TE Vwgh Erkenntnis 1975/10/29 0944/75

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Veröffentlicht am 29.10.1975
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Index

Stempel- und Rechtsgebühren
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken

Norm

ABGB §233
ABGB §271
B-VG Art131 Abs1
GebG 1957 §17 Abs1
GebG 1957 §19 Abs2
GebG 1957 §33 TP18
GebG 1957 §33 TP8
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Eichler und die Hofräte Dr. Schima, Dr. Reichel, Dr. Seiler und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Tintera, über die Beschwerde des Dr. MV in O, vertreten durch Dr. Günther Bernhart, Rechtsanwalt in Oberwart, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. Mai 1975, Zl. GA 11-1120/75, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wird insoweit, als die Berufung des Beschwerdeführers wegen der Festsetzung von Rechtsgebühr (§ 33 TP 18 des Gebührengesetzes 1957) im Betrag von S 24.000,-- als unbegründet abgewiesen worden ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner beschlossen, die Beschwerde, soweit sie sich gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom 18. Februar 1975, BRP 2639/75 BAP 75/6608, richtet, als unzulässig zurückzuweisen.

Begründung

Laut Schuldschein vom 15. November 1974 hatte der Beschwerdeführer von seinen mj. Kindern JV, CV und SV ein Darlehen von S 2,000.000,-- ausbezahlt erhalten. In diesem Schuldschein hatte der Beschwerdeführer die ihm gehörige Liegenschaft EZ. 850 des Grundbuches O. für einen Betrag von S 3,000.000,-- zugunsten seiner Kinder verpfändet und die entsprechende Aufsandungsklausel erteilt. Laut der in den Akten erliegenden Abschrift war der Schuldschein vom Beschwerdeführer, ferner von Dkfm. W als Kollisionskurator für JV und CV und von Dr. ML als Kollisionskurator für SV unterschrieben. Mit Beschluß vom 20. November 1974 erteilte das Bezirksgericht O. diesem Schuldschein die pflegschaftsbehördliche Genehmigung.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in W. erließ am 17. Jänner 1975 an den Beschwerdeführer einen „Haftungsbescheid gemäß § 30 des Gebührengesetzes“: Gemäß § 33 TP 8 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267 (GebGes), schrieb das Finanzamt dem Beschwerdeführer die einprozentige Darlehensvertragsgebühr im Ausmaß von S 20.000,-- vor. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen und bildet keinen Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Am 17. Dezember 1974 unterfertigte der Beschwerdeführer - nach der Aktenlage nur dieser - einen Nachtrag zum Schuldschein vom 15. November 1974. Der Beschwerdeführer bestätigte in diesem Nachtrag, noch einen weiteren Darlehensbetrag von S 138.000,-- von den Gläubigern ausbezahlt erhalten zu haben und auch diesen Betrag den Gläubigern schuldig geworden zu sein. Laut Nachtrag vertrete das Bezirksgericht O. die Rechtsansicht, es könne nur jener Betrag im Grundbuch eingetragen werden, welcher dem tatsächlich ausbezahlten Darlehensbetrag entspricht. Die Gläubiger wie auch der Schuldner - der nunmehrige Beschwerdeführer - erklärten sich laut Text des Nachtrages im Hinblick auf die Rechtsansicht des Gerichtes damit einverstanden, daß nur der tatsächlich ausbezahlte Darlehensbetrag von S 2,000.000,-- zuzüglich des Betrages von S 138.000,-- im Grundbuch sichergestellt werde. Der Beschwerdeführer verpfände daher die Liegenschaft EZ. 850 des Grundbuches O. zur Sicherstellung dieser beiden Beträge und bewillige ausdrücklich die Einverleibung für die Darlehensforderung im Betrag von S 2,138.000,-- samt einer Nebengebührenkaution von S 427.600,--. Alle sonstigen Bestimmungen des Schuldscheines vom 15. November 1974 blieben aufrecht.

Mit Bescheid vom 18. Februar 1975 setzte das Finanzamt für diesen Nachtrag gemäß § 33 TP 8 GebGes die einprozentige Darlehensvertragsgebühr im Ausmaß von S 1.380,-- und gemäß § 33 TP 18 ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in der Höhe von S 2,400.000,-- die einprozentige Hypothekarverschreibungsgebühr im Betrage von S 24.000,-- fest.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht Berufung und erklärte, es sei nur die Vorschreibung eines Differenzbetrages von S 5.380,-- statt des Betrages von S 25.380,-- gerechtfertigt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 13. März 1975 wurde das Rechtsmittel des Beschwerdeführers vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen, doch gehört die Rechtsmittelentscheidung erster Instanz nicht mehr dem Rechtsbestand an, da der Beschwerdeführer fristgerecht die Vorlage seines Rechtsmittels an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte. In seinem Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer aus, die Schuldurkunde vom 15. November 1974 enthalte eine Darlehensgewährung von S 2,000.000,-- und zur Sicherung dieses Darlehens eine Pfandbestellung über den Betrag von S 3,000.000,--. Die Pfandbestellung und die Darlehensgewährung seien als einheitlicher Rechtsvorgang und als einheitlicher gebührenpflichtiger Tatbestand anzusehen. Mit dem Nachtrag vom 17. Dezember 1974 sei lediglich die ursprüngliche Pfandbestellung von S 3,000.000,-- auf S 2,000.000,-- verkürzt worden. Zusätzlich seien dann die „Bestellungen und Erhöhungen einer Nebengebührenkaution“ erfolgt.

Mit der nunmehr durch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung vom 7. Mai 1975 hat die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Den Rechtsmittelausführungen des Beschwerdeführers hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz folgendes entgegengehalten. Im Schuldschein vom 15. November 1974 sei der Empfang eines Darlehens durch den Beschwerdeführer im Betrag von S 2,000.000,-- beurkundet worden. Hievon habe das Finanzamt die Gebühr gemäß § 33 TP 8 GebGes bescheidmäßig angefordert, wobei die pfandrechtliche Sicherstellung, unabhängig von deren Höhe, die Gebührenbefreiung gemäß § 19 Abs. 2 GebGes genossen habe. Demgegenüber habe aber die besagte Gebührenbegünstigung für die im gegenständlichen Nachtrag vom 17. Dezember 1974 gesondert beurkundete Pfandbestellung samt Nebengebührenkaution über S 2,400.000,-- nicht beansprucht werden können, weil es sich bei dieser Pfandbestellung um einen gemäß § 33 TP 18 selbständigen gebührenpflichtigen Tatbestand handle. Lediglich die auf den Darlehensbetrag von S 138.000,-- entfallende Pfandbestellung in der Höhe von S 138.000,-- samt Nebengebührenkaution von S 27.600,-- sei von der Gebührenpflicht auszunehmen gewesen.

Gegen diese Berufungsentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer bekämpft den Bescheid der Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 7. Mai 1975 insoweit, als ihm gemäß § 33 TP 18 GebGes eine Rechtsgebühr im Ausmaß von S 24.000,-- vorgeschrieben worden ist. In diesem Ausmaß verlangt der Beschwerdeführer auch die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides vom 18. Februar 1975.

Der Beschwerdeführer legt dar, daß der den Sachverhalt klarstellende Nachtrag zum seinerzeitigen Schuldschein vom 15. November 1974 keinen selbständigen gebührenpflichtigen Tatbestand begründe, sondern lediglich eine genaue Auslegung des Sachverhaltes und eine abgeänderte Einverleibungsbewilligung enthalte. Dieser, den Sachverhalt klarstellende Nachtrag könne einen selbständigen gebührenpflichtigen Tatbestand nicht begründen. Von einer gesondert beurkundeten Pfandbestellung samt Nebengebührenkaution über S 2,400.000,-- könne keine Rede seine.

Über die vorliegende Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nachstehendes erwogen:

Die Abgabenbehörden haben die strittige Abgabenfestsetzung auf § 33 TP 18 GebGes gestützt. Nach dieser Tarifpost beträgt die Rechtsgebühr für Hypothekarverschreibungen, wodurch zur Sicherstellung einer Verbindlichkeit eine Hypothek bestellt wird, 1 v.H. nach dem Werte der Verbindlichkeit, für welche die Hypothek eingeräumt wird.

Die belangte Behörde meint nun in ihrer Gegenschrift, im Nachtrag vom 17. Dezember 1974 wurden „unbestrittenermaßen“ zwei Rechtsgeschäfte - ein Darlehensvertrag und eine Hypothekarverschreibung - beurkundet. Gemäß § 19 Abs. 2 GebGes sei im gegenständlichen Fall Gebührenfreiheit nur insoweit gegeben, als sich die Hypothekarverschreibung auf den im Nachtrag beurkundeten Darlehensvertrag über S 138.000,-- beziehe, also hinsichtlich eines Teilbetrages von S 138.000,-- zuzüglich einer Nebengebührenkaution von S 27.600,--. Im übrigen sei der Nachtrag nach § 19 Abs. 2 GebGes gebührenpflichtig.

Dieser Auffassung der belangten Behörde vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen.

Gemäß § 19 Abs. 2 GebGes ist die Gebühr für jedes einzelne Rechtsgeschäft zu entrichten, wenn in einer Urkunde mehrere Rechtsgeschäfte derselben oder verschiedener Art, die nicht zusammenhängende Bestandteile des Hauptgeschäftes sind, abgeschlossen werden. Dies gilt aber nicht für die in der Urkunde über das Hauptgeschäft zwischen denselben Vertragsteilen zur Sicherung oder Erfüllung des Hauptgeschäftes abgeschlossenen Nebengeschäfte und Nebenverabredungen, gleichgültig, ob das Hauptgeschäft nach dem Gebührengesetz oder einem Verkehrsteuergesetz einer Gebühr oder Verkehrsteuern unterliegt.

Der Hinweis der belangten Behörde auf den zweiten Satz des § 19 Abs. 2 GebGes vermag aber nur dann der Stützung des angefochtenen Bescheides zu dienen, wenn der Nachtrag vom 17. Dezember 1974 tatsächlich eine Hypothekarverschreibung und damit ein nicht in der Urkunde über das Hauptgeschäft enthaltenes gebührenpflichtiges Nebengeschäft darstellt.

Nach der Aktenlage ist dies zu verneinen. Der Schuldschein vom 15. November 1974 ist nicht nur vom Beschwerdeführer, sondern auch von den jeweiligen Kollisionskuratoren unterfertigt worden. Gemäß § 271 ABGB muß in, Geschäften, welche zwischen Eltern und einem mj. Kinde, oder zwischen einem Vormunde und dem Minderjährigen vorfallen, das Gericht angegangen werden, für den Minderjährigen einen besonderen Kurator zu ernennen. Dieser gesetzlichen Vorschrift hat das Bezirksgericht O. entsprochen und den Schuldschein überdies pflegschaftsbehördlich genehmigt. Offenkundig ist das Gericht von der Genehmigungspflicht des Schuldscheines gemäß § 233 ABGB ausgegangen. Nach dem ersten Satz dieser gesetzlichen Bestimmung kann überhaupt ein Vormund in allen Geschäften, welche nicht zu dem ordentlichen Wirtschaftsbetriebe gehören, und welche von größerer Wichtigkeit sind, nichts ohne gerichtliche Einwilligung vornehmen.

Nach dem Text des vorliegenden Nachtrages, dessen Gebührenpflicht strittig ist, stellt sich jene Urkunde vom 17. Dezember 1974 nicht als einseitige Erklärung des Beschwerdeführers, sondern als zweiseitiges Rechtsgeschäft dar. So erklären sich beispielsweise laut Text sowohl Gläubiger als euch Schuldner damit einverstanden, daß derzeit nur der tatsächlich ausbezahlte Darlehensbetrag von S 2,000.000,-- zuzüglich des Betrages von S 138.000,-- im Grundbuch sichergestellt“ werde, wozu dann noch eine Nebengebührenkaution von S 427.600,-- komme.

Gemäß § 17 Abs. 1 GebGes ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Der Nachtrag vom 17. Dezember 1974 hat sich nun der Textierung nach als vertragliche Änderung des Schuldscheines vom 15. November 1974 dargestellt. Der Beschwerdeführer war aber hiebei nicht befugt, als gesetzlicher Vertreter seiner Kinder aufzutreten. Vielmehr hätte es zur Gültigkeit des Vertrages der Beiziehung der Kollisionskuratoren und überdies der Erteilung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung nach § 233 ABGB durch das Bezirksgericht O. bedurft. Selbst wenn dieses Gericht bei der Verbücherung des Nachtrages vom 17. Dezember 1974 einen anderen Rechtsstandpunkt vertreten haben sollte, war dies für die abgabenrechtliche Beurteilung des Falles nicht von Belang. Schon aus dem Urkundeninhalt erhellt, daß ein gültiges Rechtsgeschäft, dessen Inhalt u.a. die strittige Hypothekarbestellung gebildet haben könnte, überhaupt nicht vorlag. Im Umfang des geltend gemachten Beschwerdepunktes mußte demnach der angefochtene Bescheid der Abgabenbehörde zweiter Instanz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 der Aufhebung verfallen.

Der Beschwerdeführer hat auch den Antrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides des Finanzamtes vom 18. Februar 1975 gestellt. Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 15. Februar 1975 richtet, war sie wegen des Mangels zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 zurückzuweisen (vgl. auch Erkenntnis des Gerichtshofes vom 16. April 1959, Slg. Nr. 4941/A).

Wien, am 29. Oktober 1975

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Tod des Beschwerdeführers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1975:1975000944.X00

Im RIS seit

18.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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