Entscheidungsdatum
02.06.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L511 2234616–1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Vorsitzende und den Richter Dr. DIEHSBACHER sowie den fachkundigen Laienrichter RR PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle XXXX vom 10.01.2020, Zahl: OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt
1. Verfahren vor dem Sozialministeriumservice [SMS]
1.1. Der Beschwerdeführer verfügt zuletzt seit 28.05.2018 über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 vH mit der Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AZ] 2.1). Am 19.08.2019 stellte er einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), welcher auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass gilt (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AZ] 2.6).
1.2. Das SMS holte ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Allgemeinmedizin ein. Dieses Gutachten vom 25.11.2019 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.11.2019 unter Einbeziehung des Vorgutachtens vom August 2018 sowie Röntgenbefunden aus 2019 erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurden die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers angeführt und festgestellt, dass es sich dabei um einen Dauerzustand handle. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde zusammengefasst ausgeführt, dass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Anhalten an Haltevorrichtungen uneingeschränkt sowie der sichere Transport möglich sei, keine Lähmungen der unteren Extremitäten sowie keine hochgradigen Herz- oder Luftbeschwerden bestünden und der Beschwerdeführer Stufen steigen könne (AZ 2.14).
1.3. Mit Bescheid des SMS vom 10.01.2020, Zahl: XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 19.08.2019 gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen, da beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen (AZ 2.17).
Begründend verwies das SMS auf die Ergebnisse des Gutachtens vom 25.11.2019, welches als schlüssig erkannt wurde. Das Gutachten wurde als Beilage zum Bescheid übermittelt.
1.4. Am 03.02.2020 erhob der Beschwerdeführer persönlich, durch eine Niederschrift beim SMS festgehalten, fristgerecht Beschwerde [Bsw] (AZ 1.3).
Darin führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, sein Leiden sei therapieresistent, er sei zu schwach zum Stiegensteigen und zu schwach, um in einem öffentlichen Transportmittel stehen zu können. Er habe auch Angst, gestoßen zu werden und dabei neuerlich an der Bandscheibe verletzt zu werden. Die bei ihm bestehende demyelinisierende Polyneuropathie sei im Gutachten nicht berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer legte weitere Befunde vor (AZ 1.2, 2.8).
1.5. Im Zuge des vom SMS weitergeführten Ermittlungsverfahrens holte das SMS ein weiteres Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Neurologie und der Allgemeinmedizin ein (AZ 2.15). Dieses Gutachten vom 23.08.2020 wurde ebenfalls auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.08.2020 sowie unter Einbeziehung eines aktuellen Befundes vom März 2020 (AZ 2.8) und des Vorgutachtens vom November 2019 (AZ 2.14) erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurde die Polyneuropathie als laufende Nr. 6 zu den Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers neu aufgenommen und zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zusammengefasst ausgeführt, dass eine kurze Wegstrecke zurückgelegt werden könne, keine neurologischen Ausfallssymptome im Rahmen der Polyneuropathie bestünden und eine ausreichende Standfestigkeit bestehe. Unter Verwendung der üblichen Einstiegshilfen sei das Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel möglich.
2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 01.09.2020 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des gegenständlichen Gerichtsaktes OZ 1 [=AZ 1.1-1.3, 2.1 -2.17]).
2.1. Mit Parteiengehör vom 09.09.2020, elektronisch zugestellt am 09.09.2020 an das SMS sowie am 11.09.2020 per RSa an den Beschwerdeführer, übermittelte das BVwG den Verfahrensparteien das Sachverständigengutachten vom 23.08.2020 mit dem Ersuchen um Stellungnahme und dem Hinweis, dass das BVwG beabsichtige, sich auf dieses Gutachten zu stützen (OZ 3).
2.2. Keine der Verfahrensparteien nahm dazu Stellung.
II. Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer ist in Österreich wohnhaft und verfügt über einen gültigen Behindertenpass mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH und der Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“.
1.2. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind folgende Feststellungen zu treffen:
Der Beschwerdeführer kann eine kurze Wegstrecke von 400 Metern trotz Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Beschwerden durch die Polyneuropathie zurücklegen. Es bestehen neurologisch keine Ausfallssymptome und diesbezüglich keine spezifische Therapie. Die klinischen Ausfallssymptome sind bis auf ein distal herabgesetztes Vibrationsempfinden sowie fehlende Achillessehnenreflexe wenig vorhanden. Die Standfestigkeit des Beschwerdeführers ist ausreichend gegeben. Der Rombergversuch konnte lediglich unsicher, aber ohne Schwanktendenz durchgeführt werden. Im Push-und-Pull-Test ist die Standfestigkeit ausreichend gegeben, darüber hinaus besteht beim Beschwerdeführer eine ausreichende Fähigkeit zur Selbstabsicherung. Das Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel unter Beachtung der üblichen Niveauunterschiede ist unter Verwendung der üblichen Einstiegshilfen möglich (AZ 2.15).
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1), aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:
? Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Neurologie und Allgemeinmedizin vom 23.08.2020 (AZ 2.15)
? Vorläufiger Entlassungsbericht vom 31.03.2020
? Datenstammblatt des SMS (AZ 2.1)
? Bescheid des SMS vom 10.01.2020 (AZ 2.17)
? Beschwerde vom 03.02.2020 (AZ 1.3)
? Einsicht in das Zentrale Melderegister [ZMR] (OZ 1)
2.2. Beweiswürdigung
2.2.1. Die allgemeinen Feststellungen (Punkt 1.1.) ergeben sich aus der Antragstellung, dem Datenstammblatt des SMS und dem ZMR und sind unstrittig (AZ 2.1, OZ 1).
2.2.2. Die Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus dem Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Neurologie und Allgemeinmedizin vom 23.08.2020 (AZ 2.15).
2.2.3. Den Einwendungen in der Beschwerde zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde durch Einholung dieses Gutachtens Rechnung getragen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, er könne höchstens 200 Meter gehen, brauche danach eine Pause und als Gehhilfe zwei Walking-Stöcke, habe aufgrund von Schwäche in den Beinen Gleichgewichtsprobleme, könne nicht Stiegensteigen und in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht stehen (AZ 1.3), konnten dabei weder durch das Sachverständigengutachten (AZ 2.15), noch durch die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde vom Mai 2018 (AZ 1.2) und vom März 2020 (AZ 2.8) verifiziert werden. Dass der Beschwerdeführer lediglich eine eingeschränkte Wegstrecke zurücklegen kann, wurde durch das Gutachten vom 23.08.2020 bestätigt, dass er höchstens 200 Meter gehen könne, war hingegen nicht objektivierbar.
Hinsichtlich der vorgebrachten Therapieresistenz und der Schwäche in den Beinen (AZ 1.3) ist auf den Befund vom Mai 2018 hinzuweisen, wonach zwar „therapieresistente Lumbago“ diagnostiziert wurden und die Operierbarkeit der Wirbelsäule ausgeschlossen wurde, der behandelnde Arzt dem Patienten jedoch „nach wie vor“ das Absolvieren von „intensive[n] physikalisch-therapeutische[n] Maßnahmen in Form von Wirbelsäulengymnastik“ empfahl. Dass der Beschwerdeführer seither physiotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen hätte, brachte er nicht vor. Ebensowenig konnte durch die vom Gutachter durchgeführten Tests verifiziert werden, dass die Standfestigkeit des Beschwerdeführers nicht ausreichend vorhanden wäre.
2.2.4. Die Feststellungen im Gutachten sind nachvollziehbar, schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Das Gutachten basiert auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, berücksichtigt das Vorgutachten, das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde sowie den aktuellsten Befund und steht mit diesen auch nicht in Widerspruch (vgl. dazu VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004). Den in diesem Gutachten getroffenen Feststellungen sind weder der Beschwerdeführer noch das SMS entgegengetreten (OZ 3).
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
3.1. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).
3.2. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt basiert zur Gänze aus dem Beschwerdeführer bekannten vorliegenden Aktenteilen und ist in den entscheidungswesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145).
4. Rechtliche Beurteilung
4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Senat ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 45 Bundesbehindertengesetz [BBG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das SMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
4.1.2. Die Beschwerde gegen den Bescheid ist rechtzeitig und zulässig (§§7, 9 VwGVG).
4.1.3. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten auszugsweise:
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen […].
§ 42. (1) […] Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. […]
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
§ 1 der Verordnung über die Ausstellung von [VO] Behindertenpässen und Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:
§ 1 (4) Z 3: Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: [...] die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten (Teilstrich 1) oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit (Teilstrich 2) oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen (Teilstrich 3) oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems (Teilstrich 4) oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d (Teilstrich 5) vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
4.2. Abweisung der Beschwerde
4.2.1. Der Beschwerdeführer verfügt über einen gültigen Behindertenpass mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH, womit die grundsätzliche Voraussetzung für die Vornahme einer Zusatzeintragung gemäß § 42 BBG erfüllt ist.
4.2.2. Die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist im verfahrensgegenständlichen Fall gemäß § 1 Abs. 5 VO Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen. Das eingeholte Sachverständigengutachten vom 23.08.2020 ist (wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt) richtig, vollständig und schlüssig und die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind in nachvollziehbarer Weise dargestellt worden (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN).
4.2.3. In den Erläuterungen zur Stammfassung der VO Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) – soweit im gegenständlichen Fall relevant – insbesondere Folgendes ausgeführt: Durch die Verwendung des Begriffes 'dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses. [...] Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
4.2.4. Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht hingegen auf andere Umstände, etwa jene der Entfernung zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN).
Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke zu Fuß, die Judikatur geht hier von 300 bis 400 Metern aus (VwGH 27.05.2014, Ro2014/11/0013), aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ist ebenso gegeben wie das Überwinden üblicher Niveauunterschiede zum sicheren Ein- und Ausstieg in bzw. aus öffentliche/n Verkehrsmittel/n und die sichere Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel.
4.2.5. Da somit die Voraussetzungen zur Vornahme der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass nicht vorliegen, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
4.3. Im Hinblick auf den gestellten Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO wird der Vollständigkeit halber angemerkt, dass es zwar zutrifft, dass dem Begehren des Beschwerdeführers auf Ausfolgung eines Parkausweises nach § 29b StVO erst dann entsprochen werden könnte, wenn im Behindertenpass die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung“ vorgenommen wurde. Dennoch kann die bescheidmäßige Erledigung dieses Antrags nicht dadurch ersetzt werden, dass (lediglich) am Ende des nunmehr angefochtenen Bescheides angemerkt wird, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden. Da der Antrag somit noch offen ist, wird er unter Berücksichtigung des nunmehrigen Verfahrensergebnisses zu behandeln sein.
III. ad B) Unzulässigkeit der Revision:
Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum BBG. Die angewendeten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich - eindeutig. Zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage (trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) etwa VwGH 28.05.2014, Ro2014/07/0053. Zur Schlüssigkeit von Gutachten VwGH 27.06.2018, Ra2018/09/0079; 28.06.2017, Ra2017/09/0015; zur Form der Auseinandersetzung mit dem Gutachten insbesondere VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004. Zu den Voraussetzungen zur Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN.
Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L511.2234616.1.00Im RIS seit
20.10.2021Zuletzt aktualisiert am
20.10.2021