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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AsylG 2005 §18Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Faber und die Hofrätin Dr. Isabel Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in der Revisionssache des J A E, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juli 2021, W242 2225281-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein usbekischer Staatsangehöriger, stellte am 20. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, ihm drohe private Verfolgung durch einen Polizisten, welcher ihn auch auf eine Fahndungsliste gesetzt habe, bzw. behördliche Verfolgung aufgrund der Asylantragstellung im Ausland.
2 Mit Bescheid vom 4. Oktober 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Usbekistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einer hier nicht relevanten Maßgabe als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers betreffend die private Verfolgung durch den Polizisten zu Unrecht die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Das Vorbringen sei weder widersprüchlich noch zu detailreich und auch nicht gesteigert gewesen.
8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 25.9.2020, Ra 2019/19/0407, mwN).
9 Das BVwG, das sich in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte, erachtete dieses Fluchtvorbringen als unglaubwürdig. Es stützte seine Beurteilung insbesondere darauf, dass das Vorbringen in verschiedener Hinsicht widersprüchlich und im Laufe des Verfahrens mit Details angereichert worden sowie nicht nachvollziehbar sei. Die Revision legt nicht dar, dass diese Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.
10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiter vor, dem Revisionswerber drohe auf Grund von Recherchen in seinem Herkunftsstaat, welche vom BFA beauftragt worden seien, die Gefahr, bei seiner Rückkehr verhaftet und menschenrechtswidrig behandelt zu werden.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es das Gesetz grundsätzlich nicht erlaubt, personenbezogene Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat zu übermitteln (vgl. § 33 Abs. 4 BFA-VG und dazu das in der Revision zitierte hg. Erkenntnis vom 15. März 2018, Ra 2018/21/0012; zu den Ausnahmen vgl. § 33 Abs. 5 BFA-VG). Dieser dem Datenschutz dienenden Bestimmung liegt erkennbar der Gedanke zugrunde, dass der potentielle Verfolgerstaat über das Schutzansuchen des Betroffenen nicht informiert werden soll, und zwar nicht zuletzt deshalb, um eine Gefährdung von im Herkunftsstaat verbliebenen Personen, die dem Asylwerber nahestehen oder mit seiner Flucht in Zusammenhang gebracht werden können, zu verhindern. Der Verwaltungsgerichtshof hat dementsprechend auch in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass es den Asylbehörden nicht frei steht, sich durch fallbezogene Anfragen an Behörden des Heimatstaates vom Wahrheitsgehalt der Behauptungen des Asylwerbers zu überzeugen. Die Asylbehörden haben daher allgemein im Auge zu behalten, dass die von ihnen gesetzten Ermittlungsschritte das soeben angesprochene Ziel nicht konterkarieren. Ermittlungen, die unter diesem Blickwinkel dem Asylwerber schaden oder die Gefahr von Verfolgung oder eines ernsthaften Schadens für andere im Herkunftsstaat verbliebene Personen mit sich bringen können, sind daher als ungeeignet und nicht zweckdienlich im Sinn von § 46 AVG anzusehen und aus diesem Grund zu unterlassen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100; 18.1.2017, Ra 2016/18/0197).
12 Aufgrund der eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten hat sich im Asylverfahren auch die Praxis etabliert, Erkundigungen im Herkunftsstaat des Asylwerbers über private Personen vorzunehmen, die das Vertrauen der österreichischen Vertretungsbehörden („Vertrauensanwälte“) oder der ermittelnden Asylbehörde bzw. des BVwG genießen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass es sich bei den von diesen Privatpersonen abgegebenen Stellungnahmen und Berichten um keinen Beweis durch Sachverständige im Sinn des § 52 AVG, sondern um ein Beweismittel eigener Art handelt, das auf Grund der besonderen Ermittlungsschwierigkeiten in Bezug auf asylrechtlich relevante Sachverhalte im Heimatland des Asylwerbers im Sinn des § 46 AVG geeignet und zweckdienlich sein kann (vgl. grundlegend VwGH Ra 2015/18/0100).
13 Es kann dahinstehen, ob der vom BFA beauftragte Vertrauensmann Erkundigungen bei den Behörden des Herkunftsstaates unter Nennung des Namens des Revisionswerbers vorgenommen hat. Das BVwG ist nämlich unter Bezugnahme auf seine Länderfeststellungen zum Ergebnis gelangt, auf Grund des Vorbringens im bisherigen Verfahren bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass der Revisionswerber wegen der in Zusammenhang mit seiner Asylantragstellung in Österreich erfolgten Erkundigungen in seinem Herkunftsstaat einer konkreten individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Derartiges zeigt die Revision mit ihrem insoweit lediglich allgemein gehaltenen Vorbringen auch nicht auf. Dies gelingt ihr auch nicht mit dem Hinweis auf Ausschnitte des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, wonach in Usbekistan die Asylantragstellung im Ausland dann mit Freiheitsstrafe geahndet werde, wenn der Betreffende gegenüber Dritten Angaben gemacht habe, die den Staat verunglimpfen oder verleumden oder staatlich geheimgehaltene Informationen genannt würden. Dass diese Voraussetzungen hinsichtlich des Revisionswerbers gegeben wären, legt die Revision nicht konkret dar.
14 Insgesamt zeigt die Revision daher auch hinsichtlich des geltend gemachten Nachfluchtgrundes nicht auf, dass die Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.
15 Wenn die Revision zu ihrer Zulässigkeit schließlich vorbringt, von der Person des Revisionswerbers hinge auf Grund seiner „goldenen Hand“ für Blumen die Existenz seiner in Österreich im Blumenhandel beschäftigten Familienmitglieder ab, legt sie nicht konkret dar, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 27.5.2021, Ra 2021/19/0155, mwN).
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 23. September 2021
Schlagworte
Sachverständiger HaftungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190315.L00Im RIS seit
18.10.2021Zuletzt aktualisiert am
18.10.2021