Index
VwGGNorm
BDG 1977 §78Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Kirscher, Dr. Liska, Dr. Griesmacher und Mag. Meinl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Novak, in der Beschwerdesache des JK, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit der Verhängung einer Disziplinarstrafe, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bringt vor, er stehe als Gendarmeriebeamter (Gruppeninspektor) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle sei der Gendarmerieposten M. Mit Erkenntnis vom 25. Jänner 1980 habe die Disziplinaroberkommission über ihn wegen Verletzung der Bestimmungen des § 21 letzter Absatz und des § 24 Abs. 1 der Dienstpragmatik (DP) gemäß § 92 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (BDG) 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage verhängt und ihm ferner gemäß § 117 BDG 1979 die Kosten des Verfahrens in der Höhe von S 2.918,-- auferlegt. Mit Erkenntnis vom 4. März 1981, Zl. 09/0943/80, habe der Verwaltungsgerichtshof das Disziplinarerkenntnis in diesem Umfang - ein im Disziplinarerkenntnis enthaltener Freispruch sei unangefochten geblieben - wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Dieses Erkenntnis sei seinem Vertreter am 27. Mai 1981 zugestellt worden. Eine neuerliche Entscheidung der - der zufolge seines seinerzeitigen Antrages gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 zur Entscheidung in der vorliegenden Disziplinarsache zuständig gewordenen - belangten Behörde sei jedoch bisher nicht ergangen.
Gestützt auf diesen Sachverhalt, macht der Beschwerdeführer nunmehr mit seiner Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG unter Berufung auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 27 VwGG 1965 die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde „wegen Nichterledigung seines als ‚Säumnisbeschwerde' bezeichneten Antrages vom 16. 8. 1979 auf Übergang der Zuständigkeit und Entscheidung der belangten Behörde über die gegen ihn erstattete Disziplinaranzeige vom 2. 9. 1978“ geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem vom Beschwerdeführer bezogenen Erkenntnis vom 4. März 1981, Zl. 09/0943/80, zur Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde ausgeführt, die Bestimmung des § 73 Abs. 2 AVG 1950 - anwendbar im Disziplinarverfahren im Hinblick auf § 65 BDG (1977), bis zum Inkrafttreten des BDG 1979 mit 1. Jänner 1980, seit diesem Zeitpunkt gemäß § 105 BDG 1979 - sehe vor, daß auf schriftliches Verlangen der Partei, der innerhalb der sechsmonatigen Frist des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle ein deren Antrag erledigender Bescheid nicht zugestellt wurde, die Zuständigkeit auf die zur Entscheidung sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergehe. Abgesehen von der Rechtswirksamkeit des dem angefochtenen Disziplinarerkenntnis zugrundeliegenden Verhandlungsbeschlusses vom 15. November 1979 seien daher zufolge des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers vom 16. August 1979 mangels einer sachlichen Trennbarkeit sämtliche der Disziplinarkommission nach den Bestimmungen des BDG (1977) zustehenden Befugnisse auf die belangte Behörde übergegangen, die somit im Sinne ihrer zutreffenden Annahme ihren Abspruch auch nicht auf die Erledigung des Einstellungsantrages als solchen zu beschränken gehabt habe. Hiebei war sachverhaltsmäßig davon ausgegangen worden, daß der Beschwerdeführer mit Eingabe an die Disziplinarkommission die Einstellung des Disziplinarverfahrens beantragt habe (Disziplinaranzeige des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich aufgrund des Erhebungsberichtes des Bezirksgendarmeriekommandos P vom 2. September 1978 - zufolge der mit Beschluß der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 14. Dezember 1978 in Ansehung der den Gegenstand dieser Anzeige bildenden
Tatbestände gegen den Beschwerdeführer gemäß § 83 Abs. 1 BDG (1977) das Disziplinarverfahren eingeleitet worden war und Disziplinaranzeige des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich vom 22. Dezember 1978 - (Erhebungsbericht des Bezirksgendarmeriekommandos P vom 5. Dezember 1978, eingelangt bei der Disziplinarkommission am 27. Dezember 1978. Weiters wurde davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer mit „Säumnisbeschwerde“ vom 16. August 1979 an die belangte Behörde unter Bezugnahme auf diesen Antrag den Übergang der Entscheidungspflicht geltend gemacht und daß die belangte Behörde mit Bescheid vom 15. November 1979 über diesen Devolutionsantrag wie folgt abgesprochen habe:
„Der Säumnisbeschwerde vom 16. 8. 1979 wird Folge gegeben.
Dem Antrag vom 23. 1. 1979, das Disziplinarverfahren gemäß § 78 Abs. 1 lit. a und b BDG bescheidmäßig einzustellen, wird teilweise Folge gegeben, und zwar das Disziplinarverfahren, soweit es die Fakten der zweiten Disziplinaranzeige vom 27. 12. 1978 zum Gegenstand hat, gemäß § 78 Abs. 1 lit. a BDG eingestellt.
Hingegen wird dem Antrag auf Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Fakten der ersten Disziplinaranzeige vom 2. September 1978 keine Folge gegeben.
Ein Verhandlungsbeschluß wird gesondert ergehen.“
Gemäß § 27 VwGG 1965 kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.
Nach § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Nach Abs. 2 1. Satz dieser Gesetzesstelle geht, wenn der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt wird, auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über.
Nach § 119 BDG 1979 - inhaltlich gleichlautend mit § 79 BDG (1977) - ist der § 73 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 mit der Maßgabe anzuwenden, daß bei der Entscheidung über die Berufung gegen eine Suspendierung diese Frist einen Monat beträgt.
Säumnisbeschwerde kann somit auch in dem hier in Rede stehenden Verfahren erheben, wer als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Die verfahrensrechtliche Stellung als Partei reicht noch nicht aus, die Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu ermöglichen, sondern es muß die Berechtigung zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht hinzutreten (vgl. hiezu sinngemäß den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1974, Zl. 1045/74, Slg. N.F. Nr. 8649/A). Das Wesen einer Säumnisbeschwerde liegt demnach darin, daß sie die Partei vor der Rechtsverweigerung durch die Verwaltungsbehörde schützt, nicht aber vor der behördlichen Untätigkeit schlechthin. Nicht der Umstand, daß eine Verwaltungsbehörde sich gegenüber einer gesetzlichen Anordnung passiv verhält, daß sie also ein Gesetz nicht vollzieht, gibt die Berechtigung zur Erhebung der Säumnisbeschwerde, sondern der Umstand, daß die Verwaltungsbehörde über ein Parteibegehren nicht bescheidmäßig abgesprochen, also die ihr obliegende Entscheidungspflicht verletzt hat (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1947, Zl. 659/47, Slg. N.F. Nr. 161/A). Die Voraussetzung eines der Entscheidungspflicht der belangten Behörde unterliegenden und noch nicht erledigten Antrages des Beschwerdeführers ist aber im vorliegenden - amtswegig eingeleiteten - Disziplinarverfahren nicht erfüllt, da über den Einstellungsantrag des Beschwerdeführers mit dem auch in der Beschwerde bezogenen Beschluß der belangten Behörde vom 15. November 1979 zur Gänze erledigend abgesprochen wurde.
Die vorliegende Säumnisbeschwerde war daher, ausgehend von dem vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringen, schon im Hinblick auf diese Erwägungen mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 16. Februar 1982
Schlagworte
Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1982:1982090020.X00Im RIS seit
19.10.2021Zuletzt aktualisiert am
19.10.2021