. Da das Bundesverwaltungsgericht nicht über die Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 inhaltlich entscheiden kann, ohne dadurch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu überschreiten, war daher nur die ersatzlose Behebung des Bescheides des Bundesamtes möglich (vgl. etwa VwGH 17.11.2016, Zl. Ra 2016/21/0314).

Durch die gegenständliche ersatzlose Behebung des bekämpften Bescheides gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG tritt die „Ausnahmesituation“ ein, dass der zugrunde liegende Antrag wieder unerledigt ist. Die belangte Behörde wird daher zu prüfen haben, ob bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vorliegen oder nicht, bzw. ob die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen, etwa jene des § 58 Abs. 10 AsylG, gegeben sind.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltstitel Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Kassation Mängelheilung Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Nachweismangel Reisedokument Rückkehrentscheidung Rückkehrentscheidung behoben Vorlagepflicht Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I406.2013737.3.00

Im RIS seit

21.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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