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67 Versorgungsrecht;Norm
HVG §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 24. Februar 1994, Zl. Schk. - OB. 710-444175-000, betreffend "Dienstbeschädigungsleiden-Beschädigtenrente" nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 10. März 1992 stellte der den ordentlichen Präsenzdienst beim Bundesheer ableistende Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Heeresversorgungsgesetz, weil er am 25. Februar 1992 während des Streifendienstes, als sie beide von der Familie Ch. zu einem "Abschiedstrunk" eingeladen waren, vom Grundwehrdiener E. mit dem Sturmgewehr, StG 77 angeschossen worden sei.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, bei der die Untersuchungsergebnisse (insbesondere auch Niederschriften mit den Beteiligten) seitens der Militärbehörde und der Gendarmerie über den Vorfall verwertet wurden, stellte das Landesinvalidenamt für Kärnten mit Bescheid vom 17. August 1992 fest, daß die geltend gemachte Gesundheitsschädigung "Oberarmschußbruch links mit Gefäß- und Nervendefekt" gemäß den §§ 1 und 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG), BGBl. Nr. 27/1964, nicht als Dienstbeschädigung anerkannt werde. Der Antrag auf Zuerkennung der Beschädigtenrente werde gemäß § 21 Abs. 1 HVG abgelehnt.
Nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften wird in der Begründung ausgeführt, aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei der Sachverhalt dahingehend festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 31. Mai 1992 den Grundwehrdienst beim Österreichischen Bundesheer geleistet habe und ab 28. Jänner 1992 im Assistenzeinsatz im Burgenland gewesen sei. Am 25. Februar 1992 habe der Beschwerdeführer mit seinem Kameraden E. Dienst als Ortsstreife in Scharndorf versehen. Um 15.00 Uhr hätten die beiden gemeinsam den befohlenen Streifenweg verlassen und seien in insgesamt vier Privathäuser eingekehrt, um Alkohol zu kaufen. So habe der Beschwerdeführer auch um ca. 17.30 Uhr mit E. das Haus der Familie Ch. betreten, um mit den Bewohnern Kaffee zu trinken und sich im Hinblick auf die bevorstehende Beendigung des Assistenzeinsatzes von diesen zu verabschieden. Als der Beschwerdeführer zusammen mit E. gegen 18.00 Uhr auf den Zuggefechtsstand in Scharndorf habe einrücken wollen, sei es noch im Haus der Familie Ch. zu dem schädigenden Ereignis gekommen. E. habe das neben ihm stehende StG 77 aufgenommen und die Waffe repetiert, wobei der Lauf auf den Beschwerdeführer gezeigt habe. Plötzlich habe sich ein Feuerstoß gelöst und der Beschwerdeführer sei von einem Projektil am linken Oberarm getroffen worden. Da nach dem vorliegenden Sachverhalt das Verlassen des befohlenen Streifenweges und der Aufenthalt bei der Familie Ch. aus rein eigenwirtschaftlichen Interessen erfolgt sei, sei wohl der zeitliche, nicht aber der örtliche und ursächliche Zusammenhang mit dem Präsenzdienst gegeben und es lägen somit die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung gemäß § 1 Abs. 1 HVG nicht vor.
In der Berufung vom 29. September 1992 führte der Beschwerdeführer aus, er könne der Rechtsauffassung des Landesinvalidenamtes nicht beipflichten. Es stehe fest, daß der Beschwerdeführer am 25. Februar 1992 zusammen mit E. Dienst als Ortsstreife in Scharndorf zu versehen gehabt habe und das Haus der Familie Ch. auf dem vorgesehenen Streifenweg gelegen sei. Die Benützung jenes Weges, der am Anwesen Ch. vorbeigeführt habe, sei im Rahmen der Verrichtung des Dienstes als Ortsstreife ausdrücklich aufgetragen gewesen. Um eine Versorgungsberechtigung nach dem HVG zu begründen, müsse zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Präsenzdienst grundsätzlich ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang bestehen. Das Gesetz stelle dabei nicht auf einen örtlichen und zeitlichen, sondern auf einen unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang ab. Für die Annahme der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges genüge ein geringfügiges Überwiegen der dafür sprechenden Umstände. Unter Anwendung der von der Judikatur entwickelten Rechtsgrundsätze müsse das Vorliegen des ursächlichen Zusammenhanges bejaht werden. Das Landesinvalidenamt habe auch unberücksichtigt gelassen, daß E. vom Beschwerdeführer nur deshalb zur Familie Ch. begleitet worden sei, um dafür Sorge zu tragen, daß der bereits alkoholisierte E., welcher immerhin das StG 77 bei sich getragen habe, keine Handlungen setze, die mit den einschlägigen Bestimmungen des Wehrgesetzes und der Dienstordnung in Widerspruch stünden. Daß allein schon unter diesem Blickwinkel von einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Streifendienst gesprochen werden könne, liege auf der Hand. Ungeachtet dieses Umstandes sei "illustrativ" anzuführen, daß sich der Täter E. in äußerst tristen finanziellen Verhältnissen befinde, sodaß die Nichtanerkennung der Gesundheitsschädigung auch massive finanzielle Nachteile für ihn zur Folge hätte. Auch eine Entschädigung nach dem Verbrechensopfergesetz werde kaum zum Tragen kommen, weil E. nur des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 StGB unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 StGB) angeklagt worden sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 82 Abs. 1 HVG keine Folge. Die belangte Behörde habe die Berufungsangelegenheit geprüft und folgendes festgestellt:
Der Beschwerdeführer und E. seien am 25. Februar 1992 bei ihrer Patrouillentätigkeit im Gemeindegebiet Scharndorf vom vorgeschriebenen Streifenweg abgewichen und in mehreren Bauernhäusern eingekehrt, um Schnaps zu kaufen und sich vor Beendigung des Assistenzeinsatzes von Bekannten zu verabschieden. Bei diesen Besuchen hätten sie, trotz absoluten Alkoholverbotes und mehrfacher eindringlicher Belehrung über die Gefahren des Alkoholkonsums, eine große Menge Alkohol zu sich genommen (der Alkomat habe bei E. einen Blutalkoholwert von 1,36 Promille festgestellt). Der "Alkoholabusus" von E. habe zur Folge gehabt, daß sich beim Hantieren am StG 77 mehrere Schüsse gelöst und den Beschwerdeführer am Arm schwer verletzt hätten.
Gemäß § 2 Abs. 1 HVG sei eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse URSÄCHLICH zurückzuführen sei. Das Abgehen der beiden Soldaten vom befohlenen Streifenweg zum Einkauf und zur Konsumation von Alkohol habe ausschließlich eigenwirtschaftlichen Interessen gedient und den Kausalzusammenhang zwischen der eingetretenen Gesundheitsschädigung und den Militärdienst unterbrochen. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem HVG sei damit nicht gegeben.
In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 2 Abs. 1 HVG ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.
Unter einem "schädigenden Ereignis" im Sinne der zitierten Gesetzesstelle ist ein Schadensfall zu verstehen, den ein Soldat infolge des Präsenzdienstes erlitten hat, wobei im Verhältnis zwischen schädigendem Ereignis und dem Präsenzdienst nicht schon eine entfernte (mittelbare) Kausalität genügt, sondern vielmehr grundsätzlich ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang gegeben sein muß, sofern nicht die Sonderregelung des § 1 Abs. 1 zweiter Satz und - für Wegunfälle - des § 1 Abs. 2 HVG Platz greift (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1976, Slg. Nr. 8.972/A). Die Wahrscheinlichkeit des unmittelbaren ursächlichen Zusammenhanges genügt hier - anders als zur Frage, ob die Gesundheitsschädigung auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist - nicht.
Auch in der Beschwerde ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer und der Wehrmann E. am 25. Februar 1992 von dem im Rahmen der aufgetragenen Patrouillentätigkeit vorgeschriebenen Streifenweg abgewichen und in verschiedene Privathäuser eingekehrt sind. Auch das Bestehen eines absoluten Alkoholverbotes bei der Ausübung ihres Dienstes wird vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt. Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, der Beschwerdeführer sei nicht alkoholisiert gewesen, ist im Einklang mit der Gegenschrift auf die aktenkundigen Erhebungsergebnisse zu verweisen (in der Niederschrift vom 10. März 1992 wird beispielsweise vom Beschwerdeführer selbst der Konsum von "4 Weinmischungen" angegeben).
Geht man von dieser Sachlage aus, so ereignete sich der den Beschwerdeführer treffende Unfall während eines befehlswidrigen Aufenthaltes in einem Privathaushalt, nachdem sowohl der Beschwerdeführer als auch E. gegen das Alkoholverbot verstoßen hatten. Der schädigende Vorfall war - auch insoweit in der Beschwerde unbekämpft - auf den "Alkoholabusus" des E. zurückzuführen.
Damit kann aber nicht gesagt werden, daß unmittelbare Ursache des schädigenden Ereignisses der Präsenzdienst oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse gewesen wären; dazwischen trat vielmehr ein weisungswidriges Verhalten. Daran ändert auch die in der Beschwerde vertretene Meinung nichts, wonach es im Hinblick "auf die Adäquanz sozialer Kontakte den Umgangsformen zwischenmenschlicher Beziehungen entspricht, wenn man bei Beendigung des Assistenzeinsatzes sich ALS SOLDAT von der Zivilbevölkerung verabschiedet".
Es kann dahingestellt bleiben, ob die in der Beschwerde neuerlich vorgetragene Beteuerung zutrifft, der Beschwerdeführer habe E. nur deswegen zur Familie Ch. begleitet, um dafür Sorge zu tragen, daß der bereits alkoholisierte E. keine mit den Bestimmungen des Wehrgesetzes oder der Dienstordnung in Widerspruch stehende Handlungen tätigt. Das schädigende Ereignis selbst (Schußverletzung infolge Alkoholisierung des E.) hatte seine unmittelbare Ursache jedenfalls nicht im Präsenzdienst oder in den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen.
Der beschwerdegegenständliche Sachverhalt unterscheidet sich auch wesentlich von dem in der Beschwerde angesprochenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Slg. Nr. 13.048/A, weil sich die dort zu beurteilende Gesundheitsschädigung im Rahmen einer Tätigkeit (Rasenmähen eines zur praktischen Ausbildung zum Kellner eingesetzten Zeitsoldaten) ereignete, die vom militärischen Vorgesetzten konkret angeordnet war und auch nicht als derart artfremd angesehen werden konnte, daß die Nichtbefolgung dieser Weisung geradezu Pflicht gewesen wäre.
Der angefochtene Bescheid läßt somit insgesamt keine Rechtswidrigkeit erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 59 Abs. 1) VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994090117.X00Im RIS seit
20.11.2000