TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/5 W215 2244570-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55

Spruch


W215 2244570-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Volksrepublik China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2021, Zahl
1096771803-210846112, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V. gemäß § 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2021, § 10 Abs. 2 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, § 18 Abs. 2 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, und § 55 FPG, in der Fassung BGBl I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VI. insoweit stattgegeben, als die Dauer des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Zum rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren

Die Beschwerdeführerin reiste problemlos, legal mit ihrem chinesischen Auslandsreisepass, und einem Visum für die Italienische Republik aus der Volksrepublik China aus.

Sie reiste, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt, illegal in das Bundesgebiet ein.

Die Beschwerdeführerin stellte während ihres illegalen Aufenthalts am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Beschwerdeführerin behauptete kein Identitätsdokument zu besitzen, XXXX zu heißen und am XXXX , in XXXX , geboren zu sein. Die niederschriftlichen Befragungen der Beschwerdeführerin im Asylverfahren wurden aus gesundheitlichen Gründen ihrerseits verzögert.

Die Beschwerdeführerin reiste - während ihres laufenden Asylverfahrens - illegal in die Italienische Republik und ließ sich dort bei der Botschaft der Volksrepublik China, am XXXX , einen neuen chinesischen Auslandsreisepass ausstellen.

Nachdem die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet spätestens XXXX , zwecks Reisepassausstellung, Richtung Italienische Republik verlassen bzw. sich auch danach den österreichischen Behörden bewusst entzogen hatte, musste ihr Asylverfahren in Österreich am 07.08.2017 eingestellt werden.

Nachdem die Beschwerdeführerin zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal von der Italienische Republik in die Schweizerische Eidgenossenschaft gereist war und von dort, weil sie davor in Österreich XXXX ihren Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatten, am 13.09.2018 nach Österreich zurückgeschoben wurde und die österreichischen Behörden ihren chinesischen Auslandsreisepass sichergestellten, lief die Beschwerdeführerin davon um sich den österreichischen Behörden zu entziehen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin vom XXXX in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China (Spruchpunkt II.) abgewiesen, gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach VR China gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Dieser Bescheid erwuchs am XXXX in Rechtskraft.

2. Zum gegenständliches Verfahren

1. Nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens am XXXX kam die Beschwerdeführerin ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach, blieb stattdessen illegal in Österreich und entzog sich zweieinhalb Jahre lang bewusst den Behörden, bis sie schließlich am XXXX in einem „Rotlichtlokal“ in XXXX aufgegriffen wurde und neuerlich versuchte sich den österreichischen Behörden durch davonlaufen zu entziehen; dieses Mal konnte sie jedoch - nach einiger Suche – doch noch aufgegriffen werden. Die Beschwerdeführerin konnten sich nicht ausweisen und wurde wegen illegalen Aufenthalts angehalten.

Am XXXX wurde die Beschwerdeführerin niederschriftlich befragt und wegen jahrelangem „untertauchen“ bzw. des illegalen Aufenthalts in Verbindung mit nicht vorhandenem legalen Einkommen Schubhaft verhängt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. In Spruchpunkt II. wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und in Spruchpunkt III. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach China gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchunkt IV. wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für eine freiwillige Rückkehr nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und in Spruchpunkt VI. gemäß § 53 Abs.1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen die Beschwerdeführerin ein auf vier Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.

Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 24.06.2021, wurde fristgerecht am 19.07.2021 gegenständliche Beschwerde eingebracht, der gesamte Bescheid bekämpft, eine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt, beantragt den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben und eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG zu erteilen, das Einreiseverbot aufzuheben, in eventu die Dauer des Einreiseverbotes zu verkürzen und in eventu den Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Am XXXX fand in einer anderen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts eine Verhandlung zu § 22a BFA-VG iVm § 76 FPG, wegen der über die Beschwerdeführerin verhängten Schubhaft statt; eine Kopie dieser Verhandlungsschrift liegt im Beschwerdeakt ein.

2. Die Beschwerdevorlage vom 21.07.2021 langte am selben Tag im Bundesverwaltungsgericht ein und wurde einer Gerichtsabteilung zur Erledigung zugewiesen. Nach einer Unzuständigkeitseinrede wurde das Verfahren der nunmehr zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung zugewiesen und danach dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schriftlich mitgeteilt, dass die Beschwerdevorlage am 21.07.2021 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt ist.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes in Verbindung mit dem Umstand, dass es sich um ein Verfahren gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, handelt, wurde für den 26.07.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen die Beschwerdeführerin und ihre Vertreterin. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich bereits vorab mit Email vom 23.07.2021 entschuldigt und erschien nicht. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Die Beschwerdeführerin und ihre Vertreterin verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine einwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein und die Verhandlungsschrift wurde noch am selben Tag dem Bundesamt für Fremdenwesen übermittelt.

Am 30.07.2021 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht informationshalber eine Stellungnahme zum „Schubhaftverfahren“ der XXXX vom XXXX sowie, im Rahmen des Parteiengehörs zur Beschwerdeverhandlung vom 26.07.2021, die Stellungnahme vom 30.07.2021. Noch am selben Tag wurden diese Stellungnahmen ein weiters Mal übermittelt, diesmal zusätzlich auch noch mit allen Informationen, welche der anderen Gerichtsabteilung, in welcher das „Schubhaftverfahren“ der Beschwerdeführerin anhängig war, bereits am 13.07.20201 übermittelt wurden.

Am 03.08.2021 langte die schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 02.08.2021, welche im Rahmen des Parteiengehörs zur Beschwerdeverhandlung vom 26.07.2021 übermittelt wurde, im Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wird kurz zusammengefasst ausgeführt, dass aus in der Beschwerdeverhandlung zitieren Länderberichten insgesamt hervorgeht, dass Menschenhandel in China weit verbreitet ist, Frauen bezüglich Zwangsprostitution und Menschenhandel zu einer vulnerablen Gruppe gehören, es wird aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zitiert, wonach Zwangsprostitution und Menschenhandel in der Volksrepublik China verfolgt wird davon Kinder und Frauen betroffen sind und es einen nationalen Aktionsplan dagegen gibt. Zudem hat die chinesische Regierung der Bekämpfung des Menschenhandels in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt, was auch aus dem USDOS Bericht vom 11.03.2020 hervorgeht. Aus dem USDOS Bericht zum Menschenhandel in China vom 01.07.2021 gehe jedoch hervor, dass die Standards zur Verhütung von Menschenhandel scharf kritisiert würden sowie dass, der nationale Aktionsplan nicht effektiv sei, es werden Passagen des Berichts in englischer Sprache zitiert. Es wurde aus dem Bericht des BAMF vom 07.06.2021 zur COVID-19 zitiert und ein Foto vorgelegt, auf dem eine Seite eines A1 Zertifikats der Beschwerdeführerin zu sehen ist, auf dem steht, dass sie am XXXX die Prüfung ÖSD Zertifikat A1 bestanden hat (Anmerkung: das Datum ist extrem schlecht lesbar und sieht eher aus wie XXXX , soll aber, laut schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 02.08.2021, XXXX lauten).

Im „Schubhaftverfahren“ der Beschwerdeführerin wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , Zahl XXXX , in einer gekürzten Urteilsaufertigung des am XXXX mündlich verkündeten Erkenntnisses, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausgesprochen, dass die Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG festgestellt wird, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der Antrag auf Kostenersatz wurde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen und gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und Z 4 VwG-AufwErsV hat die Beschwerdeführerin dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von
€ EUR 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Eine Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

a) Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin:

Die Identität der kinderlosen, aus der Provinz XXXX , einer von insgesamt 22 Provinzen in der Volksrepublik China, stammenden Beschwerdeführerin steht fest. Sie ist Staatsangehörige der Volksrepublik China, einem Land dessen Bevölkerungszahl mit Stand Juli 2021 auf mehr als 1,39 Milliarden Menschen geschätzt wird und reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal ins Bundesgebiet. Ihre Eltern und Geschwister leben nach wie vor in XXXX und die Beschwerdeführerin hatte in den letzten Jahren ca. einmal pro Woche telefonischen Kontakt mit ihren Eltern. Die Beschwerdeführerin beherrscht die chinesische Sprache, aber kaum Deutsch. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin jemals Opfer von Zwangsprostitution oder Menschenhandel war; die Beschwerdeführerin arbeitete ab XXXX in Österreich freiwillig als „Geheimprostituierte“ auf eigene Rechnung und vor dem XXXX zusätzlich illegal als Putzfrau in zwei privaten Haushalten; siehe dazu auch die Feststellungen d zum Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich.

b) Zum bisherigen Verfahrensverlauf:

Die Beschwerdeführerin reiste problemlos, legal mit ihrem chinesischen Auslandsreisepass und einem Visum für die Italienische Republik über einen internationalen Flughafen aus der Volksrepublik China aus, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal nach Österreich ein und stellt hier unter dem Namen XXXX , mit dem angeblichen Geburtsdatum XXXX , am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Die niederschriftlichen Befragungen der Beschwerdeführerin im Asylverfahren wurden aus gesundheitlichen Gründen ihrerseits verzögert.

Die Beschwerdeführerin reiste während ihres laufenden Asylverfahrens illegal in die Italienische Republik und ließ sich dort in der Botschaft der Volksrepublik China, am XXXX , einen neuen chinesischen Auslandsreisepass ausstellen.

Nachdem die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet spätestens im XXXX verlassen hatte, um in die Italienische Republik zu reisen bzw. sich monatelang bewusst den österreichischen Behörden entzogen hatte, musste ihr Asylverfahren in Österreich am 07.08.2017 eingestellt werden.

Die Beschwerdeführerin reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in die Schweizerische Eidgenossenschaft und wurde von dort, weil sie in Österreich XXXX ihren Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatten, am 13.09.2018 nach Österreich zurückgeschoben. Während die österreichischen Behörden ihren am XXXX ausgestellten chinesischen Auslandsreisepass sichergestellten, lief die Beschwerdeführerin davon und entzog sich damit neuerlich den österreichischen Behörden.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin vom XXXX in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China (Spruchpunkt II.) abgewiesen, gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach VR China gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens am XXXX kam die Beschwerdeführerin ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach, blieb stattdessen illegal in Österreich und „tauchte unter“ bzw. entzog sich zweieinhalb Jahre lang bewusst den Behörden, bis sie XXXX in einem „Rotlichtlokal“ in XXXX aufgegriffen wurde und ein weiteres Mal versuchte sich den österreichischen Behörden durch davonlaufen zu entziehen; diesmal konnte sie jedoch nach einiger Suche aufgegriffen werden und es wurde am XXXX Schubhaft verhängt. Am XXXX fand in diesem Zusammenhang, in einer anderen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts, zur Zahl XXXX , eine mündliche Verhandlung statt.

Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. In Spruchpunkt II. wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und in Spruchpunkt III. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach China gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchunkt IV. wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für eine freiwillige Rückkehr nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und in Spruchpunkt VI. gemäß § 53 Abs.1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen die Beschwerdeführerin ein auf vier Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.

Nach einer fristgerecht am 19.07.2021 eingebrachten Beschwerde wurde zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes in Verbindung für den 26.07.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt, vor deren Ende den Verfahrensparteien eine Frist zur Abgabe von Stellungnahmen bis 02.08.2021 gewährt wurde.

Im „Schubhaftverfahren“ wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , Zahl XXXX , in einer gekürzten Urteilsaufertigung des am XXXX mündlich verkündeten Erkenntnisses, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausgesprochen, dass die Beschwerde gemäß
§ 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und gemäß
§ 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG festgestellt wird, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der Antrag auf Kostenersatz wurde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen und gemäß
§ 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und Z 4 VwG-AufwErsV hat die Beschwerdeführerin dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € EUR 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Eine Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

c) Zur Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat:

Die XXXX Beschwerdeführerin ist gesund. Sie ist in der Volksrepublik China neun Jahre lang zur Schule gegangen und dort leben nach wie vor ihre Eltern, zu denen die Beschwerdeführerin wöchentlich per Telefon Kontakt hält. Weiters leben noch die Geschwister der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat. Die Beschwerdeführerin spricht nach wie vor sehr gut ihre Muttersprache Chinesisch und hat die letzten beiden Jahre, vor ihrer Ergreifung und Anhaltung wegen ihres illegalen Aufenthalts am XXXX , bei ihrer chinesischen Freundin XXXX und deren Familie gelebt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin in der Volksrepublik China ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit droht oder sie Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation gerät. Die Beschwerdeführerin hat nach wie vor alle Familienangehörigen in XXXX ; einer von 22 Provinzen, mit geschätzt ca. XXXX Einwohnern. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr bei ihren Eltern oder Geschwistern Unterkunft finden kann und sie diese unterstützen werden.

Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdeverhandlung am 26.07.2021 angegeben, nicht COVID-19 geimpft zu sein, was aber für ihre Rückkehr in die Volksrepublik China keine Rolle spielt, da ausnahmslos alle aus dem Ausland einreisenden Personen - unabhängig von Nationalität, etwaigen Impfungen oder Genesung -, am Erstankunftsort in der Volksrepublik China auf COVID-19 getestet werden und danach in Quarantäne kommen.

d) Zum Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich:

In Österreich leben keine Familienangehörigen der Beschwerdeführerin, alle Verwandten leben nach wie vor in der Volksrepublik China.

Die Beschwerdeführerin ist zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal nach Österreich eingereist und hat hier XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, in dessen Verlauf sie bewusst unwahre Angaben zu ihrer Identität und angeblichen Asylgründen in der Volksrepublik China machte. Das Asylverfahren wurde von der Beschwerdeführerin immer wieder bewusst verzögert und sie reiste währenddessen in die Italienische Republik um sich bei der Botschaft der Volksrepublik China, am XXXX , einen neuen chinesischen Auslandsreisepass ausstellen zu lassen.

Die Beschwerdeführerin kehrte erst am 13.09.2018, auf Grund einer Zurückschiebung aus der Schweizerische Eidgenossenschaft, in Bundesgebiet zurück und entzog sich sofort wieder bewusst den österreichischen Behörden bzw. lebte im „Untergrund“ bis sie von Polizisten XXXX aufgegriffen wurde.

Die Beschwerdeführerin hat - während ihres illegalen Aufenthaltes - vor ca. elf Monaten eine platonische Beziehung zu einem XXXX älteren österreichischen Staatsbürger begonnen, der sie gerne heiraten würde; mit diesem lebt die Beschwerdeführerin nicht im gemeinsamen Haushalt.

Die Beschwerdeführerin lebte die letzten beiden Jahre im „Untergrund“ bei ihrer chinesischen Freundin XXXX und deren Familie in XXXX , den konkreten Straßenamen kann die Beschwerdeführerin nicht nennen. Statt Miete zu bezahlen, erledigt sie die Hausarbeit und betreute deren Kind. Die Beschwerdeführerin arbeitete ab XXXX freiwillig als „Geheimprostituierte“ auf eigenen Rechnung und vor dem XXXX zudem auch noch illegal als Putzfrau in zwei privaten Haushalten; ihre Einnahmen aus der „Schwarzarbeit“ als Putzfrau betrugen durchschnittlich ca. Euro 1.000.- im Monat.

Es wurde ein Foto vorgelegt, auf dem eine Seite eines A1 Zertifikats der Beschwerdeführerin zu sehen ist, wonach diese am XXXX (das Datum ist extrem schlecht lesbar) die Prüfung ÖSD Zertifikat A1 bestanden hat. Die Beschwerdeführerin spricht kaum Deutsch.

e) Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin:

Politische Lage

Die Volksrepublik China ist nach Russland, Kanada und den U.S.A, das viertgrößte Land der Erde und der größte Staat Asiens. Die Bevölkerungszahl wird mit Stand Juli 2021 auf mehr als 1,39 Milliarden Menschen geschätzt (CIA Factbook Stand 27.07.2021 abgefragt am 04.08.2021).

Xi Jinping ist seit dem 14.03.2013 Präsident, gleichzeitig Generalsekretär des Zentralkomitees (ZK) der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission. Seit 15.03.2013 ist Ministerpräsident des Staatsrats Li Keqiang Regierungschef (AA Steckbrief 19.04.2021, abgefragt am 04.08.2021).

China ist mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Welt und eines von weltweit fünf verbliebenen kommunistischen Einparteiensystemen (neben Vietnam, Laos, Kuba und Nordkorea). China verfügt über 22 Provinzen, fünf Autonome Regionen nationaler Minderheiten (Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi), vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Tianjin, Shanghai, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungs-Regionen (Hongkong und Macau). Zentralregierung und Parteizentrale haben ihren Sitz in Peking. Zentral für das politische System Chinas ist der Führungsanspruch der Kommunistischen Partei Chinas, der auch in der Verfassung verankert ist. Andere politische Organisationen, Medien, Zivilgesellschaft und religiöse Aktivitäten haben sich den Zielen der Partei unterzuordnen und werden streng reguliert. An der Spitze der Partei steht das Zentralkomitee (ZK). Das ZK wiederum wählt das Politbüro (25 Mitglieder) und den Ständigen Ausschuss des Politbüros (derzeit siebe Mitglieder). Der Ständige Ausschuss ist das ranghöchste Parteiorgan und gibt die Leitlinien der Politik vor (AA politisches Porträt 19.04.2021, abgefragt am 04.08.2021).

Eine parlamentarische Opposition zur KP Chinas gibt es nicht (AA 01.12.2020). Die Volksrepublik China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der Kommunistische Partei gehalten. Die oberste Autorität liegt beim 25-köpfigen Politbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei und seinem siebenköpfigen Ständigen Ausschuss. Xi Jinping besetzt als Generalsekretär der Partei, Staatspräsident und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission nach wie vor die drei mächtigsten Positionen (USDOS 30.03.2021).

Zentral für das politische System Chinas ist der Führungsanspruch der Kommunistischen Partei Chinas, der auch in der Verfassung verankert ist. Andere politische Organisationen, Medien, Zivilgesellschaft und religiöse Aktivitäten haben sich den Zielen der Partei unterzuordnen und werden streng reguliert. Ministerpräsident Li Keqiang leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem „inneren Kabinett“ aus vier Stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung (BMBF 2020; Heilmann 2016).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird für fünf Jahre gewählt (FH 04.03.2020; BMBF 2020). Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 04.03.2020; BMBF 2020) und ist formal das gesetzgebende Organ der VR China. Er tagt als Plenum einmal jährlich und beschließt mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren nationale Gesetze (LVAk 09.2019).

Seit dem Massaker vom Tiananmen-Platz im Jahr 1989, als die Volksbefreiungsarmee (PLA) gewaltsam gegen eine von Studenten geführte pro-demokratische Bewegung vorgegangen ist, hat es keine Versuche gegeben, den politischen Wettbewerb zu erhöhen. Nach dem "Vorfall", der nach wie vor in China ein Tabuthema ist, wurden die politischen Reformer von der KP-Führung gesäubert (BS 29.04.2020). Zwar sind acht sogenannte demokratische Parteien offiziell anerkannt, jedoch sind alle der KP Chinas unterstellt (BS 29.04.2020). Chinas Einparteiensystem unterdrückt die Entwicklung einer organisierten politischen Opposition rigoros. Selbst innerhalb der KPCh hat Xi Jinping seit 2012 seine eigene Macht und Autorität stetig ausgebaut, sowie eine selektive Antikorruptionskampagne geführt, um potenzielle Rivalen auszuschalten (FH 04.03.2020).

Der vom Präsidenten Xi Jinping konzipierte "Chinesische Traum" soll China den Status einer Weltmacht wiedererlangen helfen. Die chinesische Regierung verfolgt gesellschaftliche Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung als zwei zentrale Anliegen in ihrer Agenda. Demgegenüber stellt eine Transformation zur Demokratie auf der Grundlage der Herrschaft des Rechts keines der langfristigen strategischen Ziele der Regierung dar. Vielmehr verfolgt die Regierung als bewusste Strategie, einer Bedrohung durch pro-demokratische Tendenzen und Herausforderungen für die politische Hegemonie der Partei entgegenzuwirken (BS 29.04.2020).

Zu Beginn der Tagung des Volkskongresses im Mai 2020 kündigte die Regierung an, dass trotz der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie sowie des Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten der Verteidigungshaushalt im laufenden Jahr abermals deutlich erhöht werden soll. Diese Ankündigung erfolgte vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren gewachsenen Spannungen zwischen China und mehreren Nachbarstaaten sowie den USA wegen der von Peking erhobenen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer (FAZ 21.05.2020; WKO 01.12.2020).

Ungeachtet internationaler Proteste hat Chinas Nationaler Volkskongress die Einführung eines Sicherheitsgesetzes für Hongkong gebilligt, mit dem nach Ansicht von Kritikern die Bürgerrechte in der Sonderverwaltungszone massiv beschnitten werden. Zum Abschluss der Jahrestagung beauftragten die Abgeordneten den Ständigen Ausschuss des Parlaments, das Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Chinas Sonderverwaltungsregion zu erlassen (ZO 28.05.2020). Peking reagiert mit dem Sicherheitsgesetz auf die monatelangen, mitunter gewalttätigen Proteste der Hongkonger Demokratiebewegung im vergangenen Jahr. Das Gesetz soll "Abspaltung", "Subverson", "Terrorismus" und die "Gefährdung der nationalen Sicherheit" unter Strafe stellen und den offenen Einsatz festlandchinesischer Sicherheitsbehörden in Hongkong ermöglichen. Die Pekinger Pläne haben neue Proteste in Hongkong ausgelöst, bei denen es zu gewalttätigen Konfrontationen mit der Polizei kommt (ARTE 28.05.2020).

(CIA, The World Factbook, China, letzte Aktualisierung am 27.07.2021, abgefragt am 04.08.2021, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/china/

AA, Auswärtiges Amt, China, Steckbrief 19.04.2021, abgefragt am 04.08.2021, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/china/200464

BMBF, Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020): Allgemeine Landesinformationen: China, https://www.kooperation-international.de/laender/asien/china/allgemeine-landesinformationen/, Zugriff 11.12.2020

Heilmann, Sebastian (2016): Das politische System der Volksrepublik China, Springer Fachmedien Verlag

FH, Freedom House (04.03.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 11.12.2020

LVAk, Landesverteidigungsakademie (09.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 01.2019, S. 190

ARTE, Association Relative à la Télévision Européenne (28.05.2020): Chinas Volkskongress billigt umstrittenes Sicherheitsgesetz zu Hongkong, https://www.arte.tv/de/afp/neuigkeiten/chinas-volkskongress-billigt-umstrittenes-sicherheitsgesetz-zu-hongkong, Zugriff 11.12.2020

ZO, Zeit Online (28.05.2020): Volkskongress verabschiedet Sicherheitsgesetz für Hongkong, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-05/china-volkskongress-verabschiedet-sicherheitsgesetz-fuer-hongkong, Zugriff 11.12.2020

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China, Stand Oktober 2020, 01.12.2020, https://www.ecoi.net

BS, Bertelsmann Stiftung (29.04.2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf, Zugriff 11.12.2020

FAZ, Frankfurter Allgemeine Zeitung (21.05.2020): China erstmals seit 1990 ohne Wachstumsziel, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/volkskongress-eroeffnet-china-erstmals-seit-1990-ohne-wachstumsziel-16780739.html, Zugriff 11.12.2020

ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

WKO, Wirtschaftskammer Österreich (01.12.2020): Die chinesische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-chinesische-wirtschaft.html#heading_wirtschaftslage, Zugriff 11.12.2020

USDOS, US Department of State, Jahresbericht zur Menschenrechtslage 2020, China, 30.03.2021, https://www.state.gov/reports/2020-country-reports-on-human-rights-practices/china/

AA, Auswärtiges Amt, China, politisches Porträt 19.04.2021, abgefragt am 04.08.2021, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/politisches-portraet/200846)

Sicherheitslage

Die COVID-19 Fallzahlen haben sich in der Volksrepublik China auf einem niedrigen Niveau stabilisiert (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 04.08.2021).

Kleinkriminalität (Taschendiebstähle, Betrug mit überhöhten Kreditkartenabrechnungen und ähnliches) kommt im gesamten Land vor. Es wird zu Vorsicht geraten, insbesondere auch vor „Reiseführern“, „Künstlern“, „Studenten“, die ihre Dienste auf der Straße anbieten (BMEIA Stand 04.08.2021).

Demonstrationen sind ohne vorherige Genehmigung der Regierung illegal, finden gleichwohl gelegentlich statt. Teilnehmer müssen gegebenenfalls mit ernsten rechtlichen Maßnahmen gegen sie rechnen. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen droht Ausländern eine Festnahme mit Inhaftierung unbestimmter Dauer, mindestens aber die Einbehaltung des Reisepasses auf unbestimmte Zeit. Der Zugang zum Internet wird staatlich kontrolliert. Der Zugriff auf verschiedene Online-Angebote ist blockiert, darunter die von Google, Facebook, Twitter, Whatsapp und weiteren. Die Nutzung von VPN-Diensten zur Umgehung der staatlichen Internetzensur in China ist verboten. Meiden Sie Demonstrationen und größere Menschenansammlungen. Folgen Sie den Anweisungen lokaler Sicherheitskräfte. Verzichten Sie auf die Nutzung von VPN-Diensten. Die Kriminalitätsrate ist insgesamt gering und Gewaltakte sind sehr selten. Auf Kleinkriminalität wie Taschendiebstahl und Raub z.B. von Smartphones sowie insbesondere verschiedenste Formen von Trickbetrügereien, Scams und überhöhte Kreditkartenabrechnungen und Preise für Dienstleistungen sollte jedoch geachtet werden. Betrugsversuche erfolgen auch über das Telefon, wobei sich Anrufer teilweise als Polizei ausgeben. Bewahren Sie Geld, Führerschein, Flugscheine und andere wichtigen Dokumente sicher auf und führen Sie den Pass mit gültigem Visum stets mit. Lehnen Sie dubiose Angebote konsequent ab oder ignorieren Sie sie und nutzen Sie die ausgeschilderten Taxi-Stände oder öffentliche Verkehrsmittel. Seien Sie in größeren Menschenmengen wie an Flughäfen, Bahnhöfen, in der U-Bahn und im Bus besonders aufmerksam und achten Sie auf Ihre Wertsachen. Lassen Sie Getränke nie unbeaufsichtigt und prüfen Sie Preise vor Bestellungen. Seien Sie bei ungewohnten E-Mails, Gewinnmitteilungen, Angeboten und Hilfsersuchen angeblicher Bekannter skeptisch ((AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 04.08.2021).

Aufgrund einer massiven Präsenz von Sicherheitskräften in besonders gefährdeten Regionen ist eine Wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen in China generell niedrig (GW 19.06.2020). Berichten zufolge wurden in den letzten zehn Jahren 170 Millionen Überwachungskameras in Städten und Gemeinden im ganzen Land installiert (DFAT 03.10.2020). Dennoch kann es vereinzelt zu Demonstrationen und Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften kommen. Auch sind in den letzten Jahren in China Anschläge verübt worden (EDA 23.07.2020). Konflikte und mutmaßliche Diskriminierung und Ungleichbehandlung durch die Han-Mehrheitsbevölkerung und die anhaltende harte Linie der lokalen Regierung, können die laufende Problematik der muslimischen Gemeinschaft über die uigurischen Minderheiten hinaus noch verschärfen (GW 17.06.2020).

Zwar gibt es in China noch keine unversöhnlichen ethnischen, sozialen oder religiösen Spaltungen, soziale Unruhen sind allerdings an der Tagesordnung. Auch wenn die meisten Demonstrationen als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik personell meist gering ausfallen, betreffen sie dennoch existentielle Fragen wie Lohnrückstände, dem Abriss von Häusern und der Umsiedlung oder Enteignung (BS 29.04.2020). Landerwerb ohne volle Einbeziehung der örtlich Betroffenen stößt zunehmend auf Proteste, insbesondere in Guangdong, Fujian, Zhejiang, Jiangsu, Shandong und Sichuan. Proteste wegen der Modalitäten von Zwangsumsiedlungen wie auch Entschädigungsleistungen sind an der Tagesordnung und die Behörden verfolgen einige der Anführer solcher Proteste strafrechtlich. Die Wahrscheinlichkeit von Protesten, vor allem in Form von Demonstrationen und Blockaden, wird in Bezug auf den Bau größerer Infrastrukturprojekte, dem Bergbau, etc. auch weiterhin hoch eingeschätzt. Wesentliche Störungen sind aufgrund einer starken Sicherheitspräsenz unwahrscheinlich (GW 17.06.2020; USDOS 11.03.2020, BS 29.04.2020).

China hat anhand der Vorkommnisse der späten 1980er Jahre gelernt, dass soziale Spannungen zu einer ernsthaften Gefährdung des Systems führen können. Infolgedessen wurde ein engmaschiges Kontroll- und Regulierungssystem sowohl in urbanen Kerngebieten als auch in den peripheren Siedlungsgebieten der Minderheiten aufgebaut (LVAk 9.2019). Die staatliche Kontrolle durch eine massive, sichtbare Polizeipräsenz an strategischen Punkten und wichtigen Orten wird aufrechterhalten (BS 29.4.2020). Medienberichten zu Folge haben die chinesische Polizei und die Sicherheitsbehörden 2016 damit begonnen, Fotodatenbanken, künstliche Intelligenz und Überwachungskameras mit Gesichtserkennungstechnologie zu kombinieren, um Verdächtige und "destabilisierende Akteure" in der Gesellschaft aufzuspüren (DFAT 03.10.2020). Berichten zufolge werden auch gewonnene DNA-Proben, Urinproben, Sprachaufzeichnungen, Fingerabdrücke, Fotos und eine Vielzahl von persönlichen Daten von den Sicherheitsbehörden gesammelt (BBC 19.12.2019; RFA 23.08.2019, HRW 160.05.2017).

Auf der Tagung des Volkskongresses im Mai 2020 kündigte der Ministerpräsident an, dass auch trotz der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie sowie des Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten, der Verteidigungshaushalt im laufenden Jahr abermals deutlich steigen soll. Die Ankündigung erfolgte vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren gewachsenen Spannungen zwischen China und mehreren Nachbarstaaten sowie die USA wegen der von Peking erhobenen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer (SN 22.05.2020; FAZ 21.05.2020, WKO 12.05.2020)

(BMEIA, Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten, Republik der China, unverändert gültig seit 06.07.2021, Stand 04.08.2021, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/china/

BBC, British Broadcasting Corporation (05.12.2019): Chinese residents worry about rise of facial recognition, https://www.bbc.com/news/technology-50674909, Zugriff 11.12.2020

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2.2020): Länderreport 22; China; Situation der Muslime, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025535/laenderreport-22-china.pdf, Zugriff 14.12.2020

BS, Bertelsmann Stiftung (29.04.2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf, Zugriff 11.12.2020

CEFIP, Carnegie Endowmwnt for International Peace (13.08.2019): New Delhi Remains Washington’s Best Hope in Asia, https://carnegieendowment.org/2019/08/13/new-delhi-remains-washington-s-best-hope-in-asia-pub-79666, Zugriff 11.12.2020

DFAT, Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (03.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf, Zugriff 11.12.2020

DRM, De Re Militaria (26.8.2019): The Chinese String of Pearls or How Beijing is Conquering the Sea, https://drmjournal.org/2019/08/26/the-chinese-string-of-pearls-or-how-beijing-is-conquering-the-sea/, Zugriff 11.12.2020

EDA, Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (23.07.2020): Reisehinweise für China, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/china/reisehinweise-fuer-china.html, Zugriff 11.12.2020

FA, Foreign Affairs (9/10 2019): The India Dividend, New Delhi Remains Washington’s Best Hope in Asia, https://www.foreignaffairs.com/articles/india/2019-08-12/india-dividend?gpp=WlLQHrv60hOMo/LWqt4OfjptV0xxVkgyaFRqSTlDUWN3TFhkQmNUNmRnVDZ2T3g3cjFvOU9Udm4zRTFNKzRDdTZ4bG5wWWdpdlVXTUdkT1JJOjlmMGVkZTNjMTY2NTg0YjBlYjJmODI0MTVkN2Q4MzhlYzFlMmE0MmVlMDhiMGQxZGRlMjA2OGY1ZmU3ZmY2MmU%3D, Zugriff 11.12.2020

FAZ, Frankfurter Allgemeine Zeitung (21.05.2020): China erstmals seit 1990 ohne Wachstumsziel, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/volkskongress-eroeffnet-china-erstmals-seit-1990-ohne-wachstumsziel-16780739.html, Zugriff 11.12.2020

GH, Gateway House (17.02.2016): How China Sees Russia, https://www.gatewayhouse.in/how-china-sees-russia/, Zugriff 11.12.2020

GW, GardaWorld (23.08.2020): China Country Report, Executiv Summary https://www.garda.com/crisis24/country-reports/china, Zugriff 11.12.2020

GW, GardaWorld (19.06.2020): China Country Report, Terrorism, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/china, Zugriff 11.12.2020

GW, GardaWorld (17.06.2020): China Country Report, Social Stability, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/china, Zugriff 11.12.2020

HRW, Human Rights Watch (16.05.2017): China: Police DNA Database Threatens Privacy, https://www.ecoi.net/de/dokument/1400058.html, Zugriff 11.12.2020

IPG, Internationale Politik und Gesellschaft (15.10.2020): Indische Visionen, https://www.ipg-journal.de/regionen/asien/artikel/indien-4712/, Zugriff 11.12.2020

LVAk – Landesverteidigungsakademie (05.2020): Hauser, Gunther (05.2020): Chinas Aufstieg zur Globalmacht der Weg einer Regionalmacht zum weltpolitischen Akteur, Seite 101 - 108, 109 - 112.

LVAk, Landesverteidigungsakademie (09.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 01.2019, S. 228

REUTERS (02.09.2020): Grenzkonflikt zwischen Indien und China flammt wieder auf, https://de.reuters.com/article/indien-china-grenzkonflikt-idDEKBN25Z181, Zugriff 11.12.2020

RFA, Radio Free Asia (23.08.2019): China Gears up to Collect Citizens' DNA Nationwide, https://www.rfa.org/english/news/china/collect-08232019115209.html, Zugriff 11.12.2020

SN, Salzburger Nachrichten (22.05.2020): Chinas Volkskongress eröffnet - Hongkong und Corona im Fokus, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/chinas-volkskongress-eroeffnet-hongkong-und-corona-im-fokus-87870631, Zugriff 11.12.2020

SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (2016): Wagner, C.: Die Auswirkungen des China-Pakistan Economic Corridor (CPEC). Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, https://nbnresolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-46698-5, Zugriff 11.12.2020

USDOS, US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 11.12.2020

WSJ, Wall Street Journal (17.6.2020): The China-India Clash, https://www.wsj.com/articles/the-china-india-clash-11592435121, Zugriff 11.12.2020

AA, Auswärtiges Amt, China, Reise- und Sicherheitshinweise unverändert gültig seit 13.07.2021, Stand 04.08.2021, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/chinasicherheit/200466)

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Führung unternimmt Schritte, das Rechtssystem auszubauen (AA 01.12.2020). Auf der Plenartagung des Zentralausschusses der KPCh im Oktober 2019 wurde die Notwendigkeit betont, die Macht der KPCh zu festigen und ihre Kontrolle über alle Ebenen der chinesischen Gesellschaft auszuweiten (FH 04.03.2020). Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden abgelehnt (DP 27.06.2019). Im März 2018 wurden neue Kontroll- und Ausgleichsmechanismen in die Verfassung aufgenommen, um die Umsetzung zentraler Richtlinien und Vorschriften durchzusetzen. Die Zentralregierung verlässt sich zunehmend auf große Datenmengen, die sie zur Überwachung und Kontrolle der Umsetzung der Reformpolitik auf den verschiedenen Verwaltungsebenen einsetzt. Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 01.12.2020; FH 04.03.2020). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 10.2020). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen (FH 04.03.2020; AI 30.01.2020). Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen solche, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, den politisch-juristischen Ausschüssen (FH 04.03.2020). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, d.h. der Kommunistischen Partei (KP), keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 10.2020; AA 01.12.2020).

Die Richterernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahme seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es – vor allem auf unterer Gerichtsebene – noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 10.2020).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden (AA 01.12.2020).

Das umstrittene System der „Umerziehung durch Arbeit“ („laojiao“) wurde Ende 2013 offiziell abgeschafft. Missbräuchliche Einweisungen politisch missliebiger Personen (vor allem Petitionäre oder Dissidenten) in psychiatrische Anstalten aber auch willkürliche Festsetzungen in sogenannten schwarzen Gefängnissen („black jails“ bzw. „legal education center“) ohne faires Gerichtsverfahren oder aufgrund falscher oder gefälschter medizinischer Gutachten kommen weiterhin vor (AA 01.12.2020).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt die "Hochachtung und der Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft befindlichen Personen innerhalb von 24 Stunden über die erfolgte Festnahme informiert werden. Es müssen von den Behörden jedoch keine Angaben zum Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort der festgenommenen Person gegeben werden. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befinden, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein (ÖB 10.2020). Das Strafprozessgesetz sieht zudem vor, dass Verdächtige, die die staatliche Sicherheit gefährden, an einem "designierten Ort" bis zu sechs Monate unter "Hausarrest" gestellt werden können (ÖB 10.2020).

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "schwarzen Gefängnissen" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 01.12.2020).

Das 2019 erneut revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert dem Wortlaut nach die Stellung des Beschuldigten/Angeklagten und des Verteidigers im Ermittlungs- und Strafprozess. Die Umsetzung steht aber in jedem Fall unter dem politischen Eingriffsvorbehalt der jeweiligen Parteiorgane, die fester integrierter Bestandteil auch bei den Strafgerichten sind (AA 01.12.2020).

Seit 2014 wurden schrittweise Reformen zur Verbesserung der Justizleistung unter Wahrung der Parteivormachtstellung durchgeführt. Die Änderungen konzentrierten sich auf die Erhöhung der Transparenz, Professionalität und Autonomie gegenüber den lokalen Behörden (FH 04.03.2020).

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StGB) ersetzt. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 01.12.2020). Der Handlungsraum für Menschenrechtsanwälte zur Ausübung ihrer Tätigkeit wird immer weiter eingeschränkt. Menschenrechtsanwälte sind behördlicher Überwachung, Belästigungen, Einschüchterungen und Inhaftierungen ausgesetzt (AI 30.01.2020). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang in der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. Unter anderem wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 01.12.2020).

Das mehrjährige harte Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte hat den Zugang der Angeklagten zu unabhängigem Rechtsbeistand geschwächt (FH 04.03.2020). Anwälten und Mitarbeitern von Kanzleien und Aktivisten droht bei öffentlicher Kritik am System Festnahme und Haft (AI 01.10.2019; ZO 29.01.2019, DP 19.01.2018). Von schikanösen Maßnahmen können auch Familienangehörige betroffen sein (AI 01.10.2019; TT 29.03.2016).

Seit der offiziellen Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" werden Menschenrechtsaktivisten nicht mehr in administrativer Haft angehalten, sondern systematisch auf Basis von Strafrechtstatbeständen wie Staatsgefährdung, Separatismus, Volksverhetzung, oder gemeiner Vergehen oder Verbrechen verurteilt, womit der Anschein der Rechtsstaatlichkeit erweckt werden soll. Aufgrund der vagen Tatbestände, des Zusammenhalts der einzelnen Institutionen und des Mangels an unabhängiger engagierter anwaltlicher Vertretung, kann ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt relativ leicht "geschaffen" werden (ÖB 10.2020). Eine neue Form der außergerichtlichen Inhaftierung für Ziele von Antikorruptions- und offiziellen Fehlverhaltensuntersuchungen, die als „Liuzhi“ bekannt ist, wurde 2018 zusammen mit der Einrichtung der National Supervisory Commission (NSR) eingeführt. Einzelpersonen können unter Anwendung dieser Maßnahmen bis zu sechs Monate lang ohne Zugang zu Rechtsbeistand inhaftiert werden (FH 04.03.2020).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen seit einigen Jahren ab. Petitionäre, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um unliebsame Personen aus dem Verkehr zu ziehen (AA 01.12.2020; ÖB 10.2020).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China, Stand Oktober 2020, 01.12.2020, https://www.ecoi.net

AI, Amnesty International (30.01.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023866.html, Zugriff 10.12.2020

AI, Amnesty International (01.10.2019): Sippenhaft in China, https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/china-sippenhaft-china, Zugriff 10.12.2020

DP, Die Presse (270.6.2019): Chinesische Höchstrichterin: „Gewaltentrennung ist für China ungeeignet“, https://www.diepresse.com/5650654/chinesische-hochstrichterin-bdquogewaltentrennung-ist-fur-china-ungeeignetldquo, Zugriff 10.12.2020

DP, Die Presse (19.01.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://www.diepresse.com/5356720/haft-fur-anwalt-china-setzt-verfolgungswelle-gegen-kritiker-fort, Zugriff 10.12.2020

FH, Freedom House (04.03.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 10.12.2020

ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China

TAZ, Die Tageszeitung (29.03.2016): Peking setzt auf Sippenhaft, https://taz.de/Neue-Stufe-der-Repression-in-China/!5291032/, Zugriff 20.11.2019

ZO, Zeit Online (29.01.2019): Bürgerrechtsanwalt zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-01/tianjin-buergerrechtsanwalt-china-viereinhalb-jahre-haft, Zugriff 10.12.2020)

Sicherheitsbehörden

Zivile Behörden haben die Kontrolle über die Militär- und Sicherheitskräfte (USDOS 30.03.2021). Xi Jinping, Präsident und Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas, ist Oberkommandierender der Streitkräfte, welche seit 1997 direkt der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt sind (GX 10.11.2019). Die Ausgaben für die innere Sicherheit sind in allen Provinzen und Regionen im Zeitraum von 2007 bis 2016 um 215 Prozent angestiegen und erhöhten sich 2018 insbesondere in sensiblen Minderheitenregionen wie Xinjiang und Tibet weiter (DFAT 03.10.2019).

Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit und die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen Zivilisten vor. Die Zuständigkeiten des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit sind die innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Verantwortung für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen (ÖB 10.2020).

Im Juni 2017 wurde mit dem Aufklärungsgesetz ("Intelligence Law" 2017; geändert 2018), durch das Ständige Komitee des Nationalen Volkskongresses Chinas ein neues Gesetz erlassen, welches über die staatlichen Sicherheitsbehörden hinaus jedes einzelne Mitglied der chinesischen Gesellschaft aufruft, zur nationalen Aufklärungsarbeit beizutragen und nachrichtendienstlich relevante Informationen über Dritte, die an Aktivitäten beteiligt sind, welche der nationalen Sicherheit Chinas oder seinen Interessen schaden können, an die Behörden weiterzugeben (DFAT 03.10.2019). Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger „Blockwarte“ die Bewegungen der Bewohner einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 10.2020).

Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.04.2017).

(USDOS, US Department of State, Jahresbericht zur Menschenrechtslage 2020, China, 30.03.2021, https://www.state.gov/reports/2020-country-reports-on-human-rights-practices/china/

DFAT, Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (03.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf, Zugriff 10.12.2020

GX, German Xinhuan (10.11.2019): Xi nimmt an Sitzung der ZMK zur militärischen Entwicklung auf der Primarstufe teil, http://german.xinhuanet.com/2019-11/11/c_138545144.htm, Zugriff 10.12.2020

FAZ, Frankfurter Allgemeine Zeitung (11.04.2017): Peking belohnt Bürger für Enttarnung ausländischer Spione, http://www.faz.net/aktuell/politik/china-bezahlt-buerger-fuer-enttarnung-auslaendischer-spione-14967307.html, Zugriff 10.12.2020

ÖB Peking (10.2020): Asylländerbericht Volksrepublik China)

Folter und unmenschliche Behandlung

China ratifizierte bereits 1988 die UN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 01.12.2020; ÖB 10.2020).

Anwälte, Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, religiöse Führer und Anhänger sowie ehemalige politis

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten