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32/02 Steuern vom Einkommen und ErtragNorm
EStG 1988 §15Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Bruck Eisenstadt Oberwart in 7400 Oberwart, Prinz-Eugenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 1. Oktober 2020, Zl. RV/7103519/2019, betreffend Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2016 gemäß § 299 BAO (mitbeteiligte Partei: Dr. P in G, vertreten durch die Grant Thornton IBD Austria GmbH & Co KG in 1100 Wien, Gertrude-Fröhlich-Sandner-Straße 13/4), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte bezog im Jahr 2016 ua. ausländische Einkünfte, die auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens - unter Progressionsvorbehalt - nicht der inländischen Besteuerung unterlagen. Weiters erhielt der Mitbeteiligte eine Rückzahlung im Jahr 2015 einbehaltener - auf ausländische Einkünfte, die unter Progressionsvorbehalt nicht der inländischen Besteuerung unterlagen, entfallender - Sozialversicherungsbeiträge von der (damaligen) Wiener Gebietskrankenkasse.
2 Das Finanzamt stufte die zurückgezahlten Sozialversicherungsbeiträge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 ein und setzte die Einkommensteuer 2016 entsprechend fest.
3 Mit Antrag vom 10. September 2018 begehrte der Mitbeteiligte die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2016 gemäß § 299 BAO. Begründend führte er aus, die Rückzahlung betreffe Sozialversicherungsbeiträge für ausländische Einkünfte, für die Österreich kein Besteuerungsrecht zustehe. Diese Beiträge seien daher nicht beim Gesamtbetrag der Einkünfte, sondern lediglich für Zwecke der Ermittlung der Progression zu berücksichtigen.
4 Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom 11. Februar 2019 ab und führte in der - bereits am 18. Dezember 2018 gesondert ergangenen - Begründung aus, die rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge seien inländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988, an denen das Besteuerungsrecht ausschließlich Österreich zustehe. Die Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens sei nicht erforderlich, womit ein Progressionsvorbehalt ausgeschlossen sei.
5 Der Mitbeteiligte erhob mit Schreiben vom 28. Jänner 2019 gegen diesen Bescheid Beschwerde, wobei er die bereits im Antrag vom 10. September 2018 vorgebrachten Einwendungen wiederholte.
6 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 25. Februar 2019 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, woraufhin der Mitbeteiligte deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde statt und hob den Einkommensteuerbescheid 2016 auf. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Das Bundesfinanzgericht führte - nach Schilderung des Verfahrensganges und Feststellung des im bisherigen Verfahren unstrittigen Sachverhalts - im Wesentlichen aus, die Erfassung rückerstatteter Pflichtbeiträge als steuerpflichtige Einkünfte beruhe auf ihrer ursprünglichen Berücksichtigung als Werbungskosten. Abweichend vom Regelfall sei es im vorliegenden Fall nicht erkennbar, dass die Pflichtbeiträge - im Zeitpunkt ihrer Entrichtung - als Werbungskosten bei inländischen Einkünften Berücksichtigung gefunden hätten. Unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 2012, 2008/13/0248, VwSlg. 8766/F, hielt das Bundesfinanzgericht fest, dass die zurückgezahlten Sozialversicherungsbeiträge - aufgrund ihres Zusammenhangs mit ausländischen Einkünften, für die Österreich kein Besteuerungsrecht zukomme - lediglich als „Progressionseinkünfte“ zu berücksichtigen seien.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamtes, zu deren Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob Aufwendungen, die als Werbungskosten lediglich die Progressionseinkünfte minderten, im Falle ihrer Rückzahlung zur Gänze steuerpflichtig seien.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem vom Mitbeteiligten eine Revisionsbeantwortung mit inhaltlichem Vorbringen ohne Antrag auf Aufwandersatz erstattet wurde, erwogen:
11 Die Revision ist im Sinne des Zulässigkeitsvorbringens zulässig, sie ist aber nicht begründet.
12 Einnahmen liegen gemäß § 15 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen u. a. der Einkunftsart des § 2 Abs. 3 Z 4 EStG 1988 (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) zufließen. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ergeben sich nach § 2 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 15 und 16 EStG 1988).
13 Zu den Einnahmen gehört auch die Rückerstattung von Werbungskosten. Werden diese dem Steuerpflichtigen in einem späteren Jahr erstattet, so fließen ihm - grundsätzlich im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart - Einnahmen im Sinne des § 15 EStG 1988 zu, die bei der Ermittlung der Einkünfte zu berücksichtigen sind. Dem entspricht für den umgekehrten Fall die Bestimmung des § 16 Abs. 2 EStG 1988, wonach zu den Werbungskosten grundsätzlich auch die Erstattung (Rückzahlung) von Einnahmen zählt (vgl. VwGH 20.11.2012, 2008/13/0248, VwSlg. 8766/F; 23.10.1990, 89/14/0178, ÖStZB 1991, 303, jeweils mwN). Durch die Rückerstattung werden die ursprünglich in zu geringer Höhe ausbezahlten Entgelte „ergänzt“.
14 Rückgezahlte Pflichtbeiträge, sofern diese ganz oder teilweise auf Grund des Vorliegens von Einkünften im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 einbehalten oder zurückgezahlt wurden, werden nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 grundsätzlich den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit („Arbeitslohn“) zugeordnet. Nach den parlamentarischen Materialien zum Abgabenänderungsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 28/1999, sollten mit Einfügung des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 (iVm dem besonderen Lohnsteuerabzug nach § 69 Abs. 5 EStG 1988 und dem zusätzlichen Pflichtveranlagungstatbestand in § 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988) bei der steuerlichen Erfassung der rückgezahlten Pflichtbeiträge - als rückgängig gemachte Werbungskosten - administrative Erleichterungen geschaffen werden (ErlRV 1471 BlgNR 20. GP 20; vgl. VwGH 23.9.2010, 2007/15/0206).
15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schafft die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 nur eine Fiktion in Bezug auf die Zuordnung rückgezahlter Pflichtbeiträge zu den nichtselbständigen Einkünften auf der Einnahmenseite. Diese Fiktion vermag allerdings den Veranlassungszusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsquelle (einer bestimmten Art von Einkünften) nicht zu durchtrennen. Daher bewirkt - auf der Ausgabenseite - die Rückzahlung der Pflichtbeiträge keine nachträgliche Umqualifizierung ihrer ursprünglichen Einstufung als Werbungskosten oder Betriebsausgaben im Zeitpunkt der Bezahlung (vgl. VwGH 18.9.2013, 2009/13/0189, VwSlg. 8844/F). Umgekehrt - auf der Einnahmenseite - sind die rückgezahlten Pflichtbeiträge, unabhängig von ihrer Einstufung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, steuerlich jener Einkunftsquelle zuzuordnen, bei der sie ursprünglich angefallen sind. Daraus ergibt sich beispielsweise, dass Pflichtbeiträge im Zusammenhang mit steuerbefreiten Einkünften bei Rückzahlung ebenso als steuerfrei zu behandeln sind (vgl. VwGH 20.11.2012, 2008/13/0248, VwSlg. 8766/F, zu rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträgen im Zusammenhang mit gemäß § 3 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 steuerfreien Auslandseinkünften).
16 Nach den unstrittigen Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes waren im vorliegenden Revisionsfall die Sozialversicherungsbeiträge im Jahr ihrer Einbehaltung durch die ausländischen Einkünfte des Mitbeteiligten veranlasst. Da für diese Einkünfte der Republik Österreich aufgrund des anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommens kein Besteuerungsrecht zustand, wurden sie lediglich bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das übrige Einkommen des Mitbeteiligen (Progressionsvorbehalt) herangezogen.
17 Dem Bundesfinanzgericht ist daher nicht entgegenzutreten, wenn es eine Rechtswidrigkeit des Einkommensteuerbescheides 2016 darin erblickt, dass die rückgezahlten Pflichtbeiträge in voller Höhe der Besteuerung unterworfen und nicht nur - ebenso wie jene Einkünfte, deren Erzielung für die Einbehaltung der Pflichtbeiträge ursächlich war - für die Ermittlung der Einkommensteuer im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt wurden. Die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2016 gemäß § 299 BAO erweist sich somit als rechtmäßig.
18 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 22. September 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020130111.L00Im RIS seit
18.10.2021Zuletzt aktualisiert am
05.11.2021