Index
L82005 Bauordnung SalzburgNorm
BauPolG Slbg 1997 §16 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, in der Revisionssache 1. der V S und 2. des M M, beide in S und vertreten durch die Stolz & Weiglhofer-Russegger Rechtsanwälte GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 12. März 2018, 405-3/332/1/5-2018, betreffend eine Baueinstellung nach dem Salzburger Baupolizeigesetz 1997 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde St. Margarethen im Lungau; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Margarethen im Lungau (im Folgenden: Bürgermeister) vom 20. März 2017 wurde das hier gegenständliche Grundstück Nr. X, KG S., zum Bauplatz erklärt und festgelegt, dass unter anderem die in der Verhandlung vom 9. März 2017 festgesetzten Bebauungsgrundlagen einzuhalten bzw. zu erfüllen sind. Unter den Bebauungsgrundlagen wurde unter anderem festgelegt, dass das Dach entsprechend der ortsüblichen Bauweise als Steildach mit einer Neigung von 36 bis 45 % und mittel-dunkelgrauer oder dunkelbrauner Eindeckung auszuführen und beim Hauptgebäude ein Schopfwalm auszubilden ist.
2 Ferner erteilte der Bürgermeister mit weiterem Bescheid vom 20. März 2017 den revisionswerbenden Parteien die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage auf dem genannten Grundstück, unter Zugrundelegung eines näher bezeichneten Einreichplanes vom 10. März 2017 (Austauschplan zum Einreichplan vom 20. Februar 2017) und unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen. In der der Baubewilligung zugrunde liegenden Einreichplanung vom 10. März 2017 ist in der Baubeschreibung unter „10.4 Dachstuhl“ angegeben, dass ein „zimmermannsmäßig abgebundener Sicht-Pfettendachstuhl mit Aufsparrendämmung, als Krüppelwalmdach ausgeführt“ vorgesehen ist. Nach den Ansichten des Einreichplans weist das Hauptgebäude ein Satteldach mit Schopfwalm in den Giebelbereichen im Südosten und im Nordwesten auf; die beiden Schopfwalme im Südosten und im Nordwesten sind laut Einreichplanung so ausgestaltet, dass sie bis zu den beiden Mittelpfetten des Dachstuhles herabreichen.
3 In der Folge wurde jedoch kein Schopfwalm, wie in der der Baubewilligung zugrunde liegenden Einreichplanung vorgesehen, ausgeführt, sondern ein „normales“ Satteldach (ohne Schopfwalm) errichtet.
4 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Margarethen im Lungau vom 11. August 2017 wurde gemäß § 16 Salzburger Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG) gegenüber den revisionswerbenden Parteien die Einstellung der Bauführung zur Errichtung eines Wohnhauses mit Garage auf Grundstück Nr. X ausgesprochen.
5 Die gegen diesen Bescheid von den revisionswerbenden Parteien erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde St. Margarethen im Lungau vom 28. November 2017 als unbegründet abgewiesen.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg wurde die gegen den Berufungsbescheid erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt.
7 In seiner rechtlichen Begründung führte das LVwG im Wesentlichen aus, nach § 16 Abs. 1 zweiter Satz BauPolG sei eine Abweichung vom Inhalt der Bewilligung jedenfalls dann nicht mehr als geringfügig anzusehen, wenn hiedurch die in den raumordnungs- oder baurechtlichen Vorschriften enthaltenen Bestimmungen verletzt würden oder für die Änderung selbst eine Bewilligungspflicht bestehe.
8 Abweichend von den der rechtskräftigen Baubewilligung zugrunde liegenden Einreichplänen vom 10. März 2017, die die Ausführung eines Satteldaches mit Schopfwalm vorsähen, hätten die revisionswerbenden Parteien das Satteldach beim Gebäude ohne Schopfwalm hergestellt. Damit wichen die revisionswerbenden Parteien vom Inhalt der Baubewilligung ab.
9 Die Abweichung könne auch nicht als geringfügig qualifiziert werden. In der rechtskräftigen Bauplatzerklärung sei explizit als Bebauungsgrundlage vorgesehen, dass beim Hauptgebäude ein Schopfwalm auszubilden sei. In Anbetracht dessen hätten die revisionswerbenden Parteien auch ihre ursprüngliche Einreichplanung vom 20. Februar 2017, die das Dach als Satteldach ohne Schopfwalm vorgesehen habe, durch eine Austauschplanung vom 10. März 2017 ersetzt, die - der Bauplatzerklärung entsprechend - ein Satteldach mit Schopfwalm beim Hauptgebäude vorsehe. Angesichts des rechtskräftigen Bauplatzerklärungsbescheides als Bebauungsgrundlage und der rechtskräftigen, einen Schopfwalm vorsehenden Baubewilligung stelle die Ausführung eines „normalen“ Satteldaches ohne Schopfwalm keine geringfügige Abweichung vom Inhalt der Baubewilligung im Sinne des § 16 Abs. 1 erster Satz BauPolG dar.
10 Im Hinblick darauf, dass ein Bauvorhaben grundsätzlich ein unteilbares Ganzes sei (Verweis auf VwGH 22.1.2015, Ra 2014/06/0055), sei es nicht rechtswidrig, dass die Baueinstellung für das gesamte Bauvorhaben ausgesprochen worden sei, selbst wenn auch nur beim Dach des Gebäudes die beiden Schopfwalme nicht ausgeführt worden seien.
11 Da gegenständlich eine Trennbarkeit des Daches vom übrigen Bau - im Unterschied etwa zu dem, dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1990, 88/06/0218, zugrunde liegenden Sachverhalt - unzweifelhaft nicht anzunehmen sei, sei es nicht als rechtswidrig zu erkennen, das gesamte Bauvorhaben einzustellen.
12 Das LVwG ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, es sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „noch nicht abschließend geklärt (vgl. auch 2001/06/0108), ob mit einer Baueinstellung nach § 16 Abs. 1 BauPolG das gesamte Bauvorhaben eingestellt werden kann, wenn - wie vorliegend - eine (nicht als geringfügig zu qualifizierende) Abweichung in der Ausführung vom Baukonsens nur einen räumlich doch durchaus abgrenzbaren Bereich des Baues (Schopfwalme beim Dach und oberer Giebelbereich bei den Fronten) betrifft“. Es stelle sich die Rechtsfrage, ob eine Baueinstellung nach § 16 Abs. 1 BauPolG zulässigerweise das gesamte Bauvorhaben umfassen könne, auch wenn die (nicht geringfügigen) Abweichungen nur einzelne Bauteile dieses Bauvorhabens beträfen.
13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
14 Angemerkt wird, dass ein von den revisionswerbenden Parteien am 11. August 2017 gestellter Antrag auf nachträgliche Bewilligung von Änderungen im Spitzbodenbereich, wobei kein Schopfwalm geplant wäre, ebenso abgewiesen wurde wie die dagegen erhobene Beschwerde. Die gegen das dazu ergangene Erkenntnis des LVwG vom 5. September 2018 erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juni 2021, Ra 2018/06/0255, zurückgewiesen.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Auch in einer ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen, wenn die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für die Beurteilung deren Zulässigkeit nicht ausreicht oder der Revisionswerber andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben erachtet (vgl. VwGH 13.1.2021, Ro 2020/06/0093, mwN).
19 In ihrer Zulässigkeitsbegründung schlossen sich die revisionswerbenden Parteien zunächst der vom LVwG für die Zulassung der ordentlichen Revision formulierten Rechtsfrage an. Es sei in der Tat die Rechtsfrage gegeben, ob eine Baueinstellung nach § 16 Abs. 1 BauPolG zulässigerweise das gesamte Bauvorhaben umfassen könne, auch wenn die Abweichungen nur einzelne Bauteile dieses Bauvorhabens beträfen.
20 Die Anordnung der Einstellung eines Baues auch hinsichtlich bewilligter Baumaßnahmen ist nach der hg. Rechtsprechung dann zulässig, wenn von einem untrennbaren Zusammenhang auszugehen ist (VwGH 23.1.1990, 88/06/0218; 4.4.2003, 2001/06/0108, beide zur Steiermark ergangen). Auch § 16 Abs. 1 und 2 Sbg BauPolG sieht nur die Einstellung der Ausführung der baulichen Maßnahmen vor, wenn die Ausführung abweichend von der Baubewilligung erfolgt. Insofern zeigt auch der Hinweis in der Revision, dass noch ein Rückbau des Daches möglich sei, nicht auf, welche grundsätzliche Rechtsfrage in diesem Zusammenhang zu entscheiden wäre.
21 Auf dem Boden der zitierten Judikatur kann die Beurteilung, ob eine Baueinstellung (hier: nach § 16 Abs. 1 BauPolG) zulässigerweise das gesamte Bauvorhaben umfassen kann, auch wenn die (nicht geringfügigen) Abweichungen nur einzelne Bauteile dieses Bauvorhabens betreffen, nur in jedem Einzelfall erfolgen. Fragen, die nur den Einzelfall betreffen, berühren keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung würde nur dann vorliegen, wenn die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre bzw. wenn eine krasse Fehlbeurteilung im Sinne eines Missbrauches oder eines Überschreitens des eingeräumten Ermessens vorläge (VwGH 23.7.2021, Ra 2020/06/0047, mwN).
22 Weshalb die Beurteilung des LVwG, dass im vorliegenden Fall eine Trennbarkeit des Daches vom übrigen Bau unzweifelhaft nicht anzunehmen und deshalb die Einstellung des gesamten Bauvorhabens nicht rechtswidrig gewesen sei, im gegenständlichen Fall unzutreffend sein sollte, legen die revisionswerbenden Parteien nicht dar. Sie bringen auch nicht vor, dass das gesamte, hier gegenständliche Bauvorhaben (im Sinne der zitierten Judikatur) auf keinem einheitlichen Bauwillen beruhe.
23 Vor diesem Hintergrund liegt hinsichtlich der in Rede stehenden Frage keine die Rechtssicherheit beeinträchtigende, unvertretbare Beurteilung des LVwG vor.
24 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit ferner vorgebracht, es sei die Rechtsfrage offen, „ob und inwieweit es zulässig ist, dass Bebauungsvorschriften zur Bebauungsgrundlage zu Unrecht in Bauplatzerklärungen einfließen, und diese dann verbindlich festgelegt werden dürfen, wenn ein Bebauungsplan vorliegt und die (neue) Bebauungsgrundlage von diesem abweicht“.
25 Diesem Vorbringen kommt angesichts der (unstrittigen) Rechtskraft des Bauplatzerklärungsbescheides vorliegend keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. dazu auch VwGH 2.6.2021, Ra 2018/06/0255).
26 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 30. September 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2018060013.J00Im RIS seit
21.10.2021Zuletzt aktualisiert am
21.10.2021