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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1278;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde des J in P, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. Jänner 1995, Zl. Ga 9-1665/93, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war aufgrund eines notariellen Erbvertrages zum Alleinerben nach seiner am 12.1.1991 verstorbenen Ehefrau berufen. Noch vor Abgabe einer Erbserklärung schenkte er seinem Sohn die Hälfte der ihm angefallenen Erbschaft, worauf dann beide je zur Hälfte eine unbedingte Erbserklärung abgaben und ihnen in der Folge der Nachlaß je zur Hälfte geantwortet wurde.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist in diesem Zusammenhang allein die Frage strittig, ob die dem Beschwerdeführer vorgeschriebene Erbschaftsteuer vom gesamten oder nur vom halben Nachlaßwert anzufordern ist.
Während die belangte Behörde in Bestätigung des erstinstanzlichen Erbschaftssteuerbescheides, dem
hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1992, Zl. 90/16/0167 Slg. NF. 6690/F folgend, davon ausgeht, dem Beschwerdeführer sei zunächst die gesamte Verlassenschaft zuzurechnen, er habe erst nach dem Anfall über den entsprechenden halben Vermögenswert durch Schenkung disponiert, vertritt der Beschwerdeführer in seiner ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit die Ansicht, er sei nur um den halben Nachlaß bereichert worden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf teilweise Nichtfestsetzung der Erbschaftssteuer verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die weitwendigen Beschwerdeausführungen laufen darauf hinaus, daß demjenigen Erben, der das ihm angefallene Erbrecht entgeltlich oder unentgeltlich vor Abgabe der Erbserklärung an einen anderen überträgt, insoweit das Erbrecht gar nicht angefallen sei. Beim Veräußernden entstehe solcherart kein Bereicherungsgegenstand (Nachlaß) weil im Umfang der Veräußerung des Erbrechtes der Erbe nicht bereichert worden sei. Dem Beschwerdeführer, der letzten Endes an den Verwaltungsgerichtshof appelliert, im Wege eines neuen verstärkten Senates von dem mit dem hg. Erkenntnis
Slg. NF. 6690/F eingeschlagenen Weg wieder abzugehen, ist folgendes entgegenzuhalten:
§ 2 Abs. 1 Z. 1 ErbStG unterstellt u.a. ausdrücklich den "Erwerb durch Erbanfall" dem der Erbschaftssteuer unterworfenen Begriff des "Erwerbes von Todes wegen" (§ 1 Abs. 1 Z. 1 leg. cit.).
Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG gilt als Erwerb, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gesamte Vermögensanfall an den Erwerber.
In der bisherigen Judikatur wurde dazu u.a. dargestellt, daß der Tatbestand des Erwerbes durch Erbanfall mit der Annahme der Erbschaft, also der Abgabe der Erbserklärung erfüllt ist (siehe z.B. bei Fellner, Gebühren- und Verkehrssteuern Band III, 4. Teil, Erbschafts- und Schenkungssteuer die in Rz. 12 Abs. 1 zu § 2 ErbStG referierte zahlreiche
hg. Rechtsprechung) und daß die Erbschaftssteuerschuld gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. zwar grundsätzlich schon mit dem Erbanfall entsteht, aber nur insofern der Erbe vom Anfall durch Abgabe der Erbserklärung Gebrauch macht (Fellner a.a.O Abs. 2 und die dort referierte hg. Judikatur).
Erbschaftssteuerrechtlich ist der "Erwerb durch Erbanfall" sohin mit der Abgabe der Erbserklärung vollzogen (Fellner a.a.O Abs. 3 und die dort angeführte hg. Rechtsprechung).
Die sogenannte schlichte Ausschlagung der Erbschaft (das ist die Ausschlagung ohne Benennung eines dadurch Begünstigten) vor Abgabe der Erbserklärung vernichtet dagegen den vorher eingetretenen Erbanfall wieder (vgl. die von Fellner a.a.O Rz. 25 Abs. 9 zu § 2 ErbStG angeführte Rechtsprechung des OGH) und hat keine Belastung durch Erbschafts- oder Schenkungssteuer zur Folge (Fellner a.a.O Rz. 25 letzter Abs.). Von einer sogenannten einfachen Ausschlagung spricht man, wenn durch die Entschlagung eine Person zum Zuge kommt, der die Erbschaft ohne den Anfall an den zunächst Berufenen, ohnehin angefallen wäre. Dieser Fall liegt nach dem unstrittigen Vorbringen der Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aber nicht vor.
Anders verhält es sich mit einer sogenannten qualifizierten Ausschlagung der Erbschaft, durch die eine bestimmte Person (der die Erbschaft bei Wegfall des zunächst Berufenen nicht ohne weiteres angefallen wäre) begünstigt wird; jenachdem ob der berufene Erbe für die qualifizierte Ausschlagung ein Entgelt erhält oder nicht, ist in einem solchen Fall Erbschaftskauf oder Erbschaftsschenkung anzunehmen (Fellner a. a.O Rz. 26 Abs. 1 und 2 und das dort zitierte hg. Erkenntnis des schon erwähnten verstärkten Senates Slg. NF. 6690/F). Mit dem genannten Erkenntnis, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausgesprochen, daß für den berufenen Erben allein durch den Erbanfall abgesehen von der Möglichkeit, die Erbschaft anzutreten, bereits das Recht entstanden ist, unter anderem eine Entscheidung dahin zu treffen, entweder der Erbschaft zu entsagen oder aber die angefallene Erbschaft (bzw. einen Teil derselben) vor Abgabe
der Erbserklärung entgeltlich (= Erbschaftskauf) oder
unentgeltlich (= Erbschaftsschenkung) einem Dritten zu
übertragen. Darin erblickte der verstärkte Senat einen echten Vermögensvorteil, eine Bereicherung, die schon mit dem Erbanfall eingetreten ist.
An dieser Ansicht vermögen die Argumente der Beschwerde auch insoweit nichts zu ändern, als sie dazu jene Literatur bemüht, die sich zur zitierten Judikatur des verstärkten Senates kritisch geäußert hat, nämlich Taucher (NZ 1992, 285 ff) und Dorazil (ÖStZ 1993, 38 ff).
Einer eingehenden Auseinandersetzung mit den genannten Literaturstellen bedarf es dabei gar nicht, weil bereits F. Iro (ÖStZ 1994, 131 ff) in Verteidigung der Rechtsprechung des verstärkten Senates Slg. NF. 6690/F alle wesentlichen Argumente der Kritiker überzeugend widerlegt hat. Weder ist es richtig, daß der Erbe im Wege der Erbschaftsveräußerung eine rechtsgeschäftliche Handlung setzt, die wie eine Ausschlagung der Erbschaft (= negative Erbserklärung; vgl. OGH JBl 1995,
396) den Anfall an ihn wieder vernichtet (stimmte dies, dann könnte er ja nichts übertragen), noch trifft es zu, daß der Erbe dabei nicht über einem (ihn zunächst bereichernden Vermögensvorteil) disponiert hätte, noch treten Probleme einer Doppelbesteuerung auf. Wie F. Iro (a.a.O.) mit zahlreichen Nachweisen (insbesondere auch aus der zivilrechtlichen Literatur und Judikatur) nachvollziehbar dargelegt hat, beseitigt der Erbe, der vor Abgabe der Erbserklärung im Wege eines Erbschaftskaufes oder einer Erbschaftsschenkung über sein ihm angefallenes Erbrecht disponiert, den eingetretenen Anfall keineswegs, sondern ermöglicht gerade dadurch unter Aufrechterhaltung der Wirkungen des Anfalles den Antritt des Erbrechts durch den Erwerber der Erbschaft. Daß damit über eine Rechtsposition verfügt wird, die prinzipiell eine Bereicherung darstellt, zeigt sich in beiden Fällen der Erbschaftsveräußerung: Im Falle des Erbschaftskaufes ganz augenfällig in Gestalt des darüber zustande kommenden ENTGELTLICHEN Geschäftes; im Falle der Erbschaftsschenkung dadurch, daß nach dem Willen der beteiligten Parteien ein Objekt (hier das angefallene Erbrecht) unentgeltlich jenem übertragen wird, der gerade dadurch die Rechtsposition erlangt, die Erbschaft antreten zu können und der somit eine vermögenswerte Position erlangt, die er ohne den Schenkungsakt nicht hätte. Insofern erfolgt auch im Falle der Erbschaftsschenkung vor Abgabe der Erbserklärung die Übertragung der zunächst beim berufenen Erben durch den Erbanfall an ihn enstandenen Position auf den Beschenkten, der aufgrund der erlangten Rechtsposition dann die Erbschaft anzutreten berechtigt und insoweit zweifelsohne bereichert ist.
Von der Gefahr einer Doppelbesteuerung kann überhaupt keine Rede sein. Der Beschwerdeführer übersieht in diesem Zusammenhang, daß die Besteuerung des Schenkungsvorganges an einen ganz anderen Verkehrsakt anknüpft als die Besteuerung des Anfalls der Erbschaft an den berufenen Erben. Der vorliegende Fall stellt nur sicher, daß nicht durch eine Erbschaftsschenkung vor Abgabe der Erbserklärung ein steuerpflichtiger Erwerbsvorgang willkürlich vermieden werden könnte: Es steht nämlich vollkommen außer Diskussion, daß den Erben, der die ihm angefallene Erbschaft durch Abgabe der Erbserklärung antritt und danach erst verschenkt, die Erbschaftssteuerpflicht voll trifft und daß der anschließende Schenkungsvorgang Erbschaftssteuerpflicht auslöst (so auch ausdrücklich Dorazil a.a.O, 40). Dasselbe muß aber für den Fall der Erbschaftsschenkung gelten, die durch den berufenen Erben vor Abgabe der Erbserklärung vorgenommen wird, weil es die betroffenen Parteien sonst in der Hand hätten, durch die rein willkürliche Verschiebung des Schenkungsvorganges auf einen Zeitpunkt vor Abgabe der Erbserklärung die Erbschaftssteuerpflicht des Erben zu vermeiden. Gerade dies gilt es aber zu verhindern.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher durch den Beschwerdefall nicht veranlaßt, von der mit dem Erkenntnis des verstärkten Senates Slg. NF. 6690/F begründeten Rechtsprechung wieder abzugehen. Der angefochtene Bescheid ist demnach nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iFmV BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996160091.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009