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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache des W K in I, vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in 6500 Landeck, Bruggfeldstraße 5, gegen die Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 12. Juli 2021, LVwG-2018/32/2680-49, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung eines Antrages auf Erkenntnisausfertigung in einem Bauverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadtgemeinde Imst; mitbeteiligte Partei: R GmbH in I, vertreten durch Dr. Ulrich Gstrein, Rechtsanwalt in 6460 Imst, Dr. Carl-Pfeiffenberger-Straße 12; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit den angefochtenen Beschlüssen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (in der Folge: LVwG) wurde ein Antrag des Revisionswerbers vom 24. September 2019 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beantragung der schriftlichen Ausfertigung eines im Anschluss an die mündliche Verhandlung in einem Bauverfahren am 29. Juli 2019 verkündeten Erkenntnisses als unbegründet abgewiesen (1.) und ein Antrag auf Ausfertigung des genannten Erkenntnisses als verspätet zurückgewiesen (2.). Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass dagegen eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (3.).
5 Begründend führte das LVwG dazu zusammengefasst aus, die zweiwöchige Frist, eine schriftliche Ausfertigung des in Rede stehenden Erkenntnisses zu verlangen, habe am 2. August 2019 zu laufen begonnen (wird näher ausgeführt). Ein näher bezeichnetes, mit 13. August 2019 datiertes Schreiben des Revisionswerbers sei nicht als gültiger Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses anzusehen. Der Revisionswerber sei sowohl mündlich in der durchgeführten Verhandlung, als auch schriftlich (mit Schreiben des LVwG vom 31. Juli 2019, welches ihm am 2. August 2019 im Wege der Ersatzzustellung zugestellt worden sei) auf die 2-wöchige Frist zur Beantragung einer schriftlichen Ausfertigung hingewiesen worden. Mangels aufmerksamer Lektüre des verwaltungsgerichtlichen Schreibens vom 31. Juli 2019 könne ein minderer Grad des Versehens im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Antragstellung auf Ausfertigung nicht erkannt werden; eine kurz gefasste Antragstellung hätte ausgereicht. Im Hinblick auf den weiters vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund der mangelnden Dispositionsfähigkeit zur Wahrung der Frist (der Revisionswerber sei am 14. August 2019 mit seinem Fahrzeug an eine Betonmauer angefahren, laut Anzeige der Polizeiinspektion I sei ihm nach seinen eigenen Angaben dabei nichts passiert) führte das LVwG aus, eine körperliche Beeinträchtigung, die dazu geführt hätte, dass er selbst nicht tätig werden hätte können oder nicht jemanden beauftragen hätte können, den Ausfertigungsantrag zu stellen, sei daraus nicht abzuleiten. Im Übrigen hätte der Revisionswerber bis zu dem betreffenden Vorfall ausreichend Zeit zur Einbringung eines Ausfertigungsantrages gehabt. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Revisionswerber, der damit argumentiere, dass er mit seinem Schreiben vom 13. August 2019 einen Ausfertigungsantrag eingebracht habe, innerhalb der Frist bis zum 16. August 2019 noch einen weiteren Ausfertigungsantrag einbringen hätte wollen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei daher abzuweisen und der am 24. September 2019 gestellte Ausfertigungsantrag als verspätet zurückzuweisen gewesen.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht wird, das LVwG hätte die mangelnde Dispositionsfähigkeit des Revisionswerbers aufgrund des Vorfalles vom 14. August 2019 berücksichtigen müssen; da der 15. August 2019 ein Feiertag gewesen sei, sei dem Revisionswerber „in Wirklichkeit nur ein Tag“ zur Verfügung gestanden. Der Umstand, dass bis zum 14. August 2019 bereits 12 Tage vergangen gewesen seien, reiche jedenfalls zur Begründung der bekämpften Entscheidung nicht aus. Im Hinblick auf das Schreiben des Revisionswerbers an das LVwG vom 13. August 2019 hätte dieses ein Verbesserungsverfahren einzuleiten gehabt; diesbezüglich liege ein Verfahrensfehler und eine erhebliche Rechtsfrage vor.
7 Die Revision ist unzulässig
8 Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
9 Die Beurteilung, ob ein im Sinn des § 33 Abs. 1 VwGVG unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden zur Versäumnis geführt hat, also die Qualifikation des Verschuldensgrades, unterliegt - als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Abwägung - grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. für viele VwGH 9.8.2021, Ra 2021/03/0113, 28.6.2021, Ra 2021/06/0048, 18.2.2021, Ra 2021/05/0017, 8.3.2018, Ra 2017/11/0289, oder auch 29.1.2018, Ra 2018/11/0013, jeweils mwN).
10 Eine derartige Fehlbeurteilung wird von der Revision nicht aufgezeigt. Das LVwG hat sich im Zusammenhang mit dem verwaltungsgerichtlichen Schreiben vom 31. August 2019 mit der Frage des minderen Grades des Versehens des Revisionswerbers auseinandergesetzt und ist in einer nicht als unvertretbar anzusehenden Beurteilung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber dem Inhalt des genannten Schreibens nicht die gebotene Aufmerksamkeit geschenkt habe; im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 14. August 2019 hat das LVwG weiters näher ausgeführt, aus welchen Gründen es nicht von einer mangelnden Dispositionsfähigkeit des Revisionswerbers zur Wahrung der Frist zur Einbringung eines Ausfertigungsantrages ausging. Dem setzt die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen nichts Substantielles entgegen.
11 Soweit zur Zulässigkeit der Revision im Übrigen vorgebracht wird, das LVwG hätte im Hinblick auf das Schreiben des Revisionswerbers vom 13. August 2019 ein Verbesserungsverfahren einzuleiten gehabt und es liege diesbezüglich eine grundsätzliche Rechtsfrage vor, genügt es, auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juni 2021, Ra 2019/06/0170, zu verweisen, in welchem bereits darauf hingewiesen wurde, dass das genannte Schreiben keinerlei Anhaltspunkte für einen Antrag gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG enthielt. Eine grundsätzliche Rechtsfrage liegt in diesem Zusammenhang daher schon deshalb nicht vor.
12 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGVG zurückzuweisen.
Wien, am 1. Oktober 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060137.L00Im RIS seit
21.10.2021Zuletzt aktualisiert am
21.10.2021