Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §36 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Dr. G in W gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. Mai 1996, Zl. SD 153/96, betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. Jänner 1996 war über den Beschwerdeführer gemäß § 34 AVG eine Ordnungsstrafe verhängt worden, weil er in einem mit 12. Dezember 1995 datierten Schreiben wörtlich wiedergegebene, als beleidigende Schreibweise qualifizierte Äußerungen gemacht hatte. Den Anlaß zur Verfassung dieses Schreibens bildete ein bei der Erstbehörde anhängiges Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers. Das Schreiben war als "Beschwerde gem. SPG", als "Antrag auf bescheidmäßige Feststellung" (des Nichtvorliegens von strafbaren Handlungen nach dem KFG 1967) sowie als Antrag auf Versetzung eines namentlich genannten Beamten der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, bezeichnet worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der gegen den Bescheid vom 10. Jänner 1996 erhobenen Berufung keine Folge gegeben und dieser Bescheid bestätigt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 2 AVG ist gegen einen Bescheid, mit dem u. a. eine Ordnungsstrafe verhängt wird, die Berufung ohne aufschiebende Wirkung an die vorgesetzte Behörde zulässig, die endgültig entscheidet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1987, Slg. Nr. 12.429/A, ausgesprochen, daß unter der vorgesetzten Behörde im Sinne des § 36 Abs. 2 AVG jene zu verstehen ist, die in der den Gegenstand der Verhandlung bildenden Angelegenheit als Berufungsbehörde, im Falle der Abkürzung des Instanzenzuges als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde einzuschreiten hätte.
Die Angelegenheit, in der die in Rede stehende Eingabe des Beschwerdeführers verfaßt wurde, wird dadurch bestimmt, ob ein Verwaltungsverfahren vor der Behörde, die Adressat der Eingabe ist, abhängig war, anhängig ist oder anhängig gemacht werden soll, welchem die Eingabe zuzurechnen ist. Die so verstandene Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens ist Voraussetzung dafür, daß das AVG überhaupt anzuwenden ist. Unter diesem Gesichtspunkt wurde die Eingabe des Beschwerdeführers vom 19. Dezember 1995 in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens eingebracht.
Wird das Schreiben des Beschwerdeführers vom 19. Dezember 1995 aber als Eingabe in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens qualifiziert, war die belangte Behörde nicht zuständig, über die Berufung gegen die Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise in diesem Schreiben zu entscheiden. Sie ist nicht die vorgesetzte Behörde im Sinne des § 36 Abs. 2 AVG, weil nach § 123 Abs. 1 erster Satz KFG 1967 der Landeshauptmann die einer Bundespolizeidirektion gegenüber im Instanzenzug übergeordnete Behörde ist.
Die im Schreiben vom 19. Dezember 1995 gestellten Anträge ändern daran nichts. Soweit diese Anträge kraftfahrrechtlichen Inhalts sind, gilt das Gesagte. Was den Bereich des Dienstrechtes betrifft, ist - ungeachtet des Umstandes, daß dem Beschwerdeführer kein Antragsrecht betreffend Versetzung eines Beamten zukommt - die belangte Behörde nicht Berufungsbehörde. Eine "Beschwerde gem. SPG" wäre schließlich an den zuständigen unabhängigen Verwaltungssenat zu richten gewesen und der belangten Behörde käme in diesem Zusammenhang keinerlei Zuständigkeit zu (abgesehen davon, daß offenkundig keine Angelegenheit der allgemeinen Sicherheitspolizei vorgelegen ist).
Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Beschwerdeführer hat einen allgemeinen Antrag auf Zuspruch von Aufwandersatz im Sinne des ersten Satzes des § 59 Abs. 3 VwGG gestellt. Nach dieser Bestimmung sind "die tatsächlich entrichteten Stempelgebühren" zu ersetzen. Der Beschwerdeführer hat bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes keine Stempelgebühren entrichtet.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996110211.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
21.09.2011