TE Vwgh Beschluss 2021/9/29 Ra 2021/08/0093

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Veröffentlicht am 29.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

AlVG 1977 §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der F P in L, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Oliver Storch, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Bürgerstraße 62, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2021, Zl. L517 2241619-1/4E, betreffend Verlust der Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) aus, dass die Revisionswerberin ihren Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für den Zeitraum von 1. März 2021 bis 11. April 2021 verloren habe. Sie habe es verabsäumt, nach dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit mit 28. Februar 2021 unverzüglich den potentiellen Dienstgeber eines angebotenen Beschäftigungsverhältnisses als Erntehelferin von der Möglichkeit des Arbeitsantritts zu informieren, und damit das Zustandekommen einer ihr zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung vereitelt.

5        Das BVwG sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Die Revision erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zunächst darin, dass das BVwG - im Sinne einer „krassen Fehlbeurteilung“ - zu Unrecht den Vorsatz der Revisionswerberin zur Vereitelung des Zustandekommens der Beschäftigung angenommen habe. Die Revisionswerberin habe den ursprünglich für 24. Februar 2021 geplanten Arbeitsantritt als Erntehelferin wegen eines Krankenstandes (23. Februar 2021 bis 28. Februar 2021) nicht wahrnehmen können und dies dem potentiellen Dienstgeber auch mitgeteilt. Eine Kontaktaufnahme mit diesem unmittelbar nach dem Ende des Krankenstandes sei ihr überhaupt nicht als indiziert erschienen, zumal die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde sie bereits mit Nachricht vom 23. Februar 2021 aufgefordert hätte, sich zum Vorwurf, sie habe das Arbeitsverhältnis als Erntehelferin abgelehnt, bis zum 9. März 2021 zu äußern. Tatsächlich habe sich die Revisionswerberin am 5. März 2021 an den potentiellen Dienstgeber gewendet.

7        Damit wendet sich die Revision erkennbar gegen die vom BVwG vorgenommene Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 1.7.2021, Ra 2021/08/0066). Das BVwG hielt fest, dass die Vorgangsweise der Revisionswerberin in einer Gesamtschau (unter Einbeziehung eines E-Mail-Verkehrs mit dem potentiellen Dienstgeber insbesondere am 22. und 23. Februar 2021, im Zuge dessen sie etwa darauf hingewiesen habe, dass sie jede Woche Vorstellungsgespräche für andere Jobs haben werde) in erster Linie darauf ausgerichtet gewesen sei, die angebotene Stelle nicht anzutreten. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme des BVwG, mit der unterlassenen Rückmeldung an den potentiellen Dienstgeber unmittelbar nach dem Krankenstand - im Wissen, dass aufgrund des E-Mail-Verkehrs eine solche erwartet worden sei - habe die Revisionswerberin jedenfalls in Kauf genommen, dass das Dienstverhältnis nicht zustande kommen würde, nicht unvertretbar.

8        Überdies sieht die Revision eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das BVwG zu Unrecht festgestellt hätte, dass eine Vollzeitbeschäftigung angeboten worden sei. Der Revisionswerberin sei „über das AMS“ zwar zunächst tatsächlich eine Vollzeitbeschäftigung als Erntehelferin angeboten worden; der Arbeitsvertrag, den ihr der potentielle Dienstgeber schließlich zur Unterschrift vorgelegt hätte, habe jedoch lediglich 20 Wochenstunden vorgesehen. Bei Berücksichtigung dieses Umstandes wäre die Zumutbarkeit der angebotenen Stelle im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG wegen der langen Wegzeit für Hin- und Rückweg nicht gegeben gewesen.

9        Auf den behaupteten Feststellungsmangel kommt es vorliegend jedoch nicht an, weil das BVwG die Zumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung gemäß § 9 Abs. 2 AlVG („ ... wenn sie ... in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht ...“) schon deshalb angenommen hat, weil der potentielle Dienstgeber bei Bedarf ein Quartier zur Verfügung gestellt hätte; die Revision tritt dem nicht entgegen.

10       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021080093.L00

Im RIS seit

21.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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