Entscheidungsdatum
29.09.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2240504-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Mag. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (SMS) vom 10.03.2021, Zl. 68818394000029, betreffend die Abweisung der Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“, „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist seit 2018 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 Prozent. Kausal dafür ist folgende Gesundheitsschädigung: „operiertes Skoliose“ (Wirbelsäulenverkrümmung).
Erstverfahren:
Die Beschwerdeführerin stellte am 27.11.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung“, „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“. Dem Antrag angeschlossen waren radiologische und lungenfachärztliche Unterlagen.
Das orthopädische Gutachten vom 11.03.2020 ergab zur Fragestellung, welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würden und warum, Folgendes: „keine. Kurze Wegstrecken können aus eigener Kraft zurückgelegt werden, das Ein- und Aussteigen ist bei o.a. Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten möglich. Der sichere Transport ist gewährleistet, da das Anhalten uneingeschränkt möglich ist.“
Das internistische Gutachten vom 10.06.2020 führte zur Frage der Mobilität aus, dass die Beschwerdeführerin an einer mäßiggradigen restriktiven Ventilationsstörung bei Kyphoskoliose leide. Bei restriktiver Ventilationsstörung mit mäßiggradiger Einschränkung ohne derzeit notwendige Therapie sei die körperliche Belastbarkeit ausreichend, um eine kurze Wegstrecke zurückzulegen, ebenso seien das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport möglich, weshalb die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Nach Vorlage weiterer Unterlagen im gewährten Parteiengehör wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 04.08.2020 den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“, Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ ab. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Mit Beschluss vom 25.08.2020 wurde der Bescheid des SMS gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen, da nicht ausreichend auf die Schmerzen der Beschwerdeführerin eingegangen worden war.
Im fortgesetzten Verfahren holte das SMS ein neurologisches Gutachten ein. Das Gutachten vom 30.12.2020 gestaltete sich wie folgt:
„Anamnese:
Bezüglich der ausführlichen Anamnese darf auf mehrere Vorgutachten-zuletzt aus dem Juni 2020-hingewiesen werden. Die Exploration erfolgt im Beisein einer Bekannten, die übersetzt. Die Antragstellerin selbst spricht kein Deutsch. Es bestünde aktuell eigentlich keine Behandlung, in den letzten Monaten ist es zu keiner stationären Aufnahme gekommen.
Derzeitige Beschwerden:
Mit Übersetzung: Sie könne einfach nicht atmen, wenn sie z.B. länger gehen würde - beim Spazierengehen oder Einkaufen. Sie habe ausgeprägte Rückenschmerzen beim Ein- und Ausatmen, auch die Beine täten weh. Das Stufen steigen sei schwer möglich. Sie wohne im zweiten Stock, müsste hier 3 mal eine Pause einlegen. Im Haushalt könne sie maximal 10 Minuten etwas machen, dann müsse sich aufgrund der Luftnot wieder hinsetzen. Sie benötige teilweise auch Hilfe beim Sockenanziehen, könne sich schwer bücken. Die Operation damals im SMZ-Ost hätte ihr überhaupt nichts gebracht und die Situation nicht verbessert. Laut Übersetzerin sei sie auch zu Hause oft sehr traurig, würde durch die Schmerzen immer wieder weinen.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Seretide, Tramadolor und Mefanamin bei Bed.
Sozialanamnese:
Die Antragstellerin ist verheiratet, lebt mit den Gatten gemeinsamen Haushalt. 2 erwachsene Kinder. Geboren und aufgewachsen in der Türkei, seit 1998 in Österreich. Führerschein hätte sie keinen.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Orthopädische Sachverständigengutachten mit Untersuchung vom 9.5.2018:
1) Operierte Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung). Eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz, eine deutliche Fehlstellung und Funktionseinschränkungen bestehen. 02.01.03. 70%.
Gesamtgrad der Behinderung: 70 v. H.
Kurze Wegstrecken können aus eigener Kraft zurückgelegt werden, dass ein-und Aussteigen ist bei U. A. Beweglichkeit der oberen und Internist ermittelten möglich. Der sichere Transport ist gewährleistet, dass Anhalten uneingeschränkt möglich ist.
Orthopädisches Sachverständigengutachten mit Untersuchung vom 11.3.2020:
1) Operierte Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung). Keine Änderung aus orthopädischer Sicht zum VGA. Kurze Wegstrecken können aus eigener Kraft zurückgelegt werden, das Ein- und Aussteigen ist bei o.a. Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten möglich. Der sichere Transport ist gewährleistet, das Anhalten uneingeschränkt möglich ist.
Zusammenfassende Sachverständigengutachten (Orthopädie und Allgemeinmedizin) vom 30.6.2020: 1) Operierte Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung).
2) Mäßiggradige restriktive Ventilationsstörung bei Kyphoskoliose.
Unzumutbarkeit nicht gegeben, weder aus orthopädischer noch internistischer Sicht.
Stellungnahme vom 27.10. 2020: Keine Änderung.
Neurologischer Befundbericht vom 21.9.2019: Thorakale kongenitale Skoliose sehr starker Ausprägung. Z.n. Aufrichtung (wahrscheinlich Operation gemeint), unter anderem vom SMZ Ost. Neurologisch: Ausgeprägtes Schmerzsyndrom, sie könne unter körperlicher Belastung ihre Schmerzen kaum tolerieren. Tramadolor 200 mg sowie Mefenam. Sekundär reaktiv depressive Stimmungslage. Die körperliche Belastung ist als sehr gering einzustufen, sie ist kurzatmig, Anforderungen des Alltags und bei der Hausarbeit glaubhaft nicht gewachsen.
Lungenfachärztlicher Befundbericht vom 25.11.2019: Zunehmende Belastungsdyspnoe bei massiver Kyphoskoliose. Lungenfunktion: Die dynamischen Punktionsparameter im Normbereich, kein Hinweis auf Obstruktion. Normoxämie. Diagnose: Kyphoskoliose gravis mit mäßiggradiger Restriktion in der Bodyplethysmografie. Keine ventilatorische Insuffizienz.
Röntgenbefund vom einen 20.11. 2019: Z.n. dorsaler Verblockung und Harrington-Stäben der Wirbelsäule. Rechtskonvexe Rotationsskoliose der BWS, linkskonvexe Skoliose der
LWS. Beckenschiefstand (rechts 12 mm höher). Thoraxasymmetrie und Bild wie bei Rippenanomalie bzw. Entfernung eventuell einzelner.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: Gut
Harn und Stuhl unauffällig. Nikotin und Alkohol negiert.
Ernährungszustand: Gut
Größe: 159,00 cm Gewicht: 58,00 kg:
Klinischer Status - Fachstatus: (…)
Cor: HT rein, rhythmisch, normofrequent Thorax: Deformation des Thorax
Pulmo: kaum Atemgeräusch, tiefes Ein- und Ausatmen schmerzhaft angegeben.
Abdomen: Hepar am Ribo, Milz n.p., keine Defence oder Druckdolenz.
OE: Schulter-, Ellenbogen, Handgelenke und Finger frei beweglich, Faustschluss bds möglich.
Wirbelsäule: ausgeprägte Kyphoskoliose, FBA nicht messbar, Lasegue negativ, Zehen- und Fersengang bds möglich, Beine können von der UL gehoben werden. Einbeinstand bds möglich.
Hüftgelenke: bds bland Kniegelenke: bds bland
Sprunggelenke: Flexion/Extension normal, keine Schwellung Haut: keine Auffälligkeiten Neurologisch: grob unauffällig Sonstiges: keine Auffälligkeiten
Gesamtmobilität - Gangbild:
Die Antragstellerin ist im guten AZ und EZ, kommt sauber und adäquat gekleidet pünktlich in Begleitung einer Bekannten (übersetzt) zur Untersuchung. Das Gehen zögerlich, verlangsamt, leicht nach vorne geneigt, wird in sämtlichen Bereichen als schmerzhaft präsentiert. Im Sitzen Kurzatmigkeit, nach vorne gebeugt, Arme aufgestützt. Keine Gehhilfe.
Status Psychicus:
Voll orientiert, Antrieb und Affizierbarkeit sichtlich deutlich reduziert, Schmerzhaltung, Stimmung depressiv, klagend, wortkarg.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Operierte Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung)
2
Mäßiggradige restriktive Ventilationsstörung bei Kyphoskoliose
3
Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41)
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Keine gesundheitliche Änderung im Vergleich zu dem Vorgutachten aus 06/2020. Aus neuropsychiatrischer Sicht wurde eine vorbestehende chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) ergänzend aufgenommen.
Dauerzustand
Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:
Nein Die / Der Untersuchte bedarf einer Begleitperson
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Bezüglich der Mobilität und der körperlichen Belastbarkeit ist aus den vorliegenden Befunden und dem aktuellen neuropsychiatrischen Status keine erhebliche Einschränkung ableitbar. Bezüglich der Schmerzen darf auf Punkt 1 und 2 in der gutachterlichen Stellungnahme verwiesen werden. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel sind der Antragstellerin zumutbar. Der Bedarf einer Begleitperson besteht nicht.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein
Gutachterliche Stellungnahme:
Aus neuropsychiatrischer Sicht ist es zu keiner Änderung der Beschwerden im Vergleich zu dem VGA aus 06/2020 gekommen. Bei den Funktionsstörungen wurde eine vorbestehende Schmerzstörung ergänzend aufgenommen, ein therapeutisches Setting wurde bislang nicht etabliert.
Zu folgenden Fragen darf explizit Stellung genommen werden:
1) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten bzw. der körperlichen Belastbarkeit vor? Es sind auch Art und Ausmaß der von der Beschwerde führenden angegebenen Schmerzen sowie deren Auswirkungen auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu klären.
Es liegen keine Einschränkungen der Funktion der unteren oder der oberen Extremitäten vor. Die körperliche Belastbarkeit ist unter dem Aspekt einer mäßiggradigen restriktiven Ventilationsstörung bei Kyphose (siehe Internistisches GA vom 10.06.2020) als leicht eingeschränkt zu betrachten.
Es sind im Rahmen der Exploration mit der Antragstellerin vor dem Hintergrund einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) mehrere Schmerzebenen herauszuarbeiten: Es besteht 1) ein Dauerschmerz („alles tut immer weh“), unabhängig von Belastungen. Es bestehen 2) Schmerzen bei jeglicher Bewegung - auch wirbelsäulenferner Teile der Extremitäten und 3) lokale Schmerzen im Bereich des Brustkorbes beim tiefen Ein- und Ausatmen.
Das Ausmaß der Schmerzen sei lt subjektiven Angaben „ausgeprägt“ und durchwegs „stark“ (VAS-Skala im oberen Bereich zwischen 7 und 10). Eine weitere Differenzierung ist hier aufgrund der Sprachbarriere, der soziokulturellen Eigenschaften/Präsentationskultur, der Dauer der Beschwerden (seit der Kindheit) und insbesondere der psychischen Alteration (Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, die vermutlich im Vordergrund der Schmerzempfindung steht) kaum möglich. Die selbständige Überwindung der Stockwerke aus bzw. zu der Wohnung sind der Antragstellerin trotz Schmerzen selbständig möglich. Aus neuropsychiatrischer Sicht ist mit einer maßgeblichen Zunahme der Beschwerden durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zu rechnen.
2) Mit welchem Schmerz (Art und Ausmaß) ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, insbesondere das Gehen bei der Beschwerdeführenden verbunden?
Siehe auch Punkt 1. Nach einer aufwendigen orthopädischen Operation der angeborenen hochgradigen Deformität der Wirbelsäule zur Stabilisierung und auch Reduktion der Schmerzen (siehe orthopädisches Gutachten) bestehen leichte Einschränkungen beim Gehen (nach vorne gebeugtes Gangbild). Es besteht keine erhebliche Einschränkung der selbstständigen Mobilität oder der körperlichen Leistungsfähigkeit durch die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen - wie schon in den orthopädischen und internistischen Vorgutachten angeführt. Aus den subjektiven Angaben der Antragstellerin ist ein permanentes Schmerzerlebnis (IASP = International Association for the Study of Pain - unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis) abzuleiten, das mit jeglicher körperlichen Aktivität im engeren und weiteren Sinne - wie bei allen Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates - zunimmt. Eine erhebliche Zunahme der Schmerzen durch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel „über die Maßen“ ist jedoch aus den vorliegenden Befunden und Untersuchungen nicht ableitbar.“
Im einer Stellungnahme im gewährten Parteiengehör erklärte sich die Beschwerdeführerin mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden und schloss diese einerseits bereits vorgelegte medizinische Unterlagen und andererseits radiologische Unterlagen aus dem Jahr 2018 (Im Vergleich zur einer Voruntersuchung von 2015 keine wesentliche Änderung.) und 2019 sowie einen ärztlichen neurologischen Befundbericht an. Eine Beurteilung durch die Chefärztin des ärztlichen Dienstes ergab, dass die neu vorgelegten Befunde keine Änderung ergeben.
Mit Bescheid vom 10.03.2021 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“, Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ ab. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 70 von Hundert.
1.2. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Klinischer Status - Fachstatus:
Cor: HT rein, rhythmisch, normofrequent Thorax: Deformation des Thorax (Kyphoskoliose)
Pulmo: kaum Atemgeräusch, tiefes Ein- und Ausatmen schmerzhaft angegeben.
Abdomen: Hepar am Ribo, Milz n.p., keine Defence oder Druckdolenz.
OE: Schulter-, Ellenbogen, Handgelenke und Finger frei beweglich, Faustschluss bds möglich.
Wirbelsäule: ausgeprägte Kyphoskoliose, FBA nicht messbar, Lasegue negativ, Zehen- und Fersengang bds möglich, Beine können von der UL gehoben werden. Einbeinstand bds möglich.
Hüftgelenke: bds bland Kniegelenke: bds bland
Sprunggelenke: Flexion/Extension normal, keine Schwellung Haut: keine Auffälligkeiten Neurologisch: grob unauffällig Sonstiges: keine Auffälligkeiten
Gesamtmobilität - Gangbild:
Die Antragstellerin ist im guten AZ und EZ, kommt sauber und adäquat gekleidet pünktlich in Begleitung einer Bekannten (übersetzt) zur Untersuchung. Das Gehen zögerlich, verlangsamt, leicht nach vorne geneigt, wird in sämtlichen Bereichen als schmerzhaft präsentiert. Im Sitzen Kurzatmigkeit, nach vorne gebeugt, Arme aufgestützt. Keine Gehhilfe.
Status Psychicus:
Voll orientiert, Antrieb und Affizierbarkeit sichtlich deutlich reduziert, Schmerzhaltung, Stimmung depressiv, klagend, wortkarg.
Funktionseinschränkungen: - Operierte Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung), - Mäßiggradige restriktive Ventilationsstörung bei Kyphoskoliose, - Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41)
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Es liegen keine Einschränkungen der Funktion der unteren oder der oberen Extremitäten vor. Die körperliche Belastbarkeit ist unter dem Aspekt einer mäßiggradigen restriktiven Ventilationsstörung bei Kyphose als leicht eingeschränkt zu betrachten.
Die Beschwerdeführerin kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 200 - 300 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen.
Die Beschwerdeführerin leidet an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) bestehend aus einem Dauerschmerz unabhängig von Belastungen, Schmerzen bei jeglicher Bewegung - auch wirbelsäulenferner Teile der Extremitäten und lokale Schmerzen im Bereich des Brustkorbes beim tiefen Ein- und Ausatmen. Eine erhebliche Zunahme der Schmerzen durch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel „über die Maßen“ ist jedoch aus den vorliegenden Befunden und Untersuchungen nicht ableitbar.“
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch im Zusammenwirken – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.
Der festgestellte Bewegungsumfang ist ausreichend, um Stufen zu überwinden und kurze Gehstrecken zurückzulegen. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist ausreichend möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend. Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus ist zumutbar.
Bei der Beschwerdeführerin liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
1.3. Die Voraussetzung für die Zusatzeintragung „bedarf einer Begleitperson“ liegen bei der Beschwerdeführerin nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde im Erstverfahren ein internistisches sowie ein orthopädisches Gutachten und im fortgesetzten Verfahren ein neurologisches Sachverständigengutachten vom 30.12.2020 eingeholt worden.
Im neurologischen Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Der Neurologe beschreibt in seiner gutachtlichen Stellungnahme, dass keine Einschränkungen der Funktion der unteren oder der oberen Extremitäten vorlägen und die körperliche Belastbarkeit unter dem Aspekt einer mäßiggradigen restriktiven Ventilationsstörung bei Kyphose (siehe Internistisches GA vom 10.06.2020) als leicht eingeschränkt zu betrachten sei.
Im Erstverfahren führte die vom SMS bestellte Fachärztin für Innere Medizin zur Frage der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel aus, dass bei restriktiver Ventilationsstörung mit mäßiggradiger Einschränkung ohne derzeit notwendiger Therapie die körperliche Belastbarkeit ausreichend sei, um eine kurze Wegstrecke zurückzulegen, ebenso seien das Ein-und Aussteigen und der sichere Transport möglich, weshalb die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die Angaben der Internistin am 28.06.2020 zum Gangbild der Beschwerdeführerin: „AS kommt frei gehend, benötigt keine Gehbehelfe. Bei Entlassung freies, zügiges Gangbild bis zum Parkplatz“.
Auch die Orthopädin kommt am 11.03.2020 zum Schluss, dass aus orthopädischer Sicht keine Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zuließen.
Vom Neurologen wurde als zusätzliches Leiden eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) festgestellt. Er schlüsselte die von der Beschwerdeführerin angegebenen Schmerzen nachvollziehbar wie folgt auf:
1) Dauerschmerz („alles tut immer weh“), unabhängig von Belastungen,
2) Schmerzen bei jeglicher Bewegung - auch wirbelsäulenferner Teile der Extremitäten,
3) lokale Schmerzen im Bereich des Brustkorbes beim tiefen Ein- und Ausatmen.
Gleichzeitig wies er aber darauf hin, dass keine entsprechende Therapie durchgeführt wird („ein therapeutisches Setting wurde bislang nicht etabliert“) und dass eine erhebliche Zunahme der Schmerzen durch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel „über die Maßen“ jedoch aus den vorliegenden Befunden und Untersuchungen nicht ableitbar sei.
Die festgestellten Leiden führen somit laut Gutachten dennoch nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Insbesondere wurden auch alle vorgelegten Unterlagen einer Beurteilung unterzogen und die vorliegenden Leiden mitberücksichtigt, eine Therapiereserve ist noch offen.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten. Diese wurden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Bei der Beschwerdeführerin liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen Extremitäten bei der Beschwerdeführerin völlig gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Es ist bei der Beschwerdeführerin von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert.
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar." rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Frage der Zusatzeintragung „bedarf einer Begleitperson“:
Diese Eintragung ist gemäß § 1 Abs. 4 Z. 2 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen vorzunehmen bei
– Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z.1 lit. a verfügen;
– Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d verfügen;
– bewegungseingeschränkten Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig der Hilfe einer zweiten Person bedürfen;
– Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr und Jugendlichen mit deutlicher Entwicklungsverzögerung und/oder ausgeprägten Verhaltensveränderungen;
– Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr mit kognitiven Einschränkungen, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedürfen, und
– schwerst behinderten Kindern ab Geburt bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, die dauernd überwacht werden müssen (z. B. Aspirationsgefahr).
Da die Beschwerdeführerin weder Rollstuhlfahrerin noch taubblind, blind oder stark sehbehindert ist, keiner ständigen Hilfe einer zweiten Person zur Fortbewegung im öffentlichen Raum bedarf, nicht an einer deutlichen Entwicklungsverzögerung und/oder ausgeprägten Verhaltensveränderungen oder kognitiven Einschränkungen leidet, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedürfen, war auch die Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt abzuweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG)
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Zur Klärung des Sachverhaltes waren von der belangten Behörde ein allgemeinmedizinisches und internistisches sowie ein orthopädisches Sachverständigengutachten vom 28.06.2020 und vom 11.03.2020 und im fortgesetzten Verfahren ein neurologisches Gutachten vom 30.12.2020 eingeholt worden. In den vorzitierten Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und das Nichtvorliegen der Voraussetzungen – konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen – für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden die Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der Beschwerdeführerin mündlich zu erörtern gewesen wäre – wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Eine solche wurde auch nicht beantragt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W200.2240504.2.01Im RIS seit
20.10.2021Zuletzt aktualisiert am
20.10.2021