TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/4 LVwG-2021/22/2334-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.10.2021

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §81

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde der Nachbarin AA, vertreten durch die Rechtsanwälte BB und CC, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 9.8.2021, Zl. *** betreffend die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung nach §§ 81 GewO 1994 für den Betrieb von Abstellplätzen für Wohnmobile im Anwesen Adresse 2, **** X, Gp. **1 KG X,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid, soweit er sich auf den Betrieb von Abstellplätzen für Wohnmobile bezieht, behoben und der verfahrenseinleitende Antrag in diesem Umfang als unzulässig zurückgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 9.8.2021, Zl. *** wurde der Tischlerei DD die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung nach §§ 81 GewO 1994 für die Umstellung des Brennstoffes von Hackschnitzel auf Pellets und den Betrieb von Abstellplätzen für Wohnmobile im Anwesen Adresse 2, **** X, Gp. **1 KG X, erteilt.

Dagegen hat die rechtsfreundlich vertretene Nachbarin AA mit Eingabe vom 27.8.2021 (Einlaufstempel Bezirkshauptmannschaft Y 31.8.2021) rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol richtete daraufhin folgendes, mit 8.9.2021 datiertes Schreiben an die belangte Behörde:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

(…)

Dazu ist aus Sicht des Landesverwaltungsgerichts Tirol wie folgt auszuführen:

Mit Eingabe vom 30.6.2021 (Einlaufstempel Bezirkshauptmannschaft Y 5.7.2021) hat die Tischlerei DD im Wesentlichen für zwei Bereiche um die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung nach §§ 81 GewO 1994 („Änderungsgenehmigung“) angesucht: Änderung der Heizung sowie Errichtung von Abstellplätzen für vermietbare Wohnmobile.

Bei der mündlichen Verhandlung am 4.8.2021 hat die Beschwerdeführerin gegen die Änderung der Heizungsanlage keinen Einwand erhoben. Sie ist also in Bezug auf diesen Aspekt als präkludiert anzusehen und erweist sich die Beschwerde diesbezüglich als unzulässig.

Was den Betrieb der Abstellplätze anbelangt, erscheinen jedoch die Argumente in der Beschwerde nicht unschlüssig. Tatsächlich stellt sich hier die Frage, inwiefern hier noch von einer Änderung der Betriebsanlage gesprochen werden kann. Das Landesverwaltungsgericht Tirol vertritt dazu die vorläufige Rechtsansicht, dass bei einer Tischlerei (ungeachtet der - auch in der Beschwerde vorgebrachten – Frage, inwiefern die Genehmigung in Bezug auf die Bestandsanlage nicht bereits erloschen ist) und einer Abstellfläche für Wohnmobile keinesfalls von einem solchen – insbesondere sachlichen - Zusammenhang mehr gesprochen werden kann, dass hier das Regime des § 81 GewO 1994 zur Anwendung käme (vgl. dazu Stolzlechner/Wendl/Bergthaler (Hrsg), Die gewerbliche Betriebsanlage4, 2016, RZ 6 und 358ff). Vielmehr wäre dieser Teil des Ansuchens dem Genehmigungsregime für Neuanlagen zu unterwerfen gewesen.

Zumal nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Tirol der gegenständliche Antrag insofern trennbar ist, als die Änderung der Heizungsanlage und eben die Hinzunahme eines Abstellplatzes für Wohnmobile durchaus separat zu sehen sind und keinesfalls in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, beabsichtigt das Gericht nach dem bisherigen Stand des Ermittlungsverfahrens folgende Entscheidung zu treffen:

1.   die Beschwerde im Hinblick auf die Änderung der Heizungsanlage zurückzuweisen.

2.   der Beschwerde im Hinblick auf den Abstellplatz für Wohnmobile Folge zu geben, den Genehmigungsantrag diesbezüglich zurückzuweisen und den angefochtenen Bescheid diesbezüglich zu beheben.

Es wird Ihnen hiermit die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen einer Frist von drei Wochen ab Erhalt eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.“

Die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin brachte dazu in einer mit 14.9.2021 datierten Eingabe vor, die (ursprünglich) auch auf die Änderung der Heizungsanlage gerichtete Beschwerde zurückzuziehen.

Die belangte Behörde brachte in ihrer Stellungnahme vom 27.9.2021 vor wie folgt:

„Vorab bedanke ich mich für die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme zum gegenständlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (Ihre Zahl: LVwG-***).

Wie aus der Aktenlage ersichtlich, betreib die Tischlerei DD seit dem Jahre 1985 auf Gp. **1 KG X eine Tischlerei.

Nach einem Großbrand im Jahre 2010 wurde die Tischlerei wiederaufgebaut und weiter betrieben.

Aus verschiedenen, der Behörde nicht bekannten Gründen, wurde die Tischlerei in den letzten Jahren verkleinert und in weitere Folge Betriebsanlagenteile untervermietet. So befindet sich auf diesem Areal ein Schwarzdecker, ein Autohandel, eine Tischlerei (Betreiber: EE), ein Lagerbereich usw.

Nunmehr beantragte die Tischlerei DD die Änderung der Betriebsanlage dahingehend, dass die Hackschnitzelheizungsanlage mit Pellets beheizt wird und auf einem Teil des Betriebsareals Abstellplätze für Wohnmobile betrieben werden sollen.

Diese Änderungen wurden mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 09.08.2021

Diese Änderungen wurden mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 09.08.2021, Zl. *** gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 gewerberechtlich genehmigt.

Die Tischlerei DD ist im Besitze einer aufrechten Gewerbeberechtigung zur Ausübung einer Tischlerei und eines Handelsgewerbes im oben angeführten Standort. Eine Auflassung der Tischlerei im Sinne des § 83 Abs. 1 GewO 1994 wurde nicht angezeigt. Mit dem Handelsgewerbe ist die Tischlerei DD auch berechtigt, Wohnmobile zu verkaufen und zu vermieten.

Somit geht die erkennende Behörde davon aus, dass im Sinne der Einheit der Betriebsanlage die Errichtung und der Betrieb von Abstellplätzen für Wohnmobile als Änderung gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 zu genehmigen ist.

Sollte der Abstellplatz für Wohnmobile separat beurteilt werden (Neugenehmigung), so ist diese Genehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß § 359b GewO 1994 abzuwickeln, da die Betriebsfläche weniger als 800 m² beträgt und die elektrische Anschlussleistung der zu Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 300 kW nicht übersteigt. Somit würde nur eine eingeschränkte Parteistellung der Nachbarin vorliegen.“

Beweis wurde im Übrigen aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt.

II.      Rechtliche Erwägungen:

Die im Schreiben der belangten Behörde vom 27.9.2021 vorgebrachten Argumente zur „Einheit der Betriebsanlage“ überzeugen nicht. Vielmehr bleiben die Erwägungen des erkennenden Gerichts vom 8.9.2021 vollinhaltlich aufrecht. Die von der Behörde angezogene Argumentation, dass der Antragsteller am Standort auch ein Handelsgewerbe ausübe und es ihm damit auch (berufsgewerblich) möglich sei, einen Handel mit Wohnmobilen zu betreiben, verkennt insoweit die Rechtslage, als der anlagenrechtliche Charakter einer gewerblichen Betriebsanlagengenehmigung völlig außer Acht gelassen wird. Der Betreiber einer Tischlerei mag daher durchaus auch über andere Gewerbe verfügen (und wird das in der Praxis auch häufig vorkommen), die gegenständliche Betriebsanlage „Tischlerei“ umfasst aber keine Anlagenteile zum Handel mit Wohnmobilen.

Sollte der Inhaber der Tischlerei bislang z.B. unter Ausnutzung seiner Büroräumlichkeiten in der Tischlerei u.U. bereits einen Handel mit Wohnmobilen durchgeführt haben (und für diese Tätigkeit – was bei einer reinen Büronutzung nachvollziehbar ist - über keine Betriebsanlagengenehmigung bedurft haben), bedeutet dies noch lange nicht, dass in diesem Fall aus der Hinzunahme von Abstellplätzen für Wohnmobile (die jedenfalls eine gewerbliche Betriebsanlage darstellen - siehe dazu Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, Kommentar zur Gewerbeordnung 19944 (2020) § 74 Rz 3 mwH auf die Jud. des VwGH) eine Änderung der Betriebsanlage „Tischlerei“ nach §§ 81 GewO 1994 resultiert.

Vielmehr ist hier eine streng anlagenrechtliche Beurteilung vorzunehmen, an deren Ende unzweifelhaft feststeht, dass bei einer Tischlerei die Hinzunahme von Abstellplätzen für den Handel mit Wohnmobilen nicht ansatzweise in einem sachlichen Zusammenhang mit einer Tischlerei steht. Dieser Abstellplatz dient also keinesfalls dem Zweck der Betriebsanlage Tischlerei, wenngleich er durchaus in einem örtlichen Zusammenhang steht. Der von der belangten Behörde in der oben zitierten Stellungnahme vom 27.9.2021 angesprochene Grundsatz der „Einheit der Betriebsanlage“ spricht also geradezu gegen die von ihr vertretene Rechtsansicht (vgl. eingehend dazu Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, aaO, § 74 Rz 9 mwH auf die Jud. des VwGH).

Für den gegenständlichen Abstellplatz wird daher ein Ansuchen um Neugenehmigung nach §§ 74ff GewO 1994 gestellt werden müssen. Welches Verfahren (also insb. ob die Voraussetzungen für ein vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 359b GewO 1994 gegeben sind) durchzuführen sein wird, entscheidet der Antrag.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

III.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Triendl

(Richter)

Schlagworte

Änderung einer Betriebsanlage
Einheit einer Betriebsanlage
sachlicher Zusammenhang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.22.2334.4

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten