TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/19 96/11/0122

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Veröffentlicht am 19.12.1996
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Index

L94059 Ärztekammer Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1984 §73;
B-VG Art130 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §33 Abs1;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Dr. T, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Dr. H, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 8. Februar 1996, Zl. B 11/96, betreffend einmalige Leistung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen einer in Wien niedergelassenen praktischen Ärztin. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde sein Antrag vom 11. Juli 1995 auf Gewährung einer einmaligen Leistung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien nach § 73 Abs. 1 des Ärztegesetzes 1984 in Verbindung mit § 33 der Satzung des Wohlfahrtsfonds dieser Ärztekammer bzw. § 73 Abs. 2 ÄrzteG in Verbindung mit § 34 der Satzung abgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgebenden Rechtsvorschriften haben folgenden

Inhalt:

Gemäß § 73 Abs. 1 ÄrzteG können aus dem Wohlfahrtsfonds einmalige oder wiederkehrende Leistungen für die Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung der Kinder von Kammerangehörigen und von Empfängern einer Alters- oder Invaliditätsversorgung und Waisen unter Berücksichtigung der Familien-, Einkommen- und Vermögensverhältnisse nach Maßgabe der in der Satzung zu erlassenden Richtlinien gewährt werden. Nach dem ersten Satz des § 33 Abs. 1 der Satzung kann auf Antrag des Fondsmitgliedes eine einmalige Leistung aus besonderen Anlässen (Geburt, Verehelichung, Krankheit, Pflege, Todesfall) gewährt werden.

Gemäß § 73 Abs. 2 ÄrzteG können aus dem Wohlfahrtsfonds im Falle eines wirtschaftlich bedingten Notstandes Kammerangehörigen oder Hinterbliebenen nach Ärzten, die mit diesen in Hausgemeinschaft gelebt haben, sowie dem geschiedenen Ehegatten (der geschiedenen Ehegattin) einmalige oder wiederkehrende Leistungen gewährt werden. Das gleiche gilt für Ärzte, die aus dem Wohlfahrtsfonds eine Alters- oder Invaliditätsversorgung beziehen. Gemäß § 34 Abs. 1 der Satzung können bei wirtschaftlich bedingtem Notstand vom Verwaltungsausschuß einmalige oder wiederkehrende Unterstützungen aus dem Wohlfahrtsfonds an näher umschriebene Personenkreise - darunter Fondsmitglieder - gewährt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt vorerst die Ansicht der belangten Behörde, die Gewährung einmaliger Leistungen gemäß § 73 ÄrzteG liege im Ermessen der zuständigen Organe der Ärztekammer. Wenn auch die Verwendung des Wortes "können" im Zusammenhang mit der rechtlichen Umschreibung einer Kompetenz nicht in jedem Fall die Einräumung von Ermessen an die Vollzugsbehörde darstellt, ist dies aber immerhin ein Indiz hiefür (vgl. Bernard in Ermacora u.a. - Hrsg. -, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1979, S. 91). Gewißheit erlangt man aber im Wege einer systematischen Betrachtung. Auf die Erbringung der meisten Leistungen des Wohlfahrtsfonds besteht nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes und der Satzung ein Rechtsanspruch. Im § 64 Abs. 1 ÄrzteG sind jene Leistungen aufgezählt, die zu gewähren sind; die Leistungen gemäß § 73 scheinen in diesem Zusammenhang nicht auf. Bei den folgenden näheren Bestimmungen wird regelmäßig eine Diktion verwendet, die damit übereinstimmend einen Rechtsanspruch des Leistungsempfängers normiert ("wird gewährt", "ist zu gewähren", "ein Anspruch auf ... besteht", "... gebührt", "... erhält der Kammerangehörige"). Was die in § 73 ÄrzteG vorgesehenen einmaligen Leistungen des Wohlfahrtsfonds anlangt, wird es zunächst dem Verordnungsgeber (Satzungsgeber) anheim gestellt, ob er solche Leistungen vorsehen will. Die Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien enthält diesbezüglich die bereits eingangs wiedergegebenen Bestimmungen betreffend einmalige Leistungen. Darin wird aber ebenfalls - in der selben Diktion wie in den gesetzlichen Grundlagen - kein Rechtsanspruch statuiert; die hier aufscheinenden "Kann-Bestimmungen" müssen als Einräumung des Ermessens angesehen werden. Das ergibt sich auch daraus, daß die Voraussetzungen, unter denen der vom Beschwerdeführer als gegeben erachtete Anspruch bestehen soll, nicht in einer hiefür erforderlichen Bestimmtheit normiert sind.

Angesichts des insofern klaren Wortlautes der einschlägigen Rechtsvorschriften geht der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Gesetzesmaterialien ins Leere.

Das Fehlen eines Rechtsanspruches bedeutet aber nicht, daß der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines Begehrens nicht in seinen Rechten verletzt werden könnte. Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zutreffend davon aus, daß er zumindest ein Recht auf Ermessensübung im Sinne des Gesetzes habe.

Was eine Leistung nach § 73 Abs. 1 ÄrzteG in Verbindung mit § 33 der Satzung anlangt, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Jänner 1994, Zl. 93/11/0167, zum Ausdruck gebracht, daß Voraussetzung der Gewährung einer Leistung die im § 73 Abs. 1 ÄrzteG genannten Gründe sind. Von solchen war im Begehren des Beschwerdeführers keine Rede.

Einmalige Leistungen nach § 73 Abs. 2 ÄrzteG in Verbindung mit § 34 der Satzung setzen voraus, daß bei einer der in § 34 Abs. 1 der Satzung genannten Personen ein wirtschaftlich bedingter Notstand vorliegt. Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag an den Verwaltungsausschuß dargestellt, wie es zu dem Konkursverfahren gekommen sei, daß nämlich die finanziellen Schwierigkeiten der Gemeinschuldnerin aus einem Verkehrsunfall ihres Ehemannes und dessen daraus resultierender Erwerbsunfähigkeit sowie aus der Überschuldung einer von ihrer Mutter übernommenen Drogerie herrührt. Diese finanziellen Schwierigkeiten gefährdeten die Fortführung der Ordination der Gemeinschuldnerin.

Die belangte Behörde sieht nach der Begründung des angefochtenen Bescheides einen wirtschaftlich bedingten Notstand im Sinne der hier anzuwendenden Rechtsvorschriften nur dann als gegeben an, wenn dieser Notstand "aus der Ausübung des ärztlichen Berufes resultiert". Dies treffe im vorliegenden Fall nicht zu.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt zwar die in der Gegenschrift zum Ausdruck kommende Auffassung, daß die Notstandsunterstützung nach § 73 Abs. 2 ÄrzteG in Verbindung mit § 34 der Satzung im Sinne des Gesetzes dem Zweck dienen kann, im Interesse der "Gesundheitsversorgung der Bevölkerung" die Aufrechterhaltung der ärztlichen Tätigkeit eines Fondsmitgliedes zu ermöglichen. Ein Abstellen auf die Ursachen des wirtschaftlichen Notstandes, wie es die belangte Behörde getan hat, entspricht hingegen dem Sinn des Gesetzes nicht. Wenn als Anhaltspunkt für die Ermittlung des Sinnes des Gesetzes die Kriterien des - freilich nicht unmittelbar aufwendbaren - § 73 Abs. 1 ÄrzteG herangezogen werden, deutet ebenfalls nichts auf eine Anknüpfung an einen zwingenden Zusammenhang der Gewährung einer einmaligen Leistung mit der ärztlichen Berufungsausübung als Ursache des wirtschaftlichen Notstandes hin. Zu demselben Ergebnis führt auch die Überlegung, daß in das System der sozialen Versorgung der Ärzte durch den Wohlfahrtsfonds auch deren Angehörige insoferne eingebunden sind, als Leistungen des Fonds auch wirtschaftliche Notlagen beseitigen oder lindern sollen, die ihre Ursache in der Sphäre der Angehörigen, mithin nicht in der ärztlichen Tätigkeit des Fondsmitgliedes, haben. Desgleichen ist die beabsichtigte Art der Verwendung der einmaligen Leistung zum Zweck der Beseitigung oder Milderung des wirtschaftlichen Notstandes für die Ermessensübung unerheblich.

Die Frage, ob der wirtschaftliche Notstand selbstverschuldet ist, kann hingegen bei der Ermessensübung im Sinne des Gesetzes eine Rolle spielen. Darauf ist die belangte Behörde aber nicht eingegangen.

Wenn die belangte Behörde auf die betragsmäßige Beschränkung einmaliger Leistungen hinweist, die im gegebenen Zusammenhang eine effektive Hilfe ausschlösse, so ist dem zu entgegnen, daß § 34 der Satzung - zum Unterschied vom § 33 - eine solche Beschränkung nicht vorsieht.

Was die in der Begründung des angefochtenen Bescheides nebenbei ("Nur der Vollständigkeit halber sei noch auf folgendes hingewiesen:") erwähnte mutmaßliche Erfolglosigkeit der angestrebten Hilfe betrifft (der vom Beschwerdeführer geforderte Betrag sei zu niedrig, um den wirtschaftlichen Notstand zu beseitigen), kann dahinstehen, ob es sich dabei nach dem Willen der belangten Behörde um ein tragendes Begründungselement handelt. Sollte dies der Fall sein, wäre der angefochtene Bescheid trotzdem mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet: Der Beschwerdeführer hat einen konkreten Betrag begehrt, der ihm einen Zwangsausgleich ermöglichen sollte. Wenn nun die Behörde die Meinung vertritt, dies würde den wirtschaftlichen Notstand nicht nachhaltig beseitigen, so hätte sie diese ihre Auffassung dem Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides vorzuhalten gehabt und ihm Gelegenheit geben müssen, dazu Stellung zu nehmen, dieses - erstmals im angefochtenen (Berufungs-) Bescheid aufscheinende - Begründungselement vermag daher ebenfalls eine im Sinne des Gesetzes gelegene Ermessensübung nicht darzutun.

Die belangte Behörde hat die von ihr getroffene Ermessensentscheidung nicht ausreichend begründet. Sie hat damit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996110122.X00

Im RIS seit

22.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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