TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/2 L511 2235080-1

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Veröffentlicht am 02.06.2021
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Entscheidungsdatum

02.06.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L511 2235080–1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Vorsitzende und den Richter Dr. DIEHSBACHER sowie den fachkundigen Laienrichter RR PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Dr.in MAZZUCCO LL.M., gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle XXXX vom 12.05.2020, Zahl: OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.       Verfahren vor dem Sozialministeriumservice [SMS]

1.1.    Die Beschwerdeführerin stellte am 27.01.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), welcher auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass gilt (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AZ] 2.6) und legte dazu im Verfahren medizinische Befunde (AZ 2.7, 2.11, 2.12, 2.17) sowie ein Urteil eines Arbeits- und Sozialgerichtes hinsichtlich Versehrtenrente (AZ 2.8) vor.

1.2.    Das SMS holte ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Allgemeinmedizin als auch der Orthopädie ein. Dieses Gutachten vom 03.03.2020 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin sowie unter Einbeziehung des Vorgutachtens und der aktuellen Befunde erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurde die Funktionseinschränkung der entsprechenden Leidensposition nach der Einschätzungsverordnung zugeordnet und ein Gesamtgrad der Behinderung [GdB] von 40 vH, sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt (AZ 2.21).

1.2.1.  Im Zuge des weiteren Ermittlungsverfahrens nahm die Beschwerdeführerin am 25.03.2020 zum Gutachten Stellung (AZ 2.9, 2.10) und das SMS holte eine gutachterliche Stellungnahme vom 08.05.2020 ein (AZ 2.22).

1.3.    Mit Bescheid des SMS vom 12.05.2020, Zahl: XXXX , wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27.01.2020 gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen, da sie mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle (AZ 2.24).

Begründend verwies das SMS auf die Ergebnisse des Gutachtens vom 03.03.2020 und der gutachterlichen Stellungnahme vom 08.05.2020, welche als schlüssig erkannt wurden. Die Dokumente wurden als Beilage zum Bescheid übermittelt.

1.4.    Mit Schreiben vom 09.06.2020 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde [Bsw] gegen den Bescheid (AZ 1.2).

Darin führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, das Gutachten berücksichtige die Voroperationen nicht, die Ausführungen zur eingeschränkten Beugefähigkeit des Knies seien unvollständig und die Beweisaufnahme sei mangelhaft geblieben.

1.5.    Im weitergeführten Ermittlungsverfahren holte das SMS ein weiteres Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Chirurgie ein. Dieses Gutachten vom 06.09.2020 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin sowie unter Einbeziehung des Vorgutachtens und der aktuellen Befunde erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurde zusammengefasst neuerlich ein GdB von 40 vH sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt (AZ 2.23).

2.       Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 15.09.2020 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des gegenständlichen Gerichtsaktes OZ 1 [=AZ 1.1-1.2, 2.1 -2.24]).

2.1.    Mit Parteiengehör vom 25.09.2020 übermittelte das BVwG der Beschwerdeführerin das Sachverständigengutachten vom 06.09.2020 mit dem Ersuchen um Stellungnahme und dem Hinweis, dass das BVwG beabsichtige, sich auf dieses Gutachten zu stützen (OZ 2).

2.2.    Die Beschwerdeführerin behob die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme am 01.10.2020. Eine Stellungnahme erfolgte bis dato nicht.

II.      Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1.    Die Beschwerdeführerin ist in Österreich wohnhaft und stellte am 27.01.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), welcher auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass gilt (AZ 2.6).

1.2.    Bei der Beschwerdeführerin besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Knietotalendoprothese/K-TEP links bei Z.n. Schienbeinkopftrümmerfraktur, Metalle am Unterschenkel in situ; Mittelgradige Funktionseinschränkung, keine wesentliche Instabilität, belastungsabhängige Beschwerden, einmaliger NSAR-Gabe zur Schmerztherapie ausreichend

02.05.22

40


1.3.    Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 40 vH.

1.4.    Es handelt sich um einen Dauerzustand, eine Nachuntersuchung ist nicht vorgesehen.

1.5.    Die Beschwerdeführerin ist Prothesenträgerin und trägt Osteosynthesematerial.

1.6.    Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Beschwerdeführerin möglich, da sie in der Ebene einen Kilometer weit, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme eines Gehstockes, gehen kann, die Niveauunterschiede beim Ein- bzw. Aussteigen kann die Beschwerdeführerin unter Benützung eines Handlaufes überwinden. Auch die Sitzplatzsuche sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist für die Beschwerdeführerin möglich.

2.       Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1.    Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1), aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:

?        Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Allgemeinmedizin und der Orthopädie vom 03.03.2020 (AZ 2.21)

?        Stellungnahme des Gutachters vom 08.05.2020 (AZ 2.22)

?        Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Chirurgie vom 06.09.2020 (AZ 2.23)

?        Beschwerde vom 09.06.2020 (AZ 1.2, 2.15, 2.16)

?        Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR)

2.2.    Beweiswürdigung

2.2.1.  Die allgemeinen Feststellungen (Punkt 1.1.) ergeben sich aus der Antragstellung und dem ZMR und sind unstrittig (AZ 2.6, OZ 1).

2.2.2.  Die festgestellten Funktionseinschränkungen deren Ausmaß und medizinische Einschätzung sowie deren Dauer und der Gesamtgrad der Behinderung ergeben sich aus dem Sachverständigengutachten aus dem Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Allgemeinmedizin, Orthopädie und orthopädischen Chirurgie vom 01.12.2020 (AZ 2.17). Die Feststellungen im Gutachten sind nachvollziehbar, schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Das Gutachten basiert auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, berücksichtigt das Vorgutachten, alle von der Beschwerdeführerin vorgelegten aktuellen Befunde – insbesondere jenen mit der Beschwerde vorgelegten Befund (AZ 1.3) – und stehen mit diesen auch nicht in Widerspruch (vgl. dazu VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004).


2.2.3.  Die festgestellte Funktionseinschränkung, deren Ausmaß und medizinische Einschätzung sowie deren Dauer und der sich daraus ergebende Grad der Behinderung, sowie die Umstände, dass die Beschwerdeführerin eine Prothese sowie Osteosynthesematerial trägt und dass ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möglich ist (Punkt 1.2.-1.5), ergeben sich aus den Sachverständigengutachten vom 03.03.2020 und der gutachterlichen Stellungnahme vom 08.05.2020 aus dem Fachgebiet der Orthopädie (AZ 2.21, 2.22) und aus dem Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Chirurgie vom 06.09.2020 (AZ 2.23). Die Feststellungen in den Gutachten sind nachvollziehbar, schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Die Gutachten basieren auf persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin, berücksichtigen die von der Beschwerdeführerin vorgelegten aktuellen Befunde (AZ 2.7, 2.11, 2.12, 2.17) und stehen mit diesen auch nicht in Widerspruch (vgl. dazu VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004).

2.2.3.1. Einleitend ist zum Einwand der Beschwerdeführerin in der Beschwerde, Voroperationen seien nicht berücksichtigt worden, festzuhalten, dass Voroperationen für sich genommen auf die Einstufung des Grades der Behinderung keine Auswirkungen haben, da ausschließlich die Funktionseinschränkungen des Knies zu beurteilen sind. Den Einwendungen in der Beschwerde wurde darüber hinaus durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachten Rechnung getragen.

2.2.3.2. Diesem Gutachten ist weder die Beschwerdeführerin noch das SMS im Verfahren entgegengetreten (AZ 1.1, OZ 2).

2.2.3.3. Der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin im Zuge dieser Gutachtenserstellung erneut persönlich untersucht wurde und sie auch über Nachfrage keine weiteren Beschwerden im Vergleich zum Erstgutachten schilderte (GA 06.09.2020 S1). Eine Einstufung der Funktionsstörung des linken Knies der Beschwerdeführerin mit einem höheren Grad der Behinderung als 40 vH ist nicht möglich, zumal bei einseitigen Funktionsstörungen die Einschätzung nach der Anlage der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, zuletzt geändert durch BBl. II Nr. 251/2012, mit höchstens 40 vH begrenzt ist. Ergänzend kommt hinzu, dass die Beschwerdeführerin mit einer geringen Dosis Schmerzmedikation das Auslangen findet, die Muskelschwäche links nur minimal ist und die Beschwerdeführerin keine zusätzlichen Funktionseinschränkungen aufweist.


2.2.4.  Zusammenfassend sind die Feststellungen im Gutachten schlüssig und die Subsumtion unter die Positionsnummer der Einschätzungsverordnung [EVO] nachvollziehbar. Zumal die in der Beschwerde vorgebrachten Bedenken an der Einstufung im Gutachten vom 06.09.2020 berücksichtigt wurden, weder das SMS noch die Beschwerdeführerin den Feststellungen im Gutachten entgegengetreten sind (AZ 1.1, OZ 1), und auch sonst keine Hinweise dahingehend hervorgekommen sind, dass die Beurteilungen im Gutachten nicht richtig wären, legt der erkennende Senat dieses Gutachten der rechtlichen Beurteilung zu Grunde.

3.       Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1.    Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.2.    Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt basiert zur Gänze aus den der Beschwerdeführerin bekannten vorliegenden Aktenteilen und ist in den entscheidungswesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145).

4.       Rechtliche Beurteilung

4.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Senat ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 45 Bundesbehindertengesetz [BBG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das SMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2.  Die dagegen erhobene Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig (§§ 7, 9 VwGVG).

4.1.3.  Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten auszugsweise:

§ 1. (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen […].

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) […] Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn […] ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt (Z3).

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird. [...]

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

§§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.


(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt (Teilstrich 1) oder zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen (Teilstrich 2).

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

4.2.    Abweisung der Beschwerde

4.2.1.  Die bei der Beschwerdeführerin festgestellte Funktionseinschränkung ist nicht nur vorübergehend, weshalb eine Behinderung im Sinne des § 1 BBG vorliegt. Der Grad der Behinderung ist im verfahrensgegenständlichen Fall gemäß § 40 und § 41 Abs. 1 BBG unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen (VwGH 21.06.2017, Ra201 7/11/0040).

4.2.2.  Das vom SMS eingeholte Sachverständigengutachten vom 06.09.2020 ist (wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt) richtig, vollständig und schlüssig und die aktuellen Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden gemäß der Einschätzungsverordnung eingestuft. Der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt somit zum Entscheidungszeitpunkt 40 vH und sie erfüllt somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 vH ein Behindertenpass auszustellen ist.

4.2.3.  Da die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses somit nicht vorliegen, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.


III.    ad B) Unzulässigkeit der Revision:

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum BBG. Die angewendeten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind (soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich) eindeutig. Zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage (trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) etwa VwGH 28.05.2014, Ro2014/07/0053. Zur Schlüssigkeit von Gutachten VwGH 27.06.2018, Ra2018/09/0079; 28.06.2017, Ra2017/09/0015; zur Form der Auseinandersetzung mit dem Gutachten insbesondere VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004. Zum rechtlichen Interesse an einer Feststellung des Grads der Behinderung VwGH 11.11.2015, Ra2014/11/0109.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L511.2235080.1.00

Im RIS seit

20.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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