TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/11 W235 2190738-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.08.2021
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Entscheidungsdatum

11.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §56
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55

Spruch


W235 2190738-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2021, Zl. 1093946307-201067564, zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III. und V. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 56 und 10 Abs. 3 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 3 und Abs. 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird insoweit stattgegeben, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG auf ein Jahr herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX 10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2018, Zl. 1093946307-151719227, der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

1.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2020, Zl. W104 2190738-1/15E, als unbegründet abgewiesen und erwuchs am XXXX 04.2020 in Rechtskraft. Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.07.2020, Ra 2020/01/0176-5, zurückgewiesen.

2. Gegenständliches Verfahren

2.1. Am 29.10.2020 stellte der Beschwerdeführer unter Verwendung des vorgesehenen Formulars den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 Abs. 1 AsylG. Begründend wurde angeführt, der Beschwerdeführer halte sich seit XXXX 10.2015 durchgehend in Österreich auf, gehe einer ehrenamtlichen Beschäftigung beim XXXX nach und habe einen Arbeitsvorvertrag abgeschlossen. Er habe einen Deutsch-Integrationskurs besucht und verfüge über einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss vom XXXX 11.2019. Am XXXX 09.2017 habe er eine Deutschprüfung auf dem Sprachniveau A2 abgelegt. Ferner habe er einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über ausreichende Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 erlangt.

Dem Antrag wurden folgende verfahrensrelevante Unterlagen in Kopie beigelegt:

?        Mietvertrag über ein Bestandsobjekt mit einer Nutzfläche von 48m² mit Gültigkeit von XXXX 10.2020 bis XXXX 09.2023, in welchem ein monatlicher Pauschalmietzins in Höhe von € 450,00 vereinbart wurde und

?        Arbeitsvorvertrag vom XXXX 09.2020 zwischen dem Beschwerdeführer und einem Unternehmen betreffend die Tätigkeit als Schankhilfe, in welcher ein Bruttolohn in Höhe von € 1.550 ,00 sowie eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vereinbart wurden und festgehalten wurde, dass der Arbeitsvorvertrag gegenstandslos wird, sollte der Beschwerdeführer nicht in der Lage sein, spätestens bis zum XXXX 03.2021 den Nachweis zu erbringen, über einen rechtmäßigen Zugang zum Arbeitsmarkt zu verfügen

2.2. Am 31.07.2020 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den Verbesserungsauftrag, binnen vier Wochen seinen Antrag ausführlich schriftlich in deutscher Sprache zu begründen, ein gültiges Reisedokument und eine Geburtsurkunde (jeweils im Original und in Kopie) sowie Nachweise der Krankenversicherung und Nachweise über den Rechtsanspruch auf Unterhalt in Vorlage zu bringen. Im Fall eines Antrags auf Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ sei zusätzlich ein Nachweis der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung zu erbringen. Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise ein begründeter Antrag auf Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV eingebracht werden könne. Es sei jedoch nachzuweisen, dass die Beschaffung der Dokumente nicht möglich oder zumutbar sei.

Der Verbesserungsauftrag wurde vom Beschwerdeführer am 18.01.2021 übernommen.

Am selben Tag wurden durch freiwillige Herausgabe folgende Beweismittel sichergestellt:

?        afghanischer Reisepass des Beschwerdeführers, ausgestellt von der afghanischen Vertretungsbehörde in Bonn am XXXX 01.2021 unter der Nr. XXXX mit Gültigkeit bis zum XXXX 01.2026;

?        Tazkira des Beschwerdeführers (samt englischer Übersetzung), ausgestellt am XXXX 11.2020 unter der Nummer XXXX ;

?        E-Card des Beschwerdeführers und

?        ÖSD-Zertifikat B1 vom XXXX 04.2018.

Mit Schreiben vom 27.01.2021 (fälschlich datiert mit 27.01.2020) führte der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Antrags begründend aus, er befinde sich seit der Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz am XXXX 10.2015 durchgehend in Österreich. Mindestens drei Jahre habe er sich rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Er habe in dieser Zeit Deutschkurse besucht und eine Deutschprüfung auf dem Sprachniveau B1 abgelegt. Folglich habe er Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG jedenfalls erfüllt. Ferner sei er ehrenamtlich beim Wiener XXXX tätig und verrichte auch im Notquartier für Flüchtlinge des XXXX gemeinnützige Tätigkeiten. Zudem beteilige er sich freiwillig an Projekten der Berufsschule XXXX . Er unterstütze Gemeindemitglieder der Pfarre XXXX in alltäglichen Belangen und verfüge über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, welchem auch Österreicherinnen und Österreicher angehören würden. Der Beschwerdeführer lebe in einer Mietwohnung und habe den Mietvertrag bereits vorgelegt. Für den Fall, dass er infolge der Erteilung eines Aufenthaltstitels Zugang zum Arbeitsmarkt erhalte, werde er in einem Gastronomiebetrieb als Schankhilfe ein monatliches Einkommen in der Höhe von brutto € 1.550,00 erzielen. Folglich sei er auch selbsterhaltungsfähig. In Österreich sei der Beschwerdeführer unbescholten. Gegen ihn würden keine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen vorliegen. Seine Tazkira sei überdies einer Geburtsurkunde gleichzuhalten. Er erfülle somit die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG, weshalb ihm gemäß § 56 Abs. 1 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen sei.

2.3. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 25.02.2021 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass ihm im Rahmen einer persönlichen Vorsprache ein Verbesserungsauftrag ausgehändigt worden sei, da er seinen eigenen Angaben nach diesen nicht erhalten habe. Der Beschwerdeführer habe sich aufgrund der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz von XXXX .11.2015 bis XXXX .04.2020 rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Da er Grundversorgung beziehe, verfüge der Beschwerdeführer über eine aufrechte Sozial- und Krankenversicherung. Ferner habe er einen Nachweis einer ortsüblichen Unterkunft erbracht und ein Deutschzertifikat B1 sowie einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt. Von einer uneingeschränkten Selbsterhaltungsfähigkeit könne derzeit allerdings nicht ausgegangen werden. Es seien auch keine weiteren Nachweise über eine berufliche oder schulische Ausbildung vorgelegt worden, weshalb gegenständlich nicht von einem besonders berücksichtigungswürdigen Fall auszugehen sei. Folglich werde beabsichtigt, den Antrag abzuweisen.

In der Folge wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, binnen einer Frist von zwei Wochen nachstehende Fragen zu beantworten:

?        Geben Sie an, wann und wie Sie in das Bundesgebiet eingereist sind. Was war der Zweck Ihrer Einreise nach Österreich?

?        Wie lange befinden Sie sich schon im Bundesgebiet und welche Visa und/oder Aufenthaltstitel berechtigen Sie dazu? Seit wann halten Sie sich durchgehend im Bundesgebiet auf?

?        Wie ist Ihr Familienstand?

?        Haben Sie Kinder und wenn ja, wo leben diese?

?        Wovon bestreiten Sie derzeit in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

?        Wie viele finanzielle Mittel stehen Ihnen monatlich zur Verfügung?

?        Verfügen Sie über eine aktuelle Einstellungszusage oder einen aktuellen Arbeitsvorvertrag?

?        Sind Sie Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation?

?        Welche integrativen Schritte haben Sie seit Ihrem Aufenthalt in Österreich gesetzt?

?        Haben Sie Familie in Ihrer Heimat?

?        Wie halten Sie Kontakt mit Ihrer Familie und wie oft?

?        Was können Sie zu Ihrem Privat- und Familienleben in Österreich angeben?

?        Wie verbringen Sie den Alltag/ Freizeit hier in Österreich?

?        Welche Schul- und Berufsausbildung wurde absolviert? Wo wurde diese absolviert?

?        Geben Sie Namen, Anschrift, Geburtsdaten, Staatsangehörigkeit und Aufenthalts-berechtigung (bei Angehörigen, die nicht Österreicher sind) der in Österreich lebenden Familienangehörigen (Gatte, Eltern, Kinder, etc.) an.

?        Wenn keine aufrechten oder durchgehenden Beschäftigungsverhältnisse vorliegen: wovon wurden der Unterhalt und der sonstige Lebenswandel bestritten? Liegt eine aufrechte Kranken- und Unfallversicherung vor?

?        Aufgrund welchen Rechtsverhältnisses (Miete, Untermiete, Eigentum, etc.) benutzen Sie Ihre Unterkunft? (Vorlage von Mietvertrag, Einzahlungsbestätigung des Mietzinses der letzten drei Monate, etc.)

?        Was sind Ihre Gründe, um in Österreich zu bleiben?

Mit Stellungnahme vom 23.03.2021 führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, er stamme aus der afghanischen Provinz Ghazni und habe im Alter von ungefähr 16 Jahren den Herkunftsstaat aufgrund der instabilen Sicherheitslage verlassen. Daraufhin habe er rund eineinhalb Jahre in der Türkei gelebt. Seit Oktober 2015 sei er durchgehend im österreichischen Bundesgebiet wohnhaft. Zumindest für die Dauer von vier Jahren sei sein Aufenthalt auch rechtmäßig gewesen. Er habe sich um seine Selbsterhaltungsfähigkeit bemüht. Konkret habe ein potenzieller Arbeitgeber für ihn beim AMS einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gestellt. Da er zum damaligen Zeitpunkt Asylwerber gewesen sei, sei ihm die Bewilligung jedoch nicht erteilt worden. Der Beschwerdeführer habe einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Dies sei auch dem Schreiben von XXXX vom XXXX .03.2021 zu entnehmen. Der Beschwerdeführer kenne sie bereits seit fünf Jahren und habe sie – abgesehen von den Zeiten des Lockdowns während der COVID-19 Pandemie – oft mehrmals wöchentlich besucht, mit ihr geplaudert und ihr im Garten sowie bei verschiedenen Haushaltstätigkeiten geholfen. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. In Österreich habe er keine familiären Anknüpfungspunkte. Seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester würden in Afghanistan leben. Sein Vater sei vor etwa einem Jahr verstorben. Der Beschwerdeführer könne seine Angehörigen nicht kontaktieren, da es keine funktionierende Internetverbindung in ihrem Dorf gebe. Sein Bruder arbeite als Taxifahrer und kontaktiere ihn gelegentlich, wenn er sich an einem Ort mit funktionierender Internetverbindung befinde. Der Beschwerdeführer könne sich nicht vorstellen, wieder im Herkunftsstaat zu leben, zumal dieser stark islamisch geprägt sei. Er selbst sei Anfang des Jahres 2020 aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten und sei ein weltoffener Mensch mit säkularer Weltanschauung. Er lehne religiöse Intoleranz ab und wolle in einem demokratischen Rechtsstaat ohne Krieg leben.

In Bezug auf seine Selbsterhaltungsfähigkeit wurde festgehalten, dass ein Arbeitsvorvertrag verbindlich sei und der Beschwerdeführer sohin bei Erteilung des beantragten Aufenthalts-titels über einen gesicherten Unterhalt verfügen werde. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 26.06.2019, Ra 2019/21/0032, ferner festgehalten, dass es Zweck des § 56 AsylG sei, bei Vorliegen eines besonders hohen Integrationsgrades „Altfälle“ mit einer fünf Jahre übersteigenden Aufenthaltsdauer zu „bereinigen“. Den betroffenen Drittstaats-angehörigen solle in diesen Fällen die Möglichkeit zur Legalisierung ihres Aufenthalts durch Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben werden, wobei hiervon jene Konstellationen erfasst sein sollen, in denen die Schwelle des Art. 8 EMRK, sodass gemäß § 55 AsylG ein Aufenthaltstitel zu erteilen wäre, noch nicht erreicht werde. Im Fall des Beschwerdeführers würden diese Voraussetzungen vorliegen und sei ihm daher der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen.

Der Stellungnahme wurden (unter anderem) folgende verfahrensrelevante Unterlagen in Kopie beigelegt:

?        undatierter Arbeitsvorvertrag zwischen dem Beschwerdeführer und einem Unternehmen betreffend die Tätigkeit als Schankhilfe, in welcher ein Bruttolohn in Höhe von € 1.550,00 sowie eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden vereinbart und festgehalten wurde, dieses Arbeitsverhältnis beginne nach dem XXXX 05.2021 unverzüglich nach Erbringung des Nachweises des rechtmäßigen Zugangs zum Arbeitsmarkt;

?        Schreiben von XXXX vom XXXX 03.2021, wonach sie der Beschwerdeführer seit vier Jahren regelmäßige besucht und sich in ihre Familie integriert hat;

?        Schreiben der Berufsschule XXXX vom XXXX 03.2021, wonach der Beschwerdeführer an Projekten der Berufsschule teilgenommen hat und dem Hinweise, sollte er die Erlaubnis erhalten, eine Berufsausbildung zu absolvieren, ist er an der Schule willkommen und würde Unterstützung erhalten, einen geeigneten Lehrbetrieb zu finden;

?        Sozialbericht des XXXX vom XXXX 11.2017, wonach sich der Beschwerdeführer an gemeinnützigen Tätigkeiten beteiligt hat, indem er in seiner Unterkunft Reinigungstätigkeiten verrichtet hat;

?        Tätigkeitsnachweis des XXXX von September 2017, wonach der Beschwerdeführer von XXXX 08.2017 bis XXXX 09.2017 ehrenamtlich bei der Aktion „Schulstartpaket“ mitgearbeitet hat;

?        Tätigkeitsnachweis des XXXX von September 2018, wonach der Beschwerdeführer von XXXX 07.2018 bis XXXX 09.2018 ehrenamtlich bei der Aktion „Schulstartpaket“ mitgearbeitet hat und

?        Tätigkeitsnachweis des XXXX von September 2019, wonach der Beschwerdeführer von XXXX 07.2019 bis XXXX 09.2019 ehrenamtlich bei der Aktion „Schulstartpaket“ mitgearbeitet hat

2.4. Mit Verfahrensanordnung vom 25.03.2021 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Nachweise über vorhandene aktuelle Unterhaltsmittel zur Finanzierung des Lebensunterhaltes nachzuweisen. Ferner wurde ihm aufgetragen nachstehende Fragen zu beantworten:

?        Haben Sie Ihren Reisepass in Bonn persönlich in der Botschaft beantragt?

?        Erfolgte die Abholung Ihres afghanischen Reisepasses in der afghanischen Botschaft in Bonn persönlich?

?        Welches Identitätsdokument hatten Sie vor der Ausstellung des vorliegenden afghanischen Reisepasses mit Gültigkeit von XXXX 01.2021 bis XXXX 01.2026?

?        Welche schulische und berufliche Ausbildung haben Sie absolviert bzw. welchen Beruf haben Sie erlernt?

Mit Stellungnahme vom 01.04.2021 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, Grundversorgungsleistungen der XXXX Wien zu beziehen. Ferner erhalte er von seinem Freund XXXX sowie von XXXX Unterstützungsleistungen. In Bezug auf seine Selbsterhaltungsfähigkeit wurde auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen. Weiters wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei nicht persönlich in Bonn gewesen, sondern habe seinen afghanischen Reisepass bei der Botschaft in Wien beantragt. Die Ausstellung sei offenbar in Bonn erfolgt und sei der Reisepass im diplomatischen Weg an die Botschaft in Wien übermittelt worden. Das Identitätsdokument, welches er zwecks der Ausstellung des afghanischen Reisepasses vorgewiesen habe, sei eine afghanische Geburtsurkunde gewesen, welche er zuvor ebenfalls bei der Botschaft in Wien beantragt und erhalten habe. Betreffend seine Ausbildung führte er an, er habe in Afghanistan die Schule bis zur sechsten Klasse besucht. In Österreich habe er Deutsch- und Integrationskurse absolviert. Sein Vater sei Frisör, weshalb der Beschwerdeführer diesen Beruf im Geschäft seines Vaters erlernt habe. In Österreich habe er als Frisör arbeiten wollen, eine Beschäftigungsbewilligung sei ihm jedoch nicht erteilt worden. Nunmehr verfüge er über einen Arbeitsvorvertrag als Schankhilfe.

Der Stellungnahme wurden Kontoauszüge des Beschwerdeführers vorgelegt, auf welchen folgende Kontobewegungen ersichtlich sind:

?        Gutschrift der XXXX Wien (GVS Wien) vom XXXX 03.2021 in Höhe von € 800,00

?        Gutschrift von XXXX vom XXXX .03.2021 in Höhe von € 600,00

?        Gutschrift von XXXX vom XXXX 02.2021 in Höhe von € 530,00

?        Gutschrift von XXXX vom XXXX 02.2021 in Höhe von € 50,00

?        Gutschrift von XXXX vom XXXX 01.2021 in Höhe von € 500,00

?        Gutschrift von XXXX vom XXXX 12.2020 in Höhe von € 300,00

Ferner brachte der Beschwerdeführer zwei Schreiben, jeweils datiert mit XXXX 10.2020, vor, wonach er mit seiner Unterschrift bestätigte, von XXXX € 1.400,00 für die Provision sowie € 2.000,00 für die Kaution für seine Mietwohnung erhalten zu haben.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG abgewiesen (Spruch-punkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehr-entscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt V.).

Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger sei und seine Identität feststehe. Er sei ledig und ihn würden keine Obsorgeverpflichtungen treffen. Der Beschwerdeführer beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und werde zusätzlich von Freunden finanziell unterstützt. Ferner verfüge er über eine aufrechte Sozial- und Krankenversicherung. Einer Erwerbstätigkeit gehe er in Österreich nicht nach. Er sei gesund und befinde sich im erwerbsfähigen Alter. In Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich wurde festgestellt, dass er zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei und am XXXX 10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Sein Antrag sei mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl abgewiesen worden. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde sei mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2020 rechtskräftig abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei jedoch seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, sondern sei unrechtmäßig in Österreich verblieben, obwohl er über einen Reisepass verfüge. Auf den Seiten 5 bis 101 des angefochtenen Bescheides wurden Feststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan getroffen.

In der Beweiswürdigung wurde im Wesentlichen und zusammengefasst festgehalten, dass sich die Feststellungen auf den Akteninhalt sowie auf die vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten Unterlagen zu seiner Identität sowie zu seiner Integration stützen würden.

Rechtlich wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. erwogen, dass gemäß § 56 Abs. 1 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen sei, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig sei (Z 1 leg. cit.), davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre seines festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen sei (Z 2 leg. cit.) und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt habe oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübe, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze erreicht werde (Z 3 leg. cit.). Liegen nur die Voraussetzung des § 56 Abs. 1 Z 1 und Z 2 AsylG vor, sei eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen. Ferner müssten die Erteilungsvoraussetzungen des § 60 AsylG erfüllt sein. Im Fall des Beschwerdeführers seien die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG nicht erfüllt. Gegen ihn bestehe eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Der Beschwerdeführer sei seiner Ausreiseverpflichtung jedoch nicht nachgekommen, obwohl ihm am XXXX 01.2021 von einer afghanischen Vertretungsbehörde ein Reisepass ausgestellt worden sei. Mangels eines geregelten Einkommens seien sein Aufenthalt und sein Verbleib im österreichischen Bundesgebiet keinesfalls gesichert. Aktuell lebe er von der Grundversorgung und von finanziellen Zuwendungen von Freunden. In Bezug auf die vorgelegte Einstellungszusage wurde unter anderem ausgeführt, dass der Zeitpunkt der Aufnahme der Beschäftigung noch nicht konkretisiert worden sei. Der Beschwerdeführer habe sohin insgesamt nicht nachgewiesen, selbsterhaltungsfähig zu sein, weshalb die Gefahr bestehe, dass er zur Belastung einer Gebietskörperschaft werde. Eine Patenschaftserklärung sei für ihn überdies nicht vorgelegt worden. Sein Antrag sei daher abzuweisen gewesen. In Bezug auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids wurde weiters festgehalten, dass gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 52 Abs. 3 FPG die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden sei. Werde durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so sei die Erlassung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich und begründe eine Rückkehrentscheidung daher keinen Eingriff in sein Recht auf Familienleben. In Bezug auf sein Privatleben wurde ausgeführt, dass er sich im Rahmen seines Asylverfahrens knapp viereinhalb Jahre legal im Bundesgebiet aufgehalten habe. Einer Erwerbstätigkeit gehe er nicht nach. Seinen Lebensunterhalt finanziere er vielmehr aus den Mitteln der Grundversorgung und erhalte ferner finanzielle Unterstützung von Freunden. Eine berufliche Integration liege daher nicht vor. In den Jahren 2017 bis 2019 sei er wochenweise ehrenamtlich für das XXXX tätig gewesen. Zudem habe er eine Deutschprüfung auf dem Sprachniveau B2 [gemeint: B1] absolviert. In einer Gesamtschau werde nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer bestrebt sei, in Österreich freundschaftliche Beziehungen aufzubauen und sich sozial zu engagieren, dies etwa durch seine Tätigkeit beim XXXX . Weder diese Bestrebungen noch die vorgelegten Einstellungszusagen würden jedoch eine überdurch-schnittliche Integrationsverfestigung belegen. Es könne im Übrigen nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer seine Bindungen zum Herkunftsstaat verloren habe, da er dort aufgewachsen sei und den deutlich überwiegenden Teil seines Lebens verbracht habe. Aus einer Gesamtabwägung ergebe sich, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig sei. In Bezug auf Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass im Fall des Beschwerdeführers keine Gefährdung im Sinne des § 50 Abs. 1 und Abs. 2 FPG vorliege. Eine vorläufige Maßnahme im Sinne des § 50 Abs. 3 FPG sei gegenständlich nicht empfohlen worden. Folglich sei auszusprechen gewesen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Zu Spruchpunkt IV. wurde ausgeführt, dass das Bundesamt gemäß § 53 Abs. 1 FPG mit einer Rückkehrentscheidung auch ein Einreiseverbot erlassen könne. Gemäß § 53 Abs. 2 FPG sei dieses vorbehaltlich Abs. 3 leg. cit. für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen, wobei bei der Bemessung der Dauer das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen einzubeziehen und zu berücksichtigen sei, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Die Aufzählung des § 53 Abs. 2 FPG sei demonstrativ. Folglich seien auch weitere Verhaltens-weisen, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden, jedenfalls geeignet, ein Einreiseverbot zu rechtfertigen. Nach Artikel 11 Abs. 1 lit b der Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) könne ein Mitgliedstaat ein Einreiseverbot erlassen, wenn der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen worden sei. Der Beschwerdeführer habe bewusst die gegen ihn rechtskräftig erlassene und durchsetzbare Rückkehrentscheidung missachtet und sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Aufgrund der Übertretung der Einreise- und Aufenthaltsvorschriften stelle sein weiterer Aufenthalt sohin zweifelsfrei eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Bei der Bemessung des Einreiseverbotes könne sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückziehen, sondern sei insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich zu berücksichtigen. Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, seien die familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Es müsse ebenso davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Einreiseverbots sein privates Interesse am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet überwiege. Aus einer Gesamtbeurteilung seines Verhaltens, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte ergebe sich daher, dass die Erlassung eines Einreiseverbots in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. In Bezug auf Spruchpunkt V. wurde festgehalten, dass die Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festzusetzen gewesen sei.

Mit Verfahrensanordnung vom 28.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 26.05.2021 im Wege seiner Vertretung fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, und beantragte die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Begründend wurde nach Darstellung des Sachverhalts neuerlich auf die Aufenthaltsdauer, seine Sprachkenntnisse, die von ihm verrichteten ehrenamtlichen Tätigkeiten sowie seine Einstellungszusage hingewiesen. Weiters wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am XXXX 05.2021 ein Gewerbe angemeldet und wolle sich selbstständig machen, um seine Selbsterhaltungsfähigkeit nachweisen zu können. Würde das Gewerbe „Durchführung von Lohnarbeiten und Dienstleistungen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe bestehend aus Mähen, Pressen […], Erntearbeiten, Bodenbearbeitung“ bewilligt werden, würde sein Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen. Einer Ausreiseverpflichtung habe der Beschwerdeführer nicht nachkommen können, da in Afghanistan noch immer kriegsähnliche Zustände herrschen würden und sein Leben nach Art. 3 EMRK gefährdet wäre. Insgesamt sei der Behörde anzulasten, dass sie das in Österreich bestehende Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers bei ihrer Interessensabwägung nicht hinreichend berücksichtigt habe. Insbesondere habe sie sich mit den einzelnen Beweismitteln nicht in gehöriger Weise auseinandergesetzt. Ferner wurde ausgeführt, Länderberichte seien nicht nur in das Verfahren einzuführen, sondern in der Entscheidung auch inhaltlich wiederzugeben. In der Folge wurde das Länderinformationsblatt Afghanistan auszugsweise zitiert. Ergänzend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Rückkehrberatung in Anspruch genommen habe, sein Leben jedoch in Afghanistan in Gefahr sei und sein Vater im Sommer 2020 aufgrund der volatilen Sicherheitslage verstorben sei. Ferner sei seine Cousine durch die Taliban verletzt worden. In Bezug auf das Einreiseverbot wurde moniert, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Fall des Beschwerdeführers nicht vorliege. Sein Aufenthalt sei verfestigt, er verfüge über eine Einstellungszusage und habe Bekannte sowie Freunde, welche ihn auch finanziell unterstützen würden. Es bestehe eine schützenswerte Integration und sei ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren keinesfalls gerechtfertigt. In Bezug auf die Beweiswürdigung wurde ausgeführt, dass die diesbezüglichen Erwägungen nicht ausreichend nachvollziehbar und zum Teil aktenwidrig seien. Sie seien nicht umfangreich genug, um die Entscheidung der Behörde nachzuvollziehen. Unter anderem führe die Behörde aus, dass der Beschwerdeführer im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht selbsterhaltungsfähig sei. Dies sei jedoch nicht relevant, da er über eine Einstellungszusage als Schankhilfe verfüge. Zudem bestehe eine Gewerbe-anmeldung und er werde von Freunden unterstützt. Ferner seien Empfehlungsschreiben vorgelegt worden, welche keine Berücksichtigung gefunden hätten. Im Verfahren seien nicht nur alle geforderten Dokumente und Urkunden vorgelegt worden, sondern seien auch alle Handlungen vorgenommen worden, die zur Beschaffung von Identitäts- und Reise-dokumenten erforderlich gewesen seien. Ausführungen zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots würden in der Beweiswürdigung zudem gänzlich fehlen. Insoweit die Behörde dem Beschwerdeführer zur Last lege, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen zu sein, sei neuerlich festzuhalten, dass ihm im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung seiner nach Art. 3 EMRK und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte drohe. In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die zeitliche Voraussetzung des § 56 AsylG erfülle, da er seit über fünf Jahren in Österreich aufhältig sei. Ferner habe er ein Deutschzertifikat B1 vom XXXX 04.2018 vorgelegt und erfülle gemäß § 9 IntG sohin auch die Module 1 und 2 der Integrationsvereinbarung. Insoweit die Behörde festhalte, dass der Beschwerdeführer über keine hinreichende Integration verfüge, verkenne sie überdies, dass im Fall des § 56 AsylG die Schwelle des Art. 8 EMRK nicht erreicht werden müsse. Die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG würden sohin vorliegen.

Weiters wurde festgehalten, dass mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden könne, ein solches jedoch nicht zwingend vorgesehen sei. Im gegenständlichen Fall habe die Behörde das Fehlverhalten des Beschwerdeführers lediglich mit seinem unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich begründet. Dies stelle nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.09.2018, Ra 2018/20/0349, jedoch keinen hinreichenden Grund für die Erlassung eines Einreiseverbotes dar. Zu berücksichtigen sei im gegen-ständlichen Fall insbesondere, dass der Beschwerdeführer seiner Rückkehrverpflichtung lediglich deshalb nicht nachgekommen sei, da er nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens den Antrag gemäß § 56 AsylG gestellt und auf eine Entscheidung gewartet habe. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers nach Erlassung einer Rückkehr-entscheidung habe darauf beruht, dass er Rechtsbehelfe zur Bekämpfung der aus seiner Sicht zu Unrecht ergangenen Rückkehrentscheidung ergriffen und einen zulässigen sowie erfolgsversprechenden Antrag gemäß § 56 AsylG gestellt habe. In diesem Verhalten sei in keiner Weise eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gelegen. Im gegenständlichen Fall stelle sich darüber hinaus die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG als mangelhaft dar. Der Beschwerdeführer habe eine fünfjährige Beziehung mit einer Portugiesin geführt, welche die Beziehung jedoch beendet habe, nachdem er einen negativen Asylbescheid erhalten habe. Der Beschwerdeführer verfüge über eine Einstellungszusage, habe einen Antrag auf einen Gewerbeschein gestellt und wolle keine finanzielle Belastung für den österreichischen Staat sein. Ferner habe er für ein paar Wochen in der Altenpflege gearbeitet. Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer eine Schwierigkeit mit Postzustellungen habe, weil er sich nicht mehr ausweisen könne.

Der Beschwerde wurden folgende verfahrensrelevante Unterlagen in Kopie beigelegt:

?        Eingangsbestätigung der Gewerbeanmeldung „Durchführung von Lohnarbeiten und Dienstleistungen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe mit Geräten, die typischerweise in solchen Betrieben verwendet werden, bestehend aus Mähen, Pressen von Heu und Silage, Jauchegrube entleeren, Holzhäckselarbeiten, Ausbringen von Dünger, Erntearbeiten, Bodenbearbeitung (Agrardienstleistungen ausgenommen Fuhrwerksdienstes)“ vom XXXX 05.2021 und

?        Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom XXXX 05.2021, wonach der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens einen Aufenthaltstitel in Kopie vorzulegen

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er führt den Namen XXXX , wurde am XXXX in der afghanischen Provinz Ghazni als sunnitischer Moslem geboren und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an.

1.1.2. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet einreiste und am XXXX 10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist und wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2020 als unbegründet abgewiesen und erwuchs am XXXX .04.2020 in Rechtskraft. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.07.2020, Ra 2020/01/0176-5, zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern verblieb unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet und stellte am 29.10.2020 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“.

1.1.3. Im Zeitraum von XXXX 10.2015 bis XXXX 04.2020 ist dem Beschwerdeführer aufgrund der Stellung eines im Ergebnis unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen. Seither hält er sich unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Er bestreitet seinen Lebensunterhalt aus den Mitteln der Grundversorgung. Ferner erhält er finanzielle Unterstützung von einem Freund. Eine weitere Unterstützerin des Beschwerdeführers ist für die Provision sowie für die Kaution für seine Mietwohnung aufgekommen. Eine Patenschaftserklärung wurde für den Beschwerdeführer nicht abgegeben.

Der Beschwerdeführer hat einen Arbeitsvorvertrag betreffend die Tätigkeit als Schankhilfe abgeschlossen, wobei der Vertrag aufschiebend dadurch bedingt wurde, dass er einen rechtmäßigen Zugang zum Arbeitsmarkt nachweist und zwar entweder durch Vorlage eines Aufenthaltstitels, der zur unselbstständigen Erwerbstätigkeit in Österreich berechtigt, oder nach Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach Beantragung durch den Arbeitgeber. Weiters hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Anmeldung eines Gewerbes gestellt, welchem bisher jedoch nicht entsprochen worden ist, da er über keinen Aufenthaltstitel verfügt, welcher zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigt. Es steht nicht hinreichend fest, dass der Beschwerdeführer im Fall der Erteilung einer Aufenthalts-berechtigung in der Lage ist, durch die Ausübung eines Gewerbes seinen Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten und für die Kosten einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung aufzukommen.

Am XXXX 09.2017 hat der Beschwerdeführer ein ÖSD-Zertifikat A2 erlangt. Ferner hat er am XXXX 04.2018 die Deutschprüfung B1 bestanden. Einen Nachweis über die (positive) Absolvierung einer Integrationsprüfung, welche neben Sprachinhalten auch Werteinhalte umfasst, hat der Beschwerdeführer demgegenüber nicht erbracht.

Der Beschwerdeführer lebt in Österreich in keiner Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Gemeinschaft. Er hat keine Angehörigen oder nahen Verwandten im österreichischen Bundesgebiet. Während seines Aufenthalts hat sich der Beschwerdeführer einen großen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. In einer Unterkunft des XXXX hat der Beschwerdeführer bis November 2017 gemeinnützige Tätigkeiten verrichtet, indem er sich an den Reinigungsarbeiten beteiligt hat. Weiters hat er für das XXXX in den Jahren 2017, 2018 sowie 2019 jeweils für mehrere Wochen ebenso ehrenamtliche Tätigkeiten verrichtet. Darüber hinaus hat er an Projekten der Berufsschule XXXX teilgenommen und unterstützt Freunde und Bekannte in alltäglichen Belangen. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.1.4. Der Beschwerdeführer stammt aus der afghanischen Provinz Ghazni und spricht die in Afghanistan verbreitete Sprache Dari. Er ist in seinem Heimatdorf im afghanischen Familienverband aufgewachsen und hat insgesamt sechs Jahre in Afghanistan die Schule besucht. Der Vater des Beschwerdeführers hat als selbstständiger Frisör gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat im Salon seines Vaters diesen Beruf ebenfalls erlernt. Im Alter von 16 Jahren hat der Beschwerdeführer den Herkunftsstaat endgültig verlassen. Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig. Er ist sohin in der Lage, seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat aus Eigenem zu bestreiten und läuft nicht Gefahr, in eine existenzbedrohende Situation zu geraten. Seine Mutter, sein Bruder sowie seine Schwester leben nach wie vor in der Provinz Ghazni in Afghanistan. Der Beschwerdeführer pflegt gelegentlich Kontakt zu seinem Bruder.

1.2. Zur Situation in Afghanistan wird festgestellt:

1.2.1. COVID-19:

[…]

Entwicklung der COVID-19 Pandemie in Afghanistan:

Der erste offizielle Fall einer COVID-19 Infektion in Afghanistan wurde am 24.2.2020 in Herat festgestellt (RW 9.2020; vgl UNOCHA 19.12.2020). Laut einer vom afghanischen Gesundheitsministerium (Afghan MoPH) durchgeführten Umfrage hatten zwischen März und Juli 2020 35% der Menschen in Afghanistan Anzeichen und Symptome von COVID-19. Laut offiziellen Regierungsstatistiken wurden bis zum 2.9.2020 in Afghanistan 103.722 Menschen auf das COVID-19-Virus getestet (IOM 23.9.2020). Aufgrund begrenzter Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Testkapazitäten, der Testkriterien, des Mangels an Personen, die sich für Tests melden, sowie wegen des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt unterrepräsentiert (HRW 14.1.2021; cf. UNOCHA 18.2.2021, USAID 12.1.2021, UNOCHA 19.12.2020, RFE/RL 23.2.2021a). Bis Dezember 2020 gab es insgesamt 50.536 [Anmerkung: offizielle] Fälle im Land. Davon ein Drittel in Kabul. Die tatsächliche Zahl der positiven Fälle wird jedoch weiterhin deutlich höher eingeschätzt (IOM 18.3.2021; vgl. HRW 14.1.2021).

Die fortgesetzte Ausbreitung der Krankheit in den letzten Wochen des Jahres 2020 hat zu einem Anstieg der Krankenhauseinweisungen geführt, wobei jene Einrichtungen die als COVID-19-Krankenhäuser in den Provinzen Herat, Kandahar und Nangarhar gelten, nach Angaben von Hilfsorganisationen seit Ende Dezember voll ausgelastet sind. Gesundheitseinrichtungen sehen sich auch zu Beginn des Jahres 2021 großen Herausforderungen bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung ihrer Kapazitäten zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung grundlegender Gesundheitsdienste gegenüber, insbesondere, wenn sie in Konfliktgebieten liegen (BAMF 8.2.2021; cf. IOM 18.3.2021).

Die Infektionen steigen weiter an und bis zum 17.3.2021 wurden der WHO 56.016 bestätigte Fälle von COVID-19 mit 2.460 Todesfällen gemeldet (IOM 18.3.2021; WHO 17.3.2021), wobei die tatsächliche Zahl der positiven Fälle um ein Vielfaches höher eingeschätzt wird. Bis zum 10.3.2021 wurden insgesamt 34.743 Impfstoffdosen verabreicht (IOM 18.3.2021).

Maßnahmen der Regierung und der Taliban:

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat verschiedene Maßnahmen zur Vorbereitung und Reaktion auf COVID-19 ergriffen. „Rapid Response Teams“ (RRTs) besuchen Verdachtsfälle zu Hause. Die Anzahl der aktiven RRTs ist von Provinz zu Provinz unterschiedlich, da ihre Größe und ihr Umfang von der COVID-19-Situation in der jeweiligen Provinz abhängt. Sogenannte „Fix-Teams“ sind in Krankenhäusern stationiert, untersuchen verdächtige COVID19-Patienten vor Ort und stehen in jedem öffentlichen Krankenhaus zur Verfügung. Ein weiterer Teil der COVID-19-Patienten befindet sich in häuslicher Pflege (Isolation). Allerdings ist die häusliche Pflege und Isolation für die meisten Patienten sehr schwierig bis unmöglich, da die räumlichen Lebensbedingungen in Afghanistan sehr begrenzt sind (IOM 23.9.2020). Zu den Sensibilisierungsbemühungen gehört die Verbreitung von Informationen über soziale Medien, Plakate, Flugblätter sowie die Ältesten in den Gemeinden (IOM 18.3.2021; vgl. WB 28.6.2020). Allerdings berichteten undokumentierte Rückkehrer immer noch von einem insgesamt sehr geringen Bewusstsein für die mit COVID-19 verbundenen Einschränkungen sowie dem Glauben an weitverbreitete Verschwörungen rund um COVID-19 (IOM 18.3.2021; vgl. IOM 1.2021).

Gegenwärtig gibt es in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif keine Ausgangssperren. Das afghanische Gesundheitsministerium hat die Menschen jedoch dazu ermutigt, einen physischen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten, eine Maske zu tragen, sich 20 Sekunden lang die Hände mit Wasser und Seife zu waschen und Versammlungen zu vermeiden (IOM 18.3.2021). Laut IOM sind Hotels, Teehäuser und andere Unterkunftsmöglichkeiten derzeit [Anm.: März 2021] nur für Geschäftsreisende geöffnet. Für eine Person, die unter der Schirmherrschaft der IOM nach Afghanistan zurückkehrt und eine vorübergehende Unterkunft benötigt, kann IOM ein Hotel buchen. Personen, die ohne IOM nach Afghanistan zurückkehren, können nur in einer Unterkunftseinrichtung übernachten, wenn sie fälschlicherweise angeben, ein Geschäftsreisender zu sein. Da die Hotels bzw. Teehäuser die Gäste benötigen, um wirtschaftlich überleben zu können, fragen sie nicht genau nach. Wird dies durch die Exekutive überprüft, kann diese wenn der Aufenthalt auf der Angabe von falschen Gründen basiert - diesen jederzeit beenden. Die betreffenden Unterkunftnehmer landen auf der Straße und der Unterkunftsbetreiber muss mit einer Verwaltungsstrafe rechnen (IOM AUT 22.3.2021). Laut einer anderen Quelle gibt es jedoch aktuell [Anm.: März 2021] keine Einschränkungen bei der Buchung eines Hotels oder der Unterbringung in einem Teehaus und es ist möglich, dass Rückkehrer und Tagelöhner die Unterbringungsmöglichkeiten nutzen (RA KBL 22.3.2021).

Indien hat inzwischen zugesagt, 500.000 Dosen seines eigenen Impfstoffs zu spenden, erste Lieferungen sind bereits angekommen. 100.000 weitere Dosen sollen über COVAX (COVID-19 Vaccines Global Access) verteilt werden. Weitere Gespräche über Spenden laufen mit China (BAMF 8.2.2021; vgl. RFE/RL 23.2.2021a).

Die Taliban erlauben den Zugang für medizinische Helfer in Gebieten unter ihrer Kontrolle im Zusammenhang mit dem Kampf gegen COVID-19 (NH 3.6.2020; vgl. Guardian 2.5.2020) und gaben im Januar 2020 ihre Unterstützung für eine COVID-19-Impfkampagne in Afghanistan bekannt, die vom COVAX-Programm der Weltgesundheitsorganisation mit 112 Millionen Dollar unterstützt wird. NachAngaben des Taliban-Sprechers Zabihullah Mudschahid würde die Gruppe die über Gesundheitszentren durchgeführte Impfaktion „unterstützen und erleichtern“. Offizielle Stellen glauben, dass die Aufständischen die Impfteams nicht angreifen würden, da sie nicht von Tür zu Tür gehen würden (REU 26.1.2021; vgl. ABC News 27.1.2021, ArN 27.1.2021).

Bei der Bekanntgabe der Finanzierung sagte ein afghanischer Gesundheitsbeamter, dass das COVAX-Programm 20% der 38 Millionen Einwohner des Landes abdecken würde (REU 26.1.2021; vgl. ABC News 27.1.2021, ArN 27.1.2021, IOM 18.3.2021). Die Weltbank und die asiatische Entwicklungsbank gaben laut einer Sprecherin des afghanischen Gesundheitsministeriums an, dass sie bis Ende 2022 Impfstoffe für weitere 20% der Bevölkerung finanzieren würden (REU 26.1.2021; vgl. RFE/RL 23.2.2021a).

Im Februar 2021 hat Afghanistan mit seiner COVID-19-Impfkampagne begonnen, bei der zunächst Mitglieder der Sicherheitskräfte, Mitarbeiter des Gesundheitswesens und Journalisten geimpft werden (RFE/RL 23.2.2021a). Die Regierung kündigte an, 60% der Bevölkerung zu impfen, als die ersten 500.000 Dosen COVID-19-Impfstoff aus Indien in Kabul eintrafen. Es wurde angekündigt, dass zuerst 150.000 Mitarbeiter des Gesundheitswesens geimpft werden sollten, gefolgt von Erwachsenen mit gesundheitlichen Problemen. Die Impfungen haben in Afghanistan am 23.2.2021 begonnen (IOM 18.3.2021).

Gesundheitssystem und medizinische Versorgung:

COVID-19-Patienten können in öffentlichen Krankenhäusern stationär diagnostiziert und behandelt werden (bis die Kapazitäten für COVID-Patienten ausgeschöpft sind). Staatlich geführte Krankenhäuser bieten eine kostenlose Grundversorgung im Zusammenhang mit COVID-19 an, darunter auch einen molekularbiologischen COVID-19-Test (PCR-Test). In den privaten Krankenhäusern, die von der Regierung autorisiert wurden, COVID-19-infizierte Patienten zu behandeln, werden die Leistungen in Rechnung gestellt. Ein PCR-Test auf COVID-19 kostet 3.500 Afghani (AFN) (IOM 18.3.2021).

Krankenhäuser und Kliniken haben nach wie vor Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung wesentlicher Gesundheitsdienste, insbesondere in Gebieten mit aktiven Konflikten. Gesundheitseinrichtungen im ganzen Land berichten nach wie vor über Defizite bei persönlicher Schutzausrüstung, medizinischem Material und Geräten zur Behandlung von COVID-19 (USAID 12.1.2021; vgl. UNOCHA 12.11.2020, HRW 13.1.2021, AA 16.7.2020, WHO 8.2020). Bei etwa 8% der bestätigten COVID-19-Fälle handelt es sich um Mitarbeiter im Gesundheitswesen (BAMF 8.2.2021).

Während öffentliche Krankenhäuser im März 2021 weiterhin unter einem Mangel an ausreichenden Testkapazitäten für die gesamte Bevölkerung leiden, können stationäre Patienten während ihres Krankenhausaufenthalts kostenfreie PCR-Tests erhalten. Generell sind die Tests seit Februar 2021 leichter zugänglich geworden, da mehr Krankenhäuser von der Regierung die Genehmigung erhalten haben, COVID-19-Tests durchzuführen. In Kabul werden die Tests beispielsweise im Afghan-Japan Hospital, im Ali Jennah Hospital, im City Hospital, im Alfalah-Labor oder in der deutschen Klinik durchgeführt (IOM 18.3.2021).

In den 18 öffentlichen Krankenhäusern in Kabul gibt es insgesamt 180 Betten auf Intensivstationen. Die Provinzkrankenhäuser haben jeweils mindestens zehn Betten auf Intensivstationen. Private Krankenhäuser verfügen insgesamt über 8.000 Betten, davon wurden 800 für die Intensivpflege ausgerüstet. Sowohl in Kabul als auch in den Provinzen stehen für 10% der Betten auf der Intensivstation Beatmungsgeräte zur Verfügung. Das als Reaktion auf COVID-19 eingestellte Personal wurde zu Beginn der Pandemie von der Regierung und Organisationen geschult (IOM 23.9.2020). UNOCHA berichtet mit Verweis auf Quellen aus dem Gesundheitssektor, dass die niedrige Anzahl an Personen die Gesundheitseinrichtungen aufsuchen auch an der Angst der Menschen vor einer Ansteckung mit dem Virus geschuldet ist (UNOCHA 15.10.2020) wobei auch die Stigmatisierung, die mit einer Infizierung einhergeht, hierbei eine Rolle spielt (IOM 18.3.2021; vgl. UNOCHA 12.11.2020, UNOCHA 18.2.2021, USAID 12.1.2021).

Durch die COVID-19 Pandemie hat sich der Zugang der Bevölkerung zu medizinischer Behandlung verringert (AAN 1.1.2020). Dem IOM Afghanistan COVID-19 Protection Monitoring Report zufolge haben 53 % der Bevölkerung nach wie vor keinen realistischen Zugang zu Gesundheitsdiensten. Ferner berichteten 23 % der durch IOM Befragten, dass sie sich die gewünschten Präventivmaßnahmen, wie den Kauf von Gesichtsmasken, nicht leisten können. Etwa ein Drittel der befragten Rückkehrer berichtete, dass sie keinen Zugang zu Handwascheinrichtungen (30%) oder zu Seife/Desinfektionsmitteln (35%) haben (IOM 23.9.2020).

Sozioökonomische Auswirkungen und Arbeitsmarkt:

COVID-19 trägt zu einem erheblichen Anstieg der akuten Ernährungsunsicherheit im ganzen Land bei (USAID 12.1.2021; vgl. UNOCHA 18.2.2021, UNOCHA 19.12.2020). Die sozioökonomischen Auswirkungen von COVID-19 beeinflussen die Ernährungsunsicherheit, die inzwischen ein ähnliches Niveau erreicht hat wie während der Dürre von 2018 (USAID, 12.1.2021; vgl. UNOCHA 19.12.2020, UNOCHA 12.11.2020). In der ersten Hälfte des Jahres 2020 kam es zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise, die im April 2020 im Jahresvergleich um rund 17% stiegen, nachdem in den wichtigsten städtischen Zentren Grenzkontrollen und Lockdown-Maßnahmen eingeführt worden waren. Der Zugang zu Trinkwasser war jedoch nicht beeinträchtigt, da viele der Haushalte entweder über einen Brunnen im Haus verfügen oder Trinkwasser über einen zentralen Wasserverteilungskanal erhalten. Die Auswirkungen der Handelsunterbrechungen auf die Preise für grundlegende Haushaltsgüter haben bisher die Auswirkungen der niedrigeren Preise für wichtige Importe wie Öl deutlich überkompensiert. Die Preisanstiege scheinen seit April 2020 nach der Verteilung von Weizen aus strategischen Getreidereserven, der Durchsetzung von Anti-Preismanipulationsregelungen und der Wiederöffnung der Grenzen für Nahrungsmittelimporte nachgelassen zu haben (IOM 23.9.2020; vgl. WHO 7.2020), wobei gemäß dem WFP (World Food Program) zwischen März und November 2020 die Preise für einzelne Lebensmittel (Zucker, Öl, Reis…) um 18-31% gestiegen sind (UNOCHA 12.11.2020). Zusätzlich belastet die COVID-19-Krise mit einhergehender wirtschaftlicher Rezession die privaten Haushalte stark (AA 16.7.2020).

Die Lebensmittelpreise haben sich mit Stand März 2021 auf einem hohen Niveau stabilisiert: Nach Angaben des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht waren die Preise für Weizenmehl von November bis Dezember 2020 stabil, blieben aber auf einem Niveau, das 11 %, über dem des Vorjahres und 27 % über dem Dreijahresdurchschnitt lag. Insgesamt blieben die Lebensmittelpreise auf den wichtigsten Märkten im Dezember 2020 überdurchschnittlich hoch, was hauptsächlich auf höhere Preise für importierte Lebensmittel zurückzuführen ist (IOM 18.3.2021).

Laut einem Bericht der Weltbank zeigen die verfügbaren Indikatoren Anzeichen für eine stark schrumpfende Wirtschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2020, was die Auswirkungen der COVID-19-Krise im Kontext der anhaltenden Unsicherheit widerspiegelt. Die Auswirkungen von COVID-19 auf den Landwirtschaftssektor waren bisher gering. Bei günstigen Witterungsbedingungen während der Aussaat wird erwartet, dass sich die Weizenproduktion nach der Dürre von 2018 weiter erholen wird. Lockdown-Maßnahmen hatten bisher nur begrenzte Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und blieben in ländlichen Gebieten nicht durchgesetzt. Die Produktion von Obst und Nüssen für die Verarbeitung und den Export wird jedoch durch Unterbrechung der Lieferketten und Schließung der Exportwege negativ beeinflusst (IOM 18.3.2021; vgl. WB 15.7.2020).

Es gibt keine offiziellen Regierungsstatistiken, die zeigen, wie der Arbeitsmarkt durch COVID-19 beeinflusst wurde bzw. wird. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die COVID-19-Pandemie erhebliche negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage in Afghanistan hat, einschließlich des Arbeitsmarktes (IOM 23.9.2020; vgl. AA 16.7.2020). Die afghanische Regierung warnt davor, dass die Arbeitslosigkeit in Afghanistan um 40% steigen wird. Die Lockdown-Maßnahmen haben die bestehenden prekären Lebensgrundlagen in dem Maße verschärft, dass bis Juli 2020 84% der durch IOM-Befragten angaben, dass sie ohne Zugang zu außerhäuslicher Arbeit (im Falle einer Quarantäne) ihre grundlegenden Haushaltsbedürfnisse nicht länger als zwei Wochen erfüllen könnten; diese Zahl steigt auf 98% im Falle einer vierwöchigen Quarantäne (IOM 23.9.2020). Insgesamt ist die Situation vor allem für Tagelöhner sehr schwierig, da viele Wirtschaftssektoren von den Lockdown-Maßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 negativ betroffen sind (IOM 23.9.2020; vgl. Martin/Parto 11.2020).

Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, die durch die COVID-19-Pandemie geschaffen wurden, haben auch die Risiken für vulnerable Familien erhöht, von denen viele bereits durch lang anhaltende Konflikte oder wiederkehrende Naturkatastrophen ihre begrenzten finanziellen, psychischen und sozialen Bewältigungskapazitäten aufgebraucht hatten (UNOCHA 19.12.2020).

Die tiefgreifenden und anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die afghanische Wirtschaft bedeuten, dass die Armutsquoten für 2021 voraussichtlich hoch bleiben werden. Es wird erwartet, dass das BIP im Jahr 2020 um mehr als 5 % geschrumpft sein wird (IWF). Bis Ende 2021 ist die Arbeitslosenquote in Afghanistan auf 37,9% gestiegen, gegenüber 23,9% im Jahr 2019 (IOM 18.3.2021).

Nach einer Einschätzung des Afghanistan Center for Excellence sind die am stärksten von der COVID-19-Krise betroffenen Sektoren die verarbeitende Industrie (Non-Food), das Kunsthandwerk und die Bekleidungsindustrie, die Agrar- und Lebensmittelverarbeitung, der Fitnessbereich und das Gesundheitswesen sowie die NGOs (IOM 18.3.2021).

[…]

Bewegungsfreiheit:

Im Zuge der COVID-19 Pandemie waren verschiedene Grenzübergänge und Straßen vorübergehend gesperrt (RFE/RL 21.8.2020; vgl. NYT 31.7.2020, IMPACCT 14.8.2020, UNOCHA 30.6.2020), wobei aktuell alle Grenzübergänge geöffnet sind (IOM 18.3.2021). Im Juli 2020 wurden auf der afghanischen Seite der Grenze mindestens 15 Zivilisten getötet, als pakistanische Streitkräfte angeblich mit schwerer Artillerie in zivile Gebiete schossen, nachdem Demonstranten auf beiden Seiten die Wiedereröffnung des Grenzübergangs gefordert hatten und es zu Zusammenstößen kam (NYT 31.7.2020).

Die internationalen Flughäfen in Kabul, Mazar-e Sharif, Kandarhar und Herat werden aktuell international wie auch national angeflogen und auch findet Flugverkehr zu nationalen Flughäfen statt (F 24 o.D.; vgl. IOM 18.3.2021). Derzeit verkehren Busse, Sammeltaxis und Flugzeuge zwischen den Provinzen und Städten. Die derzeitige Situation führt zu keiner Einschränkung der Bewegungsfreiheit (IOM 18.3.2021).

IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer im Rahmen der freiwilligen Rückkehr und Teilnahme an Reintegrationsprogrammen. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (STDOK 14.7.202

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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