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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AbgÄG 02te 2014Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des K in W, vertreten durch Mag. Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 9. Juni 2020, Zl. RV/7102470/2017, betreffend Zurücknahme eines Vorlageantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Beim Revisionswerber fand eine abgabenbehördliche Prüfung statt. In der Folge nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2014 sowie Umsatzsteuer 2012 bis 2014 wieder auf und erließ neue Sachbescheide sowie einen Bescheid über die Umsatzsteuerfestsetzung 1-3/2015.
2 Der Revisionswerber erhob Beschwerde gegen die neuen Sachbescheide und den Bescheid über die Umsatzsteuerfestsetzung 1-3/2015, die vom Finanzamt mittels Beschwerdevorentscheidung (Sammelbescheid) vom 1. Dezember 2016 abgewiesen wurde. Dagegen brachte der Revisionswerber fristgerecht einen Vorlageantrag ein. Dieser enthielt Namen und Steuernummer des Revisionswerbers und war mit „Vorlageantrag gem. § 264 BAO“ übertitelt. Der Vorlageantrag enthielt im Wesentlichen näheres Vorbringen zum Fehlen von Wiederaufnahmegründen und verwies mehrfach auf die „Berufungsvorentscheidung“. Weiters wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung der strittigen Umsatzsteuer- und Einkommensteuernachforderungen sowie der Anspruchszinsen gestellt.
3 Das Bundesfinanzgericht erließ einen Beschluss, mit dem dem Revisionswerber aufgetragen wurde, die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung im Vorlageantrag innerhalb von vier Wochen nachzuholen, andernfalls der Vorlageantrag als zurückgenommen gelte. Begründend wurde darauf verwiesen, dass dem Antrag der in § 264 Abs. 1 BAO normierte Punkt nicht zu entnehmen sei, weil lediglich auf die Wiederaufnahme Bezug genommen worden sei.
4 Innerhalb der Frist übermittelte der Revisionswerber dem Bundesfinanzgericht in Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages verschiedene Unterlagen, unter anderem die Beschwerden gegen den Einkommensteuerbescheid 2014, die Umsatzsteuerbescheide 2012-2014 sowie die Umsatzsteuerfestsetzung 1-3/2015. Weiters wurden die ergänzende Beschwerdebegründung und der Vorlageantrag übermittelt.
5 Das Bundesfinanzgericht erklärte mit dem angefochtenen Beschluss den Vorlageantrag als zurückgenommen. Begründend führte es aus, ein Vorlageantrag habe gemäß § 264 Abs. 1 BAO die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten. Der Vorlageantrag des Revisionswerbers habe nicht die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, weshalb ein Mängelbehebungsauftrag zu Recht erlassen worden sei. Die Bezeichnung der bekämpften Beschwerdevorentscheidung sei nicht vorgenommen worden. Es sei nur ein Konvolut an Unterlagen übermittelt worden, welches bereits von der Abgabenbehörde im Zuge der Vorlage elektronisch übermittelt worden sei. Eine Behebung des Mangels habe damit nicht stattgefunden. Werde einem Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen, so sei mit Beschluss auszusprechen, dass die Eingabe als zurückgenommen gelte.
6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht hätte keinen Verbesserungsauftrag erlassen dürfen, weil keine Unklarheiten bestanden hätten, welche Beschwerdevorentscheidung der Revisionswerber bekämpft habe. Das Bundesfinanzgericht sei dabei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 250 BAO, die auch für § 264 BAO gelten müsse, abgewichen.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem das Finanzamt auf eine Revisionsbeantwortung verzichtet hat, erwogen:
8 Die Revision ist zulässig und begründet.
9 Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
10 Der zweite Satz dieser Bestimmung wurde mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 105, angefügt. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage soll in Fällen, bei denen aus einem Vorlageantrag nicht ersichtlich ist, auf welche Beschwerdevorentscheidung er sich bezieht, ein inhaltlicher Mangel im Sinn des § 85 Abs. 2 BAO vorliegen. Das Mängelbehebungsverfahren obliegt dabei zwar dem Verwaltungsgericht, allerdings steht diese Zuständigkeit der Verpflichtung der Abgabenbehörde, bei unklaren Eingaben ihren Inhalt zu ermitteln, nicht entgegen (ErlRV 360 BlgNR 25. GP 23).
11 Die Regelung entspricht § 250 Abs. 1 lit. a BAO, wonach eine Beschwerde den Bescheid, gegen den sie sich richtet, bezeichnen muss. Ziel dieser Bestimmung ist es, die Behörde in die Lage zu versetzen, über die Beschwerde eine Entscheidung zu treffen, sodass es für die Bezeichnung des Bescheides genügt, dass aus dem gesamten Inhalt des Rechtsmittels hervorgeht, wogegen es sich richtet, und die Behörde auf Grund des Beschwerdevorbringens nicht zweifeln kann, welcher Bescheid angefochten ist (vgl. zur inhaltsgleichen Bestimmung für die Berufung VwGH 21.9.2005, 2001/13/0241, VwSlg. 8055/F, mwN).
12 Dies gilt auch für den Vorlageantrag. Zweck des § 264 Abs. 1 zweiter Satz BAO ist es, dem Verwaltungsgericht die ordnungsgemäße Bearbeitung eines Anbringens zu ermöglichen.
13 Als Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Antrags hervorgeht, wogegen er sich richtet, und das Verwaltungsgericht aufgrund des gesamten Anbringens nicht zweifeln kann, welche Beschwerdevorentscheidung angefochten ist (vgl. etwa Ritz, BAO6, § 264 Rz 4a, mwN; Althuber, taxlex 2015, 139 f).
14 Im Revisionsfall hat die belangte Behörde (das Finanzamt) offenbar keine Zweifel daran gehabt, gegen welche Beschwerdevorentscheidung sich der Revisionswerber wendete, weil im Vorlagebericht die Beschwerdevorentscheidung vom 1. Dezember 2016 angesprochen wird.
15 Aus welchem Grund es für das Bundesfinanzgericht unklar gewesen sein sollte, um welche Beschwerdevorentscheidung es sich gehandelt hatte, ist nicht ersichtlich. Es gab betreffend den Revisionswerber nur eine Beschwerdevorentscheidung. Spätestens aber mit der Übermittlung der Unterlagen an das Bundesfinanzgericht konnte kein Zweifel mehr bestehen, welche Beschwerdevorentscheidung der Revisionswerber bekämpfen wollte.
16 Das Bundesfinanzgericht hat daher zu Unrecht die Zurücknahme des Vorlageantrages erklärt. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
17 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 22. September 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020130074.L00Im RIS seit
18.10.2021Zuletzt aktualisiert am
05.11.2021