TE Lvwg Erkenntnis 2021/9/27 LVwG-2021/43/0841-8

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Veröffentlicht am 27.09.2021
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Entscheidungsdatum

27.09.2021

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §66
FahrradV 2001 §1 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Schmalzl über die Beschwerde des AA, vertreten durch die RAe AA und BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 18.02.2021, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach der StVO, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Das Beschwerdeverfahren wird betreffend die Punkte 2., 3. und 5. des angefochtenen Straferkenntnisses eingestellt.

2.       Der Beschwerde gegen Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verwaltungsstrafverfahren in diesem Punkt eingestellt.

3.       Die Beschwerde gegen Punkt 4. des angefochtenen Straferkenntnisses wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses folgendermaßen zu zitieren ist:

4.       Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 10,00 zu leisten.

5.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 18.02.2021, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer Folgendes vorgeworfen:

„1. Datum/Zeit:  11.06.2020, 10:12 Uhr

Ort:                      **** Y, Adresse 2

Betroffenes Fahrzeug: Fahrrad

Sie haben ein Fahrrad CC, Mountainbike gelenkt, welches nicht vorschriftsmäßig ausgerüstet war, da das Fahrrad nicht mit einer Vorrichtung zur Abgabe von akustischen Warnzeichen ausgerüstet war.

2. Datum/Zeit:  11.06.2020, 10:12 Uhr

Ort:                      **** Y, Adresse 2

Betroffenes Fahrzeug: Fahrrad

Sie haben ein Fahrrad CC, Mountainbike gelenkt, welches nicht mit weißen, nach vorne wirkenden Rückstrahlern oder Rückstrahlmaterialien, die den Bestimmungen der ECE-Regelung Nr. R 104 entsprechen, mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2 ausgerüstet war.

3. Datum/Zeit:  11.06.2020, 10:12 Uhr

Ort:                      **** Y, Adresse 2

Betroffenes Fahrzeug: Fahrrad

Sie haben ein Fahrrad CC, Mountainbike gelenkt, welches nicht mit roten, nach hinten wirkenden Rückstrahlern oder Rückstrahlmaterialien, die den Bestimmungen der ECE-Regelung Nr. R 104 entsprechen, mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2 ausgerüstet war.

4. Datum/Zeit:  11.06.2020, 10:12 Uhr

Ort:                      **** Y, Adresse 2

Betroffenes Fahrzeug: Fahrrad

Sie haben ein Fahrrad CC, Mountainbike gelenkt, welches nicht mit gelben Rückstrahlern an den Pedalen ausgerüstet war und auch keine gleichwertigen Einrichtungen vorhanden waren.

5. Datum/Zeit:  11.06.2020, 10:12 Uhr

Ort:                      **** Y, Adresse 2

Betroffenes Fahrzeug: Fahrrad

Sie haben ein Fahrrad CC, Mountainbike gelenkt, welches nicht mit Reifen, deren Seitenwände ringförmig zusammenhängend weiß oder gelb rückstrahlend waren, oder an jedem Rad mit nach beiden Seiten wirkenden Rückstrahlern oder Rückstrahlmaterialien, die den Bestimmungen der ECE-Regelung Nr. R 104 entsprechen, mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2 ausgerüstet war.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 66 Abs 1 StVO i.V.m. § 1 Abs 1 Ziffer 2 Fahrradverordnung, BGBl. II Nr. 146/2001 i.d.g.F.

2. § 66 Abs 1 StVO i.V.m. § 1 Abs 1 Ziffer 3 Fahrradverordnung, BGBl. II Nr. 146/2001 i.d.g.F.

3. §66 Abs 1 StVO i.V.m. § 1 Abs 1 Ziffer 4 Fahrradverordnung, BGBl. II Nr. 146/2001 i.d.g.F,

4. § 66 Abs 1 StVO i.V.m. § 1 Abs 1 Ziffer 5 Fahrradverordnung, BGBl. Nr. I1146/2001 i.d.g.F.

5. § 66 Abs 1 StVO i.V.m. § 1 Abs 1 Ziffer 6 Fahrradverordnung, BGBl. II Nr. 146/2001 i.d.g.F.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1. €20,00

0 Tage(n) 0 Minute(n) 9 Stunde(n)

 

§ 99 Abs 3 lit a StVO

2. €20,00

0 Tage(n) 0 Minute(n) 9 Stunde(n)

 

§ 99 Abs 3 lit a StVO

3. €20,00

0 Tage(n) 0 Minute(n) 9 Stunde(n)

 

§ 99 Abs 3 lit a StVO

4. €20,00

0 Tage(n) 0 Minute(n) 9 Stunde(n)

 

§ 99 Abs 3 lit a StVO

5. €20,00

0 Tage(n) 0 Minute(n) 9 Stunde(n)

 

§ 99 Abs 3 lit a StVO

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 50,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€150,00“

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde.

Am 20.09.2021 fand vor dem Landesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt.

II.      Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer lenkte am 11.06.2002 um 10:12 Uhr sein Fahrrad CC, Mountainbike, auf der Adresse 3 im Bereich der Hausnummer ***, **** Y. Auf der Lenkstange des Fahrrads war ein DD Navigationsgerät in einer Halterung montiert. Ob es sich bei dieser Halterung um ein Modell handelte, welches eine Vorrichtung zur Abgabe akustischer Warnzeichen aufweist, wurde im Zuge der Erstattung der Anzeige nicht festgestellt; der Beschwerdeführer wurde bei der Amtshandlung auch nicht befragt, ob sein Fahrrad über eine Vorrichtung zur Abgabe akustischer Warnzeichen verfüge. Das Fahrrad war nicht mit gelben Rückstrahlern an den Pedalen ausgerüstet; es konnte nicht festgestellt werden, dass gleichwertige Einrichtungen auf den Schuhen und der Hose des Beschwerdeführers vorhanden waren.

III.     Beweiswürdigung:

Beweis wurde zunächst aufgenommen durch Einsichtnahme in den Behördenakt.

Des Weiteren wurde vom Landesverwaltungsgericht am 20.09.2021 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer gezeigten Beispielbilder sowie der Internetrecherche des Amtssachverständigen geht das Landesverwaltungsgericht davon aus, dass auf dem Lenker des Fahrrads ein DD-Gerät montiert war. Die Internetrecherche des Amtssachverständigen hat weiters ergeben, dass bestimmte Modelle der Halterungen für solche Geräte Vorrichtungen zur Abgabe von akustischen Warnzeichen aufweisen. Obwohl es der Beschwerdeführer trotz Aufforderung unterließ, sein Fahrrad in der mündlichen Verhandlung vorzuführen, erachtete das Gericht dessen Ausführungen betreffend die Halterung als glaubwürdig. Dies insbesondere in Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer im Zuge der seinerzeitigen Amtshandlung nicht einmal nach einer Vorrichtung zur Abgabe akustischer Warnzeichen gefragt wurde.

Was die gleichwertigen Einrichtungen zu den Rückstrahlern an den Pedalen angeht, sei dem Beschwerdevorbringen zufolge anstatt der gelben Rückstrahler an den Pedalen eine gleichwertige Einrichtung iSd § 1 Abs 1 Z 5 Fahrradverordnung vorhanden gewesen. Es habe nämlich der Beschwerdeführer Radschuhe und eine Radhose mit entsprechenden Rückstrahleinrichtungen getragen. Da der Beschwerdeführer der entsprechenden Aufforderung nicht nachgekommen war, konnten die betreffenden Kleidungsstücke (Schuhe und Hose) nicht besichtigt werden. Jedenfalls ist auf dem bei der Amtshandlung angefertigten Foto Nr 5 der rechte Fahrradschuh des Beschwerdeführers in der Seitenansicht abgebildet. Auf diesem Bild ist ersichtlich, dass auf dessen Rückseite keine reflektierenden Materialien vorhanden sind. Das erkennende Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass es sich bei der Behauptung, dass gleichwertige Einrichtungen vorhanden gewesen seien, um eine Schutzbehauptung des Beschwerdeführers handelt.

IV.      Rechtslage:

Die hier relevante Bestimmung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl Nr 156/1960, idF BGBl I Nr 52/2005, lautet wie folgt:

Beschaffenheit von Fahrrädern, Fahrradanhängern und Kindersitzen

§ 66

(1) Fahrräder müssen der Größe des Benützers entsprechen. Fahrräder, Fahrradanhänger und Kindersitze müssen in einem Zustand erhalten werden, der den Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Fahrräder (§ 104 Abs 8) entspricht.

(2) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit und den Stand der Technik durch Verordnung festzulegen:

1.   unter welchen Voraussetzungen bestimmte Teile der Ausrüstung von Fahrrädern oder Fahrradanhängern entfallen können;

2.   unter welchen Voraussetzungen die Beförderung von Kindern in Kindersitzen oder Personen mit Fahrradanhängern und mehrspurigen Fahrrädern zulässig ist;

3.   das Ladegewicht, das bei der Beförderung von Lasten oder Personen mit Fahrrädern oder mit Fahrradanhängern nicht überschritten werden darf.“

Die hier relevante Bestimmung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl Nr 156/1960, idF BGBl I Nr 39/2013, lautet wie folgt:

„§ 99

Strafbestimmungen.

[…]

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a)   wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,

[…]“

Die hier relevante Bestimmung der Fahrradverordnung, BGBl II Nr 146/2001, idF BGBl II Nr 297/2013, lautet wie folgt:

„Allgemeines

§ 1

(1) Jedes Fahrrad, das in Verkehr gebracht wird, muss – sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt – ausgerüstet sein:

1.   mit zwei voneinander unabhängig wirkenden Bremsvorrichtungen, mit denen auf trockener Fahrbahn eine mittlere Bremsverzögerung von 4 m/s2 bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 20 km/h erreicht wird,

2.   mit einer Vorrichtung zur Abgabe von akustischen Warnzeichen,

3.   mit weißen, nach vorne wirkenden Rückstrahlern oder Rückstrahlmaterialien, die den Bestimmungen der ECE-Regelung Nr. R 104 entsprechen, mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2; die Rückstrahler dürfen mit dem Scheinwerfer verbunden sein,

4.   mit roten, nach hinten wirkenden Rückstrahlern oder Rückstrahlmaterialien, die den Bestimmungen der ECE-Regelung Nr. R 104 entsprechen, mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2; die Rückstrahler dürfen mit dem Scheinwerfer verbunden sein,

5.   mit gelben Rückstrahlern an den Pedalen; diese können durch gleichwertige Einrichtungen ersetzt werden,

6.   mit Reifen, deren Seitenwände ringförmig zusammenhängend weiß oder gelb rückstrahlend sind, oder an jedem Rad mit nach beiden Seiten wirkenden Rückstrahlern oder Rückstrahlmaterialien, die den Bestimmungen der ECE-Regelung Nr. R 104 entsprechen, mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2,

7.   wenn das Fahrrad für den Transport mehrerer Personen bestimmt ist, für jede weitere Person mit einem eigenen Sitz, mit einer eigenen Haltevorrichtung und eigenen Pedalen oder Abstützvorrichtungen.“

V.       Erwägungen:

a.   Zu Spruchpunkt 1. dieses Erkenntnisses

Der Beschwerdeführer zog er seine Beschwerde gegen die Spruchpunkte 2., 3. und 5. des angefochtenen Straferkenntnisses in der mündlichen Verhandlung am 20.09.2021 zurück. Das Beschwerdeverfahren war sohin in diesem Umfang einzustellen.

b.   Zu Spruchpunkt 2. dieses Erkenntnisses

Der obigen Sachverhaltsfeststellung (Punkt II.) ist zu entnehmen, dass das in Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte Delikt nicht verwirklicht wurde. Eine Vorrichtung zur Abgabe akustischer Warnzeichen war auf dem Fahrrad des Beschwerdeführers vorhanden. Demnach war der Beschwerde in diesem Punkt stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren im entsprechenden Umfang einzustellen.

c.   Zu Spruchpunkt 3. dieses Erkenntnisses

i)   Objektive Tatseite

Dem oben zitierten § 1 Abs 2 Z 4 Fahrradverordnung zur Folge muss ein Fahrrad mit gelben Rückstrahlern an den Pedalen ausgestattet sein, welche jedoch durch „gleichwertige Einrichtungen“ ersetzt werden können. Der obigen Sachverhaltsfeststellung (Punkt II.) ist zu entnehmen, dass die objektive Tatseite in Hinblick auf Spruchpunkt 4. des angefochtenen Straferkenntnisses verwirklicht wurde. So war eine gleichwertige Einrichtung, welche die Ausrüstung der Pedale mit gelben Rückstrahlern ersetzen hätte können, nicht vorhanden.

ii)  Subjektive Tatseite

Grundsätzlich genügt gemäß § 5 Abs 1 Satz 1 VStG im Verwaltungsstrafrecht zur Strafbarkeit (bereits leichte) Fahrlässigkeit, außer die jeweilige Verwaltungsnorm trifft hinsichtlich des Verschuldens eigene Anordnungen. Es gilt die Verschuldensvermutung des § 5 Abs 1 Satz 2 VStG, wonach Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört (sog „Ungehorsamsdelikt“ – als solches stellt sich die gegenständliche Verwaltungsübertretung dar) und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Es tritt daher insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 408 ff). Der Fahrlässigkeitsbegriff des § 5 VStG umfasst neben der bewussten Fahrlässigkeit auch die unbewusste Fahrlässigkeit, dh die sorgfaltswidrige Verkennung der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung.

Weder wurde ein diesbezügliches Vorbringen durch den Beschwerdeführer erstattet, noch ergeben sich aus dem Akt Hinweise, dass es am Verschulden mangeln könnte. Somit wurde im vorliegenden Fall das vorgeworfene Delikt auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht.

iii) Strafbemessung

Nach § 19 Abs 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität ihrer Beeinträchtigung durch die Tat. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Beschuldigte hat, wie oben gezeigt, eine Verwaltungsübertretung nach § 66 Abs 1 iVm § 1 Abs 1 Z 5 Fahrradverordnung verwirklicht. Der Strafrahmen nach dieser Vorschrift beträgt bis zu € 746,00. Im vorliegenden Fall wurde durch die belangte Behörde eine Strafe von € 20,00 verhängt Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist nicht unerheblich. Zweck der Bestimmung ist es zu gewährleisten, dass sich Fahrradfahrer im Notfall akustisch bemerkbar machen können, was zu ihrer eigenen Sicherheit, sondern auch für die der anderen Verkehrsteilnehmer unerlässlich ist. Die von der belangten Behörde verhängte Strafe ist deswegen jedenfalls als tat- und schuldangemessen anzusehen.

VI.      Unterlassene mündliche Verkündung

Eine Verkündung der Entscheidung in der mündlichen Verhandlung war aufgrund der Komplexität der Sach- oder Rechtslage nicht möglich. Außerdem bedurfte die Fällung des Erkenntnisses (etwa die Beweiswürdigung) reiflicher Überlegung, weshalb das Landesverwaltungsgericht von der sofortigen Verkündung Abstand nehmen durfte (vgl. Walbert-Satek in Bumberger/Lampert/Larcher/Weber, VwGVG, Rz 7 zu § 47 und die dort angeführte Literatur und Judikatur; vgl Ra 2019/02/0110).

VII.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Weiters besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Schmalzl

(Richterin)

Schlagworte

Einstellung des Beschwerdeverfahrens
Fehlen einer Vorrichtung zur Abgabe akustischer Warnsignale
Fehlen von orangen Rückstrahlern an den Pedalen
Schutzbehauptung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.43.0841.8

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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