TE Bvwg Beschluss 2021/9/15 I419 2245488-1

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Veröffentlicht am 15.09.2021
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Entscheidungsdatum

15.09.2021

Norm

AlVG §11
AVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §17

Spruch


I419 2245488-1/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS Innsbruck vom 16.06.2021, Zl. XXXX :

A) Das Verfahren wird gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren XXXX des LG Innsbruck ausgesetzt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text



Begründung:

I. Verfahrensgang:

Mit dem bekämpften Bescheid sprach das AMS aus, dass dem Beschwerdeführer von 08.06. bis 05.07.2021 kein Arbeitslosengeld zustehe, da dieser das Enden seines Dienstverhältnisses durch seine Entlassung selbst verschuldet habe.

Beschwerdehalber wird vorgebracht, das sei unrichtig, zumal der Beschwerdeführer nach einer Impfung erkrankt sei und deshalb beim Arbeits- und Sozialgericht eine Klage wegen der Entlassung eingebracht habe.

Das AMS legte die Beschwerde mit der Stellungnahme vor, dass das arbeitsgerichtliche Verfahren anhängig sei. Für die Entscheidung des Verwaltungsverfahrens komme es aber darauf an, warum das Beschäftigungsverhältnis geendet habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der Verfahrensgang wird festgestellt, wie eben in I wiedergegeben. Ferner wird festgestellt:

1.2 Der Beschwerdeführer wurde von seiner Arbeitgeberin S. KG entlassen, wobei nicht feststeht, ob ihn daran ein Verschulden trifft. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Entlassung ist Gegenstand des im Spruch genannten Verfahrens, das beim LG Innsbruck anhängig ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Der offene Verfahrensausgang beim Arbeits- und Sozialgericht bewirkt, dass nicht feststeht, ob den Beschwerdeführer am Enden des Dienstverhältnisses ein Verschulden trifft.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Aussetzung:

3.1 Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes-oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer regionalen Geschäftsstelle des AMS das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören. Der Vorsitzende leitet nach § 9 Abs. 1 BVwGG die Geschäfte des Senates und fasst nach der Rechtsprechung als Einzelrichter die im Verfahren vor einer Verhandlung erforderlichen und der Entscheidung in der Hauptsache vorangehenden Beschlüsse. (VwGH 25.04.2019, Ro 2018/09/0010 mwN) Davon sind nicht-verfahrensleitende Beschlüsse insoweit umfasst, als sie nicht verfahrensbeendend sind. (Fister/Fuchs/Sachs Verwaltungsgerichtsverfahren [2018] § 9 BVwGG Anm. 3)

Da ein Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens nicht verfahrensbeendend ist, sondern das Verfahren nur unterbricht, und eine Entscheidung im Sinn des § 56 Abs. 2 AlVG über die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS gerade nicht vorliegt, liegt die Zuständigkeit für einen solchen Beschluss beim Senatsvorsitzenden als Einzelrichter.

3.2 Nach § 38 AVG ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

In § 17 VwGVG ist angeordnet, dass im Verfahren über Bescheidbeschwerden (unter anderem auch) § 38 AVG anzuwenden ist.

Arbeitslose, deren Dienstverhältnis in Folge eigenen Verschuldens beendet worden ist oder die ihr Dienstverhältnis freiwillig gelöst haben, erhalten gemäß § 11 Abs. 1 AlVG für vier Wochen ab Beendigung des Dienstverhältnisses an, kein Arbeitslosengeld.

Dementsprechend ist der Grund der Entlassung und damit die Frage des Vorliegens eines Verschuldens des Beschwerdeführers am Enden des Dienstverhältnisses eine Vorfrage, und diese ist Gegenstand eines anhängigen Verfahrens im Sinne des § 38 AVG beim (sachlich zuständigen) Arbeits- und Sozialgericht.

3.3 Im Fall der Anhängigkeit eines Verfahrens über die Vorfrage steht es nach der Rechtsprechung im Ermessen der Behörde, das Verfahren zu unterbrechen oder selbst die Vorfrage zu beurteilen. § 38 AVG regelt nicht im Einzelnen, unter welchen Voraussetzungen die Behörde die Vorfrage selbst zu beurteilen hat oder von der Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens Gebrauch machen kann. Sie ist aber dennoch nicht völlig ungebunden. Die Überlegungen, von denen sie sich im Sinne des Gesetzes leiten lassen muss, sind vornehmlich solche der Verfahrensökonomie, wie möglichste Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis, der Erzielung möglichst richtiger und einheitlicher Entscheidungen samt Vermeidung von Wiederaufnahmen, demgegenüber möglichst rasche Beendigung des Verfahrens. Der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie könnte dann nicht als vorrangig angesehen werden, wenn die Behörde ohne weiteres Ermittlungsverfahren zur selbstständigen Beurteilung der Vorfrage in der Lage gewesen wäre. (VwGH 18.11.2014, Ro 2014/05/0010 mwN)

Da fallbezogen das Vorliegen eines Verschuldens strittig und aus dem Akt nicht ersichtlich ist, warum das Dienstverhältnis endete, kann die Vorfrage nicht ohne weiteres Ermittlungsverfahren durch das Verwaltungsgericht geklärt werden.

Im Sinne der Verwaltungsökonomie, speziell der Einfachheit und Kostenersparnis sowie der Vermeidung einer möglichen Wiederaufnahme, war demnach die Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens bis zum Abschluss des im Spruch genannten Arbeitsgerichtsverfahrens zu beschließen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Aussetzung oder zur Zuständigkeit des Senatsvorsitzenden. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr macht das Bundesverwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 38 AVG gemäß der zitierten Rechtsprechung Gebrauch.

Schlagworte

Aussetzung Verschulden Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I419.2245488.1.00

Im RIS seit

21.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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