TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/1 W205 2240986-2

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Veröffentlicht am 01.06.2021
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Entscheidungsdatum

01.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch


W205 2240986-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2021, Zl. 1273320502/210061662, (Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 33 Absatz 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl („BFA“) wies mit Bescheid vom 18.01.2021, Zl. 1273320502/210061662, den Antrag des Beschwerdeführers vom 14.01.2021 auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, erklärte, dass die Abschiebung nach Indien zulässig sei und erließ ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren. In der Rechtsmittelbelehrung, die auch in die Muttersprache des Beschwerdeführers (Punjabi) übersetzt wurde, wies das BFA darauf hin, dass gegen diesen Bescheid eine Beschwerde innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides erhoben werden kann.

2. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich gegen Unterschriftsleistung am 18.01.2021 um 15:50 Uhr zugestellt. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer die Information-Rechtsberatung gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG, das Informationsblatt zur Rückkehrberatung gem. § 52a Abs. 2 BFA-VG und die Verfahrensanordnung zum Rückkehrberatungsgespräch, jeweils mit Übersetzung in die Sprache Punjabi, ausgehändigt.

Die Information zur Rechtsberatung enthält sämtliche Ansprechdaten der zuständigen Rechtsberatungsorganisation und hat folgenden Wortlaut: „Für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird Ihnen die untenstehende Organisation als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt. Sie haben zudem die Möglichkeit, sich durch den Rechtsberater im Beschwerdeverfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, vertreten zu lassen. Für eine allfällige Beschwerdeerhebung (gegen alle oder einzelne Spruchpunkte, in denen Sie nicht Recht bekommen haben) setzen Sie sich bitte aufgrund der laufenden Rechtsmittelfrist unverzüglich mit Ihrem Rechtsberater in Verbindung. Ein Ersuchen auf Vertretung ist ebenfalls an den Rechtsberater zu richten.“ (AS 185). Der Text ist vollständig in die Sprache Punjabi übersetzt. Nach eigenen Angaben verfügt der Beschwerdeführer über eine 12-jährige Schulbildung (AS 72).

3. Der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch LegalFocus, brachte am 19.02.2021 per E-Mail beim BFA eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.01.2021, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein.

Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründete der Beschwerdeführer damit, dass er am 14.01.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Mangels Alternative sei er in der Betreuungsstelle EAST Ost Traiskirchen untergebracht und ihm sei mitgeteilt worden, dass er regelmäßig beim Info-Point nachfragen solle, ob er einen Bescheid oder ein Schriftstück erhalten habe. Der Beschwerdeführer sei diesem Rat auch nachgekommen und habe einen Bescheid erhalten. In Bezug auf diesen Bescheid und der angeschlossenen Erklärung sei ihm allerdings ein Missgeschick, ein Verständnisfehler, passiert. Dem negativen Bescheid sei eine Erklärung angeschlossen, dass die BBU dem Beschwerdeführer bei einer Beschwerde behilflich sei. Der Beschwerdeführer habe das allerdings so verstanden, dass der Fall von der BBU als rechtlicher Betreuung „automatisch“ übernommen werde. Es habe somit eine Missinterpretation des rechtsunkundigen und sehr jungen Beschwerdeführers gegeben. Er habe nicht fahrlässig gehandelt, daher sei festzustellen, dass ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund vorliege.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 24.02.2021, Zl. 1273320502/210061662, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.01.2021 als verspätet zurückgewiesen. Ausgeführt wurde, der Bescheid sei dem Beschwerdeführer ordnungsgemäß ausgefolgt worden, der Bescheid sei somit am 16.02.2021 in erster Instanz in Rechtskraft erwachsen und die erhobene Beschwerde vom 19.02.2021 sei somit verspätet eingebracht worden. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung wurde – soweit ersichtlich - kein Vorlageantrag eingebracht.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26.02.2021 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 19.02.2021 gem. § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen. Festgestellt wurde, dass der Bescheid vom 18.01.2021 ordnungsgemäß ausgefolgt und am 16.02.2021 in Rechtskraft erwachsen sei. Es habe kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis festgestellt werden können, welches den Beschwerdeführer an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gehindert hätte. In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe sich der Beschwerdeführer auf einen ihm unterlaufenen Rechtsirrtum berufen. Er habe fälschlicherweise angenommen, dass die BBU eine rechtliche Betreuung „automatisch“ übernehmen würde. Es sei nicht nachvollziehbar, wie der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall einem Rechtsirrtum unterlegen sein habe können. Er sei in der ihm am 18.01.2021 nachweislich ausgefolgten „Information – Rechtsberatung“ gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG explizit darauf hingewiesen worden, dass er sich für eine allfällige Beschwerdeerhebung unverzüglich mit seinem Rechtsberater in Verbindung zu setzen habe. Die Begründung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wonach er ein „rechtsunkundiger“ und „sehr junger Flüchtling“ sei, führe in gegenständlicher Sachlage völlig ins Leere.

6. Gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhob der Beschwerdeführer fristgerecht gegenständliche Beschwerde und machte im Wesentlichen geltend, dass der Beschwerdeführer eine Verkettung von unglücklichen Umständen, Missverständnissen, Rechtsunkundigkeit und mangelnde Lebenserfahrung wegen des jungen Lebensalters vorbringe. Die Behörde hätte daher die Verpflichtung gehabt zu überprüfen, ob die im Antrag vorgebrachten Gründe tauglich seien, um dem Antrag stattzugeben. Dies habe die Behörde nicht gemacht, daher werde nun eine mündliche Verhandlung sowie die Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2021, Zl. 1273320502/210061662, (Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vom 14.01.2021) wurde dem Beschwerdeführer gleichzeitig mit der Verfahrensanordnung gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG, dem Informationsblatt zur Rückkehrberatung gem. § 52a Abs. 2 BFA-VG mit dem oben unter Punkt I.2. dargestellten Text und der Verfahrensanordnung zum Rückkehrberatungsgespräch, jeweils mit Sprachmodul in der Muttersprache des Beschwerdeführers (Punjabi), am Montag, dem 18.01.2021 um 15:50 Uhr, durch persönliche Übergabe zugestellt.

In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 18.01.2021, die ebenfalls in die Muttersprache des Beschwerdeführers (Punjabi) übersetzt war, wurde auf die vierwöchige Rechtsmittelfrist hingewiesen.

Der Beschwerdeführer brachte beim BFA am Freitag, dem 19.02.2021, mit E-Mail unter einem eine Beschwerde, den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein.

Es kann nicht festgestellt werden, dass Umstände vorliegen, die den Beschwerdeführer im Laufe der Rechtsmittelfrist - zwischen Zustellung des Bescheides vom 18.1.2021 und Ablauf der vierwöchigen Frist - an der Einbringung der Beschwerde gehindert hätten bzw. er Maßnahmen zur Einbringung der Beschwerde gesetzt hätte.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Die Feststellungen zur persönlichen Zustellung des Bescheides vom 18.01.2021 am selben Tag und den angeführten Rechtsbelehrungen und Informationen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, die Übernahmsbestätigung mit Datum und Zeit ist vom Beschwerdeführer eigenhändig unterfertigt (vgl. AS 201). Inhalt der Rechtsmittelbelehrung sowie die festgestellten Informationen samt Übersetzung in die Sprache Punjabi sind aktenkundig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist

§ 33 VwGVG idgF lautet:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(……)

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“

Die belangte Behörde sah im Vorbringen des Beschwerdeführers keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Damit ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht:

Nach § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Wie festgestellt, wurde der Bescheid des BFA vom 18.01.2021 dem Beschwerdeführer am selben Tag (Montag, dem 18.01.2021) persönlich ausgehändigt, die Beschwerdefrist endete dementsprechend mit Ablauf des Montags, dem 15.02.2021. Die erst am 19.02.2021 erhobene Beschwerde erweist sich daher als verspätet, weswegen eine tatsächliche Fristversäumnis, ohne die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von vorherein nicht in Betracht käme (aus der stRsp zB VwSlg 19502 A/2016 RS 2), im Beschwerdefall vorliegt.

Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist allerdings das Vorliegen eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass als Ereignis nicht nur tatsächliches, in der Außenwelt stattfindendes, sondern prinzipiell jedes, auch inneres, psychisches Geschehen, ein psychologischer Vorgang - einschließlich der "menschlichen Unzulänglichkeit" - anzusehen sei. Ein Ereignis kann iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG eine alltägliche Krankheit genauso wie eine Naturkatastrophe, eine eigene menschliche Unzulänglichkeit ebenso wie eine Gewaltanwendung von außen sein (Hengstschläger/Leeb, AVG §71 RZ 34; VwSlg 9024 A/1976).

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann (VwGH 24.01.1996, 94/12/0179). Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht auch nicht erwartet werden konnte (VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214). Bei der Bevollmächtigung eines Vertreters ist das Vorliegen der Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung nach den für den Vertreter maßgebenden Verhältnissen zu beurteilen. Das zur Versäumung führende Ereignis muss daher den Vertreter an der rechtzeitigen Vornahme der Handlung gehindert haben und für diesen unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sein (vgl VwGH 17. 9. 1990, 87/14/0030; 28. 4. 1992, 92/05/0051; 23. 6. 2008, 2008/05/0122).

Ein Verschulden der Partei bzw. des Vertreters hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Eine solche liegt dann vor, wenn der Partei ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch einer sorgfältigen Person unterlaufen kann (z. B. VwGH 20.06.2002, 2002/20/0230), wobei an einen rechtskundigen Parteienvertreter ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (z. B. VwGH 22.01.2003, 2002/04/0136).

Eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, hat den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur im Rahmen der Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers zu untersuchen. An den im Antrag vorgebrachten Grund bleibt die Partei gebunden (vgl. VwGH vom 17.03.2015, Zl. Ra 2014/01/0134; VwGH vom 25.02.2003, Zl. 2002/10/0223). Der Beschwerdeführer hat die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechendes Vorbringen voraussetzt (vgl. VwGH vom 16.12.2009, 2009/12/0031).

Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0583).

Das erkennende Gericht folgt im gegenständlichen Fall der Beurteilung der belangten Behörde, dass den Beschwerdeführer an der Versäumung der Beschwerdefrist keinesfalls ein bloß minderer Grad des Versehens trifft:

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 18.01.2021 persönlich ausgehändigt und es wurde gleichzeitig mit dem Bescheid die Verfahrensanordnung zur Rechtsberatung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ausgehändigt. Ausdrücklich wurde in dieser Verfahrensanordnung - auch in die Muttersprache des Beschwerdeführers übersetzt - darauf hingewiesen, dass er sich für eine allfällige Beschwerdeerhebung ….. „bitte aufgrund der laufenden Rechtsmittelfrist unverzüglich mit Ihrem Rechtsberater in Verbindung zu setzen“ habe.

Der Beschwerdeführer hatte daraufhin vier Wochen Zeit, sich mit der ihm zugewiesenen Rechtsberaterorganisation in Verbindung zu setzen, wovon er allerdings keinen Gebrauch machte. Das Vorbringen, er habe angenommen, die BBU würde „automatisch“ eine Beschwerde erheben, ist vor dem Hintergrund der ausgehändigten unmissverständlichen Informationen nicht nachvollziehbar. Es ist auch nicht ersichtlich (bzw. wurde auch nicht behauptet), dass er in irgendeiner Weise Erkundigungen dazu eingeholt hätte, wie er nun in seinem Verfahren weiter vorgehen soll.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt der Umstand, dass die Partei die deutsche Sprache nicht oder nur mangelhaft beherrscht, keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar (VwGH 22.5.1997, 97/18/257; 1.8.2000, 2000/21/0097; 19.9.2007, 2007/08/0097). Vielmehr genügt es, dass dem Sprachunkundigen bewusst gewesen sein musste, ein rechtlich bedeutsames behördliches Schriftstück erhalten zu haben (vgl. VwGH 24.2.2000, 96/21/0430; 11.10.2001, 98.18.0355; 19.11.2003, 2003/21/0090) um dessen Pflicht auszulösen, im Falle seiner Ungewissheit über den Inhalt und die Bedeutung des behördlichen Schreibens, diese nicht auf sich beruhen zu lassen. (VwGH 28.1.2003, 2002/18/0291; 27.1.2004, 2003/21/0167). Vor allem der Rechtsmittelbelehrung (VwGH 10.5.2000 95/18/0972) sowie den Tag der Bescheidzustellung hat ein Fremder, der die deutsche Sprache nur ungenügend beherrscht, besondere Aufmerksamkeit zu widmen, zumal aus der Rechtmittelbelehrung die Zulässigkeit und die Art des allfällig zur Verfügung stehenden Rechtsmittels sowie die Einbringungsstelle sowie die dafür zur Verfügung stehende Frist hervorgeht und aufgrund der besonderen Bedeutung des Zustelldatums für die Einhaltung der Rechtmittelfrist, der Partei erhöhte Sorgfaltspflicht zukommt (VwGH 7.8.2001, 98/18/0068). Hat die der deutschen Sprache nicht mächtige Partei es unterlassen diesbezügliche Erkundigungen einzuholen, trifft diese ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden (vgl. VwGH 12.12.1997, 96/19/3394, 10.5.2000, 95/18/0972).

Zum Vorbringen, beim Beschwerdeführer handle es sich um einen „rechtsunkundigen und sehr jungen Flüchtling“ ist daher darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer volljährig ist und er in seiner Erstbefragung am 15.01.2021 angab, 12 Jahre Schulbildung zu haben und seine Muttersprache Punjabi in Wort und Schrift gut zu beherrschen. Es ist somit der belangten Behörde zu folgen, wenn diese davon ausgeht, dass dieses Vorbringen ins Leere geht. Ein bloß minderer Grad des Versehens liegt daher beim Beschwerdeführer nicht vor, vielmehr ist sein Verhalten, nämlich das Nichtlesen der Schriftstücke bzw. das Ignorieren der behördlichen Informationen und Anweisungen bzw. der Umstand, dass er offenkundig keinerlei weiteren Erkundigungen einholte, obwohl ihm die Wichtigkeit eines solchen Verhaltens bewusst gewesen sein musste, ist als grob sorglos zu bewerten.

Die Beschwerde gegen den den Wiedereinsetzungsantrag abweisenden Bescheid war daher spruchgemäß abzuweisen.

Von der Durchführung der mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da das Antragsvorbringen des Beschwerdeführers in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zugrunde gelegt und einer rechtlichen Würdigung unterzogen wurde, weswegen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen sowohl auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als auch auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Die Frage, ob im Sinn des § 33 Abs. 1 VwGVG ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Versäumung der Frist geführt hat bzw. ob der Wiedereinsetzungsgrund ausreichend bescheinigt wurde, unterliegt aber grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt (VwGH vom 25.11.2015, Ra 2015/06/0113).

Sofern die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des BVwG auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Erkundigung Rechtsmittelfrist rechtswirksame Zustellung Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W205.2240986.2.00

Im RIS seit

18.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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