TE Vwgh Beschluss 2021/10/1 Ra 2018/06/0053

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Veröffentlicht am 01.10.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13a
AVG §42
AVG §42 Abs1
AVG §8
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, in der Revisionssache des G E in B, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in 5700 Zell/See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 8. Jänner 2018, 405-3/313/1/4-2018, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Bauangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde Bruck an der Glocknerstraße; mitbeteiligte Partei: L GmbH in S; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Eingabe vom 30. Juni 2016 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit offener Tiefgarage auf Grundstück Nr. X, KG B. Der Revisionswerber ist Eigentümer des westlich an den Bauplatz unmittelbar angrenzenden Grundstücks Nr. Y, auf dem sich eine Wasserquelle befindet. Die im Eigentum des Revisionswerbers stehende Wasserquelle dient als Wasserversorgungsanlage für neun Objekte, die in seinem Eigentum bzw. im Eigentum von Familienangehörigen stehen.

2        In einer am 13. Dezember 2016 durchgeführten mündlichen Bauverhandlung, zu der der Revisionswerber unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG persönlich geladen worden war, überreichte der bevollmächtigte Sohn des Revisionswerbers dessen schriftliche Stellungnahme, in der dieser eingangs ausführte, „gegen den Baubescheid (...) keinen Einspruch (zu erheben), sofern alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden und folgende Bedingungen erfüllt werden“. Unter den Bedingungen verlangte der Revisionswerber ein Sachverständigengutachten, dass durch den Bau der mitbeteiligten Partei „unsere Wasserversorgung jetzt und in Zukunft abgesichert“ sei. Ebenfalls ersuchte er darum, den „von mir bereits verlangten Wasserleitungsplan noch vor Baubeginn vorzulegen“. Für den Fall, dass sich durch den Neubau für die Wasserversorgung Schwierigkeiten ergäben, „sind wir schad- und klaglos zu halten“. Schließlich verlangte er die Erfüllung der Punkte „im Nachtrag S. II“.

3        In dem genannten „Nachtrag“ wurden zunächst die erwähnte Wasserquelle sowie die an die entsprechende Wasserversorgung angeschlossenen Objekte beschrieben. Schließlich beantragte der Revisionswerber eine Quellbeweissicherung durch einen gerichtlich beeideten hydrologischen Gutachter ein halbes Jahr vor Baubeginn und ein halbes Jahr nach Bauende, weiters den „Ersatz bei Versiegen oder Verringerung der Schüttung durch Kostenübernahme für Anschluss an das öffentliche Wassernetz und Übernahme des Wasserzinses für mich aller Bezugsberechtigten, Dienstbarkeitsberechtigten und deren Rechtsnachfolger“. Schließlich negierte er die für das Bauvorhaben erforderliche wasserrechtliche Bewilligung.

4        Mit Bescheid vom 17. Mai 2017 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Bruck an der Glocknerstraße der mitbeteiligten Partei die beantragte Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit sechs Wohneinheiten und offener Tiefgarage. Über die erwähnte Stellungnahme des Revisionswerbers wurde in diesem Bescheid nicht ausdrücklich abgesprochen.

5        Die gegen diesen Bescheid vom Revisionswerber erhobene Berufung wurde mit Spruchteil I. des Bescheides der Gemeindevertretung der Gemeinde Bruck an der Glocknerstraße vom 30. Oktober 2017 als unbegründet abgewiesen.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (LVwG) wurde die vom Revisionswerber gegen den Berufungsbescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und Spruchteil I. dieses Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass die Berufung des Revisionswerbers als unzulässig zurückgewiesen werde. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das LVwG für nicht zulässig.

7        Das LVwG begründete seine Entscheidung damit, dass sich der Revisionswerber im vorliegenden Baubewilligungsverfahren auf eine Parteistellung als Nebenpartei im Sinne des § 7
Abs. 1 Z 2 Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG) berufe. Nach dieser Bestimmung seien die Eigentümer der Hauptversorgungseinrichtungen, zu denen auch Wasserversorgungsleitungen zählten, die oder deren Sicherheitsabstand durch die geplante bauliche Maßnahme unmittelbar erfasst würden, Parteien im Bewilligungsverfahren. Die in § 7 Abs. 1 BauPolG angeführten Nebenparteien hätten im baubehördlichen Bewilligungsverfahren nur ein eingeschränktes Mitspracherecht. Dem Eigentümer einer Hauptversorgungseinrichtung komme gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 BauPolG ein subjektiv-öffentliches Recht auf Wahrung angemessener Sicherheitsabstände zu.

8        Der Revisionswerber sei unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG persönlich zur Bauverhandlung geladen worden. Mit seinem in der Bauverhandlung überreichten und vom Verhandlungsleiter entgegengenommenen schriftlichen Vorbringen, bei Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und näher angeführter Bedingungen (Forderung nach Durchführung von Beweissicherungsmaßnahmen, Einholung von Gutachten, Anerkennung von Schadenersatzansprüchen, Vorlage einer wasserrechtlichen Bewilligung) „keinen Einspruch“ zu erheben, habe er die Verletzung eines ihm zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechts aber nicht konkret behauptet und somit keine Einwendungen im Rechtssinn erhoben.

9        Somit habe der Revisionswerber seine Stellung als Nebenpartei im Baubewilligungsverfahren wieder verloren. Er habe daher mit seiner erstmals in der Beschwerde erhobenen Einwendung, dass durch das vorliegende Bauvorhaben der Bauwerberin die erforderlichen Sicherheitsabstände zu seiner Wasserversorgungsanlage nicht eingehalten würden, schon aufgrund der eingetretenen Präklusion nichts mehr gewinnen können. Es wäre somit bereits seine Berufung gegen den erstinstanzlichen Baubescheid zurückzuweisen gewesen.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Revision die Verletzung der behördlichen Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG behauptet. Die Baubehörde hätte - so die Zulässigkeitsausführungen - den Revisionswerber darauf hinweisen müssen, dass die Stellungnahme vom 13. Dezember 2016 nicht geeignet sei, „eine Parteistellung zu begründen“, obwohl für die Behörde „klar erkennbar“ gewesen und „dies aus dem gesamten Verhalten in der Verhandlung ableitbar“ gewesen sei, dass der Revisionswerber nicht bereit gewesen sei, sich mit dem geplanten Bauvorhaben abzufinden „und auch am weiteren Verfahren als Partei teilhaben wollte, insbesondere den Schutz seiner Trinkwasserversorgung, notfalls durch Wahrnehmung der Parteistellung, in einem Rechtsmittelverfahren geltend zu machen“. An anderer Stelle der Zulässigkeitsbegründung wird geltend gemacht, der Satzteil (gemeint wohl: in der Stellungnahme vom 13. Dezember 2016) „keinen Einspruch zu erheben“ sei auch in seinem Kontext zu betrachten, wonach die Nichterhebung von Einwendungen an Forderungen des Revisionswerbers geknüpft gewesen sei.

15       Der Revisionswerber bestreitet nicht, unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG zur mündlichen Bauverhandlung vom 13. Dezember 2016 geladen worden zu sein, ebenso wenig, dass er sich vor dem LVwG auf eine Parteistellung als Nebenpartei im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 2 BauPolG (Eigentümer der Hauptversorgungseinrichtungen, hier einer Wasserversorgungsanlage) berufen habe.

16       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes müssen Einwendungen derart spezialisiert sein, dass sie die Behauptung der Verletzung konkreter subjektiver Rechte erkennbar werden lassen; ein allgemein erhobener Protest reicht ebenso wenig aus wie das Vorbringen, mit einem Vorhaben nicht einverstanden zu sein oder die Zustimmung von bestimmten Bedingungen abhängig zu machen, weil dem Begriff der Einwendung die Behauptung einer Rechtsverletzung in Bezug auf ein bestimmtes Recht immanent ist, sodass dem Vorbringen entnommen werden können muss, dass überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechts behauptet wird (VwGH 30.9.2015,Ra 2015/06/0068; vgl. auch VwGH 27.5.1997, 97/05/0098 bis 0100; 28.1.2009, 2008/05/0166, jeweils mwN).

17       Zwar ist einem Vorbringen, das in Bedingungsform gekleidet ist, nicht von vornherein und in jedem Fall der Charakter als Einwendung abzusprechen und es kann ein Vorbringen unter Bedingungen den Charakter von Einwendungen haben. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (VwGH 28.1.2009, 2008/05/0166, mwN), insbesondere davon, ob aus den formulierten Bedingungen die Behauptung, dass bei Nichterfüllung der Bedingungen eine Verletzung eines Rechts eintreten würde, ableitbar ist.

18       Insofern erweist sich im vorliegenden Fall die Beurteilung des LVwG, der Revisionswerber habe mit seinem in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2016 vor der Baubehörde erstatteten Vorbringen, bei Erfüllung näher genannter Bedingungen „gegen den Baubescheid“ „keinen Einspruch“ zu erheben, (im Sinne der zitierten hg. Rechtsprechung) die Verletzung eines ihm zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechts nicht konkret behauptet und keine Einwendungen im Rechtssinn erhoben, angesichts der (im angefochtenen Erkenntnis wörtlich wiedergegebenen Formulierung der Stellungnahme) nicht als unvertretbar. Die diesbezüglichen Ausführungen des Revisionswerbers zur Zulässigkeit der Revision geben zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Insbesondere ist der bloße Hinweis auf das „gesamte Verhalten in der Verhandlung“ nicht geeignet, die Unvertretbarkeit der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung darzulegen.

19       Der Revisionswerber tritt im Übrigen auch nicht den Ausführungen des LVwG entgegen, wonach er erstmals in seiner an das LVwG erhobenen Beschwerde geltend gemacht habe, dass durch das gegenständliche Bauvorhaben die erforderlichen Sicherheitsabstände zu seiner Wasserversorgungsanlage nicht eingehalten würden.

20       Entgegen dem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision hat das LVwG den (im angefochtenen Erkenntnis wörtlich wiedergegebenen) „Nachtrag“ zur Stellungnahme vom 13. Dezember 2016 berücksichtigt, was sich bereits aus dem in der rechtlichen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses aufgezählten Inhalt der vom Revisionswerber genannten „Bedingungen“ ergibt.

21       Soweit der Revisionswerber mit der Behauptung, das LVwG habe weitere Stellungnahmen des Revisionswerbers und dessen Sohnes nicht berücksichtigt, das Vorliegen eines Verfahrensmangels (Begründungsmangel) behauptet, ohne auf den Inhalt dieser Stellungnahmen näher einzugehen, fehlt es bereits an der für die Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung erforderlichen Relevanzdarstellung (vgl. etwa VwGH 26.3.2021, Ra 2021/06/0049 und 0050; 2.7.2021, Ra 2021/05/0102, jeweils mwN).

22       Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof zur Erhebung von Einwendungen in Bauverfahren wiederholt ausgesprochen, dass die Manuduktionspflicht nicht so weit geht, dass eine Partei zur inhaltlichen Ausgestaltung von Einwendungen angeleitet werden müsste (vgl. VwGH 30.7.2021, Ra 2021/05/0124 und 0125, mwN). Die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG verlangt keine Beratung der Verfahrensparteien in materiell-rechtlicher Hinsicht. Auch unvertretenen Personen sind nur die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben, sie sind aber nicht in materieller Hinsicht zu beraten und nicht anzuleiten, welche für ihren Standpunkt günstigen Behauptungen sie aufzustellen bzw. mit welchen Anträgen sie vorzugehen haben (VwGH 27.3.2018, Ra 2018/06/0007 und 0008, mwN).

23       Es trifft demnach nicht zu, dass die Baubehörde erster Instanz den Revisionswerber anleiten hätte müssen, dass das Schreiben vom
13. Dezember 2016 nicht geeignet gewesen sei, den Verlust der Parteistellung des Revisionswerbers im baubehördlichen Bewilligungsverfahren zu verhindern.

24       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 1. Oktober 2021

Schlagworte

Baurecht Nachbar Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018060053.L00

Im RIS seit

21.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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