TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/19 W159 2245374-1

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Veröffentlicht am 19.08.2021
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Entscheidungsdatum

19.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch


W159 2245374-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger von Gambia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2021 Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 68 Abs. 1 AVG, 57 AsylG iVm § 9 BFA-VG, 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9, 46 und 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Gambia, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.02.2018 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Nach der Erstbefragung wurde er dazu am 09.08.2018 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Er gab zu seinen Fluchtgründen an, dass im Alter von 13 Jahren seine Mutter und ein Jahr später sein Vater verstorben sei. Einen Monat, nachdem sein Vater verstorben sei, habe er Gambia verlassen. Er habe nur eine jüngere Schwester in Gambia und sonst keine Verwandten. Mit den Behörden seines Heimatlandes habe er keine Probleme gehabt. Er sei in Gambia niemals konkret bedroht oder verfolgt worden. Auch bei der Ausreise habe es keine Probleme gegeben, er habe lediglich in Gambia keine Perspektive gehabt. Ein Onkel wurde ausdrücklich nicht erwähnt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2018 Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Gambia zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen festgelegt.

In der Begründung des Bescheides wurde zunächst die oben bereits im Wesentlichen Inhalt wiedergegebene Einvernahme dargestellt und anschließend Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen. Zu Spruchpunkt I. wurde insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer selbst niemals eine Bedrohung oder Verfolgung in Gambia behauptet habe und auch keine solche bei einer Rückkehr fürchte. Der Beschwerdeführer habe offenbar den Herkunftsstaat aus persönlichen und rein wirtschaftlichen Gründen verlassen und würden diese Gründe keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK darstellen, sodass der Status eines Asylberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen sei. Zu Spruchpunkt II. wurde zunächst darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer schon als Minderjähriger in der Lage gewesen sei sich selbst zu versorgen und die Reise von Gambia bis Österreich selbst zu organisieren. Er sei jung, gesund und arbeitsfähig und mit der Situation in XXXX vertraut. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände deute nichts darauf hin, dass er bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer realen Gefahr einer Verletzung von Art.2, Art 3. EMRK oder der Protokollnummer 6 oder Nummer 13 zur Konvention ausgesetzt wäre und hätten sich auch keine Hinweise darauf ergeben, dass er in Gambia in eine lebensbedrohliche Notlage geraten würde. Außerdem leide er auch an keiner schweren psychischen oder physischen Erkrankung und würde er bei der Rückkehr eine finanzielle Rückkehrhilfe erhalten, sodass auch insgesamt keine Hinweise auf das Vorliegen von Gründen, welche zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würden, bestünden. Weiters wurde zu Spruchpunkt III. ausgeführt, dass keine der Zuerkennungsvoraussetzungen des § 57 AsylG vorläge.

Zu Spruchpunkt IV. wurde zunächst darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten oder sonst ihm nahestehenden Personen habe und es keine Hinweise auf familiäre Anknüpfungspunkte geben würde. Hinsichtlich des Privatlebens wurde darauf hingewiesen, dass keine Integrationsverfestigung habe festgestellt werden können und der Beschwerdeführer erst seit wenigen Monaten in Österreich aufhältig sei. Er sei hingegen in Gambia geboren und aufgewachsen und habe dort sein gesamtes bisheriges Leben verbracht und die Sozialisierung sei dort erfolgt. Außerdem habe er dort eine Schwester, welche bei Bekannten lebe. Die Bindung zum Heimatstaat könne somit höher eingeschätzt werden, als jene zu Österreich. Schließlich sei der Beschwerdeführer auch unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist. Bei einer Gesamtbetrachtung der Situation nach Abwägung aller Interessen sei festzustellen, dass kein Aufenthaltstitel nach § 55 zu erteilen gewesen sei und eine Rückkehrentscheidung als zulässig zu bezeichnen gewesen sei. Zu Spruchpunkt V. wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG behauptet habe und einer Abschiebung nach Gambia auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sodass eine Rückkehrentscheidung für zulässig zu erachten sei. Zu Spruchpunkt IV. wurde schließlich ausgeführt, dass im vorliegenden Fall keine Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bestünden.

Dieser Bescheid wurde rechtswirksam durch Hinterlegung im Akt am 03.09.2018 zugestellt.

Der Beschwerdeführer stellte nach Anhaltung im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle am 02.01.2021 den (zweiten) nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Zu seinen Fluchtgründen gab er bei der Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Wien, Abteilung Fremdenpolizei am 02.01.2021 an, dass seine früheren Asylgründe nach wie vor aufrecht seien, es jedoch weitere hinzugekommen seien. Sein Onkel XXXX sei damals, als er seine Heimat verlassen habe, ein ranghoher Offizier bei Militär gewesen und sei vor ca. fünf Monaten verhaftet worden. Beim letzten Regierungsumsturz sei sein Onkel an einem Massaker beteiligt gewesen. Seit seiner Verhaftung suchten Mitglieder der betroffenen Familie nach ihm, um sich an ihm zu rächen.

Am 27.03.2021 erfolgte eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab an, dass er der Volksgruppe der Mandinka angehöre und Mandingo, Englisch, Fula und Wolof spreche. Er habe nicht die Absicht gehabt, zu diesem „Interview“ zu kommen, weil er Musiker sei und noch Sachen zu tun gehabt habe. Er habe eine gute Freundin, die im XXXX wohne. Meistens würden sie nur schreiben oder sich an öffentlichen Plätzen treffen, manchmal schlafe er auch bei ihr. Die meiste Zeit verbringe er draußen im Freien, er habe auch einen guten österreichischen Freund. Über Nachfrage gab er an, dass er manchmal Marihuana rauche und manchmal auch Extasy nehme. Das Geld dafür habe er von einer Freundin bekommen, er verneinte aber drogenabhängig zu sein.

Der Beschwerdeführer wiederholte seine Personalien, er sei Staatsbürger von Gambia und als Muslime geboren, er trinke jetzt aber Alkohol und esse Schweinefleisch. Er sei ledig und habe keine Kinder, er habe in Gambia nur eine jüngere Schwester und einen Onkel. Zu den Fluchtgründen gefragt gab er an, dass er in Österreich leben möchte, er sehe hier seine Zukunft, er möchte hier Musik machen. Er habe auch jemanden, der ihn für seine Musik unterstütze. Das sei der Grund, warum er nicht nach Gambia wolle. Er möchte hier auch eine Familie gründen und heiraten. Nachmals nachgefragt gab er an, dass er keine weiteren Fluchtgründe habe.

In Gambia habe er keine Unterkunft gehabt. Befragt, wann er den letzten Kontakt mit seinem Onkel gehabt habe gab er an, dass er sich nicht daran erinnern könne. Er habe keine Beschäftigung in Österreich, er gehe nur manchmal in den Second-Hand-Shop und kaufe dort billige Kleidungsstücke, die er wieder verkaufe und manchmal nehme er aus den Kleiderspendeboxen Kleidung und verkaufe sie. Er möchte ein großer berühmter Musiker werden. Erst über Inhalte der Länderinformationen führte er aus, dass sein Onkel ein TRC sei, wobei er vorher von TRRC gesprochen habe, das wären Soldaten des ehemaligen Präsidenten. Sein Onkel sei einer von ihnen, es wären schlimme Leute und andere würden sich an ihm rächen wollen. Er habe den Namen seines Onkels nur im Zuge des Interviews von anderen „Junglers“ gehört. Bei einer Rückkehr in seine Heimat werde er ein toter Mensch werden. In Österreich sei er glücklich.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.07.2021 Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Gambia zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. festgelegt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

In der Begründung wurden die bereits oben im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt. Festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer keiner Risikogruppe für die COVID-19 Erkrankung angehöre und, dass der Beschwerdeführer die bei der polizeilichen Erstbefragung erwähnten Gründe nicht bei der Einvernahme beim Bundesamt erwähnt habe. In der Folge wurden Feststellungen zu Gambia getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführe bloß einen unkonkreten Sachverhalt behauptet habe, die bei der Erstbefragung behauptete Verfolgung im Zuge der Einvernahme durch das BFA nicht mehr erwähnt habe, sondern lediglich ausgeführt habe, dass er Musiker wäre und in Österreich bleiben wolle. Der Beschwerdeführer habe somit kein fundiertes bzw. nachvollziehbares Vorbringen erstattet. Die erkennende Behörde sei daher zwingend zu dem Schluss gekommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sacherhalt unverändert sei.

Zu Spruchteil I. und II. wurde insbesondere ausführt, dass im vorliegenden Fall eine „entschiedene Sache vorliege“ und weder sich in der maßgeblichen Sachlage und zwar sowohl in dem Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch in Bezug auf jenen, welcher von Amtswegen aufzugreifen sei, noch im Begehren, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erschienen ließe. Somit stehe die Rechtskraft des ergangenen Bescheides des Bundesamtes dem neuerlichen Antrag entgegen, weshalb das Bundesamt zur Zurückweisung verpflichtet gewesen sei. Weiters seien die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben (Spruchpunkt III.) und liege auch kein Familienleben in Österreich vor. Aufgrund der kurzen Dauer des Aufenthaltes und dem Fehlen einer besonderen Integrationsverfestigung könne auch nicht von einer nachhaltigen Integration gesprochen werden und sei daher ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG nicht zu erteilen gewesen und eine Rückkehrentscheidung als zulässig zu bezeichnen gewesen (Spruchpunkt IV.). Zu Spruchpunkt V. wurde darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall sich keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG ergeben habe und das individuelle Risiko des Beschwerdeführers bei einer Rückführung an Sars-Cov 2 schwer oder gar tödlich zu erkranken sehr niedrig sei und schließlich auch einer Abschiebung nach Gambia keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sodass diese als zulässig zu bezeichnen gewesen sei. Zu Spruchpunkt VI. wurde darauf hingewiesen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG im Falle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller unter Anschluss einer Vollmacht an die Bundesbetreuungsagentur, durch diese gegen alle Spruchpunkte fristgerecht Beschwerde. Vorgebracht wurde, dass sich seit dem ersten Asylverfahren der Sachverhalt wesentlich maßgeblich geändert habe und beim Beschwerdeführer ein objektiver Nachfluchtgrund eingetreten sei, zumal der Onkel des Beschwerdeführers zur Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Yahya Jammeh Angehöriger der paramilitärischen Gruppe der Junglers gewesen sei und sein Onkel als Verantwortlicher für begangene Grausamkeiten erwähnt worden sei, weswegen der Beschwerdeführer Rache fürchte. Außerdem wurde kritisiert, dass die Beweiswürdigung mangelhaft geblieben sei, weil sie sich auf Widersprüche zur Erstbefragung stütze sowie, dass nicht eine nähere Befragung zu den Fluchtgründen erfolgt sei. Außerdem seien die Länderfeststellungen mangelhaft und habe die Behörde auch die Rückkehrentscheidung mangelhaft begründet. Weiters wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung kritisiert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd. § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913;

27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235; 17.9.2008, 2008/23/0684; 11.11.2008, 2008/23/1251; 19.2.2009, 2008/01/0344; 6.11.2009, 2008/19/0783). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344; 6.11.2009, 2008/19/0783).

Wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, ist eine neue Sachentscheidung auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266; 15.10.1999, 96/21/0097; 25.04.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684).

Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; 26.07.2005, 2005/20/0343, mwN). Nimmt man daher eine positive Entscheidungsprognose an, dh könnten die behaupteten neuen Tatsachen - gemessen an der dem Bescheid der Erstinstanz im Erstverfahren zu Grunde liegenden Rechtsanschauung - zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse (gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Urkunden) einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl VwGH 19.7.2001, 99/20/0418; 16.02.2006, 2006/19/0380; 29. 11.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626). Das Bundesasylamt hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers oder mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen sein ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl auch VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 4.5.2000, 98/20/0578; 4.5.2000, 99/20/0193; 7.6.2000, 99/01/0321; 21.9.2000, 98/20/0564; 20.3.2003, 99/20/0480; 4.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226; 29.9.2005, 2005/20/0365; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344).

Bei der Prüfung der "Identität der Sache" ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen. Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 2.7.1992, 91/06/0207 mwN). Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.04.2002, 2000/07/0235). Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl VwGH 09.09.1999, 97/21/0913).

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.10.1991, 91/09/0069; 30.05.1995, 93/08/0207).

Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (VwGH 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesasylamt jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400; 15.9.2010, 2008/23/0334 mwN; 15.12.2010, 2007/19/0265).

"Sache" des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob das BFA zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer bei seinem ersten Asylantrag keine der GFK entsprechende Gründe darlegen konnte, sondern lediglich im Wesentlichen angegeben hat, dass er aus familiären Gründen und Perspektivenlosigkeit im Herkunftsland nach Österreich gereist sei.

In der inhaltlichen Befragung durch das BFA zu seinem zweiten Asylantrag am 27.03.2021, hat er wiederum keine der GFK entsprechenden Gründe, sondern lediglich angegeben, dass er in Österreich Musik machen möchte und, dass er in Österreich zum Unterschied von Gambia jemanden habe, der ihn für seine Musik unterstütze und er hier eine Familie gründen und heiraten möchte. Auf nochmalige Nachfrage, ob er diesen Gründen noch irgendetwas hinzufügen möchte, verneinte er dies ausdrücklich. Erst über Vorhalt der Länderfeststellungen erwähnte er seinen Onkel, der ein „TRC“ sei, wobei er vorher etwas von einer paramilitärischen Gruppierung namens TRRC (Troups of making free) sprach, welche sich auch Jungler nennen würden, erwähnte, es wären ehemalige Soldaten des ehemaligen Präsidenten, die in illegaler Weise Personen töten würden. Dieses Vorbringen steht insgesamt im Widerspruch zu dem Vorbringen in der Erstbefragung, das durchaus detailliert war und wo er behauptete, dass sein Onkel (offenbar noch zur Amtszeit des Präsidenten Jammeh) an einem bzw. im Zuge des Umsturzes an einem Massaker beteiligt gewesen sei. Dieses Vorbringen steht sowohl im Widerspruch zu seinen abschließend angegebenen Fluchtgründen in Österreich Musik machen zu wollen und eine Familie gründen zu wollen, aber auch zu dem Vorbringen, dass der Onkel des Beschwerdeführers nunmehr bei einer paramilitärischen Gruppe sei, die für eine Wiedermachtergreifung des früheren Präsidenten kämpft, wobei er in der Folge nur ein Vorbringen vom Hören-Sagen zu seinem Onkel erstattete und festzustellen ist, dass insgesamt sein Vorbringen sehr vage und oberflächlich geblieben ist.

Mag die Ersteinvernahme gem. § 19 Abs. 1 AsylG 2005 auch in erster Linie der Ermittlung der Identität und der Reiseroute dienen, so hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall sehr konkrete und ausführliche Angaben gemacht. In diesem Sinne sind andere Angaben in der Erstbefragung als in der folgenden Befragung durch das BFA durchaus als ein Indiz für die Unglaubwürdigkeit der Fluchtgründe zu werten (siehe z.B. auch BVwG vom 20.10.2015, Zahl W159 1435846-1/11E), zumal grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden muss (so schon VwGH vom 08.04.1987, Zahl 85/01/0299, VwGH vom 05.10.1988, Zahl 88/01/0155, VwGH vom 02.01.2017, Ra 2016/18/0323).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Behörde zurecht davon ausgegangen ist, dass den behaupteten Sachverhaltsänderungen ein glaubhafter Kern fehlt bzw. (wiederum) - jeglicher Zusammenhang zu den in der GFK taxativ aufgezählten Verfolgungsgründen fehlt.

Im Lichte der vorangegangenen Ausführungen ist demnach eine andere Beurteilung der seinerzeit in den ersten Asylverfahren geltend gemachten Umständen, die zu einem anderen Spruch führen würden, als ausgeschlossen zu qualifizieren.

Weiters ist auszuführen, dass sich ein Antrag auf internationalen Schutz auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten richtet und daher auch Sachverhaltsänderungen die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen sind (vgl. VwGH 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344).

Auch im Hinblick auf Art. 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei einer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Es haben sich keine Hinweise auf eine schwerwiegende bzw. lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers ergeben. Vielmehr hat er angegeben, gesund zu sein bzw. nicht in ärztlicher Behandlung zu stehen und finden sich auch in der Beschwerde keine gegenteiligen Ausführungen. Dort wurden keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen erwähnt und dementsprechend auch keine medizinischen Befunde vorgelegt.

Dem Ergebnis im angefochtenen Bescheid, wonach der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat im Lichte des Art. 3. EMRK nicht entgegensteht, wurde auch in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

Es sind im gegenständlichen Asylverfahren auch keine Umstände hervorgekommen, die den Beschwerdeführer bei einer Abschiebung in eine "unmenschliche Lage" versetzen würde. Beim Beschwerdeführer handelt es sich unverändert um einen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter, den keine Sorgepflichten treffen. Selbst wenn der Beschwerdeführer keine familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat vorfindet, wird es ihm bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat zumutbar sein, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften, wie dies auch die übrige Bevölkerung im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers macht. Die wirtschaftliche Situation im Herkunftsstaat gestaltet sich nicht derart, dass diese einer Abschiebung dorthin entgegenstehen würde.

Letztendlich ergibt sich aus der aktuellen Länderdokumentation des BFA zu Gambia auch, dass kein Grund besteht, davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer reellen Gefahr einer Gefährdung gem. Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK auszugehen ist.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführer gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann. Der angefochtene Bescheid war sohin auch hinsichtlich Spruchpunkt II. zu bestätigen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Februar 2018 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Ferner erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten im gegenständlichen Verfahren nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Unter Volljährigen reicht das rechtliche Band der Blutsverwandtschaft allein nicht, um ein Familienleben iSd Art. 8 MRK zu begründen. Hier wird auf das tatsächliche Bestehen eines effektiven Familienlebens abgestellt, darüber hinaus müssen zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit gegeben sein, die über die sonst üblichen Beziehungen hinausgehen. Vgl. ua. EGMR 30.11.1999 (Baghli gegen Frankreich) Z 35; EGMR Ezzouhdi (FN 9) Z 34; EGMR 10.07.2003 (Benhebba gegen Frankreich); EGMR 17.01.2006 (Aoulmi gegen Frankreich).

Der Beschwerdeführer führt im Bundesgebiet kein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK. Er ist ledig und hat keine leiblichen Kinder.

Ist im gegenständlichen Fall demnach ein Eingriff in das Familienleben iSd. Art. 8 EMRK zu verneinen, bleibt noch zu prüfen, ob mit der Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingriffen wird und ob ein derartiger Eingriff gerechtfertigt ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Der VwGH hat zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl. dazu VwGH 30.07.2015, 2014/22/0055; 23.06.2015, 2015/22/0026; 10.11.2010, 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Umgelegt auf den vorliegenden Fall ergibt sich Folgendes:

Der Beschwerdeführer ist spätestens am 22.02.2018 illegal nach Österreich eingereist, er ist somit ca. dreieinhalb Jahre in Österreich aufhältig. Der Beschwerdeführer hat auch von sich aus keine Dokumente zu seiner Integration, wie Deutschdiplome, Pflichtschulabschluss oder dergleichen vorgelegt. Wenn er auch strafrechtlich unbescholten ist, so gibt er selbst zu, gelegentlich Marihuana und Ecstasy zu konsumieren und illegalerweise aus Altkleidercontainer Kleidungsstücke zu entnehmen und zu verkaufen. Der Beschwerdeführer behauptet wohl Musik zu machen und gelegentlich unterstützt zu werden, es gibt jedoch keine Hinweise auf eine Selbsterhaltungsfähigkeit. Er behauptet wohl, eine Freundin zu verfügen, behauptet jedoch keineswegs eine Lebensgemeinschaft. Insgesamt ist jedenfalls festzustellen, dass weder eine ausreichende Zeit für einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG vorliegt, noch eine tiefergehende Integration des Beschwerdeführers in Österreich feststellbar ist.

Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat aufgewachsen ist und sozialisiert wurde, und auch die im Herkunftsstaat gängigen Sprachen spricht, überwiegen bei einer Zusammenschau aller Aspekte jene Umstände, die für eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat sprechen.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau festzuhalten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass die Rückkehrentscheidung einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt.

Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig. Daher sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia ist gegeben, da nach den die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde, was auch im angefochtenen Bescheid erneut überprüft wurde. Aus den im angefochtenen Bescheid zitierten Länderinformationen ergibt sich keine für den gesunden, jungen, arbeitsfähigen und arbeitswilligen Beschwerdeführer veränderte Situation seit dem rechtskräftigen Bescheid des BFA. In der Beschwerde wurde der Beurteilung der Situation des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat im angefochtenen Bescheid auch nichts Konkretes bzw. Substantiiertes entgegengehalten.

Das BFA ist sohin zu Recht davon ausgegangen, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia zulässig ist.

§ 55 Abs. 1a FPG normiert als Konsequenz einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise entfällt.

Aufgrund des Verfahrensergebnisses war auf den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht mehr einzugehen.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) - folgend: GRC - hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge Abs. 2 leg.cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, folgt die Verhandlungspflicht bei einer vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochenen Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich den § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG (VwGH vom 17.10.2018 Ra2018/01/0435, VwGH vom 03.04.2019 Ra2019/20/0104,).

Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, so ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG kann unbeschadet des Abs. 2 das Bundesverwaltungsgericht über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, der diese von Gesetzwegen nicht zukommt, oder der diese von Gesetzwegen aberkannt wurde und über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.

Projiziert auf den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies, dass aus dem Inhalt der Verwaltungsakte die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern oder die angefochtene Entscheidung zu beheben.

Das BFA hat sich sohin ausreichend und abschließend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Die Ermittlung des Sachverhaltes durch das BFA war demnach nicht zu beanstanden.

Der maßgebliche Sachverhalt war demnach aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen.

Dem Bundesverwaltungsgericht liegt sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unterbleiben konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich vielmehr ausdrücklich auf die Judikatur des VwGH.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Folgeantrag Identität der Sache Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliche Interessen Privat- und Familienleben Prozesshindernis der entschiedenen Sache res iudicata Resozialisierung Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W159.2245374.1.00

Im RIS seit

18.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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