Index
E3R E19104000Norm
AsylG 2005 §5Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2021, Zl. W161 2239244-1/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: T A, in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger der russischen Föderation, stellte am 7. Dezember 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Einem auf Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung gestützten Aufnahmeersuchen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15. Dezember 2020 stimmte Slowenien unter Hinweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung mit Schreiben vom 26. Dezember 2020 ausdrücklich zu.
3 Mit Bescheid des BFA vom 18. Jänner 2021 wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz - ohne in die Sache einzutreten - gemäß § 5 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurückgewiesen, die Zuständigkeit Sloweniens gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III Verordnung festgestellt, die Außerlandesbringung des Mitbeteiligten angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung nach Slowenien zulässig sei.
4 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Beschluss - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG statt, behob den Bescheid und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das BVwG aus, das BFA habe keine Feststellungen zur Lage in Slowenien getroffen und daher könne nicht festgestellt werden, ob dem Mitbeteiligten in Hinblick auf seine persönliche Situation im Falle einer Überstellung nach Slowenien eine Verletzung seiner durch die EMRK garantierte Rechten drohe. Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründe keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des Mitbeteiligten nach Slowenien. Der Verweis, dass ihm aktuelle Länderinformationen ausgefolgt worden seien, sei unzureichend, zumal das BFA nicht einmal angeführt habe, von wann diese Feststellungen stammen würden. Die Länderfeststellungen seien im Übrigen nicht aktuell. Es lasse sich weder feststellen, ob das BFA die Aktualität der Feststellungen überprüft habe, noch welche Länderberichte dem Mitbeteiligten ausgefolgt worden seien. Daher sei nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG vorzugehen gewesen.
6 Gegen diesen Beschluss wendet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit zum einen geltend macht, der Verweis des BFA auf das Länderinformationsblatt im Bescheid sei zulässig gewesen. Zum anderen weiche das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG ab. Das BVwG hätte jederzeit eine entsprechende Anfrage an die Staatendokumentation richten und den angenommenen Ermittlungsmangel der nicht hinreichend aktuellen Länderfeststellungen rasch und ohne größeren Aufwand selbst beseitigen können.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die außerordentliche Amtsrevision nach Einleitung des Vorverfahrens - der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat jüngst in seinem Erkenntnis vom 8. Juli 2021, Ra 2021/20/0074, mwN, die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zum wiederholten Mal dargelegt. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
10 Von den im obengenannten Erkenntnis dargestellten hg. Leitlinien ist das BVwG im Revisionsfall abgewichen, indem es nicht dargelegt hat, weshalb es (allfällige) Ermittlungsmängel in der für die Erledigung gebotene Eile nicht selbst hätte beseitigen können. Dem BVwG steht dabei auch die Möglichkeit gemäß § 5 Abs. 3 BFA-VG offen, eine Anfrage an die Staatendokumentation zur aktuellen Lage im Mitgliedsstaat (hier: Slowenien) zu richten (vgl. VwGH 29.1.2021, Ra 2020/01/0235, mwN). Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auf die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 und das unionsrechtliche Prinzip des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten hinzuweisen (vgl. VwGH 20.6.2017, Ra 2016/01/0153, sowie EuGH 19.3.2019, Jawo, C-163/17, Rn. 80 ff; vgl. aus jüngerer Zeit etwa VwGH 10.2.2021, Ra 2021/19/0031, sowie VwGH 20.5.2020, Ra 2020/01/0128, jeweils mwN).
11 Die angefochtene Entscheidung war sohin wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Revisionsvorbringen einzugehen war.
Wien, am 15. September 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010127.L01Im RIS seit
18.10.2021Zuletzt aktualisiert am
20.10.2021