TE Vwgh Erkenntnis 2021/9/14 Ra 2020/07/0020

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Veröffentlicht am 14.09.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

AVG §56
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
WRG 1959 §111
WRG 1959 §13 Abs2
WRG 1959 §142 Abs2
WRG 1959 §23

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Krems in 3500 Krems, Drinkweldergasse 15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. Dezember 2019, LVwG-AV-677/001-2019, betreffend ersatzlose Behebung eines Feststellungsbescheides nach dem WRG 1959 (mitbeteiligte Partei: WG „Wasserwerksgenossenschaft K“ in E, vertreten durch Riel Grohmann Sauer, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Gartenaugasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1        Die mitbeteiligte Partei ist eine Wassergenossenschaft. Im Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes K ist zu PZ KR-520 ein Wasserbenutzungsrecht der mitbeteiligten Partei betreffend eine Wehranlage im Großen K verzeichnet. Durch die Anlage erfolgt eine Dotierung eines Werksbaches („Kleiner K“ bzw. „M“) mit dem Wasser aus dem Großen K.

2        Das älteste noch vorhandene, diese Wehranlage betreffende Dokument ist ein Protokoll der k.k. Bezirkshauptmannschaft Krems vom 19. Juli 1892, in dem es auszugsweise heißt (Schreibweise wie im Original):

„Gegenstand des Protokolles ist die Verhaimung der Wehranlage im großen K [...]. Das Wehr (sog. gebrochenes Wehr) ist zwischen den Parzellen [...] situiert, besteht aus einer Holzwand mit gepflasterter Abschlussdecke mit Vorbett und hat zur Verstärkung ungefähr in der Mitte flussabwärts einen Sporn aus Stein mit Pflasterung. An dem linksseitigen Wehrende ist ein Ausfall behufs Abfuhr der Hochwässer angebracht mit einer Lichtweite von 1,50 m und einer Höhe von 1,52 m. Das linke Ufer des K vor dem Wehre erscheint durch eine Mauer gesichert, an welche sich flussabwärts in der Richtung gegen das Wehr eine Eiswand anschliesst; an dieser Stelle findet die Ableitung des K statt in den Werksbach (auch kleiner K genannt). Hinter der genannten Eiswand befindet sich eine zweite, so dass der dazwischen gebildete Raum als Eiskasten zum Schutz des Baches und des Wehres dient. 2,75 m unterhalb der Eiswand befindet sich der Haupteinlass, bestehend aus 2 Schützen a 1,90 m breit, 1,24 m hoch. Die Gesamtbreite des kleinen K an der Einlassstelle beträgt 4,62 m. Behufs Verhaimung wurde ein auf der Parzelle 145/2 befindlicher gearbeiteter Stein (altes Haimzeichen vom Jahre 1755) verwendet. [...]

Bezug auf den durch den im beschriebenen Stein eingemeisselten Haimstrich gelegten Horizont als Fixierungsebene liegt:

1.)

das Wehrfachbaumende am rechten Ufer um

1,50 m

2.)

das Wehrfachbaumende am linken Ufer um

1,83 m

3.)

der Polster des Ausfalles um

3,02 m

4.)

die Oberkante der Schütze des Ausfalles um

1,50 m

5.)

der Polster der Einlasschütze um

2,75 m

6.)

die Oberkante dieser Einlasschütze um

1,51 m tiefer.

[...] Der genannte Werksbach liefert das Betriebswasser für folgende Werke: [neun ‚Mahlmühlen‘]. Die genannten Werksbesitzer stehen mit Rücksicht auf ihre gemeinsamen Eigentums- und Verwaltungsangelegenheiten seit ihrem weit in das vorige Jahrhundert zurückgreifenden Bestande in einem Gesellschaftsverhältnis; an der Spitze dieser Gesellschaft steht ein auf zwei Jahre mit absoluter Stimmenmehrheit gewählter Oberwehrmeister. Gegen die in Rede stehende Wehranlage in ihrem gegenwärtigen Bestande wird seitens der Anrainer (Gemeinde H und K) keine Einwendung erhoben. Ausser den genannten Wehr- und Mühlanlagen am kleinen K bestehen in diesem Mühlbach noch folgende nennenswerte Wasseranlagen: [neun Anlagen].“

3        In einem weiteren Protokoll der k.k. Bezirkshauptmannschaft Krems vom 18. Jänner 1915 wurde vermerkt, dass anstelle des „alten hölzernen Wehrfachbaumes“ nunmehr ein „eiserner Träger“ verlegt worden sei, wobei die Verhaimung ergeben habe, dass das „Wehrkappbaumende“ nunmehr am rechten Ufer 1,533 m und am linken Ufer 1,818 m „unter dem Haimzeichen“ liege. Die „vorgeschriebenen Staumaße“ seien dabei eingehalten worden.

4        In der aus dem Jahr 1952 stammenden Satzung der mitbeteiligten Partei wurde unter anderem bestimmt, dass es zu den Obliegenheiten des „Wehr-Aufsehers“ gehöre, „die Regulierung des Wasserdurchflusses an der Einlass-Schleuse“ vorzunehmen; dies so, „dass jeweils 2,5 m³/sec in den kleinen K einströmen, insoweit der natürliche Zufluss aus dem Großen K dies gestattet“.

5        Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 stellte die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft nach § 13 Abs. 2 iVm. § 98 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) fest, dass für das unter PZ KR-520 im Wasserbuch für den Verwaltungsbezirkes K eingetragene Wasserbenutzungsrecht hinsichtlich des Maßes der Wasserbenutzung folgender Konsens bestehe: Dotationswassermenge des M aus dem Großen K im Ausmaß von maximal 2,5 m³/s.

6        Begründend führte die Behörde zusammengefasst aus, aus den vorhandenen Unterlagen betreffend das Wasserbenutzungsrecht, insbesondere auch den Protokollen der k.k. Bezirkshauptmannschaft Krems aus den Jahren 1892 und 1915, ergebe sich keine Festsetzung des Maßes der zulässigen Wassernutzung. Aus den am M errichteten Anlagen sei jedoch, wie sich aus einem Sachverständigengutachten ergebe, der Schluss zu ziehen, dass der M auf eine Dotation aus dem Großen K von maximal 2,5 m³/s ausgelegt gewesen sei. Dem entspreche auch die Satzung der mitbeteiligten Partei aus dem Jahr 1952, in der festgelegt worden sei, dass dafür Sorge zu tragen sei, dass jeweils eine Wassermenge von 2,5 m³/s in den Kleinen K einströme. Es sei daher eine entsprechende Feststellung des Konsenses nach § 13 Abs. 2 WRG 1959 vorzunehmen gewesen.

7        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis sprach das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus, dass der Bescheid der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft ersatzlos aufgehoben werde. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

8        In seiner Begründung gab das Verwaltungsgericht zunächst die Protokolle der k.k. Bezirkshauptmannschaft Krems aus den Jahren 1892 und 1915 sowie den Verfahrensgang in Grundzügen wieder und führte aus, im Protokoll vom 19. Juli 1892 werde die Wehranlage beschrieben, wobei Bezug zu einem „damals vorhandenen“ Stein mit altem Haimzeichen genommen werde. Eine ziffernmäßige Bestimmung, wie viel Wasser aus dem Großen K entnommen werden dürfe, sei nicht erfolgt. Der Zustand der Wehranlage stelle sich nunmehr so dar, dass der in den Protokollen beschriebene „Wehrfachbaum“ nicht mehr vorhanden sei. Seine „ursprünglichen Auflager“ seien jedoch noch vor Ort. Daraus könnte rekonstruiert werden, wo sich die Unterkante des Wehrfachbaumes ursprünglich befunden habe. Auch sonst sei die Anlage gegenüber dem Zustand, der in den Protokollen der k.k. Bezirkshauptmannschaft Krems an der Donau aus den Jahren 1892 und 1915 beschrieben worden sei, verändert worden. Die Schützen seien versetzt worden, befänden sich nunmehr 1,65 m weiter flussabwärts im M und wiesen nunmehr eine Größe von 2,09 m mal 1,56 m (statt 1,90 m mal 1,24 m) auf.

9        Aus dem Protokoll der k.k. Bezirkshauptmannschaft Krems vom 19. Juli 1892 ergebe sich, dass der Wehrfachbaum die Funktion gehabt habe, den zulässigen Wasserstand anzuzeigen und damit die Einhaltung des Konsenses sichtbar zu machen, diese Aufgabe aber auch nur in Zusammenhalt mit der ursprünglichen Positionierung der Schützentafeln erfüllen habe können. Die Dotierung des M werde nunmehr durch die automatische Steuerung einer Schützentafel geregelt. Eine Bewilligung für die an der Anlage vorgenommenen Änderungen sei niemals erteilt worden.

10       In rechtlicher Hinsicht ergebe sich, dass eine bescheidmäßige Feststellung des Maßes der zulässigen Wassernutzung im Sinn des § 13 Abs. 2 WRG 1959 voraussetze, dass Zweifel über die bestehenden Rechte bestünden. Dabei sei zu beachten, dass nach § 111 Abs. 2 WRG 1959 die Regelung des Maßes der Wasserbenutzung in erster Linie durch eine Beschreibung der zur Wasserführung dienenden Vorrichtungen bzw. aller sonst maßgebenden Teile der Anlage zu erfolgen habe. Eine ziffernmäßige Festsetzung der zur Benutzung kommenden Wassermenge sei nur vorgesehen, wenn dies „tunlich“ sei. Daraus sei aber zu schließen, dass das Maß der Wassernutzung im Sinn des § 13 Abs. 2 WRG 1959 nicht schon dann zweifelhaft sei, wenn eine ziffernmäßige Festsetzung nicht erfolgt sei. Im vorliegenden Fall sei es möglich, die ursprüngliche Positionierung des Wehrfachbaumes zu rekonstruieren und daraus das ursprüngliche Maß der Wassernutzung festzustellen. Zu beachten sei, dass „die Bestimmung des Konsenses über die Stauhöhe“ im 19. Jahrhundert die „praktikablere Methode“ gewesen sei. Der somit gegebenen Bestimmbarkeit des Maßes der Wassernutzung stehe auch nicht entgegen, dass die ursprünglich erteilte Bewilligung nicht mehr auffindbar sei. Aus der im Jahr 1892 amtlich erfolgten Verhaimung könne nämlich auf die ursprünglich bestehenden Rechte geschlossen werden. Davon ausgehend sei aber das Maß der Wassernutzung nicht „in einer Weise zweifelhaft“, dass § 13 Abs. 2 WRG 1959 heranzuziehen sei. Dass die Anlage im Laufe der Zeit umgebaut worden sei, ändere daran nichts, weil lediglich der ursprüngliche konsensmäßige Zustand der Anlage relevant sei, der im gegenständlichen Fall auch wiederhergestellt werden könnte. Daher habe von vornherein ein Feststellungsbescheid nicht zu ergehen gehabt.

11       Im Übrigen seien Feststellungsbescheide nur subsidiäre Rechtsbehelfe und nur dann zulässig, wenn eine strittige Frage nicht in einem anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahren entschieden werden könnte. Unter Beachtung, dass der K ein öffentliches Gewässer sei, hätten nach § 9 Abs. 1 WRG 1959 die vorgenommenen Änderungen der Anlage einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde bedurft. Vor diesem Hintergrund hätte entweder die mitbeteiligte Partei um wasserrechtliche Genehmigung der Anlage ansuchen oder die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft amtswegig ein Verfahren nach § 138 WRG 1959 einleiten müssen. In beiden Fällen wäre das Maß der Wassernutzung als Vorfrage zu klären gewesen, sodass ein Bedarf zur Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 13 Abs. 2 WRG 1959 nicht gegeben gewesen sei. Der Bescheid sei somit ersatzlos zu beheben gewesen.

12       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragte.

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14       Zur Zulässigkeit der Revision wird zusammengefasst geltend gemacht, das Verwaltungsgericht sei von der (näher dargestellten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 13 Abs. 2 WRG 1959 abgewichen, wonach in einem Fall, in dem das Maß der zulässigen Wassernutzung im Bewilligungsbescheid nicht bestimmt festgesetzt worden sei, ein rechtliches Interesse an einer Feststellung bestehe, das die Behörde zur Erlassung eines Feststellungsbescheides berechtige. Im vorliegenden Fall sei das Maß der Wassernutzung nicht bestimmt festgesetzt worden, weil ein Bewilligungsbescheid nicht mehr auffindbar sei. Das Protokoll über die Verhaimung vom 19. Juli 1892 enthalte keine Bestimmung des Maßes der Wassernutzung, zumal darin zur Verhaimung auf ein altes Haimzeichen aus dem Jahr 1755 verwiesen worden sei, das nicht mehr vorhanden sei. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes lasse sich das Maß der (ursprünglichen) Wassernutzung nicht durch Wiederherstellung eines ursprünglichen Zustandes der Anlage feststellen. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht den im Protokoll vom 19. Juli 1892 verwendeten Begriff des „Wehrfachbaums“, der von dem des „Mühlenfachbaums“ zu unterscheiden sei, verkannt. Der Wehrfachbaum befinde sich an der Wehrkrone und sei nach wie vor vorhanden. Er sei nicht waagrecht zur Wasseroberfläche situiert. Nicht mehr vorhanden sei dagegen der Mühlenfachbaum.

15       Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht, wie die Revision zutreffend aufzeigt, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 13 Abs. 2 WRG 1959 abgewichen ist. Die Revision ist auch berechtigt.

16       Nach § 9 Abs. 1 WRG 1959 bedarf jede über den Gemeingebrauch (§ 8 WRG 1959) hinausgehende Benutzung der öffentlichen Gewässer sowie die Errichtung oder Änderung der zur Benutzung der Gewässer dienenden Anlagen einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde.

17       Gemäß § 11 Abs. 1 WRG 1959 sind bei Erteilung einer nach § 9 oder § 10 Abs. 2 erforderlichen Bewilligung jedenfalls der Ort, das Maß und die Art der Wasserbenutzung zu bestimmen.

18       § 13 Abs. 2 WRG 1959 lautet:

„Ergeben sich bei einer bestehenden Anlage Zweifel über das Maß der dem Berechtigten zustehenden Wassernutzung, so hat als Regel zu gelten, daß sich das Wasserbenutzungsrecht bloß auf den zur Zeit der Bewilligung maßgebenden Bedarf des Unternehmens erstreckt, sofern die Leistungsfähigkeit der Anlage nicht geringer ist.“

19       Nach § 23 Abs. 1 WRG 1959 (Verhaimung) ist bei allen Triebwerken und Stauanlagen der erlaubte höchste und, wenn es die Rücksicht auf den geregelten Ablauf des Wassers verlangt, auch der niederste zulässige Wasserstand durch Staumaße auf Kosten desjenigen zu bezeichnen, dem die Benutzung dieser Werke und Anlagen zusteht.

20       Gemäß § 111 Abs. 2 WRG 1959 muss das eingeräumte Maß der Wasserbenutzung im Bescheide durch eine genaue Beschreibung der zur Wasserführung dienenden Vorrichtungen (Stauwerk, Überfall, Schleusen, Fluder, Kanal, Rohrleitung, Ausgleichsbecken und andere) sowie aller sonst maßgebenden Teile der Anlage, insbesondere der hydromotorischen Einrichtung und Angabe der Gebrauchszeiten, festgesetzt werden. Das Maß der zur Benutzung kommenden Wassermenge ist, soweit tunlich, auch ziffermäßig durch Festsetzung des zulässigen Höchstausmaßes zu begrenzen. Bei Wasserkraftanlagen sind die Rohfallhöhe, die Stationsfallhöhe und die einzubauende Leistung sowie womöglich auch das Jahresarbeitsvermögen anzugeben.

21       Ein Bescheid über die Einräumung des in Bezug auf sein Ausmaß nunmehr strittigen Wasserbenutzungsrechtes liegt nicht vor. Insbesondere wurde auch mit der im Jahr 1892 erfolgten Verhaimung kein Wasserbenutzungsrecht eingeräumt. Eine Verhaimung dient dazu, die in der wasserrechtlichen Bewilligung erfolgte Festsetzung der Staumaße ersichtlich zu machen. Soweit sie behördlich erfolgte, sind die verhaimten Maße als rechtlicher Bestand anzusehen, soweit nicht der Gegenbeweis erbrachte wurde, dass die Maße nicht dem Konsens entsprechen (vgl. Bachler in Oberleitner/Berger, WRG4 [2018] § 23 Rz 1; VwGH 9.10.1901, Slg. Budw. 543/A 543). Die Verhaimung dient somit zu Beweiszwecken hinsichtlich der Staumaße, begründet aber keine von der Bewilligung gesonderten Rechte (vgl. Bumberger/Hinterwirth, WRG § 23 K 1; Bachler aaO).

22       Zwischen den Parteien ist aber nicht strittig, dass das im Wasserbuch eingetragene Wasserbenutzungsrecht der mitbeteiligten Partei im Sinn des § 142 WRG 1959 weiterhin fortbesteht (vgl. zum Fortbestand alter Wasserbenutzungsrechte etwa VwGH 23.2.2012, 2010/07/0039). Strittig ist lediglich, ob im Sinn des § 13 Abs. 2 WRG 1959 die Voraussetzungen einer Feststellung des Maßes der zulässigen Wassernutzung vorliegen.

23       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 13 Abs. 2 WRG 1959 eine Auslegungsregel für Bewilligungsbescheide, die das Maß der zulässigen Wassernutzung nicht mit der gebotenen Deutlichkeit bestimmen. Die Anwendung dieser Auslegungsregel setzt einen Zweifel über das Maß der dem Berechtigten zustehenden Wassernutzung voraus (vgl. VwGH 19.12.2019, Ro 2019/07/0012, mwN). Ist das Maß der zulässigen Wasserbenutzung im Bewilligungsbescheid nicht bestimmt festgesetzt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die nachträgliche Bestimmung mittels Feststellungsbescheides zulässig (vgl. VwGH 26.11.2020, Ra 2020/07/0080, mwN).

24       Über den Fall hinaus, dass ein vorliegender Bewilligungsbescheid nicht ausreichend determiniert ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nach § 13 Abs. 2 WRG 1959 eine Feststellung auch dann als zulässig angesehen, wenn zwar das Bestehen eines Wasserbenutzungsrechtes, das nach § 142 Abs. 2 WRG 1959 aufrecht geblieben ist, feststeht, ein Bewilligungsbescheid aber nicht vorliegt und Zweifel über das Maß der dem Berechtigten zustehenden Wassernutzung bestehen (vgl. VwGH 3.3.1972, 1336/70, VwSlg. 8182 A).

25       Ein solcher Fall liegt auch hier vor. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass unter dem Begriff des Maßes der Wassernutzung die Menge des zur Verfügung gestellten Wassers zu verstehen ist (vgl. VwGH 22.2.2001, 2000/07/0101). Hinsichtlich der gegenständlichen Anlage, die zur Dotierung des M dient, ist somit die Menge des Wassers angesprochen, die aus dem Großen K in den M eingeleitet wird.

26       Daran, dass das Maß der Wassernutzung in diesem Sinn zweifelhaft ist, ändert sich auch dann nichts, wenn man im Sinn der Ausführungen des Verwaltungsgerichts davon ausgeht, dass der Zustand der Wehranlage, wie er im Protokoll der k.k. Bezirkshauptmannschaft Krems vom 19. Juli 1892 über die Verhaimung beschrieben wurde, dem (seit damals unveränderten) Konsens entsprach. Der Revision ist in diesem Zusammenhang zunächst darin Recht zu geben, dass der damalige Zustand der Anlage sich im Einzelnen nicht mehr zweifelsfrei rekonstruieren lässt; dies schon vor dem Hintergrund, dass das im Protokoll beschriebene Haimzeichen (ein „bearbeiteter Stein mit eingemeißeltem Heimstrich“), das als Bezugspunkt der Höhenangaben diente, nicht mehr vorhanden ist. Jedenfalls vermag das Verwaltungsgericht nicht darzustellen, dass sich das Ausmaß der konsentierten Dotierung des M mit Wasser aus dem Großen K bereits aufgrund der Beschaffenheit der Anlage ergeben hätte. Die Stauhöhe allein, die das Verwaltungsgericht aus der Rekonstruierung der Höhe des Wehrfachbaumes ableiten will, lässt diesbezüglich keine eindeutigen Rückschlüsse zu. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Satzung der mitbeteiligten Partei aus dem Jahr 1952 hinzuweisen, aus der geschlossen werden kann, dass die Anlage in der Vergangenheit - wie es auch derzeit der Fall ist - eine Einstellung der Menge des aus dem Großen K in den M eingeleiteten Wassers erlaubte.

27       Es trifft nun zu, dass Feststellungsbescheide - auf Grund deren Natur als subsidiäre Rechtsbehelfe - generell unzulässig sind, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen, vorgesehenen, gesetzlichen Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. etwa VwGH 21.6.2018, Ra 2018/01/0240, mwN). Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes trifft dies vorliegend auf die Feststellung des Maßes der Wassernutzung nicht zu.

28       Soweit das Verwaltungsgericht ausführt, es müsste, solange die mitbeteiligte Partei hinsichtlich der - zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach dem Jahr 1915 erfolgten - Änderungen an der Wehranlage keinen Antrag auf Bewilligung stelle, seitens der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft ein wasserpolizeiliches Verfahren eingeleitet werden, übersieht es, dass Gegenstand eines solchen Verfahrens im Sinn des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 lediglich die Beseitigung eigenmächtig vorgenommener Neuerungen, soweit das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, sein könnte. Eine Klärung des Maßes der Wassernutzung im dargestellten Sinn könnte daher nur dann durch ein solches amtswegiges Verfahren erfolgen, wenn öffentliche Interessen es erforderlich machten. Davon geht das Verwaltungsgericht aber nicht aus. Zum anderen ist fallbezogen - wie bereits ausgeführt - nicht ersichtlich, dass sich aus der Wiederherstellung eines früheren Zustands der Anlage das Ausmaß der konsentierten Dotierung des Mühlkamps mit Wasser aus dem Großen K ableiten ließe.

29       Im Zuge eines Verfahrens über die Erteilung einer neuen oder einer Änderung der bestehenden wasserrechtlichen Bewilligung wäre das Bestehen eines rechtlichen Interesses an einer Feststellung des Maßes der Wassernutzung im Sinn des § 13 Abs. 2 WRG 1959 hinsichtlich eines bereits bestehenden Wasserbenutzungsrechts im Allgemeinen nicht gegeben. In einer solchen Konstellation kommt es nämlich nur darauf an, ob und inwieweit dem neuen Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung zu entsprechen ist (vgl. idS VwGH 3.3.1972, 1439/70, VwSlg. 8183 A). Einen Antrag auf Erteilung einer neuen oder einer Änderung der bestehenden wasserrechtlichen Bewilligung hat die mitbeteiligte Partei im vorliegenden Fall jedoch nicht gestellt. Strittig ist vielmehr nur das Maß der Wassernutzung aufgrund des aufrecht bestehenden Wasserbenutzungsrechtes.

30       Damit waren aber im Sinn des § 13 Abs. 2 WRG 1959 die Voraussetzungen der Feststellung des Maßes der Wassernutzung mit Bescheid gegeben. Die ersatzlose Behebung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 8. Mai 2019 erweist sich daher als verfehlt.

31       Da das Verwaltungsgericht somit die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 14. September 2021

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020070020.L00

Im RIS seit

18.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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