Entscheidungsdatum
22.06.2021Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W161 2236680-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 09.10.2020, Zl. Islamabad-OB/KONS/3336/2019, aufgrund des Vorlageantrags der XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Sta Afghanistan, vertreten durch Dr. Rudolf MAYER, Rechtsanwalt in 1090 Wien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 17.07.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist afghanische Staatsangehörige und stellte am 11.12.2019 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: „ÖB Islamabad“) unter Vorlage zahlreicher Urkunden einen Antrag auf die Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs.1 AsylG 2005. Begründend führte sie an, sie sei seit XXXX mit dem in Österreich subsidiär Schutzberechtigten XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, verheiratet.
Die nunmehrige Beschwerdeführerin gab im Fragebogen Familienzusammenführung gemäß § 35 AsylG am 11.12.2019 an, ihr Name laute XXXX . Sie sei im Jahr XXXX nach afghanischem Kalender in XXXX geboren, im Reisepass sei ein falsches Datum eingetragen, sie habe keine Kinder, gehöre der Religionsgruppe des Islam an und lebe seit neun Jahren in XXXX , gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester. Davor habe sie im Iran gewohnt. Befragt nach dem Namen ihres Mannes gab sie an: „ XXXX “. Ihr Mann habe das Einreiseformular ausgefüllt. Ihr Mann sei 29 Jahre alt, er sei älter als sie, er sei vorher nicht verheiratet gewesen, habe keine zweite Ehefrau, sei in XXXX geboren, gehöre dem Islam an und habe Geschwister in der Türkei. Sie habe vor neun Jahren geheiratet, sei mit ihrem Ehemann nicht verwandt. Sie seien im Iran Nachbarn gewesen. Sie habe ihr Einverständnis zur Eheschließung gegeben. Diese habe im Iran stattgefunden. Befragt nach Details der Hochzeit gab sie an: „Eine Nacht.“ Sie gab weiters an, es seien bei der Hochzeit 50 bis 100 Personen anwesend gewesen, sie habe davon Bilder. Zu Essen habe es Reis und Fleisch gegeben. Sie und ihr Gatte seien bei der Hochzeit anwesend gewesen, es sei eine Heiratsbestätigung vom Mullah am Tag der Hochzeit ausgestellt worden. Die Ehe sei nicht registriert worden, ihr Ehemann könne nicht nach Afghanistan reisen. In XXXX lebe nur ihre Mutter. Sie habe mit ihrem Ehemann ca. ein Jahr im Iran gemeinsam gelebt und zwar bei ihrem Bruder und ihrem Ehemann. Sie sei zum Zeitpunkt der Eheschließung 16 Jahre alt gewesen. Ihr Mann habe Afghanistan vor ca. neun Jahren verlassen. Ihre Schwiegereltern seien beiden verstorben. Befragt warum ihr Ehemann Afghanistan verlassen musste, gab die Beschwerdeführerin an, er sei bedroht worden und in den Iran geflüchtet und danach nach Österreich. Ihr Mann habe sie nach der Flucht besucht, etwa vier bis fünf Jahre nach seiner Flucht. Sie wisse nicht, ob er im Winter oder Sommer geflüchtet sei. Sie sei mit dem Ehemann jeden Tag in Kontakt. Sie habe ihn zuletzt letztes Jahr im Iran gesehen. Sie habe Drohungen erhalten von den Feinden ihres Vaters und ihres Bruders. Ihr Mann habe in einer Baustelle im Iran gearbeitet. Sie wisse nichts über den Gesundheitszustand ihres Mannes. Dieser habe eine kleine Narbe am Hals, lebe in XXXX und arbeite in Österreich. Sie selbst sei zur Schule gegangen, ihr Ehemann nicht. Ihr Ehemann schicke ihr ca. 300,-- bis 400,-- Euro monatlich. Sie würde mit dem Ehemann gemeinsam telefonieren und bereite dieser seinen Supermarkt in XXXX vor. Sie möchte zu ihrem Ehemann nach Österreich.
1.2. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 05.03.2020 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) aus, dass betreffend die antragstellende Partei die Gewährung des Status einer Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Es habe keine Familieneigenschaft festgestellt werden können.
In der Stellungnahme wird dazu ausgeführt, im vorliegenden Fall hätten sich gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten (im Sinne von § 35 Abs. 5 AsylG) Familienverhältnisses ergeben. Aus dem Ermittlungsverfahren bzw. den niederschriftlichen Angaben habe sich ergeben, dass es widersprüchliche Angaben betreffend das eheliche Zusammenleben im Iran gäbe. Auch habe die Antragstellerin zu Protokoll gegeben, gemeinsam mit dem Ehemann und ihrem Bruder im Iran zusammengelebt zu haben, während die Bezugsperson in dessen Einvernahme vom 11.02.2020 zu Protokoll gegeben habe, mit seiner Ehefrau, seinem Bruder und dessen Frau und Kindern zusammengelebt zu haben. Aufgrund der aufliegenden Erkenntnisse über bedenkliche Urkunden aus dem Herkunftsstaat der Verfahrenspartei, wonach es möglich sei, jegliches Dokument mit jedem nur erdenklichen Inhalt zu erhalten, könne aus Sicht der Behörde keineswegs davon ausgegangen werden, dass das behauptete Familienverhältnis als erwiesen (im Sinne des vollen Beweises) anzunehmen sei. Des Weiteren sei anzuführen, dass es betreffend das Geburtsdatum der Antragstellerin zu konträren Angaben komme. Auch sei die Ehe nicht im Herkunftsstaat geschlossen worden, womit auch kein gemeinsames Eheleben im Herkunftsstaat bestanden habe. Auch das gemeinsame Zusammenleben von behaupteten drei Monaten, einem Monat bzw. einem Jahr im Iran im Jahr 2010 könne kein gemeinsames Familienleben begründen.
1.3. Mit Schreiben vom 06.03.2020, wurde der Antragstellerin die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihr wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die Mitteilung und die Stellungnahme des BFA wurde ebenfalls übermittelt.
1.4. Erst nach Ablauf der eingeräumten Frist langte am 15.06.2020 eine Stellungnahme der Antragstellerin bei der ÖB Islamabad ein. Darin wird insbesondere ausgeführt, die Antragstellerin und die Bezugsperson hätten im Iran ca. ein Jahr lang als Nachbarn direkt neben einander gelebt und sich hier auch erst kennengelernt. Die Bezugsperson habe damals mit seinem Bruder, dessen Frau und Kindern zusammengewohnt. Sie seien in Afghanistan schwer angefeindet gewesen. Die nunmehrige Antragstellerin sei dann etwas später mit der gesamten Familie im Nachbarhaus eingezogen. Ihr Vater und der Bruder der Bezugsperson hätten sich sehr gut verstanden und so sei ein intensiver Kontakt entstanden. XXXX habe sich in der Folge mit der nunmehrigen Beschwerdeführerin verlobt, ca. zwei Monate später hätten sie geheiratet und dann tatsächlich leider nur ca. einen Monat als Verheiratete zusammengewohnt. Die Bezugsperson nenne daher die drei Monate, die sie schon fix als Ehepaar gegolten hätten (nach den dortigen Regeln ab dem Zeitpunkt der Verlobung). Daher die verschiedenen Zeitangaben. Auch die Heirat sei dort ortsüblich nur mündlich erfolgt. Nach diesem Monat habe sich dann im Leben der Bezugsperson eine weitere fürchterliche Tragödie ereignet, dessen Bruder sei verschleppt und umgebracht worden. Aus Furcht vor feindlichen Angriffen sei der Vater der Frau mit der ganzen Familie nach Afghanistan zurückgegangen und habe auch die Antragstellerin gezwungen, mitzukommen. Als XXXX von unterwegs wieder nach Hause gekommen wäre, seien einfach alle weg gewesen und er dann aus Angst geflohen. Es sei danach unmöglich gewesen, weiter Kontakt mit seiner Frau zu halten (kein Handy, Internet). Es werde nicht nur auf die Dauer, sondern vor allem auf die Intensität und Echtheit der ehelichen Bindung hingewiesen. Es sei richtig, dass die Ehegatten dann im gemeinsamen Haushalt mit dem Bruder der Bezugsperson, dessen Frau und Kindern zusammengelebt hätten. Das habe die Beschwerdeführerin auch so gesagt, es sei allerdings wohl unrichtig protokolliert bzw., unrichtig verstanden worden. XXXX habe mit unglaublichem persönlichen Einsatz und enormen finanziellen Aufwand es geschafft, im Spätsommer 2018 endlich seine Frau im Iran wiederzusehen und nochmals „offiziell“ zu heiraten, um in Österreich eine gültige Heiratsurkunde vorzuweisen. Die Eheleute hätten dort fast sechs Wochen gemeinsam verbracht und zahlreiche glückselige Fotos gemacht. Dann sei der Ehemann leider schwer erkrankt. Betreffend die verschiedenen Geburtsdaten in unterschiedlichen Dokumenten bleibe nur anzuerkennen, dass das in Afghanistan üblich sei. Die Ehe habe aus den dargelegten Gründen nicht im Herkunftsstaat geschlossen werden können. Auch wenn das gemeinsame Zusammenleben im Jahr 2010 sehr kurz gewesen wäre, sollte doch beachtet werden, dass der Vater der Beschwerdeführerin den Kontakt verhindert/verboten habe. Seit dem Tod des Vaters hätten die Ehegatten aber Dank der modernen Medien wieder so intensiven und lebendigen Kontakt wie wohl viele Fernbeziehungen ihn sich nur erträumen können. Seit dem neuerlichen Zusammensein im Iran 2018 sei der Wunsch, endlich ein normales Familienleben führen zu können, noch viel intensiver. Die Bezugsperson habe seiner Frau bestmögliche finanzielle Unterstützung zukommen lassen, um Ausbildungen an der Universität zu besuchen. Die Beschwerdeführerin sei kürzlich auch tatsächlich überfallen und beraubt worden. Sie sei dann mit ihrer Mutter und einer Schwester für einige Wochen im Iran gewesen, jetzt lebe sie mit der Mutter wieder in Afghanistan, traue sich aber praktisch nicht mehr aus dem Haus und lebe in ständiger Angst, Panik und Sorge.
1.5. Die Bezugsperson gab in ihrem Asylverfahren in der Erstbefragung am 03.09.2012 zu ihrem Familienstand an wie folgt:
„Ich habe bislang keine Ehe geschlossen (ledig).“
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 08.10.2012 gab XXXX alias XXXX , geb. XXXX unter anderem an, er sei nicht verheiratet, er sei aber verlobt gewesen, mit einer Afghanin namens XXXX , das sei in Kerman (Iran) gewesen.
In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.02.2015 gab die Bezugsperson über Befragen nach seinem Familienstand an:
„Mein Bruder hat mir diese Frau ausgesucht und wir wurden verlobt. Es ist auch zu einer Eheschließungszeremonie nach islamischen Recht gekommen. Wir haben ca. 1,5 Monate zusammengelebt, dann ist es zu dem Vorfall im Iran gekommen. Ihre Eltern haben sie dann mit nach Afghanistan genommen.“ Er gab weiters an, die Eheschließung sei im Iran erfolgt und zuhause von einem Mullah durchgeführt worden. Es sei richtig, sei hätten ca. 1,5 Monate zusammengelebt, sie wären Nachbarn gewesen. Er habe keinen Kontakt mit seiner Frau.
XXXX wurde vom BFA am 11.02.2020 als Zeuge einvernommen und gab im Wesentlichen an, er sei im Jahr 2012 illegal in Österreich eingereist und habe im Jahr 2016 subsidiären Schutz erhalten. Er habe im Iran gelebt. Im Iran habe er XXXX kennengelernt. Bei XXXX handle es sich um XXXX . Befragt, warum diese vorher XXXX geheißen habe, gab der Beschwerdeführer an: „Ich hatte bis zum Jahr 2018 keinen Kontakt mit meiner Frau. Nachgefragt: Sie ist dann nach Griechenland gekommen. Meine Freunde haben mir dann über soziale Medien berichtet, dass meine Frau in Afghanistan ist.“ Die Freundin seiner Mutter sei die Nachbarin seiner Ehefrau gewesen, so habe er mit seiner Ehefrau Kontakt aufgenommen. Es handle sich bei der Antragstellerin um seine Ehefrau. Er habe diese im Jahr 2009 im Iran kennengelernt, im Jahr 2010 hätten sie im Iran geheiratet. Er habe keine Kinder mit seiner Ehefrau. Befragt, wie lange er mit seiner Ehefrau im Iran zusammengelebt habe, gab XXXX an: „Drei Monate, wir waren Nachbarn. Nachgefragt: Drei Monate nach unserer Hochzeit hat die Familie meiner Ehefrau sie wieder nach Afghanistan zurückgebracht. Drei Monate haben wir in einem gemeinsamen Haus zusammengelebt.“ Er gab weiters an: Im gemeinsamen Haus hätten auch sein Bruder, seine Frau und die Kinder gelebt. Er habe 2008 wieder Kontakt zu seiner Ehefrau herstellen können, er habe sie über das Rote Kreuz in XXXX gesucht. Diese befinde sich zurzeit im Iran. Er habe jede Stunde mit ihr Kontakt. Ihre Eltern seien beide verstorben. Er sei selbständig im Lebensmittelhandel tätig und verdiene ca. 1.900,-- Euro im Monat. Er sei seit Jänner 2020 selbständig. Er bezahle Euro 205,- monatlich Miete und wohne in einer 30m2-großen Wohnung. Er sei sozialversichert. Seine Frau habe in Afghanistan drei Studienrichtungen absolviert. Sie möchte in Österreich in einer Apotheke oder in einem Krankenhaus arbeiten. Er möchte nichts mehr angeben. Die Niederschrift sei richtig und vollständig protokolliert worden.
1.6. In der Mitteilung vom 06.07.2020 teilte das Bundesamt mit, nach Prüfung der Sachlage sei die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Asylberechtigten nicht wahrscheinlich, da ein Familienleben nicht habe festgestellt werden können.
In der Stellungnahme vom 06.07.2020 werden die Argumente der Stellungnahme vom 05.03.2020 wiederholt und ergänzend ausgeführt, auch wenn die Antragstellerin und die Bezugsperson in der schriftlichen Stellungnahme vom 15.06.2020 zu Protokoll gegeben haben, dass die Bezugsperson seine Frau im Spätsommer 2018 wiedergefunden hätte, mit dieser im Iran sechs schöne Wochen verbracht hätte und sie auch geheiratet hätte, sei es der Behörde nicht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin, obwohl das Verlangen einer gemeinsamen Zukunft beiderseits bestanden hätte, erst ca. ein Jahr nachdem sich beide im Iran getraut hätten, am 11.12.2019 einen Einreiseantrag bei der Botschaft gestellt habe, obwohl es ihr laut Gesetzeslage erlaubt gewesen wäre, bereits am Mai 2018 einen Einreiseantrag zu stellen. Vielmehr wäre zu erwarten gewesen, dass die Antragstellerin unmittelbar nach der Verehelichung im Spätsommer 2018 bereits einen Einreiseantrag gestellt hätte.
1.7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.07.2020, wies die ÖB Islamabad den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm §35 AsylG 2005 ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, das Bundesamt habe mitgeteilt, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht wahrscheinlich sei.
1.8. Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht eingelangte Beschwerde. Begründend wurden zunächst der Verfahrensgang und das bisherige Vorbringen wiedergegeben. In der Folge wird ausgeführt, sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Bezugsperson hätten eindrücklich und wiederholt dargelegt, dass eine Ehe geschlossen worden wäre und diese auch vor der Erteilung des Status des subsidiär Schutzberechtigten am 19.05.2015 nicht beendet gewesen wäre. Sämtliche vermeinten Widersprüche seien mit Stellungnahme vom 15.06.2020 ausgeräumt und das Vorbringen substantiiert untermauert worden. Bei richtiger Würdigung der dargelegten Umstände hätte die Erstbehörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass sämtliche Voraussetzungen nach § 35 AsylG gegeben seien und somit dem Antrag der Beschwerdeführerin stattzugeben sei.
1.9. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 09.10.2020 wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht.
Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführerin einen Antrag nach §35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt habe und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen sei.
Auch seien die samt kurzen – englischsprachigem – Begleitschreiben von der Beschwerdeführerin am 10.04.2016 übermittelten Dokumente dem BFA ordnungsgemäß zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung vorgelegt worden und erst in der Folge Bescheidmässig abgesprochen worden.
Als alleintragender Grund für die Abweisung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. §35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführerin auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden.
Jenseits und unabhängig von der angeführten Bindungswirkung teile die belangte Behörde die Beweiswürdigung des BFA, dass die von der Beschwerdeführerin gemachten Angaben zur Familieneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 sich in mehrfacher Hinsicht mit den Angaben des angeblichen Ehemannes bei der Befragung in Österreich widersprechen. Es sei somit davon auszugehen, dass nie ein Familienleben im Herkunftsland oder einem anderen Land bestanden habe. Die Beschwerdeführerin falle somit nicht unter die Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005. Überdies besage auch Art. 16 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung, dass ein Einreisetitel nicht zu erteilen sei, wenn ein gemeinsames Familienleben mit der Bezugsperson vor der Einreise der Bezugsperson nach Österreich ohnehin nicht bestanden habe. Die im Rahmen des Parteiengehörs eingebrachte Stellungnahme beinhalte jedenfalls keine Argumente, welche für eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose sprechen würden. Die belangte Behörde habe ihre Entscheidung nach Erwägung aller verfügbaren Informationen entsprechend dem Gesetz getroffen, ein willkürliches Verhalten der Behörde sei deswegen nicht feststellbar. Ebenso gingen die Beschwerdehinweise betreffend §§ 58 und 60 AVG jedenfalls ins Leere.
1.10. Am 12.10.2020 brachte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag ein.
1.11. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 30.10.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.
1.12. Am 11.02.2021 wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Auftrag zur Mängelbehebung erteilt, da der Beschwerde die Vorlage von Kopien aller vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente samt Übersetzung in deutscher Sprache fehlten.
1.13. Am 22.02.2021 wurden die Urkunden samt Übersetzung dem erkennenden Gericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin stellte am 11.12.2019 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Islamabad einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson gab sie XXXX , geb. XXXX , Sta Afghanistan, an, welcher ihr Ehemann sei. Dem Antrag angeschlossen waren diverse Urkunden.
Der Bezugsperson XXXX wurde in Österreich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2015 zu GZ W167 1431950-1/18E der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und zuletzt mit Bescheid des BFA vom 28.05.2020 bis 22.05.2022 verlängert.
Nach Antragstellung wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass eine Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen sei, da kein aufrechtes Familienverhältnis bestanden habe.
Diese Einschätzung wurde auch nach Einbringung einer Stellungnahme der Antragstellerin aufrecht erhalten und darauf verwiesen, dass eine Familieneigenschaft nicht habe festgestellt werden können.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt der Österreichischen Botschaft Islamabad, den beigeschafften Unterlagen betreffend das Asylverfahren der Bezugsperson, dem Einvernahmeprotokoll des BFA über die Zeugeneinvernahme des XXXX alias XXXX alias XXXX sowie dem hg Akt W167 1431950-1.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 145/2017 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 145/2017 lauten:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
[….]
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
[….]
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
[….]
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“
3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen. Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).
Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des Bundesamtes noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe zu dem ganzen BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1ua).
3.3. Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, da die Prognose des Bundesamtes nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend ist:
Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich subsidiär Schutzberechtigte und seit 03.09.2012 aufhältige vermeintliche Ehemann XXXX angegeben. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel am tatsächlichen Rechtsbestand des angegebenen Familienverhältnisses.
Zunächst ist anzuführen, dass das tatsächliche Alter der Beschwerdeführerin nicht feststellbar ist und sich aufgrund der von ihr vorgelegten Urkunden und Angaben diesbezüglich Widersprüche ergeben. Im Antragsformular ist ihr Geburtsdatum mit XXXX angegeben. Auch in der Kopie der von ihr vorgelegten Tazkira ist ihr Geburtsdatum mit XXXX angeführt.
Das von ihr im Fragebogen Familienzusammenführung genannte Geburtsjahr XXXX entspricht allerdings dem Jahr XXXX .
Aus den am 22.02.2021 vorgelegten Passkopien ergibt sich einerseits die Ausstellung eines Reisepasses für XXXX , XXXX , geboren in XXXX , ausgestellt am 21.12.2019, gültig bis 21.12.2024, gleichzeitig wurde auch eine Reisepasskopie vorgelegt mit vermutlich identem Foto für XXXX , geboren XXXX in XXXX , ausgestellt am 05.03.2016, gültig bis 05.03.2021. Im Fragebogen gab die Beschwerdeführerin, wie oben dargelegt an, das Geburtsdatum im Reisepass sei falsch. Sie räumte somit selbst ein, dass die Angaben im Reisepass nicht richtig sind.
In der vorgelegten Führerscheinkopie ist als Geburtsdatum festgelegt: „19 Jahre alt XXXX (entspricht XXXX “.
In einem vorgelegten Zeugnis betreffend ein Diplom für Buchhaltung ist festgehalten: „Geboren in der Provinz XXXX im Jahr XXXX “, in einer anderen vorgelegten Bestätigung ist das Geburtsjahr mit XXXX angegeben.
Derart verschiedene Angaben zum Geburtsdatum können jedenfalls nicht außer Acht gelassen werden und wecken grundlegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin und an der Echtheit und Richtigkeit der von ihr vorgelegten Urkunden.
Auch scheinen für die Beschwerdeführerin verschiedene Namen in den von ihr vorgelegten Urkunden auf nämlich: „ XXXX “, XXXX Tochter von XXXX , Tochter von XXXX , Tochter von XXXX .“
In der Beschwerde und dem Vorlageantrag wird als Beschwerdeführerin XXXX , geboren am XXXX genannt, in der Urkundenvorlage zur Mängelbehebung wird XXXX , geboren XXXX ( XXXX ) angegeben.
In der am 22.02.2021 vorgelegten Übersetzung einer „dauerhaften islamischen Heiratsurkunde“ scheint als Datum der dauerhaften Eheschließung der XXXX auf. In der Spalte Daten des Ehemannes, gemeint sind offenbar jedoch die Daten der Ehefrau („Particulars of Wife“ in der englischen Übersetzung) scheint XXXX , geboren XXXX auf, hier findet sich also ein weiteres Geburtsdatum der Beschwerdeführerin. Das tatsächliche Alter der Beschwerdeführer ist schon deswegen von Relevanz, da sie nach dem von ihr zuletzt im Verfahren genannten Geburtsjahr XXXX , welches auch in der Beschwerde angegeben wird, zum Zeitpunkt der Eheschließung erst elf Jahre alt gewesen wäre. Diesfalls läge jedenfalls eine in Österreich nicht gültige Kinderehe vor. Auch bei einem Geburtsdatum von XXXX wäre sie erst 13 Jahre alt gewesen, bei Zugrundelegung eines Geburtsdatums von XXXX wäre sie 17 Jahre alt gewesen.
Hierzu ist ergänzend anzuführen, dass sich das Original der nunmehr vorgelegten Übersetzung dieser „Heiratsurkunde“ bei den ursprünglich vorgelegten Urkunden nicht findet. Auch ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen von der Beschwerdeführerin oder der Bezugsperson keine Urkunde über die angeblich im Spätsommer 2018 im Iran vollzogene offizielle Eheschließung vorgelegt wurde.
Wie dargelegt, fehlt es sohin an einem unbedenklichen Nachweis zum tatsächlichen Alter und somit der tatsächlichen Identität der Beschwerdeführerin, ebenso wie an einem Nachweis über die behauptete Eheschließung mit der Bezugsperson. Zu den fehlenden und widersprüchlichen Urkunden kommen auch die von BFA aufgezeigten widersprüchlichen Angaben der angeblichen Eheleute.
So steigerte die Bezugsperson ihre Angaben zur Eheschließung dahingehend, dass sie in der Erstbefragung im September 2012 angab, ledig zu sein und auch vor dem BFA im Oktober 2012 angab, nicht verheiratet, sondern nur verlobt gewesen zu sein. In der mündlichen Verhandlung im Feber 2015 betreffend den Asylantrag gab die Bezugsperson dann an, der Bruder habe die Ehefrau ausgesucht und sie seien verlobt worden. Es sei eine Eheschließungszeremonie nach islamischen Recht vorgenommen worden und hätten sie ca. eineinhalb Monate zusammengelebt, bis zu einem Vorfall im Iran. Danach hätten ihre Eltern die Ehefrau mit nach Afghanistan genommen. Er habe keinen Kontakt mit seiner Frau. Dazu widersprüchlich gab die Bezugsperson als Zeuge vor dem BFA an, er habe mit seiner Ehefrau drei Monate nach ihrer Hochzeit zusammengelebt und zwar im gemeinsamen Haushalt mit seinem Bruder, seiner Frau und deren Kindern.
Die Beschwerdeführerin gab dazu widersprüchlich an, sie habe mit ihrem Mann ca. ein Jahr gemeinsam im Jahr gelebt, gemeinsam mit ihrem Bruder.
Obwohl in der Stellungnahme darauf verwiesen wird, dass der angebliche Ehemann nach dem Wiedersehen im Jahr 2018 schwer erkrankt wäre, gab die Ehefrau im Fragebogen an, über den Gesundheitszustand ihres Ehegatten nichts zu wissen. Sie konnte auch keine näheren Angaben zu seinen Fluchtgründen und den Zeitpunkt seiner Flucht aus dem Iran machen. Und obwohl die Bezugsperson im eigenen Verfahren lediglich von einer Schwester in der Türkei spricht, wurde die Frage nach Brüdern und Schwestern der Bezugsperson im Ausland von der Beschwerdeführerin bejaht.
Unter Berücksichtigung der Angaben der Bezugsperson und der Angaben der Beschwerdeführerin muss die im Verfahren behauptete Eheschließung bezweifelt werden. Die dazu gemachten Angaben sind nicht glaubwürdig, die dazu vorgelegten Urkunden nicht geeignet, einen Beweis für eine Eheschließung zu geben.
Auch die erst nach Bescheid-Erlassung vorgelegten Fotos sind nicht geeignet, Beweis für eine gültige Eheschließung zu geben, da darauf nicht erkennbar ist, wann, wo, von wem und zu welchem Zweck diese angefertigt wurden. Im übrigen gilt diesbezüglich auch das Neuerungsverbot nach § 11a Abs.2 FPG-
Der volle Beweis einer Eheschließung vor der Ausreise der Bezugsperson konnte somit seitens der Beschwerdeführerin nicht erbracht werden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht in seiner bisherigen Rechtsprechung vom traditionellen Bild der Ehe zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts aus (vgl. EGMR 24.01.1986. Rees, Serie A 106, Z 49 f.; EGMR 27.09.1990, Cossey, Serie A 184, Z 43; EGMR 11.07.2002 [GK], Christine Goodwin, RJD 2002-VI, Z 98). Es entspricht damit dem Ehebegriff aller europäischen Rechtsordnungen, in denen übereinstimmend unter "Ehe" eine auf Dauer angelegte, unter Beachtung bestimmter staatlicher Formvorschriften geschlossene Bindung eines Mannes und einer Frau verstanden wird. Die Regelung der Ausübung der Eheschließungsfreiheit muss durch Gesetz erfolgen. Anerkannte Ehehindernisse sind beispielsweise Blutsverwandtschaft, Geschäftsfähigkeit und auch die fehlende freie Zustimmung. Im Hinblick auf die Eheschließungsfreiheit bzw. die essentiell notwendige freie Zustimmung zur Eingehung einer Ehe ist die gleichzeigte Anwesenheit beider Partner unabdingbar. Die freie Zustimmung zur Eheschließung ist im Fall einer Stellvertretung nicht gewährleistet.
Der Ansicht der Vertretungsbehörde, wonach im vorliegenden Fall gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten Familienverhältnisses bestehen, kann nicht entgegengetreten werden. Auf Grund der aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten geht auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die behauptete Ehe vor der Einreise der Bezugsperson in Österreich nicht bestanden hat.
Da die belangte Behörde über den betreffenden Einreiseantrag ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, kam sie aufgrund der zutreffenden Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dass die Zuerkennung des eines Antrages auf internationalen Schutz oder des Status des subsidiär Schutzberechtigten an die Beschwerdeführerin in Bezug auf den in Österreich befindlichen angeblichen Ehemann nicht wahrscheinlich sei, zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen.
3.4. Die Regelung des Art. 8 EMRK schreibt keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen).
Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z. B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem jüngsten Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen.". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.
Im gegenständlichen Verfahren wurden Ausführungen, wonach zwischen der Antragstellerin und der Bezugsperson ein schützenswertes Familienleben bestanden habe, nicht glaubwürdig und nachvollziehbar dargelegt. Das Vorliegen eines iSd Art. 8 EMRK schützenswerten Familienlebens ist somit weder aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren, noch auch aus dem sonstigen Akteninhalt selbst ableitbar und kann somit auch durch das Bundesverwaltungsgericht nicht als in diesem Sinne ergänzend als schützenswert erkannt werden.
Die Vertretungsbehörden im Ausland wenden nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weder unmittelbar noch mittelbar das AVG an. Das Verfahren richtet sich vielmehr nur nach dem Visakodex und den besonderen Verfahrensvorschriften des Fremdenpolizeigesetzes (nunmehr §§ 11 und 11a FPG; vgl. zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 VwGH 13.12.2012, 2012/21/0070; 24.10.2007, 2007/21/0216). Dies gilt unverändert auch nach der mit 01.01.2014 in Kraft getretenen aktuellen Rechtslage, weil vom Gesetzgeber diesbezüglich eine Änderung nicht beabsichtigt war (Gruber, Die Frage der Anwendung des AVG für Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten im Hinblick auf die Novellierung des EGVG durch BGBl. I 33/2013, FABL 3/2013, 17 ff).
Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Ehe Einreisetitel Familienleben Geburtsdatum Glaubwürdigkeit Identität NachweismangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W161.2236680.1.00Im RIS seit
18.10.2021Zuletzt aktualisiert am
18.10.2021