TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/2 W185 2203700-3

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Veröffentlicht am 02.09.2021
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Entscheidungsdatum

02.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §17 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W185 2203700-3/4Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2021, Zl 1171610310-210094323, zu Recht erkannt:

A)

In teilweiser Erledigung der Beschwerde wird dieser gemäß § 17 Abs. 1 BFA - Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.10.2017 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 06.07.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde in Spruchpunkt IV. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gegen diesen Bescheid des BFA brachte der BF fristgerecht Beschwerde ein.

Am 13.08.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Mit Erkenntnis vom 21.09.2020, W134 2203700-2/26E, wurde die Beschwerde des BF als unbegründet abgewiesen.

Am 21.01.2021 wurde der BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 AVG zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen.

Der BF stellte am 22.01.2021 im Stande der Schubhaft den gegenständlichen 2. Asylantrag (Folgeantrag).

Mit Bescheid des BFA vom 19.03.2021 wurde der Folgeantrag des BF vom 22.01.2021 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für dessen freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.), sowie gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren erlassen (Spruchpunkt VII).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde, verfasst vom rechtsfreundlichen Vertreter des BF, erhoben. Geltend gemacht wurden Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung und inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie unrichtige rechtliche Beurteilung. Das BFA habe sich nicht mit der Situation von Personen mit Tätowierungen im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auseinandergesetzt. Aus den Länderinformationen gehe hervor, dass Personen in Afghanistan sehr wohl Probleme aufgrund von Tätowierungen bekommen könnten. Auf die Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 08.02.2017: „Lage von Personen mit Tätowierungen (insbesondere christlichen Symbolen); Lage von Personen, die einen westlichen Lebensstil führen bzw. westliche Lokale oder Geschäft betreiben“, wurde verwiesen. Überdies sei der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden. Der BF habe keine Gelegenheit gehabt, zu den Länderfeststellungen Stellung zu nehmen bzw. zu reagieren. Auch habe sich das BFA nicht ausreichend mit dem Gesundheitszustand des BF auseinandergesetzt. Auch die Feststellungen des BFA zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich seien mangelhaft. Das BFA habe es unterlassen, den BF zu seiner Beziehung zu einer österreichischen Staatsangehörigen zu befragen. Der BF habe im Folgeantrag eine Verfolgung aufgrund seiner Tätowierungen vorgebracht; dies habe er bisher unterlassen gehabt, da er davon ausgegangen sei, in Österreich bleiben zu dürfen und seine Tätowierungen daher nicht von Relevanz seien. Das BFA habe trotzdem angeführt, dass der BF keine neuen Fluchtgründe vorgebracht habe. Im gegenständlichen Fall könne nicht von einer Identität der Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG gesprochen werden, weswegen die Erlassung einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG unzulässig und rechtswidrig gewesen sei. Aufgrund der Länderinformationen könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der BF im Falle der Abschiebung nach Afghanistan eine reale Verletzung von Art. 3 EMRK drohe. Der BF habe sich seit rund vier Jahren nicht mehr in seiner Heimat aufgehalten und dort weder Besitz noch soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte. Überdies sei er in Österreich integriert, spreche gut Deutsch, habe viele Freunde und eine österreichische Lebensgefährtin. Eine Abschiebung nach Afghanistan würde daher auch eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 8 EMRK bewirken. Hinsichtlich des Einreiseverbots wurde ausgeführt, dass das BFA keine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des BF vorgenommen habe. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wurde angeregt.

Mit Schreiben des BFA vom 06.04.2021, beim Bundesverwaltungsgericht am 08.04.2021 eingelangt, wurde die Beschwerde vorgelegt.

Mit Mail vom 08.04.2021 teilte das BFA mit, dass bei Vorlage der Beschwerde übersehen worden sei, mitzuteilen, dass sich der BF in Schubhaft befinde.

Mit Mail des BFA vom 15.04.2021 wurde mitgeteilt, dass der BF am 21.01.2021 zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen worden sei. Der BF sei für den Charter am XXXX angemeldet gewesen. Aufgrund der erneuten Asylantragstellung vom 22.02.2021 sei die Charterbuchung storniert worden. Um die Rechtmäßigkeit einer weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft beurteilen zu können, werde um rasche Entscheidung hinsichtlich des zweiten Asylantrages durch das Bundesverwaltungsgericht ersucht. Mit Mail vom 15.04.2021 teilte das Bundesverwaltungsgericht dem BFA mit, dass die Entscheidung in zwei bis drei Wochen ergehen werde.

Am 16.04.2021 brachte das BFA einen Fristsetzungsantrag gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 7 B-VG an den VwGH ein. Es wurde ausgeführt, dass bei Beschwerden gegen zurückweisende Asylbescheide des BFA eine Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichtes für die Erlassung eines Beschlusses über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bestehe. Dies gelte unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorliegen würden oder nicht. Die Entscheidungs- bzw. Wartefrist betrage eine Woche ab Einlangen der Beschwerdevorlage. Die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes sei somit bereits abgelaufen.

Mit Beschluss des BVwG vom 21.04.2021, W185 2203700-2/8Z, wurde der Beschwerde gemäß § 17 Abs 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Dieser Beschluss wurde dem VwGH vorgelegt, welcher daraufhin den Fristsetzungsantrag am 11.06.2021 als gegenstandslos geworden erklärte.

Mit Erkenntnis vom 07.05.2021, W185 2203700-2/10E, wurde der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid des Bundesamtes vom 19.03.2021 behoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 26.07.2021 wurde der Antrag des BF auf internationalem Schutz vom 22.01.2021 I. hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und II. gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf dessen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Mit Spruchpunkt III. wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen IV. und in Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Mit Spruchpunkt VI. wurde festgehalten, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1a FPG nicht bestehe. In Spruchpunkt VII. wurde ausgesprochen, dass der BF gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 04.08.2019 verloren habe. Mit Spruchpunkt VIII. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs 1 Z 2 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und in Spruchpunkt IX. gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG gegen den BF ein Einreiseverbot im Ausmaß von 10 Jahren erlassen.

Zu berücksichtigen seien der laufende Abzug der internationalen Truppen und der Vormarsch der Taliban. Die Städte Herat und Mazar-e Sharif seien als „eingekesselt“ zu betrachten. Die IFA Kabul-Stadt sei, entgegen der grundsätzlichen Annahme in den UNHCR-Richtlinien, im konkreten Einzelfall des BF zumutbar. Dies, zumal die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul-Stadt behalten habe. Die Versorgungslage sei grundsätzlich gesichert und die Stadt über den Luftweg absolut sicher erreichbar.

Zu Spruchpunkt V. wurde ausgeführt, dass gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei und eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, zumal dadurch weder Art. 2 EMRK oder Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden noch für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden sei. Eine derartige Gefährdung bestehe nicht.

Gegen diesen Bescheid wurde am 23.08.2021 fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde u.a. vorgebracht, dass sich nach der Machtübernahme durch die Taliban die Gefahr asylrelevanter Verfolgung von Personen, die den bekannten Risikoprofilen entsprechen würden, dramatisch erhöht habe. Eine IFA komme seit der Machtübernahme der Taliban gerade beim Fluchtgrund der Talibanverfolgung, wie im Falle des BF, nicht in Frage. Für Rückkehrer bestünde in ganz Afghanistan ein reales Risiko einer unmenschlichen Behandlung; vor diesem Hintergrund sei auch eine IFA undenkbar. Der BF sei auch schon mehrfach in stationärer Behandlung aufgrund einer psychischen Erkrankung gewesen, müsse Psychopharmaka einnehmen und trage mehrere „problematische“ Tatoos. Er sei westlich orientiert, vom Glauben abgekommen und zeige Interesse am Christentum. Eine Abschiebung des BF sei unzulässig. Der Beschwerde werde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sein; es herrsche in Afghanistan eine Situation, die bei einer Rückkehr eine Verletzung der Art 2 und Art 3 EMRK zur Folge hätte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

Gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Gemäß § 17 Abs. 4 BFA-VG steht ein Ablauf der Frist nach Abs. 1 der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18 (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1.       der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§19) stammt

2.       schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt

3.       der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat

4.       der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat

5.       das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht

6.       gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7.       der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

Gemäß Abs. 2 leg cit ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist, oder

3. Fluchtgefahr besteht.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr der Verletzung des Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Das BFA hat in dem angefochtenen Bescheid gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und 6 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Eingangs ist festzuhalten, dass Gegenstand dieser Entscheidung nur jener – trennbare – Spruchteil des mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jenen Teil des Vorbringens beschränkt (§ 27 VwGVG), welcher sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richtet. Die Entscheidung in der Hauptsache ergeht zu einem späteren Zeitpunkt.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben des BF als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Im vorliegenden Fall machte der BF in der Beschwerde das Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen geltend. Neben dem Vorbringen hinsichtlich einer realen Verfolgungsgefahr aufgrund der zahlreichen Tatoos des BF, seiner (behaupteten) westlichen Lebenseinstellung, seiner Abkehr vom Glauben und Hinwendung zum Christentum, wurde in der Beschwerde va auch auf die aktuelle (Sicherheits-)Lage in Afghanistan nach dem Abzug der internationalen Truppen und der Machtübernahme durch die Taliban und die sich daraus ergebende mangelnde innerstaatliche Fluchtalternative im gesamten Staatsgebiet hingewiesen (Anm: Was sich auch mit der Ansicht von UNHCR deckt).

Eine, wie im angefochtenen Bescheid noch in den Raum gestellte, dem BF (ausnahmsweise) zumutbare IFA in Kabul-Stadt, ist zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt des Gerichts durch die Übernahme (auch des dortigen Flughafens) durch die Taliban jedenfalls nicht mehr gegeben.

Nach dem Gesagten, dem bisherigen Vorbringen des BF und der aktuellen (Sicherheits)lage, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung des Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Daher war der Beschwerde gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W185.2203700.3.00

Im RIS seit

20.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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