Entscheidungsdatum
24.06.2021Norm
AVG §73Spruch
W212 2238684-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Benin, vertreten durch Dr. Gregor KLAMMER, Rechtsanwalt in 1160 Wien, gegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgrund der Beschwerde über die Verletzung der Entscheidungspflicht vom 02.11.2020 in Bezug auf den Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte vom 18.08.2017 zu Recht:
A) Dem Antrag wird gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, i.d.F. BGBl. I Nr. 145/2017, stattgegeben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der 1984 geborene Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Benin, stellte in Österreich am 12.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.09.2015 zur Gänze abgewiesen wurde. Unter einem ergingen eine Rückkehrentscheidung und die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 29.11.2016 als unbegründet ab. Einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Revision gegen dieses Erkenntnis wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23.01.2017, Ra 2017/18/0011-2, wegen Aussichtslosigkeit ab. In der Folge wurde dann auch keine Revision eingebracht.
2. Der Beschwerdeführer verblieb in Österreich und stellte mit schriftlicher Eingabe vom 15.08.2017 (eingelangt am 18.08.2018) durch seinen bevollmächtigten Vertreter beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a FPG.
3. In der Folge stellte er einen mit 06.06.2018 datierten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 („aus Gründen des Art. 8 EMRK“). Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom 31.10.2018 ab. Unter einem erging (neuerlich) eine Rückkehrentscheidung, nunmehr gestützt auf § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG, und es wurde (wiederum) gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Benin zulässig sei.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 17.12.2018 als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Eine gegen dieses Erkenntnis vom Beschwerdeführer eingebrachte außerordentliche Revision wurde durch den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26.06.2019, Ra 2019/21/0020-5, zurückgewiesen.
4. Mit am gleichen Tag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schriftsatz vom 02.11.2020 erhob der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers die gegenständliche Säumnisbeschwerde im Hinblick auf den am 15.08.2017 gestellten Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte.
5. Am 15.01.2021 (einlangend) legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Säumnisbeschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt vor und führte in einer zugleich übermittelten Stellungnahme vom 12.01.2021 aus, dass ein Ausreiseverfahren seit 09.02.2017 seitens der Behörde betrieben werde und eine Ausreise bei Vorliegen eines Reisedokuments bzw. Heimreisezertifikates zeitnah durchführbar sei. Ein HRZ-Verfahren sei am 23.02.2017 eingeleitet worden und am 06.03.2017 an die Botschaft Benin gerichtet worden, bis dato sei mehrmals, zuletzt am 04.02.2020, bezüglich einer Dokumentenausstellung urgiert worden, welche bislang jedoch nicht erfolgt sei. Es lägen eine ID-Karte in Kopie, eine Studenten-Karte im Original sowie eine Geburtsurkunde in Kopie vor. Angemerkt werde, dass seitens des Beschwerdeführers keinerlei Bemühungen zur eigenen Erlangung eines Reisedokuments unternommen worden seien.
6. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.05.2021 wurde der Beschwerdeführer im Wege seines bevollmächtigten Vertreters zur Bekanntgabe aufgefordert, welche Schritte er bislang zur Erlangung eines (Ersatz-)Reisedokuments gesetzt habe.
Mit Eingabe vom 27.05.2021 übermittelte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers Kopien eines Schriftverkehrs mit der Botschaft Benin in Deutschland sowie der Botschaft in Frankreich, welcher bestätigen würde, dass der Beschwerdeführer Schritte gesetzt hätte, um ein Reisedokument zu erlangen. Die Botschaft in Deutschland habe sich seit 08.07.2019 nicht mehr bezüglich der Anfrage des Beschwerdeführers gemeldet. Die Botschaft in Frankreich habe ihm mitgeteilt, dass er für eine Antragstellung persönlich vorstellig werden müsste. Es werde demnach, ersucht, dem Antrag des Beschwerdeführers stattzugeben und ihm eine Duldungskarte auszustellen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Benin und muslimischen Glaubens. Er gehört der Volksgruppe der Yoruba an. Der unbescholtene Beschwerdeführer ist ledig und er leidet an keinen gesundheitlichen Einschränkungen; er ist erwerbsfähig.
Der Beschwerdeführer stellte in Österreich am 12.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.09.2015 zur Gänze abgewiesen wurde. Unter einem ergingen gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 29.11.2016 als unbegründet ab.
Der Beschwerdeführer kam in der Folge seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Seit Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.11.2016, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, hält sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer verblieb in Österreich und stellte einen mit 06.06.2018 datierten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 („aus Gründen des Art. 8 EMRK“). Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom 31.10.2018 ab. Unter einem erging (neuerlich) eine Rückkehrentscheidung, nunmehr gestützt auf § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG, und es wurde (wiederum) gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Benin zulässig sei.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 17.12.2018, I403 2115798-2, als unbegründet ab.
Eine gegen dieses Erkenntnis eingebrachte außerordentliche Revision wurde durch den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26.06.2019, Ra 2019/21/0020-5, zurückgewiesen.
In der Entscheidungsbegründung hielt der Verwaltungsgerichtshof (Rz 7) u.a. fest:
„In diesem Zusammenhang meint der Revisionswerber zwar, es bestehe für ihn mangels Verfügbarkeit über die notwendigen Dokumente keine legale Ausreisemöglichkeit, weshalb sein Aufenthalt iSd § 46a FPG geduldet sei. Das überzeugt aber schon deshalb nicht, weil der Revisionswerber nicht darlegt, aus eigenem diesbezügliche konkrete Schritte unternommen zu haben (siehe zu dieser Verpflichtung § 46 Abs. 2 FPG) und auch die Erlangung eines Ersatzreisedokumentes angesichts der Existenz eines (abgelaufenen) Personalausweises nicht aussichtslos erscheint.“
Mit Bescheid der Landeshauptfrau für Niederösterreich vom 04.09.2019 wurden vom Beschwerdeführer jeweils am 20.08.2019 gestellte Anträge auf Zulassung der Inlandsantragstellung, auf Heilung des Mangels der Vorlage eines Reisepasses sowie auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte“ abgewiesen.
Das Landesverwaltungsgericht XXXX hat mit Erkenntnis vom 11.02.2020, XXXX , eine gegen den dargestellten Bescheid eingebrachte Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
Das Landesverwaltungsgericht hat in jener Entscheidung insbesondere festgehalten, dass nicht festgestellt werden könne, dass es dem Beschwerdeführer unzumutbar wäre oder gewesen wäre, den Antrag auf Erteilung des Erstaufenthaltstitels vom Ausland aus zu stellen, sowie der zuständigen Behörde einen gültigen Reisepass bzw. ein sonstiges gültiges Reisedokument vorzulegen.
1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat am 23.02.2017 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet und hat bis dato mehrmals bezüglich einer Dokumentenausstellung bei der Botschaft Benin urgiert, zuletzt am 04.02.2020. Beim Bundesamt liegen eine ID-Karte des Beschwerdeführers in Kopie, eine Studentenkarte im Original sowie eine Kopie seiner Geburtsurkunde auf. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer nach der Aktenlage keinen (bescheidmäßigen) Auftrag zur Mitwirkung am Verfahren zur Erlangung des Heimreisezertifikates erteilt und es lassen sich der Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Beschwerdeführer Mitwirkungspflichten in diesem Verfahren verletzt hat. Eine Dokumentenausstellung durch die ausländische Vertretungsbehörde ist bislang nicht erfolgt. Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist nach wie vor anhängig.
2. Beweiswürdigung:
Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrensgang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben, welche im Asylverfahren getätigt wurden. Zwar konnte der Beschwerdeführer kein Identitätsdokument, abgesehen von seiner Geburtsurkunde, einem abgelaufenen Personalausweis und einer Studentenkarte, vorlegen und ist seine Identität in diesem Sinne deshalb nicht abschließend geklärt. Er machte jedoch hinsichtlich seiner Herkunft, seines Namens und seines Geburtsdatums durchgehend gleichbleibende Angaben. Aufgrund des konstanten Vorbringens des Beschwerdeführers sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass diese Daten und seine Angaben zur Identität nicht den Tatsachen entsprechen würden.
Die Feststellungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere den im Verwaltungsakt einliegenden Kopien der erwähnten behördlichen und (höchst)gerichtlichen Entscheidungen sowie einer personenbezogenen Abfrage im Zentralen Fremdenregister.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Verfahren sowie seinem durchgehenden Hauptwohnsitz im Bundesgebiet seit seiner erstmaligen Einreise im Jahr 2015.
Die Feststellungen zum vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seit 23.02.2017 geführten Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ergeben sich insbesondere aus der schriftlichen Stellungnahme der belangten Behörde vom 12.01.2021, welcher sich auch die bei der Behörde aufliegenden Dokumente des Beschwerdeführers sowie die bisherige Erfolglosigkeit der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes trotz mehrfacher Urgenzen entnehmen lassen. Dem Akteninhalt lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass der Beschwerdeführer zu einer Mitwirkung am Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates oder aber außerhalb eines solchen Verfahrens zur eigeninitativen Kontaktaufnahme mit der ausländischen Vertretungsbehörde durch die Behörde aufgefordert worden ist, bzw. dass er ihm zukommende Mitwirkungsplichten verletzt hat. Dass das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum Entscheidungszeitpunkt noch anhängig ist, ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage im Zentralen Fremdenregister vom 22.06.2021, in welchem hinsichtlich des am 23.02.2017 eingeleiteten Verfahrens der Verfahrensstatus „laufend“ vermerkt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Verfahrensbestimmungen und Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:
3.1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1.2. Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
Die Beschwerde entspricht den Voraussetzungen der §§ 8 f. VwGVG idF BGBl. I 33/2013:
"Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde
§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. (2) [...]
Inhalt der Beschwerde
§ 9. (1) Die Beschwerde hat zu enthalten: 1. [- 3. ...] 4. das Begehren und 5. [...]. (2) Belangte Behörde ist 1. [- 2. ...] 3. in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG jene Behörde, die den Bescheid nicht erlassen hat, 4. [- 5. ...]. (3) [- (5) ...] (5) Bei Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG entfallen die Angaben nach Abs. 1 Z 1 bis 3 und 5. Als belangte Behörde ist die Behörde zu bezeichnen, deren Entscheidung in der Rechtssache begehrt wurde. Ferner ist glaubhaft zu machen, dass die Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 abgelaufen ist."
Der Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete wurde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 18.08.2017 schriftlich eingebracht. Damit war der Antrag beim zuständigen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig. Die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 3 BVG war am 02.11.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebracht worden. Damit ist die sechsmonatige Frist zur Entscheidung abgelaufen.
Die Säumnisbeschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesamtes zurückzuführen ist.
Ein überwiegendes Verschulden des Bundesamtes ist dann anzunehmen, wenn die Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (vgl. Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht4, 2009, Rz 638).
Der Grundsatz der Amtswegigkeit allein vermag jedenfalls Verzögerungen des Ermittlungsverfahrens nicht zu rechtfertigen. Überflüssige Verfahrensschritte stellen bei klarer Sachlage daher ebenso eine schuldhafte Verzögerung dar wie zB unnötige Ausdehnungen des Ermittlungsverfahrens oder die entbehrliche Abhaltung mündlicher Verhandlungen. Unterlässt die Behörde die für eine zügige Verfahrensführung nötigen weiteren Verfahrensschritte, liegt ebenso ein überwiegendes Verschulden vor (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 73 Rz 129). Kommt es auf Grund eines langwierigen Ermittlungsverfahrens zu einer überlangen Verfahrensdauer, ist eine eingehende Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes in zeitlicher Abfolge und eine Begründung durch das Bundesamt erforderlich, in der nachvollziehbar, über allgemeine Behauptungen hinausgehend, dargelegt wird, welche Ursachen die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte sachlich rechtfertigen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 73 Rz 131).
Ein unüberwindbares, das Verschulden der Behörde ausschließendes Hindernis für die fristgerechte Erledigung der Sache liegt immer dann vor, wenn der Behörde trotz zweckentsprechender und zügiger Verfahrensführung eine Entscheidung vor dem Einlangen der Beschwerde unmöglich gewesen ist, etwa weil das Verfahren im Einzelfall äußerst komplex ist, Beweise nicht erhoben werden können oder außerhalb der Einflusssphäre der Behörde gelegene Ereignisse das Verfahren blockieren. Der Eintritt eines unüberwindlichen Hindernisses schließt das überwiegende Verschulden der Behörde nicht aus, wenn bereits zuvor schuldhaft Ermittlungen nicht rechtzeitig eingeleitet wurden, wenn also das unüberwindliche Hindernis unmittelbar vor Beschwerdeerhebung aufgetretenen ist, jedoch schon vorher eine auf einem überwiegenden behördlichen Verschulden beruhende Verfahrensverzögerung vorlag (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 73 Rz 137).
Zu § 73 Abs. 2 AVG wurde auch judiziert, dass das Verschulden der zur Entscheidung berufenen Behörde auch dadurch nicht ausgeschlossen wird, dass eine dazu berufene Behörde die erforderliche Zustimmung verweigert, weil die Behörde den Antrag in diesem Fall abzuweisen hat. Grundsätzlich sind Verzögerungen durch eine an der Entscheidung mitwirkungsbefugte Behörde bei der Beurteilung des Verschuldens der zur Entscheidung berufenen Behörde zu berücksichtigen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 73 Rz 133).
Das Bundesamt erklärte im Rahmen der Aktenübersendung, dass die Säumnis der Behörde darauf gründe, dass der Verwaltungsakt in Verstoß geraten sei und zudem eine interne Zuständigkeitsfrage Missverständnisse aufgeworfen hätte. Daraus gehen keine Umstände hervor, wonach die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen wäre. In diesem Zusammenhang ist weiters anzumerken, dass sich aus dem Akteninhalt auch nicht ergibt, dass die Ermittlungsverzögerung durch ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers oder durch unüberwindliche Hindernisse verursacht war.
Daraus folgt, dass die Zuständigkeit hinsichtlich des Antrages des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen ist und es in der Folge über diesen Antrag selbst zu entscheiden hat.
Zu A) Stattgabe des Antrags auf Ausstellung einer Karte für Geduldete:
3.2. § 46a idgF (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017, in Kraft seit 01.11.2017) lautet:
„Duldung
(1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange
1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;
2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;
3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder
4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;
es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.
(2) Die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) während des anhängigen Verfahrens mitzuteilen; über sie ist insbesondere hinsichtlich ihrer Fortdauer im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. § 56 gilt sinngemäß.
(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er
1. seine Identität verschleiert,
2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder
3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.
(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.
(5) Die Karte für Geduldete gilt ein Jahr beginnend mit dem Ausstellungsdatum und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Die Karte ist zu entziehen, wenn
1. deren Gültigkeitsdauer abgelaufen ist;
2. die Voraussetzungen der Duldung im Sinne des Abs. 1 nicht oder nicht mehr vorliegen;
3. das Lichtbild auf der Karte den Inhaber nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt oder
4. andere amtliche Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden sind.
Der Fremde hat die Karte unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen, wenn die Karte entzogen wurde oder Umstände vorliegen, die eine Entziehung rechtfertigen würden. Wurde die Karte entzogen oder ist diese vorzulegen, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und das Bundesamt ermächtigt, die Karte abzunehmen. Von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgenommene Karten sind unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen.
(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet.
Nach dem Gesetzestext des § 46a FPG ist Voraussetzung für die Ausstellung einer "Karte für Geduldete", dass der Aufenthalt des Fremden im Sinne von Abs. 1 dieser Bestimmung geduldet ist, was dann der Fall ist, wenn einer der dort genannten Tatbestände (alternativ) erfüllt ist. Ist einer dieser Tatbestände erfüllt, ist die Karte, aus der sich die Duldung des Aufenthaltes der dort angeführten Person ergibt, auszustellen.
Der Beschwerdeführer stützte seinen Antrag im gegenständlichen Fall darauf, dass die Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden, Gründen unmöglich erscheine. Ein unter § 46a Abs. 1 Z 1, Z 2 oder Z 4 FPG zu subsumierender Sachverhalt wurde seitens des Beschwerdeführers weder vorgebracht, noch ergibt sich ein solcher aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren. Hier wird auch auf die bereits durchgeführten rechtskräftig abgeschlossenen asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren verwiesen, in denen ein solcher Sachverhalt ebenfalls nicht festgestellt werden konnte. Die nicht näher konkretisierte Angabe im Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte vom 15.08.2017, wonach „eine Abschiebung Rechte iSd Art. 2, 3 und 8 EMRK verletzen“ würde, erweist sich demnach als unerheblich, zumal in den vorangegangenen Verfahren bereits die Zulässigkeit der Abschiebung unter dem Gesichtspunkt der erwähnte Grundrechte festgestellt worden war und im nunmehrigen Verfahren keinerlei Neuerungen vorgebracht wurden.
Zu überprüfen ist daher gegenständlich, ob die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Benin aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden, Gründen unmöglich ist.
Unbestritten ist, dass es der belangten Behörde bislang nicht gelungen ist, bei der Botschaft der Republik Benin die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer zu erwirken und der Beschwerdeführer offensichtlich über kein gültiges Reisedokument seines Herkunftsstaates verfügt.
Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf zu hinzuweisen, dass das BFA in seiner Stellungnahme vom 12.01.2021 offensichtlich nicht davon ausgegangen ist, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten einen der in § 46a Abs. 3 FPG genannten Tatbestände verwirklicht und es sei deshalb „jedenfalls“ davon auszugehen, er habe die Gründe für das Vorliegen eines tatsächlichen Abschiebungshindernisses selbst zu vertreten; auch von Amts wegen ließ sich der Aktenlage kein entsprechender Sachverhalt entnehmen. Der Beschwerdeführer hat gleichbleibende Angaben zu seinen Personalien und seiner Staatsbürgerschaft erstattet und dem Bundesamt seinen (abgelaufenen) Personalausweis sowie seine Geburtsurkunde in Kopie und eine Studentenkarte im Original vorgelegt, sodass kein begründeter Hinweis vorliegt, dass dieser unrichtige Identitätsangaben erstattet hat. Ebensowenig lässt sich der Aktenlage entnehmen, dass der Beschwerdeführer einen Ladungstermin in Zusammenhang mit der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder sonst an den zur Erlangung eines solchen Dokuments notwendigen Schritten nicht mitgewirkt oder diese vereitelt hat (siehe im Übrigen zum darüber hinaus notwendigen Kausalzusammenhang VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0078, v.a. Rn. 17).
Mit den zitierten Tatbeständen des § 46a Abs. 3 FPG stehen die sich aus § 46 Abs. 2a FPG ergebenden Mitwirkungspflichten im Zusammenhang. Diese Bestimmung und der Abs. 2b des § 46 FPG lauten seit den Änderungen durch das FrÄG 2017 wie folgt:
„§ 46. ...
(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.
(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.“
Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat gemäß § 46 Abs. 2 FPG – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.
Während im Zuge der vorangegangenen Novellierung des Fremdenpolizeigesetzes mit dem FrÄG 2015 (BGBl I Nr. 70/2015) in § 46 FPG lediglich festgelegt wurde, dass ein Fremder an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken hat, so ist dieser nach der aktuellen Rechtslage nunmehr verpflichtet, sich aus eigenem, proaktiv um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu bemühen.
Das Gesetz setzt es somit als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. – in dessen Auftrag – der Landespolizeidirektion (§ 5 BVA-VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs. 1, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs. 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen.
Die Pflicht des Fremden nach Abs. 2 umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs. 2 erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs. 2 nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist (insoweit ist auf die Erläuterungen zu § 76 Abs. 3 Z 1a zu verweisen).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 30.04.2021, Ra 2020/21/0543-12, Rn 15 ff (im RIS abrufbar seit 26.05.2021), folgende klarstellende Ausführungen zum Umfang der den Fremden treffenden Mitwirkungspflichten nach § 46 Abs. 2 FPG und deren Verhältnis zur Ermächtigung des Bundesamtes nach § 46 Abs. 2a FPG getroffen (darauf Bezug nehmend vgl. auch VwGH 15.05.2021, Ra 2020/21/0203-11):
„Vor diesem Hintergrund erachtet es der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich für gerechtfertigt, die Voraussetzungen für eine Duldung gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG für nicht gegeben anzusehen, wenn der Fremde der sich aus § 46 Abs. 2 FPG ergebenden Verpflichtung, das Bestehen eines Ausreise- und/oder Abschiebehindernisses in Form des Fehlens von gültigen Reisedokumenten aus Eigenem zu beseitigen, nicht nachgekommen ist (vgl. in diesem Sinn zuletzt VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0073, Rn. 18). Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Fremden die Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung - wie in dem zuletzt genannten Fall - mit rechtskräftigem Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b FPG aufgetragen worden war. Damit wird der sachlich gebotene Gleichklang mit der insbesondere von § 46a Abs. 3 Z 2 und 3 FPG erfassten Verletzung der Mitwirkungspflichten nach § 46 Abs. 2a FPG erreicht (siehe dazu auch noch unten in Rn. 19).
Im gegenständlichen Fall wurde dem Revisionswerber zwar kein bescheidmäßiger Auftrag gemäß § 46 Abs. 2 iVm Abs. 2b FPG zur selbständigen Beschaffung eines Reisedokumentes und zur Erbringung eines diesbezüglichen Nachweises erteilt, er wurde jedoch im Rahmen der Niederschrift vom 7. November 2019 aufgefordert, selbständig bei der Botschaft „wegen Erlangung eines Heimreisezertifikates“ vorzusprechen. Nun ist die gegenständliche Konstellation aber dadurch gekennzeichnet, dass vom BFA gleichzeitig - jedenfalls seit Dezember 2019 wieder - ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Revisionswerber geführt wird. Die gesetzliche Grundlage bietet hierfür der in Rn. 11 zitierte Abs. 2a des § 46 FPG, wonach das BFA jederzeit ermächtigt ist, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde das für die Abschiebung notwendige Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument einzuholen und der Fremde daran im erforderlichen Umfang mitzuwirken hat. Zum Verhältnis dieser Verpflichtung des Fremden zu jener nach Abs. 2 der genannten Bestimmung wurde in den in Rn. 14 genannten Gesetzesmaterialien (aaO. 57) zu § 46 Abs. 2a FPG Folgendes klargestellt:
‚Die weitere Anpassung des ersten Satzes dahingehend, dass das Bundesamt nicht verpflichtet, sondern ermächtigt ist, die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde zu beschaffen, erfolgt vor dem Hintergrund des vorgeschlagenen neuen Abs. 2, auf dessen Erläuterungen verwiesen wird. Nach geltender Rechtslage ist es ausschließlich die Aufgabe des Bundesamtes, um die Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes bei der ausländischen Behörde anzusuchen und die hierfür notwendigen Daten zu übermitteln; eine daneben bestehende Verpflichtung des Fremden, außerhalb einer Amtshandlung des Bundesamtes aus Eigenem bei der ausländischen Behörde ein (Ersatz-)Reisedokument zu beschaffen, ist vom geltenden Abs. 2 nicht gedeckt (VwGH 23.03.2017, Ro 2017/21/0005, Rz. 13). Demgegenüber sieht die vorgeschlagene Neufassung des Abs. 2 nunmehr vor, dass der Fremde - vorbehaltlich der Ermächtigung des Bundesamtes nach Abs. 2a - verpflichtet ist, sich eine für die (freiwillige) Ausreise erforderliche Bewilligung, insbesondere ein taugliches Reisedokument, selbst zu beschaffen und sämtliche dafür erforderliche Handlungen aus Eigenem zu setzen. Um insoweit keine einander widersprechenden Pflichten des Fremden - einerseits zur Mitwirkung an einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Beschaffung der für die Abschiebung erforderlichen Bewilligung und andererseits zur eigenständigen Beschaffung eines Reisedokumentes außerhalb einer solchen Amtshandlung - zu normieren, wird die bisherige (ausschließliche) Pflicht des Bundesamtes als Ermächtigung ausgestaltet.
Die Ermächtigung des Bundesamtes gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 2a besteht grundsätzlich neben der eigenständigen Verpflichtung des Fremden gemäß Abs. 2. Dabei darf das Bundesamt jederzeit an die zuständige ausländische Behörde zum Zweck der Beschaffung einer Bewilligung für die Abschiebung herantreten; insbesondere ist es nicht erforderlich, dass der Fremde zunächst selbst gemäß Abs. 2 tätig wird, um sich ein Reisedokument zu beschaffen, und die Bemühungen des Fremden ergebnislos verlaufen sein müssen. Vielmehr steht es jederzeit im Ermessen des Bundesamtes, dem Fremden entweder die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes aufzutragen oder aber (sofort) gegenüber der ausländischen Behörde gemäß Abs. 2a tätig zu werden. Dies wird durch das Wort ‚jederzeit‘ in Satz 1 des vorgeschlagenen Abs. 2a klargestellt.’
Daran knüpfen folgende Erläuterungen zum Abs. 2 (aaO. 56) an, die sich auf die dort enthaltene Parenthese „vorbehaltlich des Abs. 2a“ beziehen:
‚Wie auch in den Erläuterungen zu Abs. 2a festgehalten, besteht zwischen der Pflicht des Fremden zur eigenständigen Beschaffung eines Reisedokumentes und seiner Pflicht zur Mitwirkung an der Vorbereitung der Abschiebung durch das Bundesamt (Abs. 2a) insofern ein Rangverhältnis, als die zuerst genannte Pflicht nur dann zu erfüllen ist - und dem Fremden nur dann mit Bescheid gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 2b auferlegt werden kann -, wenn das Bundesamt von seiner Ermächtigung gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 2a nicht Gebrauch gemacht hat. Dies soll mit der Wortfolge ‚vorbehaltlich des Abs. 2a‘ zum Ausdruck gebracht werden.’
Die Gesetzesmaterialien (v.a. der vorletzte Satz der in Rn. 16 zitierten Passage und die in Rn. 17 wiedergegebenen Erläuterungen) lassen keinen Zweifel, dass für den Fremden keine parallelen (laut dem letzten Satz des ersten Absatzes der in Rn. 16 zitierten Materialien: „einander widersprechenden“) Mitwirkungspflichten nach § 46 Abs. 2 FPG und nach § 46 Abs. 2a FPG bestehen sollen, mag dann auch von einem „grundsätzlichen“ Nebeneinander dieser Pflichten die Rede sein. Macht daher das BFA - wie im vorliegenden Fall schon im Herbst 2016 und auch aktuell im Dezember 2019 - von der Ermächtigung zur Führung eines amtswegigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nach § 46 Abs. 2a FPG Gebrauch und ist der Revisionswerber seiner diesbezüglichen Mitwirkungspflicht nachgekommen, so bestand für ihn keine zusätzliche Verpflichtung, im Sinne des § 46 Abs. 2 FPG aus Eigenem bei der indischen Botschaft die Ausstellung eines Reisedokumentes zu beantragen und dafür einen Nachweis zu erbringen. Dem Revisionswerber durfte daher - insoweit sind die Gesetzesmaterialien ebenfalls eindeutig - auch kein diesbezüglicher Auftrag, der sich im Übrigen missverständlich auf die „Erlangung eines Heimreisezertifikates“ bezog und keinen Hinweis auf eine diesbezügliche Nachweispflicht enthielt, erteilt werden. In dieser Konstellation konnte daher die angenommene Nichterfüllung der sich aus § 46 Abs. 2 FPG ergebenden Verpflichtungen, die das BFA und das BVwG dem Revisionswerber zum Vorwurf machten, nicht zur Versagung einer Karte für Geduldete führen.
Abschließend ist in diesem Zusammenhang noch auf Folgendes hinzuweisen:
Dem Fremden wird zwar zumeist - wie auch im vorliegenden Fall - schon im Hinblick auf die Notwendigkeit, ein entsprechendes Formular mit den Identitätsangaben auszufüllen, die (beabsichtigte) Führung eines behördlichen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bekannt sein, aber er wird regelmäßig keine Kenntnis von dessen Stand und von seiner (erfolglosen) Beendigung haben. So kann auch den dem Verwaltungsgerichtshof gegenständlich vorgelegten Akten nicht entnommen werden, ob und wann das im Herbst 2016 eingeleitete Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Revisionswerber beendet wurde, und ob das im Dezember 2019 eingeleitete diesbezügliche Verfahren neu begonnen wurde oder ob es sich insoweit nur um eine Urgenz samt Übermittlung eines aktuell ausgefüllten Formulars mit den Identitätsangaben des Revisionswerbers handelt. Ebenso wird der Fremde nicht wissen, ob das BFA beabsichtigt, von seiner Ermächtigung nach § 46 Abs. 2a FPG gar nicht Gebrauch zu machen und ihn daher die gesetzliche Verpflichtung nach § 46 Abs. 2 FPG zur eigeninitiativen Besorgung eines Reisepasses trifft. Demzufolge wird es in der Regel eines diesbezüglichen konkreten Auftrags (samt Hinweis auf die Nachweispflicht) - entweder in Form eines Bescheides nach § 46 Abs. 2b FPG oder im Rahmen einer Niederschrift oder sonst in Form einer entsprechenden Belehrung - durch das BFA bedürfen, um dem Fremden bei dessen Nichtbefolgung einen Vorwurf im Sinne des § 46a Abs. 3 FPG machen zu können, die tatsächliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung beruhe auf von ihm zu vertretenden Gründen. Wie bereits in Rn. 18 dargelegt und wie nochmals zu betonen ist, darf eine solche Aufforderung nach der geltenden Gesetzeslage aber nur dann ergehen, wenn kein behördliches Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates im Sinne des § 46 Abs. 2a FPG anhängig ist.“
Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich für das vorliegende Verfahren Folgendes:
Da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seit Februar 2017 von der Ermächtigung zur Führung eines amtswegigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nach § 46 Abs. 2a FPG Gebrauch machte und keine Verletzungen der diesbezüglichen Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers aktenkundig sind, bestand für ihn keine zusätzliche Verpflichtung, im Sinne des § 46 Abs. 2 FPG aus Eigenem bei der Botschaft von Benin die Ausstellung eines Reisedokumentes zu beantragen und dafür einen Nachweis zu erbringen. Ungeachtet dessen erging seitens des Bundesamtes (außerhalb eines behördlichen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates im Sinne des § 46 Abs. 2a FPG) kein diesbezüglich konkreter Auftrag (samt Hinweis auf die Nachweispflicht) – entweder in Form eines Bescheides nach § 46 Abs. 2b FPG oder im Rahmen einer Niederschrift oder sonst in Form einer entsprechenden Belehrung –, welchem es jedoch nach den oben wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs bedurft hätte, um dem Beschwerdeführer bei dessen Nichtbefolgung einen Vorwurf im Sinne des § 46a Abs. 3 FPG machen zu können, die tatsächliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung beruhe auf von ihm zu vertretenden Gründen.
Da das vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl geführte Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft Benin mittlerweile mehr als vier Jahre erfolglos anhängig ist und dem Beschwerdeführer, wie angesprochen, keine Verletzung von Mitwirkungspflichten anzulasten ist, wird der Tatbestand des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG, dass seine Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint, als erfüllt erachtet. Die unstrittig erfolgte Verletzung der Ausreiseverpflichtung ist eine indirekte Voraussetzung der Duldung und kein Umstand, der ihr für sich genommen entgegenstehen könnte (vgl. VwGH 17.05.2021, Ra 2020/21/0203-11, Rn 21).
Der Beschwerdeführer erfüllt demnach die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Duldungskarte, weshalb dem Antrag spruchgemäß stattzugeben war. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird dem Beschwerdeführer demnach gemäß § 46a Abs. 4 FPG eine Karte für Geduldete auszustellen zu haben.
Gemäß § 46a Abs. 2 FPG kann die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Sollte für den Beschwerdeführer künftig ein (Ersatz-)Reisedokument erlangt werden können, würde seine Duldung im Bundesgebiet demnach enden.
3.3. Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass dem verfahrenseinleitenden Antrag stattzugeben ist, konnte die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insb. VwGH 30.04.2021, Ra 2020/21/0543-12; 17.05.2021, Ra 2020/21/0203-11) bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Entscheidungsfrist Heimreisezertifikat Mitwirkungspflicht Säumnisbeschwerde Verletzung der EntscheidungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W212.2238684.1.00Im RIS seit
18.10.2021Zuletzt aktualisiert am
18.10.2021