TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/19 W227 2208174-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.08.2021
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Entscheidungsdatum

19.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4

Spruch


W227 2208174-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde des iranischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 9. Juli 2021, Zl. 1091438200/210185315, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 18. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Das BFA wies diesen Antrag mit Bescheid vom 17. September 2018 ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 20. Jänner 2021, rechtskräftig seit 22. Jänner 2021, Zl. W183 2208174-1/19E, vollumfänglich als unbegründet ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Bundesverwaltungsgericht führte dazu (hier relevant) aus:

„In Iran wandte sich der Beschwerdeführer nicht dem Christentum zu und missionierte nicht. Dem Beschwerdeführer wird dies auch nicht von iranischen Behörden oder Privatpersonen unterstellt. […] Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht aus einem innerem Entschluss zum Christentum konvertiert und die christliche Glaubensüberzeugung ist aktuell nicht derart ernsthaft, sodass sie Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft, dies in Zukunft zu tun. Die iranischen Behörden wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich nicht Bescheid. Von den Verwandten und Freunden des Beschwerdeführers, die davon wissen, geht keine Bedrohung aus. Die vom Beschwerdeführer in sozialen Medien gesetzten Aktivitäten mit christlichem Bezug sind nicht öffentlich einsehbar.“

3. Mit Beschluss vom 30. März 2021, Ra 2021/14/0080, wies der Verwaltungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer erhobene außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurück.

4. Mit Schreiben vom 17. Juni 2021 informierte das BFA den Beschwerdeführer über die Beabsichtigung, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen, und forderte ihn auf, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme zu seinen aktuellen persönlichen Verhältnissen abzugeben.

5. Dazu gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass sich seine persönlichen Verhältnisse nicht geändert hätten und er nach wie vor Grundversorgung beziehen würde.

6. Mit dem (hier) angefochtenen Bescheid erteilte das BFA dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.), erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung nicht zu (Spruchpunkt IV.), gewährte dem Beschwerdeführer keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erließ gegen ihn ein eineinhalbjähriges Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FPG (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus:

Der Beschwerdeführer sei der mit 5. Februar 2021 endenden freiwilligen Ausreisefrist nicht nachgekommen und halte sich demnach seit 6. Februar 2021 unrechtmäßig in Österreich auf. Auch bei seinem dritten Rückkehrberatungsgespräch habe er sich nicht rückkehrwillig gezeigt. Der Beschwerdeführer verfüge über kein schützenswertes Familien- oder Privatleben in Österreich. Da sich der Beschwerdeführer beharrlich weigere, das Bundesgebiet zu verlassen und darüber hinaus mittellos sei, bestehe eine erhebliche und gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Überdies habe der Beschwerdeführer seine Ausreiseverpflichtung qualifiziert verletzt, indem er trotz Rechtskraft der Rückkehrentscheidung nicht fristgerecht freiwillig ausgereist sei. Demzufolge sei ein Einreiseverbot zu erlassen.

7. In seiner rechtzeitig erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass das Einreiseverbot aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung verhängt worden sei, da der Beschwerdeführer das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Jänner 2021 mittels einer außerordentlichen Revision bekämpft habe. Weiters stellte er den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 56 AsylG. Auch hätte das BFA die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran als unzulässig erklären müssen, da der Beschwerdeführer Christ sei und sein Leben bei einer Rückkehr in den Iran bedroht wäre. Zudem habe sich die politische Lage im Iran durch die Präsidentschaftswahl 2021 für Christen wesentlich verschlechtert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zum Beschwerdeführer

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er ist in Teheran geboren und aufgewachsen und lebte dort bis zu seiner Ausreise. Er gehört der Volksgruppe der Perser an, spricht Farsi als seine Muttersprache, besuchte im Iran die Schule und arbeitete dort als Mechaniker.

Gegen den Beschwerdeführer wurde mit (mittlerweile) rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Jänner 2021 – in Bestätigung einer diesbezüglichen Entscheidung des BFA vom 17. September 2018 – eine Rückkehrentscheidung erlassen. Ihm wurde eine Frist für eine freiwillige Ausreise bis zum 5. Februar 2021 gewährt. Im Zuge dessen wurden zumindest zwei Rückkehrberatungsgespräche mit dem Beschwerdeführer geführt. Er ist seiner Ausreiseverpflichtung bisher jedoch nicht nachgekommen.

Die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers haben sich seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Jänner 2021 nicht geändert.

Der Beschwerdeführer ist arbeitslos, befindet sich nach wie vor in der Grundversorgung (siehe GVS-Auskunft vom 16. August 2021), ist gesund und strafgerichtlich unbescholten (siehe Strafregisterauskunft vom 16. August 2021).

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in den Iran keine Verfolgung aufgrund seiner religiösen Einstellung.

1.2. Zur hier relevanten Situation im Iran

1.2.1. Sicherheitslage

Der Iran verfügt über eine stabile politische Ordnung und Infrastruktur. Es bestehen jedoch gewisse Spannungen, die periodisch zunehmen. Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latente Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten sowie mit Straßenblockaden gerechnet werden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert.

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Diese haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan.

In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zum Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht.

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrt Sicherheits- und Personenkontrollen. Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen.

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen sowie Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen. Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind. Gelegentlich kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. Auch für unbeteiligte Personen besteht das Risiko, unversehens in einen Schusswechsel zu geraten.

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, 1. Juli 2021, S. 7 f)

1.2.2. COVID-19

Iran gilt als eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder und ist als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko (Hochinzidenzgebiet) eingestuft, da das Land von einer erneuten COVID-19-Infektionswelle stark betroffen ist. Aktuelle Informationen und detaillierte Zahlen bieten das iranische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation WHO. Nach dem persischen Neujahrsfest Norouz Ende März hatten viele Iraner trotz Warnungen von Präsident Hassan Rohani Verwandte besucht. Danach stiegen die Infektionszahlen stark an. Die Regierung reagierte darauf mit einem Teil-Lockdown. Mittlerweile scheint sich die Zahl der Infektionen einigermaßen stabilisiert zu haben, deshalb wurden einige der bisherigen Beschränkungen aufgehoben bzw. gelockert. Neben den Geschäften und Institutionen der Kategorie 1, also essentiell notwendigen, dürfen auch solche der Kategorie 2, also ein Großteil des Einzelhandels, auch in Einkaufszentren und Basaren, öffnen. Obwohl die Zahl der Neuinfektionen mittlerweile leicht im Abnehmen begriffen ist, ist sie allerdings immer noch hoch. Auch die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist weiterhin sehr hoch, verschiedentlich gibt es noch Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten. Der Großraum Teheran und zahlreiche andere Städte wurden von der höchsten, „roten“ Gefahrenstufe auf „orange“ zurückgestuft.

Personen, die nach Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als 72 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, wird ausländischen Staatsangehörigen die Einreise nach Iran verwehrt. Iranische Staatsangehörige (Doppelstaatsbürger reisen in der Regel mit ihrem iranischen Reisepass ein) werden unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums in ein Flughafenhotel eingewiesen, dessen Kosten selbst zu tragen sind. Mit eigenhändiger Unterschrift ist zu bestätigen, dass das Hotel nicht verlassen werden darf. Die 14-tägige Quarantäne kann durch einen negativen molekularbiologischen Test beendet werden. Reisende können bei Einreise zusätzlich zu ihrem gesundheitlichen Befinden befragt und bei COVID-19-Symptomen ärztlich untersucht werden. Ein erneuter COVID-19-Test kann von den iranischen Behörden angeordnet und durchgeführt werden. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses wird Selbstisolation angeordnet. Bei positivem Testergebnis erfolgt eine rigorose Kontrolle der Kontaktpersonen, und es ergehen weitere verpflichtende Anweisungen der iranischen Behörden. Alle entstehenden Kosten sind von den Reisenden zu tragen. Die Verfahren können sich kurzfristig ändern. Abweichende Handhabungen sind jederzeit möglich.

In Teheran gilt von 21 Uhr bis 3 Uhr ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge. Es kommt, abgesehen vom Lebensmittelhandel und systemrelevanten Einrichtungen, abhängig vom örtlichen Infektionsgeschehen, ebenfalls zu landesweiten Betriebsschließungen. Private Personenkraftwagen dürfen den auf den Kennzeichen angeführten Zulassungsbezirk nicht verlassen. Eine Ausnahme besteht für die Bezirke Teheran und Karaj, da täglich mehrere Millionen Berufspendler zwischen den beiden Orten verkehren. Die Beschränkungen gelten nicht für den öffentlichen Verkehr, Taxis und Internettaxis. In Behörden ist die Anwesenheit der Beschäftigten reduziert. In Orten der Warnstufe „rot“ müssen Handelsunternehmen, die nicht wie Apotheken oder Lebensmittelhändler dringende Bedürfnisse abdecken, schließen. Auch Touristen- und Ausflugsziele bleiben teilweise geschlossen. Camping in öffentlichen Parks ist grundsätzlich untersagt. In allen Schulen und Universitäten wird auf teilweise Fernunterricht umgestellt. Religiöse und kulturelle Veranstaltungen dürfen nur in reduzierter Form stattfinden. Die Maßnahmen gelten auf unbestimmte Zeit.

Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte und Reisen zu vermeiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und den Öffentlichen Personennahverkehr zu meiden. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr. Künftig soll die Polizei stärker gegen Verstöße vorgehen, Strafen für Verstöße gegen die Auflagen wurden angekündigt.

Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten.

Nach wiederholten Ankündigungen über die baldige Produktion iranischer Corona-Impfstoffe gab Präsident Hassan Rohani im April 2021 zu, dass im Land produzierte Impfdosen im besten Fall ab Ende des Sommers 2021 zur Verfügung gestellt werden könnten. Rohani lud Firmen und Geschäftsleute ein, im Auftrag der Regierung Corona-Impfstoffe aus dem Ausland zu importieren. Die Regierung selbst könne keine Corona-Impfdosen importieren, weil die US-Sanktionen deren Einfuhr behindern.

Die Tatsache, dass die Regierung sich erst sehr spät für den Kauf ausländischer Impfstoffe entschieden hat, erwähnte der Präsident nicht. Laut iranischen Medien gibt es schon jetzt einen florierenden Schwarzmarkt für illegal importierte Corona-Impfdosen in Teheran. Viele verzweifelte und schwerkranke Menschen suchen auf dem Schwarzmarkt nach preiswerten Impfdosen. Je nach Hersteller werde die Einzeldosis Impfstoff für bis zu 2.000 Euro verkauft. Laut iranischen Behörden, wurde am 13.6.2021 eine Notfallgenehmigung für einen im Inland entwickelten Impfstoff (COVIran Barekat) gegen COVID-19 erteilt. Der Schritt kommt aufgrund der erwähnten Probleme mit dem Import von genügend Impfstoffen.

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, 1. Juli 2021, S. 2 ff)

1.2.3. Politische Lage

Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik. Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage ist, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten wird. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“. Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des Weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Revolutionsführer verantwortlich. Doch obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt.

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt. Am 18.6.2021 fanden in Iran erneut Präsidentschaftswahlen statt. Der derzeitige Präsident Rohani darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren. Gewonnen hat die Wahl der konservative Hardliner und derzeitige Justizchef Ibrahim Raisi mit mehr als 62% der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei unter 50% und war somit niedriger als jemals zuvor in der Geschichte der Islamischen Republik. In der Hauptstadt Teheran lag die Wahlbeteiligung sogar bei nur 26%. Zudem wurden mehr als 3,7 Millionen Stimmzettel für ungültig erklärt. Wie bei jeder Wahl hat der Wächterrat die Kandidaten im Vorhinein ausgesiebt. Raisi wurde mehr oder weniger von Revolutionsführer Khamenei ins Amt gehievt. Der neue Präsident tritt sein Amt im August 2021 an. Es ist möglich, dass er nicht lange Präsident bleibt, da er als Favorit für die Nachfolge des Revolutionsführers Khamenei, der 82 Jahre alt ist, gilt.

Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat. Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive, zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann. Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann. Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt. Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden. Nach dem die Erwartungen des Volks vom moderat-reformorientierten Parlament nicht erfüllt wurden und die Wirtschaftslage und die finanzielle Situation des Volks nach den US-Sanktionen immer schlechter wurde, kamen nach den Parlamentswahlen 2020 hauptsächlich die konservativen und erzkonservativen Kräfte ins Parlament. Die Mehrheit der Abgeordneten der neuen Legislaturperiode verfolgt sowohl gegenüber der Regierung von Rohani als auch gegenüber westlichen Werten eine sehr kritische Linie. Vor der Abstimmung disqualifizierte der Wächterrat mehr als 9.000 der 16.000 Personen, die sich für eine Kandidatur angemeldet hatten, darunter eine große Anzahl reformistischer und gemäßigter Kandidaten. Die Wahlbeteiligung lag bei 42,6%, was als die niedrigste Wahlbeteiligung in die Geschichte der Islamischen Republik einging.

Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen. Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers. Des Weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems“ zu achten. Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen.

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat in geheimen und direkten Wahlen. Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahekommen. Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Folglich können iranische Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten auswählen. Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert.

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, 1. Juli 2021, S. 4 ff)

1.2.4. Grundversorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro).

Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert. Sowohl auf Grund der „Maximum Pressure“-Politik der USA als auch wegen der Zurückhaltung westlicher Unternehmen bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Iran aber auch wegen der Folgen der Corona-Pandemie steht die iranischen Wirtschaft schlechter da als jemals zuvor. Die Erdölexporte sind auf ein Minimum gesunken, auch die Devisenreserven sind erschöpft. Insofern sind die mittelfristigen Prognosen für die iranische Wirtschaft nicht gut.

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund einer Million Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechende Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger „brain drain“, der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigt.

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht zu großen Teilen unter staatlicher Kontrolle. Der staatliche Sektor (staatliche und halbstaatliche Unternehmen) macht etwa 80% der iranischen Wirtschaftstätigkeit aus, während der private und kooperative Sektor nur 20% ausmacht. So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher eine eigenständige Wirtschaft nur bedingt entwickeln. Eine etablierte Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe. Die iranische Regierung ist der größte Monopolist des Landes, gefolgt von den Revolutionsgarden und anderen einflussreichen Institutionen und Menschen. Es gibt ein Gesetz gegen das Monopol, obwohl noch nie ein Unternehmen oder eine Person für monopolistische Maßnahmen zur Rechenschaft gezogen wurde. Erst in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Problematisch sind auch die völlig veralteten Förderanlagen und Raffinerien des Landes. Aufgrund der Sanktionen konnten diese nicht modernisiert werden. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin lange staatlich subventioniert wurde, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hebt die Regierung den Benzinpreis an oder begrenzt die ausgegebenen Rationen, führt das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen. Soziale Unzufriedenheit war in den letzten Jahren mehrmals der Hintergrund von Unruhen in der Bevölkerung. Bei den gewalttätigen Unruhen im November 2019 starben Hunderte Menschen und Tausende wurden verletzt [Bezüglich der Unruhen vgl. Sie bitte das Kapitel zur Versammlungsfreiheit].

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads. Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company. Politisch steht sie den Revolutionswächtern nahe, viele ihrer hohen Beamten kommen aus deren Reihen. Vor allem mit Hilfe dieser Stiftungen, die beide offiziell direkt dem Revolutionsführer unterstehen, setzt der iranische Staat seine Vorstellungen einer islamischen Wirtschaftspolitik um und verteilt großzügig Gelder für politische Gefälligkeiten. Diese Institutionen sind weder der Regierung noch der Justiz gegenüber rechenschaftspflichtig. Außerdem genießen die Bonyads viele Privilegien wie Steuerbefreiungen und einen ausschließlichen Zugang zu lukrativen Regierungsverträgen.

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, 1. Juli 2021, S. 74 ff)

1.2.5. Medizinische Versorgung

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität, deren Rektor die Verantwortung für das Gesundheitswesen in der betroffenen Provinz trägt. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird. Darüber hinaus gibt es im ganzen Land viele NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen, die Gesundheitseinrichtungen betreiben, deren Zugang auf einer Bedarfsanalyse basiert, ohne dass auf einen vorherigen Versicherungsschutz Bezug genommen wird. Die Mahak-Gesellschaft zur Unterstützung krebskranker Kinder ist beispielsweise ein bekanntes gemeinnütziges Forschungs-, Krankenhaus- und Rehabilitationszentrum für Kinder mit Krebs. Die Patienten werden von Ärzten im ganzen Land an Mahak überwiesen. Laut einem Vertreter von Mahak wird jedes Kind, bei dem Krebs diagnostiziert wird, entweder im Mahak-Krankenhaus oder in anderen Krankenhäusern behandelt. Mahak deckt auch die Behandlung von Patienten in anderen Krankenhäusern in Iran ab. Die Behandlung ist kostenlos und die Patienten müssen nicht versichert sein, um eine Behandlung zu erhalten. Selbst Verwandte können bei der Begleitung ihrer kranken Kinder eine Finanzierung für die Unterkunft erhalten. Mahak empfängt Krebspatienten auch aus mehreren Nachbarländern.

Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt. Der Rote Halbmond ist auch die zentrale Stelle für den Import von speziellen Medikamenten, die für Patienten in speziellen Apotheken erhältlich sind. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren.

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Das Gesundheitswesen ist zwar fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung - die Qualität schwankt jedoch. Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau. Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan, sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt.

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen „Behvarz“ (Gesundheitspersonal, das nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich ca. 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise „nahversorgt“ werden. In Städten übernehmen sogenannte „Gesundheitsposten“ in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser. Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) zu finden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind. 90% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essenziellen Gesundheitsdienstleistungen. Weitere staatliche Institutionen wie die Iranian National Oil Corporation, die Justiz und Revolutionsgarden betreiben ihre eigenen Krankenhäuser. Die medizinische Belegschaft in Iran umfasst insgesamt mehr als 51.000 Allgemeinärzte, 32.000 Fachärzte, 115.000 Krankenschwestern, 33.000 Hebammen und 35.000 örtliche Gesundheitshelfer (behvarz). Im Jahr 2020 wurden 161 Projekte zum Bau ländlicher Gesundheitszentren abgeschlossen. Somit wurde der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen verbessert. Daneben hat das Überweisungssystem bei Hausärzten dazu beigetragen, dass Servicepakete für Prävention, Pflege und Behandlung auch in ländlichen Gebieten angeboten werden.

Es ist anzuführen, dass der Anteil der Out-of-pocket-Zahlungen durch die Patienten in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen ist. Vor dem Health Transformation Plan im Jahr 2014 waren Out-of-pocket-Zahlungen die Hauptfinanzierungsquelle, und lagen über 50% der Kosten. 2010 erreichten die Zahlungen einen Höchststand von 58%, während sie bis 2016 auf 35,5% zurückgingen. Dies ist jedoch noch weit von dem erklärten Ziel entfernt, die Out-of-pocket-Zahlungen auf unter 30% zu senken. Dies bedeutet, dass das Zahlungssystem nach wie vor weitgehend auf Servicegebühren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Gesundheitswesen basiert. Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, dass die Versorgung des Kranken mit Gütern des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt. Iran verwendet interne Referenzpreise für Arzneimittel, was bedeutet, dass Arzneimittel zum Preis des Referenz-Arzneimittels erstattet werden und die Patienten die Möglichkeit haben, teurere Arzneimittel zu kaufen und die zusätzlichen Kosten zu bezahlen. Der Erstattungspreis wird von der Regierung festgelegt, während Hersteller, Händler oder Einzelhändler ihren eigenen Arzneimittelpreis festlegen können.

Alle iranischen Staatsbürger inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt zwei verschiedene Arten von Krankenversicherungen, jene über den Arbeitsplatz oder eine private Versicherung. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt. Um eine Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig. Zusätzliche Dokumente können später gegebenenfalls angefordert werden.

Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Pro Jahr sollten 2,450.000 IRR vom Begünstigten eingezahlt werden. Es gibt Ärzte und private Zentren, die eine öffentliche und/oder SALAMAT-Versicherung akzeptieren, um einen Teil der Ausgaben zu decken. Um zu 90% abgedeckt zu sein, muss man sich auf staatliche bzw. öffentliche Krankenhäuser und Zentren beziehen. TAMIN EJTEMAEI Krankenhäuser decken 100% der versicherten Kunden ab. Die „Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste“ (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die „Imam Khomeini Stiftung“, um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben.

Für schutzbedürftige Gruppen in Iran gibt es zwei Arten von Zentren: öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderung (inklusive psychischer Probleme), ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem psychosoziale Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen, Suchtbehandlungen, etc. Die Imam Khomeini Relief Foundation bietet Dienstleistungen für Frauenhaushalte, Waisen, Familien usw. an, um ihre Lebensumstände zu verbessern. Der Zugang zu öffentlichen Angeboten ist für alle Bürger gleich, aber wie bereits erwähnt, gibt es zusätzliche Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen, die von den Gemeinden / Organisationen abgedeckt werden.

Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen. Obwohl auf dem Papier Medikamente und Lebensmittel von den Sanktionen nicht betroffen sind, ist es seit 2020 u.a. wegen fehlenden Zahlungskanälen zu mehr Engpässen bei bestimmten Medikamenten wie z.B. Insuline gekommen. Das Gesundheitsministerium ist sehr bemüht, den Bedarf an Medikamenten zu decken. Aufgrund der mangelnden Devisen aber steigen die Preise der Medikamente die vom Ausland eingeführt werden sollen von Tag zu Tag, so dass schwache Gesellschaftsschichten sich diese nicht mehr leisten können. Diese Situation wird bei offiziellen Gesprächen von iranischen Funktionären immer wieder als Kritikpunkt gegenüber der Politik des Westens angesprochen. Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, Fachärzten oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es für Bürger Privatkrankenhäuser mit Spezialleistungen in größeren Ballungsräumen. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern.

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, 1. Juli 2021, S. 79 ff)

1.2.6. Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der iranischen Gesetzgebung gibt es kein Gesetz, das die Beantragung von Asyl im Ausland strafbar macht. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Allerdings gibt es zum Thema Rückkehrer nach wie vor kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus.

Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen.

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein.

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird das Risiko für Repressionen eher gering ausfallen.

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regime-kritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein. Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab.

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden.

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, 1. Juli 2021, S. 83 f)

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die im Rahmen der Feststellungen jeweils in Klammer angeführten Beweismittel und im Übrigen auf nachstehende Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den persönlichen Daten des Beschwerdeführers beruhen auf der unbedenklichen Aktenlage zu den Zlen. W183 2208174-1 und W227 2208174-2.

2.2. Dass dem Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in den Iran keine Verfolgung aufgrund seiner religiösen Einstellung droht, ergibt sich bereits aus dem (rechtskräftig gewordenen) Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Jänner 2021. Aus diesem geht hervor, dass der Beschwerdeführer nicht aus einer innerlichen Überzeugung zum christlichen Glauben konvertiert ist und daher auch nicht zu erwarten ist, dass er sich bei einer Rückkehr in den Iran privat oder öffentlich zu diesem bekennen wird.

2.3. Die Feststellungen zur Situation im Iran beruhen auf der oben genannten Quelle, die sich auf Quellen stützt, die schon das BFA seinem Bescheid zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Angesichts der Seriosität dieser Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen auch der Beschwerdeführer nicht entgegentrat, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an deren Richtigkeit zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde (Spruchpunkt A)

3.1.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

3.1.1.1. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.

Unter den in § 57 Abs. 1 AsylG genannten Voraussetzungen ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen.

3.1.1.2. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.1.1.3. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze [§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG)] erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

3.1.1.4. Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit, 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. auch VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; siehe zuletzt auch VwGH 15.02.2021, Ra 2020/21/0246, m.w.N.).

3.1.1.5. Bereits in dem Ende Jänner 2021 rechtskräftig entschiedenen Verfahren konnte keine Verletzung des Schutzes des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers nach Art. 8 EMRK festgestellt werden. Seit dieser Entscheidung, die auch eine Rückkehrentscheidung beinhaltete, sind nur ein paar Monate vergangen. Schon deswegen kann eine neuerliche Interessenabwägung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK nichts Anderes ergeben (siehe zu einem ähnlichen Fall VwGH 22.02.2021, Ra 2021/21/0036, m.w.N.).

Überdies gab der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 25. Juni 2021 an, dass sich seine persönlichen Verhältnisse seit der (rechtskräftigen) Rückkehrentscheidung nicht geändert hätten. Auch in der Beschwerde brachte er keine maßgebliche Änderung seiner persönlichen Verhältnisse vor, sondern stütze sich wiederum nur auf die bereits rechtskräftig als unglaubwürdig erkannte Konversion zum Christentum.

Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.1.1.6. Auf den in der Beschwerde gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG ist mangels Zuständigkeit nicht einzugehen.

3.1.2. Zur Zulässigkeit der Abschiebung

3.1.2.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung festzustellen, ob die Abschiebung in einen bestimmten Staat zulässig ist. Unzulässig ist eine solche gemäß § 50 Abs. 1 FPG in den Fällen des § 8 Abs. 1 AsylG und gemäß § 50 Abs. 2 FPG in den Fällen des § 3 AsylG. Gemäß § 50 Abs. 3 FPG ist eine Abschiebung auch unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.1.2.2. Das Bestehen eines Sachverhaltes nach § 3 AsylG sowie § 8 Abs. 1 AsylG verneinte das Bundesverwaltungsgericht in seiner (rechtskräftig gewordenen) Entscheidung vom 20. Jänner 2021. Dass sich die Umstände seitdem wesentlich geändert hätten bzw. nunmehr ein Sachverhalt nach § 3 AsylG oder nach § 8 Abs. 1 AsylG vorliege, konnte nicht aufgezeigt werden.

So führte der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde lediglich aus, dass sich die Situation für Christen durch den politischen Machtwechsel im Iran 2021 wesentlich verschlechtert habe und ihm daher eine Gefährdung von Leib und Leben drohen würde. Damit stützt er sich jedoch abermals auf sein bisheriges – bereits rechtskräftig als unglaubwürdig erkanntes – Fluchtvorbringen, brachte jedoch keinerlei Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts bzw. seiner persönlichen Verhältnisse, somit auch keinen Nachweis einer – mittlerweile aus innerlicher Überzeugung erfolgten – Konversion zum Christentum, vor.

Eine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht. Die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran ist daher zulässig.

3.1.3. Zur Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung

3.1.3.1. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (vgl. dazu auch VwGH 13.12.2018, Ro 2018/18/0008). In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt genau zu bezeichnen.

3.1.3.2. Die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK setzt eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (siehe etwa VwGH 23.01.2018, Ra 2017/20/0361, m.w.N.).

3.1.3.4. Wie festgestellt ist der Beschwerdeführer volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er gehört der Volksgruppe der Perser an, seine Muttersprache ist die Landessprache Farsi. Auch weist er eine Schulbildung auf und verfügt über Berufserfahrung im Iran. Es liegen keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenz- bzw. lebensbedrohliche Situation gelangen könnte (siehe neben den entsprechenden Länderfeststellungen auch VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314, wonach es dem Antragsteller obliegt, Gründe für ein entsprechendes Risiko nachzuweisen).

3.1.3.5. Demnach ist im gegenständlichen Fall (nach wie vor) von keiner Gefährdung der Rechte des Beschwerdeführers nach Art. 2, Art. 3 und – wie bereits unter Punkt 3.1.1. ausgeführt – Art. 8 EMRK sowie den Protokollen Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention ersichtlich.

3.1.4. Zur Ausreisefrist

3.1.4.1. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG hat das BFA von der Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

3.1.4.2. Das BFA gewährte demnach dem Beschwerdeführer zu Recht keine Frist für die freiwillige Ausreise.

3.1.5. Zum Einreiseverbot

3.1.5.1. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom BFA mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das – nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung gültige – Einreiseverbot (siehe dazu etwa VwGH 01.06.2021, Ra 2021/21/0133) ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten. Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (§ 53 Abs. 2 FPG). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet (vgl. etwa VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349).

3.1.5.2. Fallbezogen begründete das BFA die Erlassung eines Einreiseverbotes damit, dass der Beschwerdeführer zum einen seiner Ausreiseverpflichtung – trotz rechtskräftiger behördlicher Anordnung – nicht nachgekommen sei und somit Bestimmungen des FPG verletzt habe und zum anderen, dass der Beschwerdeführer nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfüge, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, weshalb § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt sei.

3.1.5.3. Die vom BFA getroffene Ermessensentscheidung erweist sich als vertretbar:

So hielt der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach fest, dass die Gewährung von Grundversorgung geradezu die Mittellosigkeit bestätigt (siehe dazu etwa VwGH 27.06.2019, Ra 2019/14/0030; 07.10.2020, Ra 2020/14/0348). Auch geht der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand, der Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen zu sein, um einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Jänner 2021 zu ergreifen, vor dem Hintergrund der bereits am 30. März 2021 ergangenen Zurückweisung der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ins Leere. Der Beschwerdeführer verletzte somit durch sein Nichtnachkommen der Ausreisverpflichtung – trotz rechtskräftiger Anweisung – verwaltungsrechtliche Vorschriften. Zu den zu berücksichtigenden privaten Interessen des Beschwerdeführers i.S.d. Art. 8 EMRK ist festzuhalten, dass diese – wie bereits unter Punkt 3.1.1. ausgeführt – gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung seines Aufenthaltes in Österreich zurückzutreten haben. Die Festsetzung eines Einreiseverbotes in der Dauer von eineinhalb Jahren ist somit – trotz strafgerichtlicher Unbescholtenheit des Beschwerdeführers – aufgrund der Verletzung verwaltungsrechtlicher Vorschriften und der bei ihm vorliegenden Mittellosigkeit vertretbar (siehe auch VwGH 22.02.2021, Ra 2021/21/0036, 08.04.2021, Ra 2021/21/0059, jeweils m.w.N.).

3.1.6. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Eine Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil der maßgebliche S

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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