TE Vwgh Beschluss 1996/12/19 96/06/0199

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Veröffentlicht am 19.12.1996
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauO Tir 1989 §27 Abs2;
BauO Tir 1989 §27 Abs3 lita;
BauO Tir 1989 §27 Abs3 litb;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde 1. der Ilse J und 2. des Dieter J, beide in I, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 18. Juli 1996, Zl. I-4354/1996, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: W in I, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Innsbruck zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.800,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines Grundstückes in Innsbruck, das an die S-Gasse grenzt. Die mitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerber) ist Eigentümer einer Liegenschaft, die einerseits an das Grundstück der Beschwerdeführer, und andererseits ebenfalls an die S-Gasse grenzt. Im Grundbuch ist ob des Grundstückes der Beschwerdeführer aufgrund eines Vertrages vom 30. Jänner 1984 die Dienstbarkeit des unbeschränkten Gehens und Fahrens zugunsten eines näher bezeichneten Grundstückes der Liegenschaft des Bauwerbers einverleibt.

Mit dem am 20. September 1995 eingelangten Antrag kam der Bauwerber um baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer "Zufahrt" (zu seinem Grundstück) auf dem Grundstück der Beschwerdeführer ein. Der Baubeschreibung zufolge soll über das Grundstück der Beschwerdeführer "auf dem eingetragenen Servitut" eine 2,8 m breite Zufahrt errichtet werden, die mit Lastkraftwagen befahren werden kann. Aus den Projektunterlagen ergibt sich, daß das Grundstück des Bauwerbers höher liegt als die S-Gasse, und die Zufahrt in der Art einer Rampe ausgeführt werden soll. Hiezu soll eine auf dem Grundstück der Beschwerdeführer entlang der S-Gasse bestehende Stützmauer entsprechend den Gefälleverhältnissen teils abgeschnitten, teils aufgestockt werden. Als Absturzsicherung soll auf dieser straßenseitigen Stützmauer "ein mindestens 1,00 m" hohes Geländer angebracht werden. Durch den Bau der Zufahrt ist es erforderlich, hangseits das Gelände abzugraben, sodaß zum Haus der Beschwerdeführer hin der Bau einer (weiteren) Stützmauer vorgesehen ist, wobei auch hier auf der Mauerkrone eine Absturzsicherung mit einem Geländer aus Stahl projektiert wurde. In den Akten befindet sich ein Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 3. November 1994, 3 R 170/94, das mit einer Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 13. September 1995 versehen ist, aus welchem sich ergibt, daß infolge Klage des nunmehrigen Bauwerbers die nunmehrigen Beschwerdeführer für schuldig erkannt wurden, auf ihrem Grundstück innerhalb des fraglichen Servitutsbereiches die Errichtung eines Geh- und Fahrweges nach näher bezeichneten Plänen zu dulden.

In der Bauverhandlung vom 7. Dezember 1995 erhoben die Beschwerdeführer (als Eigentümer des zur Bebauung vorgesehenen Grundstückes) Einwendungen gegen das Vorhaben.

Nach verschiedenen Verfahrensschritten erteilte die Baubehörde erster Instanz mit Bescheid vom 29. Mai 1996 die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden teils abgewiesen, teils zurückgewiesen, und für den Fall, daß darin die Verletzung eines Privatrechtes zu erblicken sei, auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Begründend führte die Behörde aus, der gegenständliche Baurechtsfall sei insofern als ein Sonderfall zu bezeichnen, als ein Bauwerk, hier eine Zufahrtsstraße, aufgrund eines bestehenden Servitutsrechtes auf fremdem Grund gegen den Willen der Grundeigentümer errichtet werden solle. Vorab sei daher klarzustellen, daß es sich bei einer Baubewilligung lediglich um eine sogenannten Polizeierlaubnis handle, die in die privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Grundeigentümern und dem Bauwerber nicht eingreife. In öffentlich-rechtlicher Hinsicht verlange die Tiroler Bauordnung lediglich bei Neu-, Zu- und Umbauten die Zustimmung des Grundeigentümers (Hinweis auf § 27 Abs. 3 lit. b Tiroler Bauordnung = TBO). Bei der geplanten Zufahrtstraße handle es sich um keinen Neu-, Zu- oder Umbau im Sinne der Begriffsbestimmungen des § 3 Abs. 5 bis 7 TBO. Die fehlende Zustimmung der Grundeigentümer könne daher für sich allein nicht zu einer Versagung der Baubewilligung führen. Den Grundeigentümern komme nach Ansicht der Baubehörde erster Instanz vorliegendenfalls "eine zumindest nachbarähnliche Stellung zu". Gleich dem Eigentümer eines dem Bauplatz gegenüberliegenden und durch eine öffentliche Verkehrsfläche davon getrennten Grundstückes "dürften" auch die Beschwerdeführer ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung jener Entfernungsvorschriften (Baufluchtlinie) besitzen, die zu einer Verkehrsfläche, nämlich der S-Gasse, in Beziehung stünden. Der Einwand, die geplante Zufahrtsstraße läge vor der Baufluchtlinie, sei aber unzutreffend. Die Einwendungen in bezug auf die behauptete Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbildes und der Verkehrssicherheit seien hingegen mangels eines diesbezüglichen Mitspracherechtes zurückzuweisen. Aufgrund der Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen stehe auch fest, daß keine Beeinträchtigung der Standsicherheit des Hauses der Beschwerdeführer zu erwarten sei. Auch sonst seien die Beschwerdeführer in keinen im Bauverfahren wahrzunehmenden subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden (wurde näher ausgeführt).

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen wurde; zugleich wurde der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid "im Rahmen des Berufungsvorbringens vollinhaltlich bestätigt". Soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren erheblich, führte die belangte Behörde aus, daß eine Zustimmungserklärung der Beschwerdeführer zum Bauvorhaben gemäß § 27 Abs. 3 TBO nicht erforderlich gewesen sei, weil die projektierte private Zufahrtstraße nicht als Gebäude anzusehen sei. In Übereinstimmung mit der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides sei zu betonen, daß es sich vorliegendenfalls um eine Polizeierlaubnis handle, die das Bauvorhaben in öffentlich-rechtlicher Hinsicht für zulässig erkläre, und es für die Baubehörde ohne Belang bleiben müsse, ob die geplante Zufahrtsstraße im Detail "vom bestehenden Servitutsrecht gedeckt ist oder nicht". Es bleibe daher den Beschwerdeführern unbenommen, allfällige Abweichungen im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Durch den erstinstanzlichen Bescheid würden somit subjektive Nachbarrechte der Beschwerdeführer nicht beeinträchtigt.

Dagegen richtet sich vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie der Bauwerber, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführer haben unaufgefordert eine Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde eingebracht.

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 10/1995

(TBO), anzuwenden.

Den Beschwerdeausführungen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer, die ein Mitspracherecht aus ihrem Eigentum an dem zu bebauenden Grundstück ableiten, in ihrem (behaupteten) gesetzlich gewährleisteten Recht auf Einhaltung der Abstandsvorschriften gemäß § 30 Abs. 4 in Verbindung mit § 7 TBO sowie in ihrem (behaupteten) Recht "auf eine geeignete Beschaffenheit des Bauplatzes gemäß § 30 Abs. 4 iVm § 4 TBO" verletzt.

Dem ist folgendes zu entgegnen:

§ 30 Abs. 4 TBO regelt das Mitspracherecht des NACHBARN. Nach § 30 Abs. 1 TBO sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Daraus ergibt sich, daß die Beschwerdeführer als Eigentümer des zu bebauenden Grundstückes schon begrifflich keine "Nachbarn" im Sinne des § 30 Abs. 4 TBO sind. Schon deshalb können sie durch den angefochtenen Bescheid in den geltend gemachten Nachbarrechten nicht verletzt worden sein. Vielmehr verkennen die Beschwerdeführer ihre Rechtsstellung im zugrundeliegenden Baubewilligungsverfahren: Wie die belangte Behörde zutreffend hervorgehoben hat, bedarf es - im vorliegenden Baubewilligungsverfahren - ihrer Zustimmung zum Vorhaben nicht, weil es sich vorliegendenfalls nicht um ein Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung für den Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes handelt (§ 27 Abs. 3 lit. b TBO). Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 28. Jänner 1993, Zl. 92/06/0236, näher ausgeführt hat, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung, weil es dem Eigentümer unbenommen bleibt, den Bau ungeachtet einer bestehenden Baubewilligung durch eine Unterlassungsklage zu verhindern, soferne er nicht zivilrechtlich zur Zustimmung verpflichtet ist (was die belangte Behörde zutreffend erkannt hat).

Da somit die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in den behaupteten (Nachbar-)Rechten nicht verletzt werden konnten, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil zuzüglich zum pauschalierten Schriftsatzaufwand keine Umsatzsteuer zuzuerkennen ist (siehe dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 697, wiedergegebene hg. Judikatur).

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996060199.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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