RS Vwgh 2021/9/22 Ro 2020/09/0016

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Veröffentlicht am 22.09.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal

Norm

ÄrzteG 1949 §1 Abs1
ÄrzteG 1949 §11
ÄrzteG 1984 §28
ÄrzteG 1998 §2 Abs3
ÄrzteG 1998 §55
VwGG §42 Abs1
VwRallg

Rechtssatz

Nach § 55 ÄrzteG 1998 darf ein Arzt ärztliche Zeugnisse nur nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach seinem besten Wissen und Gewissen ausstellen. Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung folgt, dass als ärztliches Zeugnis jede vom Arzt ausgestellte Urkunde anzusehen ist, in der - wie allerdings einschränkend zu ergänzen ist: einer spezifisch ärztlichen Beurteilung unterliegende - Tatsachen bestätigt werden. Es stellt geradezu den Normalfall eines ärztlichen Zeugnisses iSd. § 55 ÄrzteG 1998 dar, dass damit das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Erkrankung festgestellt wird, wobei sich diese Feststellung lediglich als eine auf medizinischem Wissen beruhende Schlussfolgerung aus vorliegenden (vom Arzt oder Dritten erhobenen) Tatsachen darstellt. Die Bestimmung des § 55 ÄrzteG 1998 gilt nicht nur "für Zeugnisse, sondern gleichermaßen für Gutachten". Dies entspricht auch der herrschenden Lehre. Dem stehen auch weitere Bestimmungen des ÄrzteG 1998 nicht entgegen: Zwar sieht § 2 Abs. 3 ÄrzteG 1998 vor, dass jeder zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigte Arzt befugt ist, ärztliche Zeugnisse auszustellen und ärztliche Gutachten zu erstatten. Aus dieser Bestimmung lässt sich aber nicht ableiten, dass dem Gesetzgeber in § 55 ÄrzteG 1998 ein Begriffsverständnis vor Augen gestanden wäre, demzufolge ärztliche Gutachten von der in dieser Bestimmung normierten Berufspflicht (generell) nicht umfasst sein sollten. Die Bestimmung des § 55 ÄrzteG 1998 findet sich nämlich wortgleich bereits im ÄrzteG 1949 (§ 11) bzw. im (wiederverlautbarten) ÄrzteG 1984 (§ 28). Die Materialien zu § 55 ÄrzteG 1998 (1386 BlgNR 20. GP 97) verweisen insofern lediglich auf die Bestimmungen des (wiederverlautbarten) ÄrzteG 1984, jene zum ÄrzteG 1949 (784 BlgNR 5. GP 16 ff) nehmen auf § 11 keinen Bezug, verweisen einleitend aber darauf, dass der Entwurf "viele der Bestimmungen, wie sie in der österreichischen Ärzteordnung 1937 enthalten waren, wieder aufnimmt". Die zuletzt genannte Ärzteordnung 1937 enthielt in § 12 Abs. 1 erster Satz eine mit § 55 ÄrzteG 1998 idente Bestimmung, die im zweiten Satz dahingehend ergänzt wurde, dass als "Zeugnis im Sinne dieses Gesetzes ... jede ärztliche Bescheinigung" gilt. Den Materialien zum Ärztegesetz 1949 lässt sich nun kein Hinweis darauf entnehmen, dass durch den Entfall dieses Satzes oder durch die Erwähnung von "ärztlichen Zeugnissen und Gutachten" im Zusammenhang mit der Umschreibung des Berufs des Arztes (§ 1 Abs. 1 ÄrzteG 1949; nunmehr § 2 Abs. 3 ÄrzteG 1998) ein einschränkendes Begriffsverständnis in Bezug auf die normierte Berufspflicht zugrunde gelegt werden sollte. Der Ansicht, wonach gutachterliche Stellungnahmen von § 55 ÄrzteG 1998 (generell) nicht umfasst seien, ist daher nicht zu folgen.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020090016.J01

Im RIS seit

18.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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