TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/19 95/19/0742

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Veröffentlicht am 19.12.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §45 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juli 1995, Zl. 111.872/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juli 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die belangte Behörde führte aus, die Behörde erster Instanz habe diesen Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß der vom Gesetz verlangte gesicherte Unterhalt nicht gegeben sei, weil die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel im Durchschnitt von S 4.440,37 für den dauernden Aufenthalt nicht ausreichten. Dabei habe die Behörde den Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Wien zu berücksichtigen und als Berechnungsgrundlage heranzuziehen gehabt. Gegen diese Beurteilung habe der Beschwerdeführer im wesentlichen eingewendet, daß sein Unterhalt ausreichend sei. Diese Einwendungen könnten allerdings nicht belegen, aus welchen Gründen die Ermessensausübung der Behörde bei der Beurteilung des gesicherten Lebensunterhaltes gesetzwidrig gewesen wäre. Der Beschwerdeführer sei somit seiner Pflicht, am Verfahren entsprechend mitzuwirken, nicht ausreichend nachgekommen. Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Sei der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so dürfe gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt in seiner Beschwerde an den Gerichtshof mangelndes Parteiengehör und bringt vor, sein Einkommen reiche zur Deckung des Lebensunterhaltes aus. Dies hätte er auch schon im Verfahren nachgewiesen, sodaß er seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen sei. Weiters hätte die belangte Behörde keine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK vorgenommen.

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden u.a. eine Aufenthaltsbewilligung dann nicht erteilt werden, wenn deren Lebensunterhalt in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

Bei Zugrundelegung des Sozialhilferichtsatzes für Wien (Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe LGBl. Nr. 11/1973 i. d.F. LGBl. Nr. 68/1994), dessen Heranziehung als Maßstab für die Beurteilung der Frage des nicht gesicherten Unterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG keinen Bedenken begegnet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/0668), ergibt sich als Orientierungswert ein Monatsbedarf zur Deckung des Lebensunterhaltes von S 4.770,-- für den Alleinunterstützten. Dem steht das Einkommen des Beschwerdeführers in der Höhe von S 4.400,-- gegenüber, welches den Monatsbedarf nicht ausreichend decken kann.

In ihrer Begründung schreibt die belangte Behörde zwar die (an sich richtige) Unterhaltsberechnung fälschlich der Behörde erster Instanz zu, obwohl sie diese selbst durchführte. Dies vermag jedoch den Bescheid angesichts der eigenen Angaben des Beschwerdeführers, die zum durchschnittlichen Monatseinkommen von S 4.400,-- führen, nicht mit Rechtswidrigkeit zu belasten.

Ebensowenig fällt der belangten Behörde eine Verletzung des Parteiengehörs zur Last.

Sie hat ihre Feststellungen lediglich auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren gegründet. Für die Behörde besteht keine Veranlassung, die Partei zu Sachverhaltselementen, die diese selbst geliefert hat, nochmals zu hören (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1996, Zl. 95/19/0591). Der Beschwerdeführer hat jedoch keine anderen - höheren - Einkünfte bekanntgegeben, als jene, aufgrund derer die belangte Behörde ihre Unterhaltsberechnung durchführte (Verwaltungsakt Seite 20).

Die nunmehr mit der Beschwerde vorgelegte Lohnabrechnung der Firma A stellt eine im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung dar.

Das Vorbringen hingegen, die belangte Behörde habe keine Interessensabwägung im Sinn des Art. 8 Abs. 2 MRK vorgenommen, verhilft der Beschwerde zum Erfolg.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 16. März 1995, B 2259/94, und vom 12. Juni 1995, B 1599/94 u. a., dargetan hat, ist die Behörde auch bei Anwendung der in § 5 Abs. 1 AufG besonders hervorgehobenen Versagungstatbestände der für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten ortsüblichen Unterkunft und des nicht gesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen würde, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Rechtsauffassung erstmals mit dem Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0936, angeschlossen.

Diese im vorliegenden Fall gebotene Interessensabwägung hat die belangte Behörde nicht vorgenommen. Obwohl ihr nach Ausweis der Akten bekannt war, daß sich der Beschwerdeführer seit 29. August 1989 praktisch durchgehend legal in Österreich aufhält, hat sie es unterlassen, diesen unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung relevanten Umstand bei ihrer Entscheidung mitzuberücksichtigen. Da die belangte Behörde nach dem Gesagten die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190742.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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