Entscheidungsdatum
07.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W140 2230456-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.03.2020, XXXX , zu Recht (Teilerkenntnis):
A)
In teilweiser Erledigung der Beschwerde wird dieser gemäß § 18 BFA-VG keine aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2012 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.07.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zuvor hatte er auch in Griechenland bereits um internationalen Schutz angesucht.
1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), XXXX , vom 11.06.2014 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem BF jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, die in der Folge mit Bescheid des BFA vom 20.05.2015 bis 12.06.2017 verlängert wurde.
1.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 22.12.2015, rechtskräftig seit 28.12.2015, wurde der BF wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB als junger Erwachsener zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.
1.4. In weiterer Folge wurde dem BF mit Bescheid des BFA vom 11.10.2016 der ihm mit Bescheid des BFA vom 11.06.2014 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II.), seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.) und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des in Österreich wegen eines Verbrechens verurteilten BF ohne Schul- und Berufsausbildung oder Berufserfahrung und ohne familiären oder sozialen Rückhalt in Afghanistan aufgrund der aktuellen Länderfeststellungen zu Afghanistan unzulässig sei.
Der Bescheid erwuchs mit Entscheidung des BVwG vom 02.05.2018 in weiterer Folge in Rechtskraft.
1.5. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 23.10.2018, rechtskräftig am selben Tag, wurde der BF wegen des Vergehens des Raufhandels zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten bei einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.
1.6. Dem BF wurde am 07.06.2018 eine bis 06.06.2019 gültige Duldungskarte ausgestellt. Am 14.05.2019 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der Duldungskarte.
1.7. Am 20.02.2020 wurde der BF vor dem BFA zur Prüfung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und Verlängerung der Duldung niederschriftlich einvernommen. Er gab unter anderem an, er sei gesund, habe Verwandte im Iran, einen Bruder in der Schweiz (zu welchem er in telefonischem Kontakt stehe), einen Bruder, der zum BF nach Österreich kommen wolle und eine Tante sowie einen Onkel in Afghanistan. Er habe seine Mutter nie gefragt, wo sich die Verwandten in Afghanistan aufhalten würden, da telefonieren teuer sei. In Teheran habe er in einer afghanischen Wohngegend gelebt. In Österreich habe er den Pflichtschulabschluss gemacht und Deutschzertifikate bis zum Niveau B1 erworben. Aktuell mache er eine Ausbildung zum Glasbautechniker. In Afghanistan könne man aufgrund der Terroranschläge nicht leben.
1.8. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA, XXXX , vom 25.03.2020, Zl. XXXX , wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt 1). Gemäß § 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt 2). Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt 3). Der Antrag auf Verlängerung seiner Karte für Geduldete vom 14.05.2019 wurde gemäß § 46a Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt 4). Gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt 5). Gemäß § 55 Absatz 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt 6). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt 7).
Das BFA führte aus, der BF sei in einer afghanischen Enklave aufgewachsen und mit den afghanischen Gebräuchen und Traditionen vertraut, sei jung, gesund, arbeitsfähig- und willig. Der BF verfüge über eine Ausbildung und Berufserfahrung als Glasbläser, bzw. habe auch Erfahrung als Mechaniker und Hilfsarbeiter. Es sei nunmehr hervorgekommen, dass der BF ein familiäres Netzwerk in Afghanistan habe und wieder in Kontakt zu seinem in der Schweiz ansässigen Bruder stehe. Auch einen Pflichtschulabschluss habe der BF inzwischen erworben. Es ergäben sich deutliche Diskrepanzen in den Angaben des BF zu seiner Vorbildung und seinem Netzwerk in Afghanistan. Der BF sei nicht glaubwürdig. Es sei nicht feststellbar, dass der BF bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz oder auch der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in eine ausweglose Lage geraten würde.
1.9. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem Gerichtsakt sowie aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Aufgrund der - im angefochtenen Bescheid aufgezeigten - Divergenzen in den Angaben des BF kommt dem Vorbringen des BF zu seinem fehlenden sozialen Netzwerk in Afghanistan keine Glaubhaftigkeit zu.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Anzuwendendes Recht:
Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung) und auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden. Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz nach diesem Zeitpunkt gestellt, weshalb das AsylG in der geltenden Fassung zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013, in der geltenden Fassung, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
§ 18 BFA-VG idgF samt Überschrift lautet auszugsweise:
Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
2.2. Rechtlich folgt daraus:
Zu Spruchteil A) Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
Es ist aus ho. derzeitiger Sicht (auf Basis der vorliegenden Aktenlage) nicht anzunehmen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Ein diesbezügliches Vorbringen wurde - nach dem Ergebnis einer Grobprüfung - nicht glaubhaft erstattet.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 VwGVG entfallen.
3. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage der Prüfung, ob eine Verletzung von Menschenrechten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall TeilerkenntnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W140.2230456.1.00Im RIS seit
20.10.2021Zuletzt aktualisiert am
20.10.2021