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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art139 Abs6Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A GmbH in B, vertreten durch Dr. Andreas Köb, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 2/5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. August 2020, LVwG-750893/2/BP/NF, betreffend Abweisung eines Antrags auf Vergütung des Verdienstentgangs nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem am 3. Juni 2020 bei der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde eingelangten Schriftsatz beantragte die Revisionswerberin als Betreiberin eines in einem Einkaufszentrum gelegenen Sport- und Modehandelsfachgeschäfts mit einem Kundenbereich von mehr als 400 m² gestützt auf § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) Vergütung für den ihr dadurch eingetretenen Verdienstentgang, dass mit den auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Verordnungen des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz von 16. März 2020 bis 30. April 2020 Betriebsbeschränkungen angeordnet gewesen seien, sowie für die von ihr als Dienstgeberin in diesem Zeitraum geleisteten Entgeltzahlungen.
2 Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich diesen Antrag ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
3 Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis zusammengefasst dahingehend, dass von der belangten Behörde gegen die Revisionswerberin keine Maßnahme nach § 20 EpiG gesetzt worden sei. Die sogenannte „Betriebsschließung“ sei auf Basis der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 erfolgt, deren § 1 ab 16. März 2020 (unter anderem) das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels zum Zweck des Erwerbs von Waren untersagt habe. Diese Bestimmung sei am 30. April 2020 außer Kraft getreten und von der mit 1. Mai 2020 in Kraft getretenen COVID-19-Lockerungsverordnung, BGBl. II Nr. 197/2020, abgelöst worden, die das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten unter gewissen Voraussetzungen für zulässig erklärt habe.
4 Die Revisionswerberin habe ihren Antrag auf Vergütung von Verdienstentgang ab 16. März 2020 bis 30. April 2020 auf § 32 EpiG gestützt. Es seien jedoch sowohl die §§ 1 und 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 als auch die COVID-19-Lockerungsverordnung aufgrund von § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) erlassen worden. Zwar blieben nach § 4 Abs. 3 COVID-19-MG die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 unberührt, jedoch schränke § 4 Abs. 2 COVID-19-MG dies insofern ein, als die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs einer aufgrund von § 1 COVID-19-MG erlassenen Verordnung nicht zur Anwendung gelangten. Die mangelnde Differenzierung zwischen einer Beschränkung und einer Schließung sei dabei nicht von Relevanz. Insofern sei nämlich ausdrücklich intendiert und normativ festgehalten, dass in einem derartigen Fall keine Betriebsschließung nach § 20 EpiG angeordnet habe werden sollen, weshalb Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG per se schon ausgeschlossen seien (Hinweis auf VfGH 14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., Rn 94). Der Verfassungsgerichtshof habe ferner (unter Hinweis auf andere näher dargestellte finanzielle Ausgleichsmaßnahmen) ausgesprochen, dass eine durch §§ 1 und 4 Abs. 2 COVID-19-MG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 bewirkte Entschädigungslosigkeit nicht verfassungswidrig sei. Es bestehe daher kein Anspruch der Revisionswerberin auf Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 EpiG.
5 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der nach den in Betracht kommenden Normen klaren und eindeutigen Rechtslage, die auch im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., klargestellt sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof der deren Behandlung mit Beschluss vom 26. November 2020, E 3412/2020-10, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision zum einen etwa dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (siehe etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124).
10 Zum anderen ist die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG - also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - vorliegt, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt daher keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. z.B. VwGH 25.2.2020, Ra 2019/09/0108).
11 Soweit die Revisionswerberin zur Zulässigkeit ihrer - in der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist erhobenen - außerordentlichen Revision auf § 20 EpiG und damit auf § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG zur Begründung ihres Anspruchs rekurriert, stellt diese Bestimmung schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auf einen nach § 20 EpiG eingeschränkten oder gesperrten Betrieb ab. Eine solche Betriebsbeschränkung liegt im hier zu beurteilenden Fall nicht vor. Insoweit wurde die Rechtslage zudem bereits durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2021, Ra 2021/03/0018, klargestellt.
12 Wenn die Revisionswerberin ferner damit argumentiert, dass beim Ausschluss der Ersatzansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 zwischen Betriebsschließungen und bloßen -beschränkungen zu unterscheiden wäre, kann auf den in ihrer Sache ergangen Beschluss des Verfassungsgerichtshofes verwiesen werden. Danach knüpft § 4 Abs. 2 COVID-19-MG idF BGBl. I Nr. 23/2020 keineswegs nur an Betriebsschließungen an, sondern vielmehr an (alle) mit Verordnungen nach § 1 leg. cit. verfügten Maßnahmen, und für diese die Anwendung der Bestimmungen über Betriebsschließungen, sohin auch das diesbezügliche Entschädigungsrecht des Epidemiegesetzes 1950 (§ 32 Abs. 1 Z 4 und Z 5 leg. cit.) aus. Dies gilt auch, wenn auf Grundlage von § 1 COVID-19-MG keine Betretungsverbote, sondern bloß (minder eingreifende) Maßnahmen verfügt werden (VfGH 26.11.2020, E 3412/2020; siehe dazu etwa auch VwGH 11.3.2021, Ra 2020/09/0078).
13 Mit dem eine Gleichheitswidrigkeit im Bestehen eines Vergütungsanspruchs bei Betriebsbeschränkungen und -schließungen nach § 20 EpiG und dem Fehlen eines solchen Anspruchs bei Betretungsverboten nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz argumentierenden Zulässigkeitsvorbringen werden ausschließlich Normbedenken geltend gemacht, die keine grundsätzliche, vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG darstellen (VwGH 6.3.2018, Ra 2018/11/0022, mwN). Überdies wurden solche Bedenken vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., nicht geteilt (siehe dazu abermals etwa VfGH 26.11.2020, E 3412/2020, und den darin enthaltenen Verweis auf ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket in das die verfügten Maßnahmen eingebettet waren).
14 Zum weiteren Argument, dass der Ausschluss der Anwendung des Epidemiegesetzes 1950 nur für Schließungen durch auf Basis von § 1 COVID-19-MG erlassenen Verordnungen geregelten Fällen gelte, nicht jedoch für das mit der gemäß § 2 (nunmehr § 4) COVID-19-MG erlassenen Verordnung BGBl. II Nr. 98/2020 verhängte Verbot des Betretens öffentlicher Orte, das auch eine Betriebsbeschränkung gemäß § 20 EpiG darstelle, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass durch § 4 Abs. 3 COVID-19-MG, wonach die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 „unberührt“ bleiben, weder die Voraussetzungen für die Erlassung von Verfügungen nach dem Epidemiegesetz 1950 noch jene für den Ersatz von Verdienstentgang nach § 32 Abs. 1 EpiG geändert wurden (VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018, Rn 32).
15 Nur der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang daher anzumerken, dass der Verfassungsgerichtshof mit weiterem Erkenntnis vom 14. Juli 2020, V 363/2020, kundgemacht vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz am 31. Juli 2020, BGBl. II Nr. 351/2020, feststellte, dass die §§ 1, 2, 4 und 6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020, § 2 in der Fassung BGBl. II Nr. 108/2020, §§ 4 und 6 in der Fassung BGBl. II Nr. 107/2020, gesetzwidrig waren und aussprach, dass die als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Auf diese Bestimmungen lässt sich auch schon deshalb ein Ersatzanspruch im Verwaltungsweg nicht mehr stützen.
16 Aus dem mit der Novelle BGBl. I Nr. 62/2020 mit 7. Juli 2020 in das Epidemiegesetz 1950 eingefügten § 49, wonach der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme besteht, abweichend von § 33 EpiG binnen drei Monaten geltend zu machen ist, lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass damit die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 EpiG geändert oder ein eigener Anspruchstatbestand geschaffen worden wäre.
17 Ebenso wenig lässt sich entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht und dem insoweit klaren Wortlaut aus dem Umstand, dass mit der Verordnung BGBl. II Nr. 74/2020 die Möglichkeit geschaffen wurde, auch bei Auftreten einer Infektion mit SARS-CoV-2 Maßnahmen nach § 20 EpiG setzen zu können, ableiten, dass damit auch die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 EpiG auf Auswirkungen von Maßnahmen ausgeweitet worden wäre, die nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz getroffen wurden. Eine von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Bescheid zu verhängende Maßnahme nach § 20 EpiG lag hier jedoch nicht vor.
18 Schließlich stellen die mit den Verordnungen BGBl. II Nr. 96/2020 und BGBl. II Nr. 98/2020 angeordneten Maßnahmen auch keine Absonderung im Sinn des § 7 EpiG dar, die mit Bescheid zu verfügen wären (§ 46 EpiG). Dazu fehlte es - neben den anderen Voraussetzungen - jedenfalls für den hier gegenständlichen Zeitraum zudem an einer Kompetenz des die Verordnungen erlassenden Gesundheitsministers für die Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz 1950 (siehe VfGH 10.12.2020, V 535/2020, zum Ausschluss der Umdeutung einer auf § 2 COVID-19-MG gestützten Verordnung in eine solche nach dem Epidemiegesetz 1950 bei Fehlen einer Verordnungsermächtigung in § 43 Abs. 4a EpiG).
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
Wien, am 7. April 2021
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090051.L00Im RIS seit
19.10.2021Zuletzt aktualisiert am
17.12.2021