TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/8 I413 2244265-1

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Veröffentlicht am 08.10.2021
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Entscheidungsdatum

08.10.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


I413 2244265-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Vorsitzenden und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Heike MORODER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Vorarlberg vom 29.06.2021, OB: 52550165800020, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text



Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 11.05.2021 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Nach Einholung von Gutachten aus dem Bereich der Allgemeinmedizin und der Inneren Medizin (jeweils mit Untersuchung) stellte die belangte Behörde am 29.06.2021 einen mit 01.05.2022 befristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 v.H- aus.

3. Gegen diesen Behindertenpass erhob der Beschwerdeführer am 05.07.2021 (eingelangt am 09.07.2021) Beschwerde, in welcher er ausführte, aufgrund seiner Erkrankung liege der GdB weit höher.

4. Die belangte Behörde legte am 12.07.2021 die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

5. Mit Mängelbehebungsauftrag vom 13.07.2021 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer auf, verschiedene Mindestinhalte der Beschwerde nachzureichen.

6. Mit Anbringen vom 21.07.2021 (Einlangensdatum) legte der Beschwerdeführer Unterlagen vor und erstattete ein weiteres Vorbringen.

7. Mit verfahrensleitendem Beschluss zog das Bundesverwaltungsgericht den amtlichen Sachverständigen Dr XXXX dem Verfahren bei und beauftragte ihn folgende Fragen zu klären: 1. Leidet der Beschwerdeführer an einer geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkung, die voraussichtlich 6 Monate andauern wird? Hierbei wird der Amtssachverständige gebeten, auf die in der Beschwerde vorgebrachten gesundheitlichen Probleme einzugehen und ein allfälliges Leiden nach der EVO einzuschätzen. 2. Mit welchem Gesamtgrad der Behinderung sind die festgestellten Funktionseinschränkungen und Leiden des Beschwerdeführers einzuschätzen?

8. Am 05.08.2021 (eingelangt am 06.08.2021) erstattete der Amtssachverständige sein Gutachten mit folgendem „Ergebnis der durchgeführten Begutachtung

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos. Nr.

Gdb%

1

Persönlichkeits- und Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen: kombinierte Persönlichkeitsstörung, dissoziative Störung und Somatisierungsstörung

03.04.02

50

2

Asthma bronchiale ab dem 18. Lebensjahr: zeitweilig leichtes Asthma bronchiale

06.05.01

10

3

Endokrine Störung leichten Grades: Hypthyroese, unter Hormonsubstitution stabil

09.01.01

10

4

Gastroösophagealer Reflux Stadium I

07.03.05

10

5

Chronische Gastritis

07.04.01

10

Die Leiden mit den Lfd. Nr. 2, 3, 4 und 5 erhöhen den Gesamt-GdB aufgrund ihrer geringgradigen funktionellen Relevanz nicht. Es ergibt sich somit ein Gesamt-GdB von 50 v.H.

Die aus den vorliegenden Befundberichten und Arztbriefen ersichtlichen Schilderungen der Symptomatik des Herrn XXXX sowie die die von Herrn XXXX selbst aufgelisteten Beschwerden im Schreiben an Dr. Martin ATTLMAYR passen eindeutig zu den von fachärztlicher Seite gestellten Diagnosen einer dissoziativen bzw. Somatisierungsstörung. Die ebenfalls fachärztlich diagnostizierte kombinierte Persönlichkeitsstörung lässt sich hinsichtlich ihrer Symptomatik von den sog. „Achse-1-Diagnosen" (dissoziativen Störung, Somatisierungsstörung) nicht scharf abtrennen. Aus diesem Grund wird im vorliegenden Gutachten das psychiatrische Leiden unter einer Positionsnummer als „Persönlichkeits- und Verhaltensstörung" subsumiert und aufgrund der maßgeblichen sozialen Beeinträchtigung mit einem GdB von 50 v. H. bemessen. 
Im Vorgutachten von Dr. XXXX vom 20. 4. 2021 wurde die in den vorliegenden Befunden angeführte gastroösophageale Refluxkrankheit und die chronische Gastritis noch nicht berücksichtigt. Der Gesamt GdB von 50. v. H. wurde in diesem Gutachten jedoch korrekt eingeschätzt.         
Es ist davon auszugeben, dass alle Funktionseinschränkungen länger als sechs Monate andauern werden.“

9. Mit Schreiben vom 06.08.2021 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien das Gutachten und ermöglichte diesen, eine Stellungnahme hierzu binnen einer Frist von drei Wochen zu erstatten. Es langten keine Stellungnahmen ein.

10. Am 06.10.2021 fand in Beisein eines Dolmetschers für die türkische Sprache die mündliche Verhandlung statt, in der das aufgenommene Gutachten erörtert und der Beschwerdeführer als Beteiligter befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch einen gemäß § 45 Abs 3 und 4 BBG iVm § 7 BVwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger der Türkei und in Lustenau wohnhaft.

Der Beschwerdeführer weist folgende Leiden und Funktionseinschränkungen auf, die voraussichtlich länger als sechs Monate dauern werden: (1) Kombinierte Persönlichkeitsstörung, dissoziativer Störung und Somatisierungsstörung, Pos. Nr. 03.04.02, mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 v.H., (2) zeitweilig leichtes Asthma bronchiale, Pos.Nr. 06.05.01, mit einem GdB von 10 v.H., (3) Hypthyroese, unter Hormonsubstitution stabil, Pos.Nr. 09.01.01., mit einem GdB von 10 v.H., (4) Gasthroösophagealer Reflux, Stadium I, Pos.Nr. 07.03.05, mit einem GdB von 10 v.H. und (5) chronische Gastritis, Pos.Nr. 07.04.01., mit einem GdB von 10 v.H.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 50 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person und zum Wohnort des Beschwerdeführers basieren auf seinen Angaben im verfahrenseinleitenden Antrag und seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen betreffend die körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen basieren auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten des Amtssachverständigen vom 05.08.2021, welches gestützt auf die vorliegenden Befundberichte und Arztbriefe sowie die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde geschilderten Symptome zum Ergebnis gekommen ist, dass er vorrangig an einer dissoziativen Störung und Somatisierungsstörung leidet, welcher der Sachverständige im Einklang mit der EVO unter Pos.Nr. 03.04.02. eingeordnet und mit 50 vH bewertet hat. In der mündlichen Verhandlung konnte sich das Bundesverwaltungsgericht ein persönliches Bild vom Beschwerdeführer machen, welches überzeugend mit den Schlussfolgerungen des Gutachtens korreliert. In der mündlichen Verhandlung machte der Beschwerdeführer verschiedene Leiden geltend, die seines Erachtens der Sachverständige nicht berücksichtigt hätte. Dem ist allerdings nicht so, da der Sachverständige alle – nochmals und zum Teil redundant geschilderten – Leiden in seinem Gutachten berücksichtigte. Damit erweist sich das Gutachten als vollständig. Betreffend die Einschätzung der dissoziativen Störung und Somatisierungsstörung mit 50 vH durch den Sachverständigen ist darauf hinzuweisen, dass die EVO unter Pos.Nr 03.04.02 eine Persönlichkeits- Verhaltensstörung mitmaßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen mit einem Rahmensatz von 50-70 vH zusammenfasst. Beim Beschwerdeführer ist gemäß seinen Schilderungen, die als glaubhaft erachtet werden, eine deutliche Symptomausprägung der Störung mit ernsthafter und durchgängiger Beeinträchtigung der meisten sozialen Bereiche offensichtlich. Ein wesentliches Beurteilungsmerkmal in diesem Zusammenhang ist das Zurechtkommen im Alltag, etwa, ob der Beschwerdeführer alleine sein Heim verlassen kann. Da der Beschwerdeführer ohne Begleitung von Lustenau nach Innsbruck gereist ist, erscheint das Gutachten, das von einem GdB von 50 vH ausgeht, im Lichte der Pos.Nr. 03.05.02 der EVO als schlüssig. Die übrigen Leiden und Funktionseinschränkungen haben nachvollziehbar nur geringgradige Relevanz, sodass keine Erhöhung des GdB gegeben ist. Aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und dem hieraus gewonnenen persönlichen Eindruck ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass der Sachverständige die entsprechende Einschätzung zu gering getroffen hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn (1) ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder (2) sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder (3) sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder (4) für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder (5) sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes angehören.

Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn (1) nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder (2) zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder (3) ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. Gemäß Abs 2 leg.cit ist der Behindertenpaß unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Ein Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ist dann vom Sozialministeriumservice auszustellen, wenn ein Grad der Behinderung von mindestens 50 % erreicht wird (§ 40 Abs 1 BBG). Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und in wieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl § 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr 261/210, sowie die auf dieser Rechtslage übertragene Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088, 22.01.2013, 2011/11/0209 mit weiteren Nachweisen).

Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr 261/2010 idF BGBl II Nr 251/2012 (EVO), ist unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs 1 EVO sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung. Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen (§ 2 Abs 2 EVO). Gemäß § 2 Abs 3 EVO ist der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gemäß § 3 Abs 1 EVO ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Gemäß § 3 Abs 2 EVO ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs 3 EVO liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn --sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt, --zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs 4 EVO ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Gemäß § 4 Abs 1 EVO bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

Gemäß § 4 Abs 2 EVO hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

3.2. Durch das eingeholte Gutachten vom 05.08.2021 wurde beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. objektiviert. Diesem durch die Aufnahme eines Sachverständigenbeweises ermittelten Ergebnis entspricht auch der in der mündlichen Verhandlung am 06.10.2021 vom Beschwerdeführer gewonnene persönliche Eindruck, sodass keine Zweifel am Zustandekommen des Gesamtgrades der Behinderung bestehen. Der Einwand des Beschwerdeführers, ihm würde ein Gesamtgrad der Behinderung von 100 v.H. zukommen, erweist sich als Irrtum, da der Beschwerdeführer sämtliche Grade der Behinderung seiner Leiden und Funktionseinschränkungen addierte. Nach § 3 Abs 3 EVO kommt es aber auf eine wechselseitige negative Funktionsbeeinträchtigung, die geeignet is, den Grad der Behinderung zu erhöhen, an, was im konkreten Fall nicht gegeben ist.

Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es liegen sohin keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgeblich sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Hierbei handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorzunehmen war.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I413.2244265.1.00

Im RIS seit

20.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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